Urteil vom Finanzgericht Düsseldorf - 3 K 3438/14 E
Tenor
Der Einkommensteuerbescheid 2007 vom 09.10.2014 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 10.10.2014 wird dahin geändert, dass bei der Ermittlung des Veräußerungsverlusts des Klägers nach § 17 EStG nachträgliche Anschaffungskosten in Höhe von 20.000,- € zusätzlich zu berücksichtigen sind.
Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
Die Kosten des Verfahrens tragen der Kläger zu 4/5 und der Beklagte zu 1/5.
Das Urteil ist wegen der Kosten ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des jeweils zu vollstreckenden Betrages abwenden, soweit nicht der Kläger zuvor Sicherheit in Höhe des vollstreckbaren Betrages leistet.
Die Revision wird nicht zugelassen.
1
T a t b e s t a n d :
2Streitig ist, ob und in welcher Höhe ein Veräußerungsverlust nach § 17 des Einkommensteuergesetzes (EStG) zu berücksichtigen ist.
3Der Kläger war im Streitjahr 2007 Alleingesellschafter der A-GmbH (im Folgenden: A-GmbH). Die A-GmbH war am 11.02.1991 mit einem Stammkapital von 50.000,- DM mit Sitz in B gegründet worden.
4Gegenstand des Unternehmens war …aller Art. Alleinige Gesellschafterin bei Gründung war zunächst die C GmbH. Diese übertrug ihren Geschäftsanteil am 30.07.1991 zum Nennwert an den Kläger. Der Kläger veräußerte am 05.09.1991 einen Teilgeschäftsanteil in Höhe von 12.500,- DM ebenfalls zum Nennwert an den D, der den Anteil am 22.09.1995 zum Preis von 50.000,- DM wieder an den Kläger zurück übertrug.
5Mit notariellem Vertrag vom 24.02.1995 gründete der Kläger zusammen mit weiteren Gesellschaftern die E Handelsgesellschaft mbH (im Folgenden: E-GmbH) mit Sitz in F. Gegenstand des Unternehmens war …aller Art. Aufgrund von Anteilsübertragungen vom 08.05.1995 und vom 21.06.1996 hielt der Kläger fortan sämtliche Anteile an der E-GmbH. Mit Wirkung zum 01.01.1998 wurde das Vermögen der E-GmbH auf die A-GmbH verschmolzen mit dem Ziel, die bei der E-GmbH aufgetretenen erheblichen Verluste mit den bei der A-GmbH erzielten Gewinnen zu verrechnen. Als Gegenleistung für die Übertragung des Vermögens der E-GmbH gewährte die A-GmbH dem Kläger einen Geschäftsanteil im Nennwert von 105.000,- DM. Das Stammkapital der A-GmbH wurde entsprechend auf 155.000,- DM erhöht. Die Beteiligungsverhältnisse blieben seither unverändert.
6Am 28.11.1997 gewährte der Kläger der A-GmbH ein Darlehen über 292.500,- DM. Das Darlehen hatte eine Laufzeit von zwei Jahren und wurde mit jährlich 4 % verzinst. Am 20.04.1999 löste die A-GmbH einen Teilbetrag in Höhe von 150.000,- DM ab. Die Laufzeit des Restdarlehens über 142.500,- DM wurde mit Vertrag vom 22.11.1999 um weitere zwei Jahre (Fälligkeit spätestens zum 30.11.2001) verlängert. Weitere Tilgungen leistete die A-GmbH in der Folgezeit nicht. Mit Vertrag vom 22.11.2001 wurde die Laufzeit des Restdarlehens erneut, diesmal um weitere drei Jahre (Fälligkeit spätestens zum 30.11.2004), verlängert und der jährliche Zins auf 3 % reduziert. Zuletzt schlossen die A-GmbH und der Kläger am 10.11.2004 eine als „Nachtrag zum Darlehensvertrag vom 28. November 1997“ bezeichnete Vereinbarung, aufgrund derer die Darlehenslaufzeit nochmals um weitere zwei Jahre verlängert wurde. Das Darlehen war zu diesem Zeitpunkt weiterhin in Höhe von 142.500,- DM (72.859,09 €) rückzahlungspflichtig.
7Ausweislich der Bilanz zum 31.12.2004 erzielte die A-GmbH im Jahr 2004 einen Jahresfehlbetrag in Höhe von 257.547,37 €. Zu diesem Zeitpunkt verfügte sie noch über positives Eigenkapital in Höhe von 116.882,88 €. Die Bilanz zum 31.12.2005 wies einen nicht durch Eigenkapital gedeckten Fehlbetrag in Höhe von 206.756,46 € auf.
8Auf Antrag der A-GmbH wurde durch Beschluss vom 21.09.2006 die vorläufige Verwaltung über deren Vermögen angeordnet und ein vorläufiger Insolvenzverwalter bestellt.
9Der vorläufige Insolvenzverwalter berichtete am 24.10.2006 wie folgt: Die Umsätze der Schuldnergesellschaft seien in den letzten Jahren ständig zurückgegangen. Die wirtschaftliche Lage des Unternehmens habe sich wie folgt entwickelt:
10Jahr |
Umsatz |
Ergebnis |
2004 |
3.835.947,89 € |
- 257.547,37 € |
2005 |
3.014.500,11 € |
- 323.639,34 € |
7/2006 |
1.226.466,37 € |
- 211.562,77 € |
8/2006 |
1.404.040,29 € |
- 213.887,10 € |
Nach Anordnung der vorläufigen Insolvenzverwaltung sei der Geschäftsbetrieb der Schuldnergesellschaft fortgeführt worden, um zumindest eine Verwertung der Restbestände zu erreichen. Eine Fortführung des Geschäftsbetriebs nach Verfahrenseröffnung scheide für sämtliche Betriebsstätten aus. Die Verbindlichkeiten der Schuldnergesellschaft, zu denen insbesondere solche gegenüber der G GmbH gehörten, überstiegen deren Vermögensgegenstände, so dass die Gesellschaft überschuldet sei. Die Schuldnergesellschaft sei überdies zahlungsunfähig, da die vorhandenen liquiden Mittel nicht ausreichten, um sämtliche sofort fälligen Verbindlichkeiten auszugleichen.
12Die Eröffnung des Insolvenzverfahrens als Regelinsolvenzverfahren erfolgte am 06.11.2006.
13Am 06.11.2007 wurde im Rahmen eines u.a. zwischen dem Kläger und dem Insolvenzverwalter der A-GmbH ausgehandelten außergerichtlichen Vergleichs folgende Regelung getroffen:
14„1. Herr G zahlt an die Insolvenzmasse einen Betrag in Höhe von 25.469,88 €.
152. Herr G, seine Ehefrau sowie die G Warenhandels GmbH erklären den Verzicht auf sämtliche Forderungen gegen die Insolvenzmasse, eventuell angemeldete Ansprüche werden unverzüglich zurückgenommen.
163. Unser Mandant erklärt aufschiebend bedingt der unter Ziffer 1 genannten Zahlung den Verzicht der Forderung der Insolvenzmasse gegen die H GmbH.
174. Mit Erfüllung des Vergleichsbetrages in Höhe von 25.469,88 € sind sämtliche wechselseitigen Ansprüche der Parteien, also des Insolvenzverwalters über das Vermögen der A-GmbH, Herrn G, seiner Ehefrau, der G Warenhandels GmbH sowie der H GmbH erledigt.“
18Im Rahmen der Einkommensteuererklärung für 2007 erklärte der Kläger einen Veräußerungsverlust nach § 17 EStG in Höhe von 66.772,- €. Den erklärten Veräußerungsverlust ließ das Finanzamt (FA) im Einkommensteuerbescheid 2007 vom 14.12.2009 unberücksichtigt. Mit Bescheid ebenfalls vom 14.12.2009 stellte das FA den verbleibenden Verlustvortrag des Klägers nach § 10d Abs. 4 EStG in Höhe von 1.511,- € fest.
19Gegen den Einkommensteuerbescheid 2007 vom 14.12.2009 legten der Kläger und seine mit ihm zusammen veranlagte Ehefrau mit Schreiben ihrer Prozessbevollmächtigten vom 13.01.2010 Einspruch ein.
20Sie machten geltend, der in der Einkommensteuererklärung geltend gemachte Veräußerungsverlust nach § 17 EStG ergebe sich aus einer jeweils hälftigen Berücksichtigung der Zahlung in die Insolvenzmasse in Höhe von 25.469,88 € gemäß dem Vergleich vom November 2007 und der Darlehensverbindlichkeiten der H GmbH gegenüber dem Kläger in Höhe von 108.074,10 €, die bei Liquidation der GmbH im Jahr 2007 noch nicht ausgeglichen gewesen seien.
21Im weiteren Verlauf des Einspruchsverfahrens kamen der Kläger und das FA dahin überein, den Ausfall der Darlehensverbindlichkeiten der H GmbH sowie den Verlust des Stammkapitals an der H GmbH (50.000,- €) in voller Höhe bereits im Jahr 2006, für das noch keine bestandskräftige Veranlagung vorlag, zu berücksichtigen. Die vom Kläger in die Insolvenzmasse der A-GmbH geleistete Zahlung berücksichtigte das FA ebenfalls als Verlust des Klägers aus seiner Beteiligung an der H GmbH, so dass sich insgesamt ein Veräußerungsverlust in Höhe von 183.543,- € ergab.
22Außerdem wurde Einvernehmen darüber erzielt, dass der Verlust des Klägers aus seiner Beteiligung an der A-GmbH im Jahr 2007 steuerlich geltend zu machen sei. Strittig blieb indes die Höhe des berücksichtigungsfähigen Verlustes. Mit Einkommensteueränderungsbescheid 2007 vom 09.10.2014 berücksichtigte das FA lediglich den Verlust des vom Kläger gehaltenen Stammkapitals an der A-GmbH in Höhe von insgesamt 71.581,- €, nicht dagegen den Nominalwert des am 28.11.1997 gewährten Darlehens zzgl. Zinsen in Höhe von insgesamt 79.169,- €.
23Mit Einspruchsentscheidung vom 10.10.2014 wies das FA den Einspruch des Klägers und seiner Ehefrau als unbegründet zurück.
24Bei der Ermittlung des Verlusts des Klägers infolge der Auflösung der A-GmbH seien zwar neben den originären Anschaffungskosten der Beteiligung grundsätzlich auch nachträgliche Anschaffungskosten zu berücksichtigen. Bei dem vom Kläger gegenüber der A-GmbH ursprünglich mit Vertrag vom 28.11.1997 gewährten Darlehen handele es sich jedoch um eine sog. stehen gelassenes Darlehen, so dass der Umfang der nachträglichen Anschaffungskosten davon abhänge, welcher Wert der Darlehensforderung im Zeitpunkt des Stehenlassens beizumessen sei. Im vorliegenden Fall müsse berücksichtigt werden, dass die Krise der A-GmbH den Wert des Darlehens nachhaltig gemindert habe. Ein fremder Dritter mit dem Informationsstand des Klägers hätte die Darlehensforderung des Klägers nicht oder nur mit einem erheblichen Abschlag erworben. Die Unwägbarkeiten, in welchem Umfang die Forderung in der Zeit zwischen der denkbaren Kündigung und der tatsächlichen Auszahlung noch weiter an Wert verliere und die regelmäßig in diesen Fällen durch Darlehenskündigungen der Kreditinstitute ausgelösten Kettenreaktionen ließen den Wert des Darlehens in der Regel auf 0,- € absinken. Die Vereinbarung vom 10.11.2004 über die nochmalige Verlängerung des restlichen Darlehensbetrages sei auch nicht als neue, erstmalige Darlehensgewährung in der Krise zu beurteilen, mit der Folge, dass sie in Höhe des Nennwertes zu nachträglichen Anschaffungskosten führe. Mit der Vereinbarung vom 10.11.2004 sei kein neues Darlehensverhältnis begründet, sondern lediglich das bisherige Darlehensverhältnis fortgeführt worden.
25Mit der am 29.10.2014 erhobenen Klage hat der Kläger zunächst geltend gemacht, dass in die Ermittlung des Veräußerungsverlustes nach § 17 EStG aus seiner Beteiligung an der A-GmbH neben dem Darlehensausfall in Höhe von 79.169,- € auch die – bereits im Jahr 2006 berücksichtigte – Zahlung in die Insolvenzmasse in Höhe von 25.469,88 € einfließen müsse. Mit Schriftsatz vom 19.11.2014 hat er sein Klagebegehren auf die Berücksichtigung des Darlehensverlusts in Höhe von 79.169,- € beschränkt.
26Er trägt vor:
27Zu den Anschaffungskosten der Beteiligung an einer Kapitalgesellschaft gehörten auch nachträgliche Aufwendungen auf die Beteiligung, wenn sie durch das Gesellschaftsverhältnis veranlasst und weder Werbungskosten bei den Einkünften aus Kapitalvermögen noch Veräußerungskosten seien. Eine Veranlassung der Darlehensgewährung durch das Gesellschaftsverhältnis liege vor, wenn das Darlehen nach zivilrechtlichen Grundsätzen eigenkapitalersetzenden Charakter habe. Das sei ab dem Zeitpunkt der Fall, in dem ein ordentlicher Kaufmann Eigenkapital zugeführt hätte. Es komme auf zwei zu erfüllende Tatbestandsmerkmale an, nämlich zum einen in objektiver Hinsicht auf das Bestehen einer Krise sowie zum anderen in subjektiver Hinsicht auf das Vorliegen einer Finanzierungsentscheidung des Gesellschafters zugunsten der Gesellschaft. Beide Tatbestandsmerkmale seien im Streitfall erfüllt. Die A-GmbH habe sich im Jahr 2004 unstreitig in der Krise befunden. Auch habe der Kläger mit der Verlängerung des Darlehens am 10.11.2004 eine klare Finanzierungsentscheidung zum Vorteil der A-GmbH getroffen. Mit Ablauf der zuletzt am 22.11.2001 verlängerten Darlehensrückzahlungsfrist habe der Kläger eine bewusste Entscheidung über eine etwaige weitere Laufzeitverlängerung zugunsten der A-GmbH treffen müssen. Die am 10.11.2004 beschlossene erneute Laufzeitverlängerung gehe über eine bloße Nichtgeltendmachung des Darlehensrückforderungsanspruchs hinaus. Die Prolongation des Darlehens könne daher nicht anders gewertet werden als eine neue Darlehenshingabe, die im Falle des Darlehensausfalls in Höhe des Nennwertes zu nachträglichen Anschaffungskosten führe.
28Der Kläger beantragt,
29den Einkommensteuerbescheid 2007 vom 09.10.2014 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 10.10.2014 dahin zu ändern, dass bei der Ermittlung des Veräußerungsverlusts nach § 17 EStG nachträgliche Anschaffungskosten in Höhe von 79.169,- € zusätzlich berücksichtigt werden.
30Der Beklagte beantragt,
31die Klage abzuweisen,
32hilfsweise die Revision zuzulassen.
33Er trägt vor:
34Im vorliegenden Fall lägen keine jeweils neuen, steuerlich unabhängig voneinander zu beurteilenden Darlehensverträge vor. Vielmehr sei stets kurz vor Ablauf der ursprünglich vereinbarten Laufzeit des mit Vertrag vom 28.11.1997 gewährten Darlehens lediglich eine Laufzeitverlängerung vereinbart worden. In den Vereinbarungen vom 22.11.1999 und vom 22.11.2001 sei konsequenterweise auf den am 28.11.1997 geschlossenen Darlehensvertrag Bezug genommen und in diesem Zusammenhang darauf hingewiesen worden, dass die übrigen vertraglichen Bestimmungen bestehen blieben. Die zuletzt abgeschlossene Vereinbarung sei sogar ausdrücklich als „Nachtrag zum Darlehensvertrag vom 28.11.1997“ überschrieben worden. Ebensowenig sei der Nennwert des Darlehens vom 28.11.1997 in den nachfolgenden Vereinbarungen erhöht worden, so dass auch nicht insoweit von einem „neuen“ Darlehen gesprochen werden könne.
35Wegen des weiteren Sachverhalts und des wechselseitigen Vorbringens wird auf die Schriftsätze der Beteiligten und den Inhalt der dem Gericht vorgelegten Steuerakten Bezug genommen.
36E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e:
37Die Klage ist im tenorierten Umfang begründet, im Übrigen unbegründet.
38Der angefochtene Einkommensteuerbescheid 2007 vom 09.10.2014 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 10.10.2014 ist teilweise rechtswidrig und verletzt den Kläger in seinen Rechten (§ 100 Abs. 1 Satz 1 der Finanzgerichtsordnung -FGO-).
39Der Beklagte durfte den mit der Klage geltend gemachten Darlehensausfall in Höhe von 79.169,- € bei der Ermittlung des Veräußerungsverlusts des Klägers nach § 17 EStG nicht in voller Höhe unberücksichtigt lassen.
401. a) Nach § 17 Abs. 1 Satz 1 i.V.m. Abs. 4 Satz 1 EStG gehört zu den Einkünften aus Gewerbebetrieb auch der Gewinn aus der Auflösung einer Kapitalgesellschaft, wenn der Gesellschafter innerhalb der letzten fünf Jahre am Kapital der Gesellschaft unmittelbar oder mittelbar zu mindestens 1 Prozent beteiligt war und er die Beteiligung in seinem Privatvermögen hielt. Entsprechendes gilt für die aus der Auflösung der Kapitalgesellschaft entstehenden Verluste (vgl. z.B. Bundesfinanzhof -BFH-, Urteile vom 27.10.1992 VIII R 87/89, BFHE 170, 53, BStBl. II 1993, 340; vom 03.06.1993 VIII R 81/91, BFHE 172, 407, BStBl. II 1994, 162, und vom 10.11.1998 VIII R 6/96, BFHE 187, 480, BStBl. II 1999, 348). Die Ermittlung des Gewinns oder des Verlusts aus der Auflösung der Kapitalgesellschaft erfordert eine Stichtagsbewertung, die auf den Zeitpunkt der Entstehung des Gewinns oder Verlusts vorzunehmen ist. Maßgebend ist der Zeitpunkt, zu dem bei einer Gewinnermittlung durch Betriebsvermögensvergleich gemäß § 4 Abs. 1, § 5 EStG nach den handelsrechtlichen Grundsätzen ordnungsgemäßer Buchführung der Gewinn oder Verlust realisiert wäre. Im Falle der Auflösung einer Gesellschaft infolge einer Eröffnung des Insolvenzverfahrens ist ein Auflösungsverlust i. S. von § 17 Abs. 4 EStG regelmäßig erst mit Abschluss des Insolvenzverfahrens realisiert. Die Entstehung des Verlustes zu einem früheren Zeitpunkt setzt voraus, dass mit Zuteilungen und Rückzahlungen gemäß § 17 Abs. 4 Satz 2 EStG nicht mehr zu rechnen ist; darüber hinaus muss feststehen, ob und in welcher Höhe noch nachträgliche Anschaffungskosten oder sonstige im Rahmen des § 17 Abs. 2 EStG zu berücksichtigende wesentliche Aufwendungen anfallen werden (ständige Rspr, vgl. z.B. BFH-Urteile vom 03.06.1993 VIII R 81/91, BFHE 172, 407, BStBl. II 1994, 162; vom 04.11.1997 VIII R 18/94, BFHE 184, 374, BStBl. II 1999, 344; vom 12.12.2000 VIII R 34/94, BFH/NV 2001, 757; vom 19.04.2005 VIII R 45/04, BFH/NV 2005, 1545 und vom 01.07.2014 IX R 47/13, BFHE 246, 188, BStBl. II 2014, 786).
41b) Nach diesen Maßstäben hat der Beklagte den Auflösungsverlust dem Grunde nach zu Recht im Veranlagungsjahr 2007 berücksichtigt.
42Zwar war das Insolvenzverfahren über das Vermögen der A-GmbH zu diesem Zeitpunkt noch nicht abgeschlossen; die Schlussverteilung (vgl. §§ 199, 200 Abs. 1 der Insolvenzordnung -InsO-) erfolgte vielmehr erst am 02.08.2012. Allerdings ist im Streitfall bei der Bestimmung des Zeitpunkts der Verlustverwirklichung entscheidend auf die Vergleichsvereinbarung vom 06.11.2007 abzustellen. Diese sah - neben einer abschließenden Zahlung des Klägers in die Insolvenzmasse der A-GmbH in Höhe von 25.469,88 € - vor, dass der Kläger den Verzicht auf sämtliche Forderungen gegen die Insolvenzmasse zu erklären und sich zugleich der Verpflichtung zu unterwerfen hatte, etwaige bereits angemeldete Forderungen gegen die Insolvenzmasse unverzüglich zurückzunehmen. Darüber hinaus wurde vereinbart, dass mit der Zahlung des Vergleichsbetrages sämtliche wechselseitigen Ansprüche der Beteiligten als erledigt galten. Mit Durchführung der Vergleichsvereinbarung stand daher fest, dass der Kläger nicht mehr mit einer Zuteilung oder Zurückzahlung von Gesellschaftsvermögen (aus der Insolvenzmasse) rechnen konnte. Aufgrund des Verzichts auf sämtliche wechselseitigen Ansprüche war zudem eine Rückzahlung des streitigen Darlehens ausgeschlossen, so dass sich auch keine Veränderungen hinsichtlich der Höhe der auf den Kläger entfallenden nachträglichen Anschaffungskosten mehr ergeben konnten. Damit ist von einer Realisation des Auflösungsverlusts bereits im Jahr 2007 auszugehen.
432. Der Beklagte hat den Verlust des Klägers aus der Auflösung der A-GmbH jedoch nicht in der zutreffenden Höhe berücksichtigt.
44a) Im Streitfall entspricht der steuerlich zu berücksichtigende Verlust der Höhe nach den Anschaffungskosten des Klägers auf seine Beteiligung an der A-GmbH.
45Nach § 17 Abs. 4 Satz 1 EStG gilt als Veräußerung des Gesellschaftsanteils i.S. des § 17 Abs. 1 EStG auch die Auflösung einer Kapitalgesellschaft. Als Gewinn bzw. Verlust aus dieser Veräußerung ist grundsätzlich vom Veräußerungspreis auszugehen (§ 17 Abs. 2 Satz 1 EStG), der im Fall der Auflösung einer Kapitalgesellschaft dem gemeinen Wert des dem Steuerpflichtigen zugeteilten oder zurückgezahlten Vermögens entspricht (§ 17 Abs. 4 Satz 2 EStG). Im Streitfall wurde dem Kläger jedoch kein Gesellschaftsvermögen zugeteilt oder zurückgezahlt. Es wurde auch kein Abzug von Veräußerungs- oder Auflösungskosten geltend gemacht (vgl. § 17 Abs. 2 Satz 1 EStG). Im Ergebnis ist daher von einem Veräußerungs- bzw. Auflösungsverlust in Höhe der Anschaffungskosten des Klägers auszugehen.
46b) Der in § 17 Abs. 2 Satz 1 EStG verwendete, aber nicht definierte Begriff der Anschaffungskosten ist im Sinne des § 255 Abs. 1 des Handelsgesetzbuchs (HGB) auszulegen (BFH, Urteil vom 21.01.1999 IV R 27/97, BFHE 188, 27, BStBl. II 1999, 638). Es muss sich daher um Aufwendungen handeln, die geleistet werden, um einen Vermögensgegenstand zu erwerben und ihn in einen betriebsbereiten Zustand zu versetzen, soweit sie dem Vermögensgegenstand einzeln zugeordnet werden können. Das ist jedenfalls in Bezug auf die (bereits berücksichtigten) Aufwendungen in Höhe von 71.581,- €, die der Kläger geleistet hat, um die Anteile der A-GmbH bzw. der später auf die A-GmbH verschmolzenen E-GmbH zu erwerben, der Fall. Dies ist zwischen den Beteiligten auch nicht streitig.
47c) aa) Anschaffungskosten können grundsätzlich auch die Nennwerte der einer Kapitalgesellschaft gewährten Gesellschafterdarlehen sein, mit denen ein Gesellschafter in vollem Umfang ausgefallen ist. Denn gemäß § 255 Abs. 1 Satz 2 HGB gehören zu den Anschaffungskosten auch die nachträglichen Anschaffungskosten. Hierbei handelt es sich um Aufwendungen, die zeitlich nach dem Anschaffungsvorgang bzw. nach der Herstellung der Betriebsbereitschaft des betreffenden Wirtschaftsguts anfallen, aber mit dem Erwerbsvorgang noch in einem ursächlichen Zusammenhang stehen (BFH, Urteile vom 03.07.1997 III R 114/95, BFHE 183, 504, BStBl. II 1997, 811 und vom 14.03.2011 I R 40/10, BFHE 233, 393, BStBl. II 2012, 281). Dazu zählen neben (verdeckten) Einlagen nachträgliche Aufwendungen auf die Beteiligung, wenn sie durch das Gesellschaftsverhältnis veranlasst und weder Werbungskosten bei den Einkünften aus Kapitalvermögen noch Veräußerungs- oder Auflösungskosten sind. Nach der Rechtsprechung des BFH liegt eine Veranlassung durch das Gesellschaftsverhältnis vor, wenn der Gesellschafter durch die Gewährung bzw. Weitergewährung des Darlehens der Gesellschaft „funktionales“ Eigenkapital zuwendet, d.h. das Darlehen nach Maßgabe des Zivilrechts einen Ersatz für Eigenkapital darstellt und ebenso wie dieses gesetzlich gebunden ist (vgl. BFH, Urteil vom 02.10.1984 VIII R 36/83, BFHE 143, 228, BStBl. II 1985, 320, m.w.N.). Ein Darlehen erhält eigenkapitalersetzenden Charakter, wenn die Darlehensrückzahlung bei der Gewährung oder Weitergewährung des Darlehens objektiv gefährdet ist, weil die Gesellschaft entweder bereits insolvenzreif ist oder sich zumindest in einer finanziellen Krise befindet, so dass ein Nichtgesellschafter es der Gesellschaft bei Anwendung der Sorgfalt eines ordentlichen Kaufmanns in der gegebenen Situation der Gesellschaft nicht gewährt hätte (BFH, Urteile vom 02.10.1984 VIII R 36/83, BFHE 143, 228, BStBl. II 1985, 320; vom 13.07.1999 VIII R 31/98, BFHE 189, 390, BStBl. II 1999, 724 und vom 04.03.2008 IX R 78/06, BFHE 220, 446, BStBl. II 2008, 575).
48bb) Diese Rechtsprechungsgrundsätze sind nach Auffassung des Senates auch im vorliegenden Fall anzuwenden.
49Dies gilt ungeachtet der Tatsache, dass die §§ 32a und 32b GmbHG a.F., auf denen die genannten Rechtsprechungsgrundsätze beruhen, durch Art. 1 Nr. 22 des Gesetzes zur Modernisierung des GmbH-Rechts und zur Bekämpfung von Missbräuchen (MoMiG) vom 23.10.2008 (BGBl. I 2008, 2026) mit Wirkung ab dem 01.11.2008 aufgehoben wurden. Denn nach der gesetzlichen Regelung in Art. 103d Satz 1 des Einführungsgesetzes zur Insolvenzordnung (EGInsO) sind die bisherigen gesetzlichen Vorschriften für Insolvenzverfahren, die vor dem Inkrafttreten des MoMiG am 01.11.2008 eröffnet wurden, weiterhin anzuwenden. Daher bestimmt sich auch die Frage der gesellschaftlichen Veranlassung von Gesellschafterdarlehen nach dem bisherigen Eigenkapitalersatzrecht, wenn ein Insolvenzverfahren über das Vermögen der Gesellschaft - wie hier - vor dem Inkrafttreten des MoMiG (im Streitfall am 09.11.2006) eröffnet wurde (vgl. FG Düsseldorf, Urteil vom 18.12.2014 11 K 3614/13 E, EFG 2015, 480; vgl. auch FG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 28.05.2015 4 K 7114/12, EFG 2015, 1934; FG Köln, Urteil vom 26.04.2016 8 K 2944/12, EFG 2016, 1343; Eilers, in: Herrmann/Heuer/Raupach, EStG/KStG, 21. Aufl. 2006 <Stand: April 2016>, § 17 Rn. 201a; Weber-Grellet in: Schmidt, EStG, 35. Aufl. 2016, § 17 Rn. 171; so auch die Weisungslage der FinVerw, vgl. BMF-Schreiben vom 21.10.2010, BStBl. I 2010, 832 Tz. 6 unter Hinweis auf das BMF-Schreiben vom 08.06.1999, BStBl. I 1999, 545).
50cc) Nach den danach anzuwendenden Rechtsprechungsgrundsätzen ist zwischen einem erstmalig in der Krise hingegebenen Darlehen und einem bereits vor der Krise gewährten, aber in der Krise stehen gelassenen Darlehen zu unterscheiden. Der Darlehenshingabe steht es zwar grundsätzlich gleich, wenn der Gesellschafter das der Gesellschaft vor der Krise gewährte Darlehen stehen lässt, obwohl er es hätte abziehen können und es angesichts der veränderten finanziellen Situation der Gesellschaft absehbar war, dass die Rückzahlung gefährdet sein wird. Während sich die Anschaffungskosten der Beteiligung jedoch im Falle der Hingabe des Darlehens in der Krise nach dessen Nennwert bestimmen, kann bei einem stehen gelassenen Darlehen grundsätzlich nur der (gemeine) Wert in dem Zeitpunkt angesetzt werden, in dem es der Gesellschafter mit Rücksicht auf das Gesellschaftsverhältnis nicht abzieht. Diese Differenzierung beruht auf der Erwägung, dass Wertverluste bis zu diesem Zeitpunkt nicht durch das Gesellschaftsverhältnis veranlasst sind und daher im Einklang mit dem objektiven Nettoprinzip in die einkommensteuerlich unbeachtliche Privatsphäre fallen. Auf die Prüfung, wann die Krise eingetreten ist und wann der Gesellschafter hiervon Kenntnis erlangt hat, kann nur verzichtet werden, wenn der Gesellschafter schon in einem früheren Zeitpunkt mit bindender Wirkung gegenüber der Gesellschaft oder den Gesellschaftsgläubigern erklärt, dass er das Darlehen auch in der Krise stehenlassen werde. Bei einem solchen krisenbestimmten Darlehen tritt die Bindung bereits mit dem Verzicht auf eine ordentliche und außerordentliche Kündigung im Zeitpunkt der Krise ein, so dass der Verlust des Darlehens auf diesem Verzicht und nicht nur auf den später eintretenden gesetzlichen Rechtsfolgen der Krise beruht. Die Bestimmung des Darlehens zur Krisenfinanzierung kann sich aus den objektiven Umständen der Darlehenshingabe, aber auch aus einer ausdrücklichen oder stillschweigenden Erklärung gegenüber Gläubigern der Gesellschaft oder - wie etwa im Falle eines Rangrücktritts - gegenüber der Gesellschaft selbst ergeben (vgl. BFH-Urteile vom 10.11.1998 VIII R 6/96, BFHE 187, 480, BStBl. II 1999, 348; vom 13.07.1999 VIII R 31/98, BFHE 189, BStBl. II 1999, 724 und vom 25.05.2011 IX R 54/10, BFH/NV 2011, 2029).
51Nach Maßgabe dieser Grundsätze erfüllt die Vereinbarung vom 10.11.2004 über den Nachtrag zum Darlehensvertrag vom 28.11.1997 die Voraussetzungen eines in der Krise stehen gelassenen Darlehens.
52(1) Im Zeitpunkt der Vereinbarung vom 10.11.2004 befand sich die A-GmbH - wovon auch die Beteiligten übereinstimmend ausgehen - in der Krise.
53Indiz für das Vorliegen einer Krise ist nach der Rechtsprechung des BFH, wenn durch Verluste mehr als die Hälfte des Stammkapitals aufgezehrt ist (vgl. BFH-Urteil vom 10.11.1998 VIII R 6/96, BFHE 187, 480, BStBl. II 1999, 348 unter Hinweis auf Bundesgerichtshof -BGH-, Urteil vom 04.12.1995 II ZR 281/94, WM 1996, 256). Das ist hier der Fall. Ausweislich der Bilanz zum 31.12.2004 erwirtschaftete die A-GmbH einen Jahresfehlbetrag in Höhe von 257.547,37 €. Anhaltspunkte dafür, dass sich in den Wirtschaftsgütern der A-GmbH noch ausreichende stille Reserven befanden, die die entstandene Unterbilanz hätten ausgleichen können, liegen nicht vor. Dies hat auch der Kläger in seinem Schriftsatz vom 02.08.2016 bestätigt. Das Stammkapital der A-GmbH in Höhe von 79.250,24 € (vgl. § 42 Abs. 1 GmbHG) war durch den Jahresfehlbetrag daher in vollem Umfang aufgebraucht. Angesichts dieser finanziellen Situation der A-GmbH kann nach Auffassung des Senates davon ausgegangen werden, dass die Rückzahlung des Darlehens bereits vor dem Bilanzstichtag am 10.11.2004 offensichtlich in einem Maße gefährdet war, dass ein ordentlicher Kaufmann das Risiko einer Darlehensgewährung zu denselben Bedingungen wie der Kläger (insbesondere ohne fehlende Sicherung) nicht mehr eingegangen wäre. Demgegenüber bestehen keine Anhaltspunkte dafür, dass sich die A-GmbH bereits zu einem früheren Zeitpunkt, namentlich bereits im Zeitpunkt der vorangegangenen Laufzeitverlängerungen am 22.11.1999 oder am 22.11.2001 in der Krise befand. Derartige Anhaltspunkte werden auch vom Kläger nicht geltend gemacht.
54(2) Die Vereinbarung vom 10.11.2004 über den Nachtrag zum Darlehensvertrag vom 28.11.1997 ist als stehen gelassenes Darlehen zu qualifizieren.
55Nach Auffassung des Senats kann die Vereinbarung vom 10.11.2004 zivilrechtlich nicht losgelöst von dem ursprünglichen Darlehensvertrag vom 28.11.1997 betrachtet werden. Hierfür spricht schon die von den Beteiligten gewählte Bezeichnung „Nachtrag zum Darlehensvertrag vom 28.11.1997“, denn diese lässt den Schluss zu, dass es dem beiderseitigen Parteiwillen entsprach, mit der Vereinbarung vom 10.11.2004 kein neues Darlehensverhältnis zu begründen, sondern vielmehr das bisherige Darlehensverhältnis fortzuführen. Hinzu kommt, dass mit der Vereinbarung vom 10.11.2004 lediglich eine weitere Laufzeitverlängerung um zwei Jahre mit der Möglichkeit zu außerplanmäßigen Tilgungen geregelt wurde. Somit wurden lediglich der Zeitpunkt und die Modalitäten der Darlehensrückzahlung geändert, der A-GmbH aber kein „frisches Kapital“ zugeführt, wie dies bei einer erstmaligen Darlehensgewährung der Fall gewesen wäre. Bei einer solchen Sachlage ist nach der Rechtsprechung des BFH vom typischen Fall einer zweiseitigen Finanzierungsabrede auszugehen mit dem Ziel, ein der Gesellschaft in wirtschaftlich gesunden Zeiten gewährtes Darlehen in der Krise "stehenzulassen" (BFH-Urteil vom 10.11.1998 VIII R 6/96, BFHE 187, 480 <486>, BStBl. II 1999, 348 <351>).
56Etwas anderes ergibt sich im Streitfall nicht daraus, dass nach Ablauf der am 22.11.2001 vereinbarten weiteren Befristung des Darlehens („bis spätestens zum 30.11.2004“) der Kläger eine Entscheidung über eine etwaige weitere Laufzeitverlängerung zugunsten der A-GmbH oder aber eine Rückforderung des Darlehens zu treffen hatte. Soweit der Kläger vorträgt, aufgrund der beschlossenen Laufzeitverlängerung habe er eine klare Finanzierungsentscheidung zugunsten der Gesellschaft getroffen, so dass die Prolongation des Darlehens nicht anders gewertet werden könne als eine neue Darlehenshingabe, folgt der Senat dem nicht. Denn wie ein Gesellschafter das Darlehen „stehen lässt“ - sei es durch eine Verlängerungs-, Stundungs- oder sonstige Vereinbarung oder durch die bloße Nichtgeltendmachung der Forderung bzw. durch das Unterlassen einer möglichen Kündigung (vgl. § 609 Abs. 2 BGB a.F.) - spielt nach Auffassung des Senats für den eigenkapitalersetzenden Charakter der Handlung des Gesellschafters keine Rolle (ebenso: Eilers, in: Herrmann/Heuer/Raupach, EStG/KStG, 21. Aufl. 2006 <Stand: April 2016>, § 17 Rn. 201a). Zwar wäre das Darlehen im Streitfall ohne weitere Verlängerung der Laufzeit spätestens zum 30.11.2004 fällig gewesen. Der Kläger hätte den bis dahin noch nicht getilgten Darlehensbetrag aber auch dadurch bei der A-GmbH belassen können, dass er den Rückzahlungsanspruch schlicht nicht geltend gemacht hätte. Abgesehen davon ändert der Umstand, dass am 10.11.2004 eine weitere vertragliche Vereinbarung getroffen wurde, nichts daran, dass die A-GmbH hierdurch keine zusätzlichen Geldmittel als Darlehen erhalten hat, wie dies § 607 BGB a.F. voraussetzt.
57dd) Entgegen der Auffassung des Klägers kann auch nicht davon ausgegangen werden, dass das Darlehen im Zeitpunkt der Verlängerungsvereinbarung vom 10.11.2004 – wie ein erstmaliges Darlehen im Augenblick seiner Hingabe – noch voll werthaltig gewesen wäre.
58Bei einer Gesamtwürdigung der Umstände des Streitfalls geht der Senat im Wege der Schätzung davon aus, dass das Darlehen im Zeitpunkt des Stehenlassens bei Kriseneintritt am 10.11.2004 noch einen gemeinen Wert in Höhe von 20.000,- € hatte.
59Der Wert der stehen gelassenen Darlehensforderung bei Eintritt der Krise ist nach dem Grad der Wahrscheinlichkeit ihrer Werthaltigkeit gemäß § 162 AO zu schätzen. Maßgeblich ist der Betrag, den ein Gesellschafter bei einer fiktiven Veräußerung der Darlehensforderung von einem fremden Dritten erhalten hätte. Dabei handelt es sich in der Regel um die im Zeitpunkt des Kriseneintritts zu erwartende Insolvenzquote. Diese kann bei einer langsam fortschreitenden Krisensituation verhältnismäßig hoch, im Einzelfall aber bei einer plötzlichen Krise mit anschließender Liquidation mangels Masse auch ein Betrag von 0,- € sein (BFH-Urteile vom 24.04.1997 VIII R 16/94, BFHE 183, 402; BStBl. II 1999, 339; vom 04.11.1997 VIII R 43/96, BFH/NV 1998, 1076; vom 10.11.1998 VIII R 6/96, BFHE 187, 480, BStBl. II 1999, 348 und vom 29.05.2001 VIII R 10/00, BFHE 195, 486, BStBl. II 2001, 747; vgl. auch FG Münster, Urteil vom 31.01.2001 8 K 1010/99 F, EFG 2001, 684).
60Ausgehend hiervon sind nach Auffassung des Senats keine hinreichenden Anhaltspunkte dafür erkennbar, dass der Wert des Darlehensrückforderungsanspruchs bei Eintritt der Krise bereits auf 0,- € herabgesunken war. Da im Streitfall keine plötzlich und unerwartet eintretende Krise vorlag und zudem auch das Insolvenzverfahren über das Vermögen der A-GmbH erst am 21.09.2006 angemeldet wurde, geht der Senat vielmehr von einer gewissen Werthaltigkeit der Darlehensforderung bei der spätestens ab November 2004 entstandenen Krisensituation der A-GmbH aus. Hierfür spricht auch der Umstand, dass die A-GmbH ausweislich der Bilanz zum 31.12.2004 trotz des erwirtschafteten Jahresfehlbetrags in Höhe von 257.547,37 € noch über ein positives (buchmäßiges) Eigenkapital in Höhe von 116.882,88 € verfügte. Erst für das Folgejahr 2005 weist die Bilanz einen nicht mehr durch Eigenkapital gedeckten Jahresfehlbetrag in Höhe von 206.756,46 € aus. Angesichts eines Gesamtbestandes der Verbindlichkeiten zum 31.12.2004 in Höhe von 774.694,95 € spricht nach Auffassung des Senats jedoch viel dafür, dass ein fremder Dritter die Darlehensforderung allenfalls zu einem Betrag in der Größenordnung zwischen 0% und 50% des Nennwertes zu erwerben bereit gewesen wäre, zumal keine Sicherheiten vorlagen, auf die der fremde Dritter im Falle der Uneinbringlichkeit der Darlehensforderung hätte zurückgreifen können. Angesichts dessen schätzt der Senat die Werthaltigkeit der Darlehensforderung im Zeitpunkt des Kriseneintritts auf 20.000,- €, was ca. 25 % des Darlehensnennwertes entspricht. Bei der Schätzung hat sich der Senat insbesondere davon leiten lassen, dass der angesetzte Prozentsatz in etwa dem Verhältnis der bei der A-GmbH zum 31.12.2004 noch vorhandenen liquiden Mittel (168.027,53 €) zum Gesamtbestand der Verbindlichkeiten (774.694,95 €) entspricht und dass der Kläger aufgrund seiner Stellung als Alleingesellschafter hinreichend über den Kriseneintritt informiert gewesen sein dürfte. Bei einer Gesamtbetrachtung ist daher davon auszugehen, dass im Zeitpunkt des Kriseneintritts eine fiktive Insolvenzquote von 25 % zu erzielen gewesen wäre.
61ee) Die im Zusammenhang mit dem Veräußerungsverlust des Klägers nach § 17 EStG danach zusätzlich zu berücksichtigenden nachträglichen Anschaffungskosten in Höhe von 20.000,- € sind im Streitjahr nicht nach § 3c Abs. 2 Satz 1 EStG zu mindern, da der Kläger im Zusammenhang mit der Insolvenz der A-GmbH keine durch seine Beteiligung vermittelte Einnahmen erzielt hat (vgl. BFH-Urteile vom 25.06.2009 IX R 42/08, BFHE 225, 445, BStBl. II 2010, 220 und vom 06.04.2011 IX R 61/10, BFHE 233, 446, BStBl. II 2012, 8; ebenso: BMF-Schreiben vom 28.06.2010, BStBl. I 2010, 599).
623. Die Kostenentscheidung beruht auf § 136 Abs. 1 Satz 1 i.V.m. Abs. 2 FGO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit auf §§ 151 Abs. 3, 155 FGO i. V. m. §§ 708 Nr. 10, 711 der Zivilprozessordnung.
634. Die Revision war nicht zuzulassen, weil die Voraussetzungen hierfür nach § 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO oder § 115 Abs. 2 Nr. 2 FGO nicht vorliegen.
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