Urteil vom Finanzgericht Düsseldorf - 7 K 750/16 E
Tenor
Die Klage wird abgewiesen.
Die Kläger tragen die Kosten des Verfahrens.
1
Tatbestand:
2Streitig ist die Änderungsmöglichkeit des Einkommensteuerbescheides für das Jahr 2012.
3Die Kläger sind zur Einkommensteuer zusammenveranlagte Ehegatten. Der Kläger erzielte Einkünfte aus Gewerbebetrieb und ermittelte seinen Gewinn nach § 4 Abs.3 EStG durch Einnahme-/Überschussrechnung. Die Umsatzsteuervorauszahlung für November 2012 in Höhe von 4.478 EUR wurde am 8.1.2013 gezahlt. Dieser Betrag war in der Gewinnermittlung für das Streitjahr 2012, die zusammen mit der Steuererklärung von dem damaligen Steuerberater angefertigt und elektronisch übermittelt worden war, nicht gewinnmindernd berücksichtigt.
4Wegen Nichtabgabe der Steuererklärungen wurde mit Einkommensteuerbescheid 2013 der Gewinn aus Gewerbebetrieb zunächst mit Bescheid vom 9.4.2015 in Höhe von 150.000 EUR geschätzt. Hiergegen erhoben die Kläger am 8.5.2015 Einspruch und übermittelten am 27.5.2015 eine Steuererklärung. Hierin erklärte der Kläger einen gewerblichen Gewinn von 126.333 Euro. Bei der Ermittlung des Gewinns wurde die Umsatzsteuervorauszahlung November 2012 von 4.478 EUR berücksichtigt. Mit Bescheid vom 23.6.2015 änderte der Beklagte den Einkommensteuerbescheid 2013 und berücksichtigte den gewerblichen Gewinn in der erklärten Höhe. Mit Schreiben vom 14.8.2015 beantragten die Kläger den Gewinn für 2013 auf 127.241 Euro herabzusetzen. An Stelle der bisher als Betriebsausgabe berücksichtigten Umsatzsteuer‑Vorauszahlung November 2012 in Höhe von 4.478 Euro sei die Umsatzsteuer‑Vorauszahlung November 2013 in Höhe von 3.570 Euro abzuziehen. Der Beklagte änderte am 01.09.2015 den Einkommensteuerbescheid 2013 entsprechend.
5Am 17.09.2015 beantragten die Kläger die Änderung des Einkommensteuerbescheides 2012. Das Finanzamt habe die Umsatzsteuer‑Vorauszahlung November 2012 nicht als Betriebsausgabe für 2013 angesetzt und den Gewinn 2013 entsprechend erhöht. Die Zahlung für November 2012 von 4.478 Euro sei aber als gewinnmindernde Betriebsausgabe im Jahre 2012 anzusetzen.
6Mit Bescheid vom 30.09.2015 lehnte der Beklagte diesen Antrag ab. Zur Begründung führte er aus, verfahrensrechtlich sei eine Änderung des bestandskräftigen Einkommensteuerbescheides 2012 nicht möglich. § 173 AO greife nicht ein. Zwar handele es sich bei dem Vorbringen, dass die Umsatzsteuer‑Vorauszahlung kurze Zeit nach Beendigung des Kalenderjahres fällig gewesen und abgeflossen sei, um eine neue, nachträglich bekannt gewordene Tatsache. Die Änderung sei aber auf Grund groben Verschuldens der Kläger ausgeschlossen. In den Erläuterungen zur Anlage EÜR befinde sich ausdrücklich der Hinweis, dass eine innerhalb von 10 Tagen nach Beginn des Kalenderjahres fällige und entrichtete Umsatzsteuer‑Vorauszahlung im Vorjahr als Betriebsausgabe zu berücksichtigen sei. Vor diesem Hintergrund könne dem Steuerpflichtigen grundsätzlich grobes Verschulden entgegengehalten werden, wenn er die Umsatzsteuer‑Vorauszahlung nicht zutreffend berücksichtigt habe. Dies gelte insbesondere dann, wenn sich der Steuerpflichtige der Hilfe eines Steuerberaters bedient habe. An einen Steuerberater seien höhere Anforderungen an die vorhandenen Kenntnisse und Fähigkeiten zu stellen; der Steuerpflichtige müsse sich dessen Sorgfaltspflichtverletzung zurechnen lassen. Eine Änderung nach § 174 Abs. 3 AO komme ebenfalls nicht in Betracht. Die unterbliebene Berücksichtigung der Umsatzsteuer‑Vorauszahlung als Betriebsausgabe des Kalenderjahres der wirtschaftlichen Zugehörigkeit sei nicht auf Grund der erkennbaren Annahme der Veranlagungsstelle erfolgt, dass dieser Sachverhalt in einem späteren Kalenderjahr zu berücksichtigen sei. Eine offenbare Unrichtigkeit im Sinne von § 129 AO liege nicht vor. Ein Rechtsanwendungsfehler könne nicht ausgeschlossen werden.
7Gegen den Ablehnungsbescheid erhoben die Kläger am 23.10.2015 Einspruch. Sie trugen vor, die Voraussetzungen für eine Änderung nach § 174 Abs. 3 AO seien erfüllt. Die Nichtberücksichtigung in 2012 sei erfolgt, weil angenommen worden sei, die Zahlung sei im Jahre 2013 als Betriebsausgabe zu erfassen. Diese Annahme beruhe auf einem Versehen des Steuerpflichtigen, dem die Finanzverwaltung gefolgt sei. Eine Berücksichtigung der Umsatzsteuer‑Vorauszahlung November 2012 als Betriebsausgabe im Jahr 2012 sei gerade und nur deshalb unterblieben, weil diese wegen des zeitlichen Abschlusses im Jahr 2013 im Veranlagungszeitraum 2013 als Betriebsausgabe angesetzt worden sei. Damit sei die erforderliche Kausalität gegeben. Dieser Sachverhalt sei dem Finanzamt auch bekannt gewesen. Auf Grund der eingereichten Umsatzsteuer‑Voranmeldungen für 2012 und 2013 sowie der eingereichten Gewinnermittlungen seien die Höhe und der Abflusszeitpunkt der Umsatzsteuer‑Vorauszahlungen bekannt gewesen. Die fehlerhafte Nichtberücksichtigung sei auch für den Steuerpflichtigen erkennbar gewesen. Daneben seien auch die Voraussetzungen des § 129 AO erfüllt. Für das Finanzamt sei aus den Daten zur Umsatzsteuer‑Voranmeldung und aus der Gewinnermittlung erkennbar gewesen, dass die Umsatzsteuer‑Vorauszahlung November 2012 als Betriebsausgabe im Jahr 2012 zu erfassen sei, zumal es sich hierbei um einen Vorgang handele, der bei einer Vielzahl von umsatzsteuerpflichtigen Steuerpflichtigen auftrete. Bestätigt werde dies durch die Entscheidung des BFH vom 27.08.2013, BStBl 2014, S. 439.
8Am 02.02.2016 wies der Beklagte den Einspruch unter Bezugnahme auf ein Schreiben vom 4.1.2016, welches im Wesentlichen die Gründe der Ablehnung wiederholte, als unbegründet zurück.
9Die Kläger haben am 4.3.2016 Klage erhoben zu deren Begründung sie ihr bisheriges Vorbringen wiederholen und vertiefen. Ergänzend tragen sie vor, unstreitig sei zwischen den Beteiligten, dass nach § 11 Abs. 2 Satz 2 die Umsatzsteuer‑Vorauszahlung für November 2012 im Veranlagungszeitraum 2012 grundsätzlich als Betriebsausgabe zu berücksichtigen sei. Entgegen der Ansicht des Finanzamtes bestünden Möglichkeiten zur Korrektur des Bescheides für 2012. Zunächst lägen die Voraussetzungen des § 174 Abs. 3 Satz 1 AO vor. Der Beklagte habe unstreitig am 08.01.2013 geleistete Umsatzsteuer‑Vorauszahlungen für November 2012 bei der Einkommensteuerveranlagung 2012 nicht berücksichtigt. Dem habe die irrige Annahme zu Grunde gelegen, der Betriebsausgabenabzug werde in einem anderen Steuerbescheid, nämlich dem Einkommensteuerbescheid 2013, berücksichtigt werden. Die Nichtberücksichtigung der Zahlung in 2012 sei auf Grund der versehentlichen Zuordnung als Betriebsausgabe zum Veranlagungszeitraum 2013 erfolgt, wobei § 11 Abs. 2 Satz 2 EStG nicht beachtet worden sei. Dieser rechtlichen Falschbeurteilung sei der Beklagte gefolgt. Diese Annahme habe sich sodann als unrichtig herausgestellt. Die Unrichtigkeit der Annahme, dass die Betriebsausgabe im Jahre 2013 anzusetzen sei, sei für die Nichtberücksichtigung in 2012 ursächlich gewesen. Der Beklagte war auf Grund der Umsatzsteuer‑Voranmeldung und der Gewinnermittlungen über die Höhe und Abflusszeitpunkte der Umsatzsteuer‑Vorauszahlungsbeträge vollständig im Bilde. Die fehlerhafte Nichtberücksichtigung der Umsatzsteuer‑Vorauszahlung November 2012 sei für die Kläger auch erkennbar gewesen. Das Wissen des steuerlichen Beraters um die Möglichkeit der steuerlichen Alternativanordnung des Sachverhaltes sei dem Steuerpflichtigen zuzurechnen.
10Auch die Voraussetzungen des § 129 AO seien erfüllt. § 129 AO sei auch anwendbar, wenn das Finanzamt offenbar fehlerhafte Angaben des Steuerpflichtigen als Eigene übernehme.
11Aus der in den Akten des Finanzamtes enthaltenen Prüfberechnung zur Einkommensteuer 2012 vom 19.02.2014 habe sich ein Risiko-und Prüfhinweis ergeben, wonach eine maschinelle Überprüfung der Angaben zur bezahlten Umsatzsteuer/erstatteten Umsatzsteuer nicht möglich sei. Der Hinweis sei in den Einkommensteuerakten farblich gelb markiert, was auf eine Prüfung des Hinweises durch das Finanzamt schließen lasse. Die Ausführungen des Beklagten, wonach dieser die Umsatzsteuer‑Vorauszahlung ohne weitere Überprüfung übernommen habe, sei daher nachweislich unzutreffend. Der Beklagte widerspreche sich zudem in seiner Argumentation. Einerseits berufe er sich darauf, dass er die Umsatzsteuer‑Vorauszahlungen ohne weitere Prüfung übernommen habe, um so die Korrektur nach § 174 Abs. 3 AO zurückzuweisen. Zum anderen berufe er sich hinsichtlich der Korrekturvorschrift des § 129 AO auf einen möglichen Rechtsirrtum, der aber bei einer bloßen Übernahme ohne weitere Prüfung gerade ausgeschlossen sei.
12Die Kläger beantragen,
13den Einkommensteuerbescheid 2012 vom 03.04.2014 unter Aufhebung des Ablehnungsbescheides vom 30.09.2015 und der Einspruchsentscheidung vom 02.02.2016 mit der Maßgabe zu ändern, dass die Umsatzsteuerzahllast für den Voranmeldungszeitraum November 2012 in Höhe von 4.478 Euro als gewinnmindernde Betriebsausgabe berücksichtigt wird.
14Der Beklagte beantragt,
15die Klage abzuweisen.
16Er vertritt die Ansicht, § 174 Abs. 3 AO setze voraus, dass das Finanzamt den ihm bekannten bestimmten Sachverhalt dahin würdige, dass er in einem anderen Bescheid zu erfassen sei. Dies sei hier nicht gegeben. Der Rechtsirrtum habe auf Seiten des Klägers stattgefunden. Es seien hier die Umsatzsteuer‑Vorauszahlungen lediglich ohne weitere Prüfung übernommen worden. Eine offenbare Unrichtigkeit sei ebenfalls nicht gegeben. Es liege vielmehr ein Rechtsirrtum vor. Der im Rahmen der Veranlagung ausgegebene Risikohinweis führe nicht zu einem anderen Ergebnis. Auf Grund der 10 Tage‑Regelung, der Sondervorauszahlungen für die Dauerfristverlängerung und der Zahlung der Dezember-Vorauszahlung in der Regel erst im Februar des Folgejahres komme es immer wieder zu Verschiebungen, sodass eine Überprüfung mitunter einen erheblichen Arbeitsaufwand bedeute. Auf Grund der Tatsache, dass dies bei vergleichbaren Steuerpflichtigen regelmäßig vorkomme, könne von der Richtigkeit ausgegangen werden. Es sei nicht erkennbar, dass der Sachbearbeiter die Umsatzsteuer‑Vorauszahlung November 2012 bewusst nicht in 2012 berücksichtigt habe und es habe auch keinen Hinweis gegeben, diese erst in 2013 zu berücksichtigen. In 2012 seien die Beträge nur überschlägig geprüft und die geringen Abweichungen mit den üblichen Verschiebungen erklärt worden. Der Rechtsirrtum habe einzig auf der Seite des Klägers gelegen, nicht auf Seiten des Beklagten.
17Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird Bezug genommen auf den Inhalt der Gerichtsakten und der vom Finanzamt vorgelegten Steuerakten.
18Entscheidungsgründe
19Die Klage ist nicht begründet. Der Ablehnungsbescheid vom 30.9.2015 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 2.2.2016 ist rechtmäßig. Die Kläger haben keinen Anspruch darauf, dass der bestandskräftige Einkommensteuerbescheid für 2012 geändert wird.
20De Bescheid kann nicht nach § 129 AO berichtigt werden. Nach § 129 AO können Schreibfehler, Rechenfehler und ähnliche offenbare Unrichtigkeiten, die beim Erlass eines Verwaltungsakts unterlaufen sind, jederzeit berichtigt werden. Nach der zutreffenden Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs, von der abzuweichen keine Veranlassung besteht, ist eine Unrichtigkeit offenkundig, wenn der Fehler bei Offenlegung des Sachverhalts für jeden unvoreingenommenen Dritten klar und eindeutig als offenbare Unrichtigkeit erkennbar ist (BFH Urteil vom 27.8.2013 VIII R 9/11, BFHE 242, 302 BStBl II 2014, 439 m.w.N.). Offenbare Unrichtigkeiten in diesem Sinne sind mechanische Versehen wie beispielsweise Eingabe- oder Übertragungsfehler. Dagegen schließen Fehler bei der Auslegung oder Anwendung einer Rechtsnorm, eine unrichtige Tatsachenwürdigung oder die unzutreffende Annahme eines in Wirklichkeit nicht vorliegenden Sachverhalts die Annahme einer offenbaren Unrichtigkeit aus. § 129 AO ist ferner nicht anwendbar, wenn auch nur die ernsthafte Möglichkeit besteht, dass die Nichtbeachtung einer feststehenden Tatsache in einer fehlerhaften Tatsachenwürdigung oder einem sonstigen sachverhaltsbezogenen Denk- oder Überlegungsfehler begründet ist oder auf mangelnder Sachverhaltsaufklärung beruht. Da die Unrichtigkeit nicht aus dem Bescheid selbst erkennbar sein muss, ist § 129 AO auch dann anwendbar, wenn das Finanzamt offenbar fehlerhafte Angaben des Steuerpflichtigen als eigene übernimmt (BFH Urteil vom 27.8.2013 VIII R 9/11, a.a.O., m.w.N.). Unrichtigkeiten auf der Seite des Steuerpflichtigen sind offenbar, wenn sie sich ohne weiteres aus der Steuererklärung des Steuerpflichtigen, deren Anlagen sowie den in den Akten befindlichen Unterlagen für das betreffende Veranlagungsjahr ergeben (BFH Urteil vom 27.5.2009 X R 47/08 BStBl II 2009, 946 und vom 16.9.2015 IX R 37/14 BStBl II 2015,1040).
21Im Streitfall steht nicht mit der erforderlichen Gewissheit fest, dass die Nichterklärung der USt-Vorauszahlung November 2012 als Betriebsausgabe des Veranlagungszeitraums 2012 auf einem mechanischen Versehen des Steuerberaters, der mit der Erstellung der Steuererklärung betraut war, beruhte. Denn für die Zuordnung der Vorauszahlung zu den in 2012 abzugsfähigen Betriebsausgaben war aufgrund der gesetzlichen Regelung in § 11 Abs. 2 S. 2 EStG maßgeblich, ob die Zahlung innerhalb von zehn Tagen nach Ende des Jahres 2012 abgeflossen war. Dies musste der Berater bei Ermittlung des Gewinns 2012 überprüfen und ggf. die entsprechenden Angaben beim Kläger anfordern. Es ist weder ersichtlich noch vorgetragen, dass er dies getan hat, so dass ein Fehler in der Sachverhaltsermittlung durch den Berater nicht auszuschließen ist. Damit greift § 129 AO nicht ein.
22Auch eine Änderung nach § 174 Abs. 1 AO scheidet aus. Hiernach ist ein Steuerbescheid auf Antrag zu ändern, wenn ein bestimmter Sachverhalt in mehreren Steuerbescheiden zu Ungunsten des Steuerpflichtigen berücksichtigt worden, obwohl er nur einmal hätte berücksichtigt werden dürfen. Der erhebliche Sachverhalt ist hier die Berücksichtigung der Umsatzsteuervorauszahlung für November 2012 als Betriebsausgabe. Diese war in beiden Bescheiden nicht berücksichtigt. Damit liegt ein sogn. negativer Widerstreit vor, der nicht unter § 174 Abs.1 AO fällt, sondern nur unter § 174 Abs. 3 AO.
23Aber auch die Voraussetzungen für eine Änderung nach § 174 Abs. 3 AO liegen erkennbar nicht vor. Dafür müsste ein bestimmter Sachverhalt in einem Steuerbescheid erkennbar in der Annahme nicht berücksichtigt sein, dass er in einem anderen Steuerbescheid zu berücksichtigen sei. Für die Frage, ob eine irrige Annahme vorliegt, der Sachverhalt sei in einem anderen Steuerbescheid zu berücksichtigen, kommt es auf die Vorstellungen des für die Steuerfestsetzung zuständigen Amtsträgers an (BFH Urteil vom 3.3.2005 V B 1/04 BFH/NV 2005,1222). Die (erkennbare) Annahme, dass ein bestimmter Sachverhalt in einem anderen Steuerbescheid zu berücksichtigen sei, muss nach der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs in sinnvoller Einschränkung des Anwendungsbereichs des § 174 Abs. 3 AO für dessen Nichtberücksichtigung ursächlich geworden sein (BFH Urteil vom 14.1.2010 IV R 33/07, BFHE 228, 122, BStBl II 2010, 586, m.w.N.). An dieser Ursächlichkeit fehlt es z.B. dann, wenn die Nichtberücksichtigung des Sachverhalts darauf beruht, dass das FA von dem Sachverhalt keine Kenntnis hatte (BFH Urteil vom 29.5.2001 VIII R 19/00, BFHE 195, 23, BStBl II 2001, 743 und vom 11.8.2011 V R 54/10 BFH/NV 2011, 2017). Es ist nicht ersichtlich, dass das Finanzamt die Vorauszahlung November 2012 gerade deshalb nicht im Jahre 2012 angesetzt hat, weil sie im Folgejahr 2013 berücksichtigt werden sollte. Bei dem Erlass des Bescheides für 2012 war dem Finanzamt nämlich nicht bekannt, dass die Vorauszahlung für diesen Monat nicht als Betriebsausgabe in diesem Jahr angesetzt war. Ob es diesen Sachverhalt möglicherweise hätte erkennen können, ist nach dem Wortlaut der Vorschrift, der eine positive Kenntnis des Sachverhaltes verlangt, unerheblich. Somit konnte das Finanzamt mangels Kenntnis dieses Sachverhaltes eine Fehlvorstellung des Steuerpflichtigen auch nicht als eigene übernehmen. Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus dem Prüfhinweis zur Veranlagung für 2012. Ob und in welchem Umfange tatsächlich eine Prüfung der einzelnen Umsatzsteuervorauszahlungen stattgefunden hat, ist nicht erkennbar und auch nicht relevant; § 174 Abs. 3 AO setzt kein Verschulden voraus.
24Schließlich scheidet auch eine Änderung nach § 173 Abs. 1 S. 2 AO aus. Nach dieser Vorschrift ist ein Steuerbescheid zu ändern, soweit Tatsachen oder Beweismittel nachträglich bekannt werden, die zu einer niedrigeren Steuer führen wenn den Steuerpflichtigen kein grobes Verschulden daran trifft, dass die Tatsachen oder Beweismittel erst nachträglich bekannt werden. Als grobes Verschulden hat der Steuerpflichtige Vorsatz und grobe Fahrlässigkeit zu vertreten. Grobe Fahrlässigkeit liegt nach der zutreffenden Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs vor, wenn der Steuerpflichtige die ihm nach seinen persönlichen Fähigkeiten und Verhältnissen zumutbare Sorgfalt in ungewöhnlichem Maße und in nicht entschuldbarer Weise verletzt hat (ständige Rechtsprechung des BFH, vgl. Urteil vom 10.2.2015 IX R 18/14, BFHE 249, 195 m.w.N.). Der Steuerpflichtige hat auch ein Verschulden seines steuerlichen Beraters, dessen er sich zur Ausarbeitung der Steuererklärung bedient, bei der Anfertigung der Steuererklärung zu vertreten; dabei werden an einen solchen Berater erhöhte Sorgfaltsanforderungen hinsichtlich der von diesem zu erwartenden Kenntnis und sachgemäßen Anwendung der steuerrechtlichen Vorschriften gestellt (Urteil vom 10.2.2015 IX R 18/14, a.a.O., m.w.N.). Ein Steuerberater hat seinen Mandanten, von dessen Belehrungsbedürftigkeit er grundsätzlich auszugehen hat, umfassend zu beraten. Im Rahmen dieser Verpflichtung hat er den für die Abgabe einer vollständigen Steuererklärung maßgebenden Sachverhalt zu ermitteln. Er darf sich insbesondere nicht darauf verlassen, dass die steuerlich relevanten Angaben und Unterlagen derart aufbereitet werden, dass Nachfragen beim Steuerpflichtigen entbehrlich werden (BFH vom 3.12.2009 VI R 58/07 BStBl II 2010, 531). Im Streitfall musste der Berater bei dem Kläger die erforderlichen Angaben zur zeitlichen Zuordnung der Umsatzsteuervorauszahlung November 2012 als Betriebsausgabe erfragen oder die entsprechenden Kontoauszüge überprüfen. Dass er dies getan hat, ist weder vorgetragen noch ersichtlich. Sofern dem Berater aber bekannt gewesen sein sollte, dass die Zahlung am 8.1.2013 erfolgt war, hätte er bei der fehlenden Erfassung als Betriebsausgabe des Jahres 2012 die Vorschrift des § 11 Abs. 2 S. 2 EStG nicht beachtet, deren Kenntnis von einem Steuerberater zu erwarten ist. Der steuerliche Berater handelte daher in jedem Fall grob fahrlässig.
25Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO.
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Referenzen
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