Urteil vom Finanzgericht Düsseldorf - 4 K 2955/15 Z,EU
Tenor
Der Einfuhrabgabenbescheid vom 14. Januar 2015 in der Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 21. August 2015 wird aufgehoben, soweit 13.031,26 € Einfuhrumsatzsteuer festgesetzt worden ist. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
Die Kosten des Verfahrens tragen die Klägerin zu 13 % und der Beklagte zu 87 %.
Das Urteil ist wegen der Kosten ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des jeweils zu vollstreckenden Betrages abwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
Die Revision wird nicht zugelassen.
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T a t b e s t a n d:
2Die Klägerin meldete als Hauptverpflichtete am 23. Oktober 2014 beim Zollamt … Teile für die Automobilindustrie aus der Schweiz, aus der Türkei und aus Bosnien-Herzegowina zur Überführung in das externe gemeinschaftliche Versandverfahren an. Die Zollstelle nahm die Anmeldung an und bestimmte eine Frist für die Gestellung der Waren bei der Zollbehörde im Hafen von Antwerpen bis zum 30. Oktober 2014. Da die Waren dort nicht gestellt wurden, forderte das beklagte Hauptzollamt die Klägerin mit Schreiben vom 2. Dezember 2014 auf, die ordnungsgemäße Beendigung des Versandverfahrens nachzuweisen. Die Klägerin teilte dem beklagten Hauptzollamt daraufhin mit, die Waren seien nach Mexiko ausgeführt worden. Sie übersandte insoweit einen Seefrachtbrief der A AG vom 28. Oktober 2014.
3Das beklagte Hauptzollamt ging davon aus, dass die Klägerin die Waren der zollamtlichen Überwachung entzogen habe und setzte deshalb gegen sie mit Bescheid vom 14. Januar 2015 1.892,22 € Zoll sowie 13.031,26 € Einfuhrumsatzsteuer fest.
4Mit ihrem hiergegen eingelegten Einspruch trug die Klägerin vor: Die Waren seien von Antwerpen aus mit der Bestimmung Mexiko verschifft worden. Der Versand des betreffenden Containers sei in dem belgischen Zollsystem APCS als erledigt vermerkt worden. Einfuhrdokumente aus Mexiko seien angefordert worden, lägen wegen der dort bestehenden administrativen Schwierigkeiten jedoch noch nicht vor.
5Das beklagte Hauptzollamt übersandte der belgischen Zollverwaltung am 19. Mai 2015 die Versandanmeldung, den von der Klägerin übersandten Seefrachtbrief und die Handelsrechnungen sowie einen Auszug aus dem Zollsystem APCS mit der Bitte um Prüfung, ob sie für die Erhebung der Einfuhrabgaben zuständig sei. Hierauf erhielt das beklagte Hauptzollamt keine Antwort.
6Das beklagte Hauptzollamt wies den Einspruch mit Entscheidung vom 21. August 2015 zurück und führte zur Begründung aus: Die Klägerin habe nicht nachgewiesen, dass das Versandverfahren ordnungsgemäß beendet worden sei. Die von ihr übersandten Unterlagen entsprächen auch nicht den Erfordernissen des Art. 366 Abs. 2 und 3 der Verordnung (EWG) Nr. 2454/93 (ZKDVO) der Kommission vom 2. Juli 1993 mit Durchführungsvorschriften zu der Verordnung (EWG) Nr. 2913/92 des Rates zur Festlegung des Zollkodex der Gemeinschaften (ABl. EG Nr. L 253/1).
7Die Klägerin trägt mit ihrer Klage vor: Ihr sei die Bewilligung einer zugelassenen Wirtschaftsbeteiligten für zollrechtliche Vereinfachungen erteilt worden. Ihr müsse es deshalb gestattet werden, elektronische Dokumente in Kopie vorzulegen. Darüber hinaus ergebe sich aus der von ihr übersandten Zollbescheinigung (Bl. 43 ff. GA), das die Waren in Mexiko zum freien Verkehr abgefertigt worden seien. Da es in Mexiko weder unterschriebene Exemplare noch beglaubigte Kopien dieser Zollbescheinigung gebe, könne sie derartige Unterlage nicht beibringen. Da die Waren nach Mexiko ausgeführt worden seien, sei die Abgabenschuld jedenfalls nach Art. 124 Abs. 1 Buchst. k der Verordnung (EU) Nr. 952/2013 (Unionszollkodex - UZK -) des Europäischen Parlaments und des Rates vom 9. Oktober 2013 zur Festlegung des Zollkodex der Union erloschen. Im Übrigen reichten die von ihr übersandten Unterlagen nach § 10 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 Buchst. b der Umsatzsteuer-Durchführungsverordnung (UStDV) aus, um eine umsatzsteuerfreie Ausfuhrlieferung nachzuweisen. Das müsse auch für die Einfuhrumsatzsteuer gelten, die sie nicht als Vorsteuer abziehen könne.
8Die Klägerin beantragt,
9den Einfuhrabgabenbescheid vom 14. Januar 2015 in der Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 21. August 2015 aufzuheben.
10Das beklagte Hauptzollamt beantragt,
11die Klage abzuweisen.
12Zur Begründung trägt es vor: Die von der Klägerin im Klageverfahren übersandten Unterlagen genügten nicht den Anforderungen des Art. 366 Abs. 2 und 3 ZKDVO. Es handele sich nicht um Originaldokumente der mexikanischen Zollverwaltung, die Kopie sei nicht von der zuständigen Behörde beglaubigt worden, das Blatt „Pedimento de Importacion“ fehle und die betreffenden Waren ließen sich nicht eindeutig identifizieren. So finde sich zwar die Position 1 des Versandscheins mit ihren Rechnungsnummern und Warenwerten in der übersandten Kopie wieder, nicht jedoch die Warenbezeichnung und zutreffende Zolltarifnummer. Die Bewilligung als zugelassene Wirtschaftsbeteiligte entbinde die Klägerin nicht von ihrer Nachweispflicht nach Art. 366 ZKDVO. § 10 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 Buchst. b UStDV sei nicht einschlägig, weil die Klägerin keine Ausfuhrlieferung ausgeführt habe.
13E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e:
14Die Klage ist überwiegend begründet. Der Einfuhrabgabenbescheid vom 14. Januar 2015 in der Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 21. August 2015 ist rechtswidrig und verletzt die Klägerin in ihren Rechten, soweit das beklagte Hauptzollamt 13.031,26 € Einfuhrumsatzsteuer festgesetzt hat. Im Übrigen ist der Einfuhrabgabenbescheid vom 14. Januar 2015 in der Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 21. August 2015 rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten (§ 100 Abs. 1 Satz 1 der Finanzgerichtsordnung - FGO -).
15Das beklagte Hauptzollamt hat den Zoll zu Recht gegen die Klägerin festgesetzt. Für die in das externe gemeinschaftliche Versandverfahren übergeführten Waren ist nach Art. 203 Abs. 1 der Verordnung (EWG) Nr. 2913/92 (Zollkodex - ZK -) des Rates vom 12. Oktober 1992 zur Festlegung des Zollkodex der Gemeinschaften eine Zollschuld entstanden. Die Waren sind der zollamtlichen Überwachung entzogen worden, weil sie entgegen Art. 96 Abs. 1 Satz 2 Buchst. a ZK nicht der Bestimmungsstelle in Antwerpen gestellt worden sind (vgl. Gerichtshof der Europäischen Union - EuGH -, Urteil vom 29. Oktober 2015 Rs. C-319/14 Randnr. 32, 40, Zeitschrift für Zölle und Verbrauchsteuern 2016, 96). Die Klägerin ist als Hauptverpflichtete (Art. 96 Abs. 1 Satz 1 ZK) nach Art. 203 Abs. 3 Anstrich 1 ZK Zollschuldnerin geworden, weil sie die aus Art. 96 Abs. 1 Satz 2 Buchst. a ZK folgende Verpflichtung der Gestellung der Waren bei der Bestimmungsstelle nicht erfüllt hat.
16Wie die Klägerin selbst nicht in Abrede stellt, hat sie keine Dokumente i.S. des Art. 366 Abs. 2 ZKDVO vorgelegt, aus denen sich ergibt, dass die Waren in einem Drittland eine zulässige zollrechtliche Bestimmung erhalten haben oder sich dort im freien Verkehr befinden. Wie sich aus Art. 366 Abs. 3 ZKDVO ergibt, sind die in Art. 366 Abs. 2 ZKDVO genannten Unterlagen im Original vorzulegen. Hierzu sieht sich die Klägerin nicht in der Lage. Die Klägerin hat auch keine Kopien vorgelegt, die von der Zollbehörde, welche die Originaldokumente mit einem Sichtvermerk versehen hat, den Behörden der betreffenden Drittländer oder den Behörden eines der Mitgliedstaaten beglaubigt worden sind (Art. 366 Abs. 3 ZKDVO). Die von der Klägerin übersandten Unterlagen, insbesondere die im Klageverfahren übersandte Zollbescheinigung der mexikanischen Zollverwaltung (Bl. 43 ff. GA) sind nicht beglaubigt worden.
17Die Nachweiserfordernisse des Art. 366 Abs. 2 und 3 ZKDVO sind nicht unverhältnismäßig (Bundesfinanzhof, Beschluss vom 9. September 2009 VII B 245/08, BFH/NV 2010, 83; vgl. auch EuGH, Urteil vom 29. Oktober 2015 Rs. C-319/14 Randnr. 32). Der Umstand, dass der Klägerin die Bewilligung einer zugelassenen Wirtschaftsbeteiligten für zollrechtliche Vereinfachungen erteilt worden ist, ändert an den Nachweiserfordernissen des Art. 366 Abs. 2 und 3 ZKDVO nichts. Denn einem zugelassenen Wirtschaftsbeteiligten werden nach Art. 5a Abs. 1 Unterabs. 2 ZK die Erleichterungen und Vereinfachungen nur im Rahmen der zollrechtlichen Vorschriften gewährt. Art. 366 ZKDVO sieht für einen zugelassenen Wirtschaftsbeteiligten keine geringeren Nachweispflichten vor wie für einen anderen Wirtschaftsbeteiligten.
18Die Klägerin kann sich auch nicht mit Erfolg auf Art. 124 Abs. 1 Buchst. k UZK berufen. Diese Bestimmung ist gemäß Art. 288 Abs. 2 UZK im Streitfall noch nicht anwendbar, weil die Zollschuld hier nach Art. 203 Abs. 2 ZK vor dem 1. Mai 2016 entstanden ist. Art. 124 Abs. 1 UZK enthält nur materiell-rechtliche Vorschriften (vgl. für die Verjährung der Zollschuld nach Art. 233 Unterabs. 1 ZK: EuGH, Urteil vom 23. Februar 2006 Rs. C-201/04, Slg 2006, I-2049 Randnr. 41). Derartige materiell-rechtliche Vorschriften sind grundsätzlich nicht auf vor ihrem Inkrafttreten entstandene Sachverhalte anzuwenden (EuGH, Urteil vom 23. Februar 2006 Rs. C-201/04, Slg 2006, I-2049 Randnr. 31).
19Das beklagte Hauptzollamt hat jedoch zu Unrecht die Einfuhrumsatzsteuer gegen die Klägerin festgesetzt. Wenn auch für die Waren nach Art. 203 Abs. 1 ZK eine Zollschuld entstanden ist, weil sie bei der Bestimmungsstelle nicht gestellt wurden und die Klägerin keine Nachweise gemäß Art. 366 Abs. 2 oder 3 ZKDVO erbracht hat, so ist gleichwohl für die Waren nach Art. 2 Abs. 1 Buchst. d der Richtlinie 2006/112 des Rates vom 28. November 2006 über das gemeinsame Mehrwertsteuersystem (Mehrwertsteuersystemrichtlinie - MwStSystRL -) keine Einfuhrumsatzsteuerschuld entstanden (vgl. EuGH, Urteil vom 2. Juni 2016 Rs. C-228/14, Randnr. 49 f. und 77). Die fraglichen Waren unterlagen nämlich vom Zeitpunkt ihrer Verbringung in die Union an einem der in Art. 61 MwStSystRL genannten Verfahren. Obgleich die Waren bei der Bestimmungsstelle in Antwerpen nicht gestellt worden sind, unterlagen sie bis zum Zeitpunkt ihrer Wiederausfuhr dem externen Versandverfahren, ohne in den Wirtschaftskreislauf der Union zu gelangen. Das schließt es aus, eine steuerpflichtige Einfuhr der Waren i.S. des Art. 2 Abs. 1 Buchst. d MwStSystRL anzunehmen (vgl. EuGH, Urteil vom 2. Juni 2016 Rs. C-228/14, Randnr. 77 ff.).
20Die Wiederausfuhr der Waren hat die Klägerin mit den von ihr vorgelegten Unterlagen nachgewiesen. Die von der Klägerin im Einspruchsverfahren übersandten Unterlagen, insbesondere der Seefrachtbrief der A AG und die Rechnungen der Lieferanten der Waren sowie die im Klageverfahren übersandten Einfuhrunterlagen aus Mexiko (Bl. 43 ff. GA) führen in Verbindung mit den Angaben der Versandanmeldung nach Überzeugung des Gerichts (§ 96 Abs. 1 Satz 1 FGO) zu der Feststellung, dass die in Rede stehenden Waren tatsächlich über den Hafen Antwerpen nach Mexiko ausgeführt worden sind.
21Das beklagte Hauptzollamt bestreitet nicht die Wiederausfuhr der Waren über den Hafen in Antwerpen nach Mexiko. Der Vertreter des beklagten Hauptzollamts hat auf Nachfrage des Gerichts in der mündlichen Verhandlung insoweit im Wesentlichen erklärt, dass die Klägerin die Nachweise nach Art. 366 ZKDVO nicht beigebracht habe. Die Wiederausfuhr der Waren als solche hat er jedoch nicht in Abrede gestellt. Soweit das beklagte Hauptzollamt schriftsätzlich vorgetragen hat, anhand der von der Klägerin übersandten Unterlagen ließen sich die betreffenden Waren (teilweise) nicht eindeutig identifizieren, hat der Vertreter des beklagten Hauptzollamts dies in der mündlichen Verhandlung relativiert. So hat das beklagte Hauptzollamt zwar schriftsätzlich vorgetragen, die Position 1 des Versandscheins mit ihren Rechnungsnummern und Warenwerten finde sich in der übersandten Kopie wieder, nicht jedoch die Warenbezeichnung und die zutreffende Zolltarifnummer. Etwaige Abweichungen der dem Zolltarif entnommenen Warenbezeichnungen und Zolltarifnummern sind jedoch allein nicht geeignet, die tatsächliche Wiederausfuhr der in das Versandverfahren übergeführten Waren in Frage zu stellen. Der Vertreter des beklagten Hauptzollamts hat zudem eingeräumt, dass die fehlende Warenbezeichnung und zutreffende Zolltarifnummer in den übersandten Unterlagen lediglich ein Hilfsargument gewesen sei. Der Vertreter des beklagten Hauptzollamts hat insbesondere auf Nachfrage des Gerichts nicht bestritten, dass die hier in Rede stehenden Waren tatsächlich nach Mexiko ausgeführt worden sind, wenn die Klägerin dies auch nicht gemäß Art. 366 Abs. 2 oder 3 ZKDVO nachgewiesen hat.
22Die Kostenentscheidung beruht auf § 136 Abs. 1 Satz 1 FGO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf den §§ 151 Abs. 3, 155 Satz 1 FGO i. V. m. den §§ 708 Nr. 10, 711 der Zivilprozessordnung. Die Revision ist nicht zuzulassen, weil die Voraussetzungen des § 115 Abs. 2 FGO nicht vorliegen.
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