Urteil vom Finanzgericht Düsseldorf - 11 K 423/15 F
Tenor
Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens.
1
Tatbestand:
2Streitig ist, ob der Bescheid über die gesonderte und einheitliche Feststellung der Besteuerungsgrundlagen der B GmbH & Co. KG () für 2010 an den Kläger als Insolvenzverwalter über das Vermögen des C sen. bekannt gegeben werden durfte.
3Der Kläger ist Insolvenzverwalter über das Vermögen des C sen. (Insolvenzschuldner). Das Insolvenzverfahren über das Vermögen des C sen. wurde am .2003 eröffnet. Zum Insolvenzverwalter wurde der zwischenzeitlich verstorbene Rechtsanwalt D bestellt. Das Amt übernahm der Kläger am .2009.
4Die B GmbH & Co. KG () ist am .2001 gegründet worden. An ihr sind die Kinder, C jun. und E, sowie die Ehefrau des Insolvenzschuldners, F, als Kommanditisten beteiligt. Als Komplementärin der B fungierte die G Verwaltungs GmbH. Über das Vermögen der B ist im Jahre 2011 das Insolvenzverfahren eröffnet worden.
5In den Jahren 2008 bis 2011 fand bei der B eine Betriebsprüfung des Finanzamtes für Groß- und Konzernbetriebsprüfung () für die Jahre 2001-2006 statt. Am ….2008 erfolgte eine Durchsuchung der Geschäftsräume der ()Gruppe durch die Steuerfahndung. Im Rahmen der Durchsuchung beschlagnahmte die Steuerfahndung Treuhandverträge und notariell beurkundete Abtretungsangebote. Ausweislich der Treuhandverträge vom …..2001 (Notariat (), Urkundenrolle Nr. …./2001) halten die Kommanditisten ihre Geschäftsanteile an der B treuhänderisch für den Insolvenzschuldner (Treugeber). Ebenfalls am …..2001 gaben die Kommanditisten notariell beurkundete Abtretungsangebote gegenüber dem Insolvenzschuldner ab, in denen sie ihren Kommanditanteil an der B zur Abtretung an den Insolvenzschuldner oder einen von ihm zu benennenden Dritten anboten (Notariat (), Urkundenrolle Nr. …./2001).
6Die Treuhandverträge und Rückabtretungsangebote waren D nicht bekannt und wurden dem Kläger – zwischen den Beteiligten unstreitig - erst Mitte März 2010 bekannt.
7Nach Ansicht der Betriebsprüfung sind die Treuhandvereinbarungen steuerlich zu beachten. Darin sei die mit der rechtlichen Eigentümer- bzw. Inhaberstellung verbundene Verfügungsmacht zu Gunsten des Treugebers so eingeschränkt, dass das rechtliche Eigentum bzw. die rechtliche Inhaberschaft als bloße „leere Hülle“ erscheine. Die Treuhänder würden ausschließlich für Rechnung des Treugebers handeln. Mangels entgegenstehender Erkenntnisse hätten sich Zweifel an der tatsächlichen Durchführung dieser Vereinbarungen nicht ergeben. Der Treugeber beherrsche danach das Treuhandverhältnis nicht nur nach den mit den Treuhändern getroffenen Absprachen, sondern auch bei deren tatsächlichen Vollzug. Verfahrensrechtlich sei der Gewinn der B auf die Gesellschafter einschließlich der Treuhandkommanditisten aufzuteilen (Feststellungsbescheid der 1. Stufe) und in einer weiteren Feststellung (2. Stufe) dem Treugeber zuzurechnen.
8Die Betriebsprüfung stellte außerdem fest, dass es sich bei der bisher als Einzelunternehmen geführten Firma H, die u.a. den Produktionsstandort Z-Stadt an die B vermietete, ab Juli 2001 um Sonderbetriebsvermögen des Treugebers B sen. bei der B handele (§ 15 Abs. 1 Nr. 2 des Einkommensteuergesetzes – EStG; s. Betriebsprüfungsbericht vom 10.10.2011 Tz. 2.23).
9Die Feststellungen der Betriebsprüfung sind im Einzelnen dem Betriebsprüfungsbericht zu entnehmen (s. Beiakte zum Verfahren 11 K 482/15).
10Nach Abschluss der Betriebs- und Steuerfahndungsprüfung erließ der Beklagte für die Jahre 2001-2006 aufgrund der Prüfung und für die Jahre 2007-2010 aufgrund von Schätzungen nach § 162 der Abgabenordnung (AO) Feststellungsbescheide. Den Feststellungsbescheid für 2010 vom 12.01.2012 gab der Beklagte im Rahmen einer Einzelbekanntgabe dem Kläger als Insolvenzverwalter über das Vermögen des C sen. als Gesellschafter/Gemeinschafter der B bekannt. Verfahrensrechtlich handelte es sich um einen kombinierten Feststellungsbescheid, der die Feststellungen der 1. und 2. Stufe in einem Bescheid verbunden hat. Der Bescheid erging gem. § 164 Abs. 1 AO unter dem Vorbehalt der Nachprüfung. Inhaltlich rechnete der Beklagte die geschätzten laufenden Einkünfte i.H.v. 109.000 € und die geschätzten Sonderbetriebsausgaben i.H.v. 10.000 € in vollem Umfang dem Insolvenzschuldner zu.
11Der Kläger legte am 24.01.2012 Einspruch gegen den Feststellungsbescheid 2010 ein.
12Am 21.10.2014 erließ der Beklagte nach § 164 Abs. 2 AO geänderte Feststellungsbescheide für 2010, die er dem Kläger bekannt gab. Verfahrensrechtlich führte der Beklagte aus Gründen der Rechtsklarheit nunmehr das zweistufige Feststellungsverfahren durch den Erlass getrennter Feststellungsbescheide durch. Auf der ersten Stufe stellte der Beklagte unter der Steuernummer 1 den Gewinn der B auf 100.000 € fest, davon entfallen auf laufende Einkünfte 99.000 €, die der Beklagte auf die Kommanditisten entsprechend ihrem Anteil verteilte. Die 1.000 € rechnete er der Komplementärin zu. Der Feststellungsbescheid der ersten Stufe benennt außerdem den Insolvenzschuldner als Beteiligten mit einem Gewinnanteil (Gesamthandsbereich und Sonderbetriebsvermögen) von 0 €. Zur Begründung führte der Beklagte im Schreiben vom 21.10.2014 – auch im Hinblick auf die Vorjahre - aus, der Insolvenzschuldner sei grundsätzlich nicht Feststellungsbeteiligter der ersten Feststellungsstufe. Da bei ihm jedoch Sondervergütungen/Sonderbetriebsvermögen (Sonderbetriebseinnahmen aus der Verpachtung von Wirtschaftsgütern der H an die B) vorhanden seien, seien diese nach § 15 Abs. 1 S. 1 Nr. 2, 2. Hs. des Einkommensteuergesetzes (EStG) ausnahmsweise bereits auf der ersten Feststellungstufe zu berücksichtigen.
13Der Feststellungsbescheid auf der zweiten Stufe unter der Steuernummer 2 ist für die Treuhandgemeinschaft B ergangen. In dem Feststellungsbescheid hat der Beklagte die Einkünfte aus Gewerbebetrieb auf 99.000 € festgestellt, davon entfallen 109.000 € auf laufende Einkünfte, 0 € auf Sonderbetriebseinnahmen und 10.000 € auf Sonderbetriebsausgaben. Die aufgezählten Besteuerungsgrundlagen rechnete der Beklagte dem Insolvenzschuldner zu.
14Der Kläger legte erneut am 24.11.2014 Einspruch ein. Die Einsprüche vom 24.01.2012 und 24.11.2014 wies der Beklagte mit Einspruchsentscheidungen vom 13.01.2015 als unbegründet zurück.
15Der Kläger hat am 11.02.2015 Klage erhoben.
16Im Klageverfahren war zunächst streitig, ob im Feststellungsverfahren bereits bindend entschieden wird, dass die auf die zugerechneten Gewinnanteile entfallende Einkommensteuer eine Masseverbindlichkeit ist. Der Kläger bestreitet das Vorliegen einer Masseverbindlichkeit. Die auf den Gewinnanteil entfallende Einkommensteuerschuld sei dem insolvenzfreien Vermögen des Insolvenzschuldners zuzurechnen, mit der Folge, dass der Feststellungsbescheid 2010 nicht an ihn, sondern an den Insolvenzschuldner bekannt zu geben sei. Mit Urteil vom 16.07.2015 (III R 32/13) entschied der BFH, dass erst im Einkommensteuerfestsetzungsverfahren zu prüfen und zu entscheiden sei, ob eine nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens begründete Einkommensteuerschuld aus Gewinnanteilen als Masseverbindlichkeit zu qualifizieren sei oder das insolvenzfreie Vermögen betreffe. Die Prüfung erfolge nicht im einheitlichen und gesonderten Gewinnfeststellungsverfahren.
17Zur Begründung trägt der Kläger nunmehr vor, der Feststellungsbescheid 2010 habe nicht an ihn bekannt gegeben werden dürfen, weil die treuhänderische Beteiligung an der B nicht zur Insolvenzmasse gehöre. Mit der Insolvenzeröffnung über das Vermögen des Treugebers ende das Treuhandverhältnis gemäß §§ 115 ff. InsO. Es entstehe ein Herausgabeanspruch des Treugutes gegen die Treuhänder, der Teil der Insolvenzmasse werde. Da er, der Kläger, auch nachdem er im Jahr 2010 Kenntnis von der treuhänderischen Beteiligung erlangt habe, nicht die Herausgabe des Treugutes von den Treuhändern verlangt habe, sei hierin ein Verzicht auf die Inbesitznahme des Vermögensgegenstandes zu sehen. Die zivilrechtliche Übertragung des Treugutes sei unterblieben. Die Masse sei so vor etwaigen Inanspruchnahmen geschützt worden. Damit habe die Beteiligung an der B ab 2010 nicht mehr zum Insolvenzbeschlag gehört und sei vollumfänglich der Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis des Insolvenzschuldners unterstellt. Da gemäß § 34 Abs. 3 AO die Verwaltung des Insolvenzverwalters diesen Bereich nicht erfasse, sei der gesonderte und einheitliche Feststellungsbescheid 2010 dem Insolvenzschuldner selbst bekanntzugeben.
18Der Kläger beantragt,
19den Bescheid für 2010 über die gesonderte und einheitliche Feststellung von Besteuerungsgrundlagen des an der B beteiligten Insolvenzschuldners, C sen., vom …..2012 geändert durch Bescheide vom …..2014 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom …..2015 ersatzlos aufzuheben,
20die Hinzuziehung eines Bevollmächtigten für das Vorverfahren für notwendig zu erklären,
21hilfsweise, die Revision zuzulassen.
22Der Beklagte beantragt,
23die Klage abzuweisen.
24Zur Begründung trägt der Beklagte vor, nach § 80 Abs. 1 InsO gehe das Recht des Schuldners, das zur Insolvenzmasse gehörende Vermögen (§ 35 Abs. 1 InsO) zu verwalten, mit Eröffnung des Insolvenzverfahrens auf den Insolvenzverwalter über. Der Insolvenzverwalter habe als Vermögensverwalter nach § 34 Abs. 3 i.V.m. Abs. 1 AO die steuerlichen Pflichten des Schuldners zu erfüllen, soweit seine Verwaltung reiche. Als Vermögensverwalter sei der Insolvenzverwalter Steuerpflichtiger und richtiger Bekanntgabe- und Inhaltsadressat von Steuerbescheiden, mit denen die Finanzbehörde bestehende Masseverbindlichkeiten geltend mache. Einkünfte, die ein Schuldner aus selbstständiger Tätigkeit nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens erziele, seien in vollem Umfang zur Insolvenzmasse zu zählen. Die auf sie entfallende Einkommensteuer stelle eine Masseverbindlichkeit im Sinne des § 55 InsO dar. Allerdings sei der Insolvenzverwalter befugt einen Massegegenstand freizugeben. Die Freigabe setze eine Willenserklärung des Insolvenzverwalters gegenüber dem Insolvenzschuldner voraus, aus welcher sich unmissverständlich dessen Willen zu einem dauernden Verzicht auf die Massezugehörigkeit ergebe. Eine solche Freigabe liege im Streitfall weder vor, noch werde sie vom Kläger behauptet. Die Beteiligung an der B gehöre damit eindeutig zur Masse.
25Im Klageverfahren richtete sich der Kläger zunächst auch gegen die gesonderten und einheitlichen Feststellungen der Jahre 2003 bis 2009. Die Klage betreffend die Jahre 2003 bis 2009 nahm der Kläger mit Schriftsatz vom 01.04.2016 zurück. Der Rechtsstreit wegen gesonderter und einheitlicher Feststellung von Besteuerungsgrundlagen 2003 bis 2009 wurde daraufhin zur gesonderten Verhandlung und Entscheidung abgetrennt und unter dem neuen Az. 11 K 1083/16 F eingestellt.
26Das Gericht hat die Steuerakten zum Verfahren hinzugezogen.
27Entscheidungsgründe:
28Die Klage ist unbegründet.
29Der Bescheid über die gesonderte und einheitliche Feststellung von Be-steuerungsgrundlagen für 2010 vom ...2012, geändert durch die Feststellungsbescheide vom ...2014 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom ….2015 sind rechtmäßig und verletzen den Kläger nicht in seinen Rechten (§ 100 Abs. 1 S. 1 der Finanzgerichtsordnung – FGO). Die Feststellungsbescheide sind dem Kläger als Insolvenzverwalter bekannt zu geben, da sie die Einkünfte aus einer treuhänderisch gehaltenen Beteiligung des Insolvenzschuldners und damit die Insolvenzmasse (§§ 35, 80, 115 InsO) betreffen.
30Die Feststellungsbescheide hat der Beklagte zu Recht dem Kläger als Insolvenzverwalter bekannt gegeben.
31Feststellungsbescheide, die die Insolvenzmasse betreffen, sind zwingend dem Insolvenzverwalter bekannt zu geben (AEAO zu § 251 Tz. 4.3.2). Mit der Eröffnung des Insolvenzverfahrens geht gem. § 80 Abs. 1 InsO das Recht des Insolvenzschuldners, das zur Insolvenzmasse gehörende Vermögen (§ 35 InsO) zu verwalten und über es zu verfügen, auf den Insolvenzverwalter über. Dieser hat als Vermögensverwalter gemäß § 34 Abs. 3 i.V.m. Abs. 1 AO auch die steuerlichen Pflichten des Insolvenzschuldners zu erfüllen, soweit seine Verwaltung reicht. Als Vermögensverwalter ist der Insolvenzverwalter Steuerpflichtiger (§ 33 Abs. 1 AO) (vgl. BFH-Urt. v. 10.02.2015 IX R 23/14, BFH/NV 2015, 1018) und richtiger Inhaltsadressat von Feststellungsbescheiden, die Einkünfte aus zur Insolvenzmasse gehörendem Vermögen betreffen. Der Insolvenzverwalter vertritt im Feststellungsverfahren bezüglich der Insolvenzmasse die Interessen des Insolvenzschuldners.
32Die sich aus der treuhänderischen Beteiligung an der B ergebenden Ansprüche auf Abtretung der Geschäftsanteile an den Insolvenzschuldner und Herausgabe des Erlangten gegen die Treuhänder gehören gem. § 35 InsO zur Insolvenzmasse.
33Nach § 35 InsO in der Fassung vor dem Inkrafttreten des Gesetzes zur Vereinfachung des Insolvenzverfahrens vom 13.04.2007 (BGBl. I 2007, 509) erfasst die Insolvenzmasse das gesamte Vermögen, das dem Schuldner zur Zeit der Eröffnung des Insolvenzverfahrens gehört und das er während des Verfahrens erlangt. Nur Gegenstände, die nicht gepfändet werden können, gehören gemäß § 36 Abs. 1 Satz 1 InsO nicht zur Insolvenzmasse.
34Die treuhänderisch gehaltenen Beteiligungen an der B hat der Insolvenzschuldner vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens im Jahr 2001 erworben. Sie sind somit Teil des Vermögens, das ihm zum Zeitpunkt der Eröffnung des Insolvenzverfahrens gehörte. Die Treuhandverhältnisse sind zwar durch die Eröffnung des Insolvenzverfahrens gem. §§ 115, 116 InsO erloschen (vgl. Jacoby in Jaeger, Kommentar zum Insolvenzrecht, 1. Auflage, 2014 § 115, Rn. 102 m.w.N.). Das Recht auf Annahme des von den Treuhändern notariell beurkundeten Abtretungsangebotes und der Anspruch auf Herausgabe des Erlangten standen dem Insolvenzverwalter aber zu und gehörten als geldwerte und pfändbare Rechte/Ansprüche zur Insolvenzmasse.
35Die Zugehörigkeit dieser Rechte/Ansprüche zur Insolvenzmasse hat der Kläger nicht durch eine ausdrückliche Freigabeerklärung beendet. Unter Freigabeerklärung ist die Erklärung des Insolvenzverwalters zu verstehen, dass das Vermögen aus einer Tätigkeit des Schuldners nicht zur Insolvenzmasse gehört. Die Freigabe ist in der heutigen Gesetzesfassung des § 35 Abs. 2 InsO geregelt. Diese Vorschrift ist auf den vorliegenden Fall jedoch nicht anwendbar, da sie erst durch das Gesetz zur Vereinfachung des Insolvenzverfahrens vom 13.04.2007 in die Insolvenzordnung aufgenommen wurde. Das Insolvenzverfahren über das Vermögen des Insolvenzschuldners ist vor dem …..2007 eröffnet worden, so dass die Insolvenzordnung vor dem Inkrafttreten des Gesetzes zur Vereinfachung des Insolvenzverfahrens vom 13.04.2007 anzuwenden ist (Art. 103c Abs. 1 S. 1 EGInsO). Allerdings hat die Rechtsprechung für die frühere Gesetzeslage das Institut der Freigabe begründet (vgl. BGH Urt. v. 01.02.2007 IX ZR 178/05, DB 2007, 1189; BFH Urt. v. 15.12.2009 VII R 18/09, BStBl. II 2010, 758). Danach konnte die Freigabe durch eine an den Schuldner zu richtende, einseitige, empfangsbedürftige Willenserklärung des Insolvenzverwalters erfolgen (vgl. BGH Urt. v. 07.12.2006 IX ZR 161/04, NZI 2007, 173 und v. 01.02.2007 IX ZR 178/05, DB 2007, 1189). Aus der Freigabeerklärung musste sich unmissverständlich der Wille zu einem dauernden Verzicht auf die Massezugehörigkeit ergeben (vgl. BFH Urt. v. 15.12.2009 VII R 18/09, BStBl. II 2010, 758). Erst durch die wirksame Abgabe der Freigabeerklärung schied der betreffende Gegenstand aus der Insolvenzmasse aus und wurde der Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis des Schuldners unterstellt (vgl. BGH Urt. v. 01.02.2007 IX ZR 178/05, DB 2007, 1189). Eine ausdrückliche Freigabeerklärung hat der Kläger – auch nach seinem eigenen Vortrag – eindeutig nicht abgegeben. Der Kläger hat erst Mitte März 2010 von der treuhänderischen Beteiligung Kenntnis erlangt. Auf Nachfrage der Berichterstatterin im Verfahren 11 K 613/13 E teilte der Kläger mit, seine Aktivitäten im Hinblick auf die treuhänderisch gehaltene Beteiligung an der B hätten sich im Jahr 2010 auf die Schaffung von Transparenz bezüglich Vermögensstruktur und Ertragslage beschränkt. Der Rechtsbeistand des Insolvenzschuldners habe im Jahr 2010 auf die erheblich angespannte Liquiditätslage der B (Steuerschulden in Millionenhöhe) und die ggfl. unvermeidliche Beantragung eines Insolvenzverfahrens über das Vermögen der B verwiesen. Das Insolvenzverfahren sei in 2011 eröffnet worden. Im Sinne einer Massesicherung habe er sodann bezüglich der Herausgabe der Beteiligung keine Maßnahmen vorgenommen. Eine Freigabe ist nach diesem Vortrag nicht im Streitjahr 2010 erfolgt. Die fehlende Geltendmachung der Rechte und Ansprüche gegenüber den Treuhändern bringt nicht unmissverständlich und gegenüber dem Insolvenzschuldner zum Ausdruck, dass die Rechte/Ansprüche auf Dauer nicht zur Insolvenzmasse gehören.
36Die bis März 2010 fehlende Kenntnis der Insolvenzverwalter von der treuhänderisch gehaltenen Beteiligung führt ebenfalls nicht dazu, dass die Rechte und Ansprüche nicht zur Insolvenzmasse gehören. Die fehlende Kenntnis kann lediglich Auswirkung haben auf die nach § 55 InsO zu prüfende Frage, ob die auf die Beteiligungseinkünfte entfallenden Einkommensteuern Masseverbindlichkeiten sind. Die Frage, ob eine Masseverbindlichkeit vorliegt, ist nicht im gesonderten und einheitlichen Feststellungsverfahren, sondern auf Ebene der Einkommensteuerfestsetzung zu klären (vgl. BFH vom 16.07.2015 III R 32/13, BStBl. II 2016, 251). Für die Bekanntgabe der Feststellungsbescheide an den Insolvenzverwalter ist allein entscheidend, dass die treuhänderisch gehaltene Beteiligung zur Insolvenzmasse gehört.
37Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 135 Abs. 1 FGO. Auf Grund der Kostentragung durch den Kläger ist eine Entscheidung nach § 139 Abs. 3 FGO entbehrlich.
38Die Revision war nicht zuzulassen, da die Rechtssache keine grundsätzliche Bedeutung hat und eine Entscheidung des Bundesfinanzhofs nicht zur Fortbildung des Rechts oder der Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung erforderlich ist (§ 115 Abs. 2 Nr. 1 und 2 FGO).
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