Urteil vom Finanzgericht Düsseldorf - 15 K 4018/13 E,G
Tenor
Der Einkommensteuerbescheid 2007 vom 22.01.2013 und der Gewerbesteuermessbescheid 2007 vom 12.02.2013, jeweils in Gestalt der Einspruchsentscheidungen vom 14.10.2013, werden dahin geändert, dass die Betriebsausgaben erhöht werden um 57.279,80 EUR sowie 56.812,50 EUR. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
Die Berechnung der Steuer wird auf den Beklagten übertragen.
Die Kosten des Verfahrens tragen die Kläger zu 2/3 und der Beklagte zu 1/3.
1
G r ü n d e :
2Die Beteiligten streiten im Anschluss an eine Prüfung der Steuerfahndung –Steufa- A sowie eine Betriebsprüfung –BP- des Beklagten über den Abzug von Betriebsausgaben und über das Vorliegen einer tatsächlichen Verständigung.
3Der Kläger betreibt einen Handel und eine Verschiffung von Reststoffen, u. a. Monolithen. Im Rahmen einer BP versagte der Prüfer (Herr …) den Betriebsausgabenabzug für zwei am 29.09.2007 verbuchte Barzahlungen an „B“ über 57.279,80 EUR und 56.812,50 EUR. Es fehle an Belegen (Rechnungen, Quittungen, Eintrag im Kassenbuch). Zudem übernahm er die Gewinnkorrektur lt. Feststellungen der Steufa A. Hieraus ergaben sich Gewinnerhöhungen von 216.000 EUR (2006) und 6.600 EUR (2007) für nicht verbuchte Erlöse aus dem Verkauf von Monolith an die Firmen C GmbH und D GmbH. Der Kläger habe im Jahr 2006 einen Wareneinkauf von 87.563 kg Monolith verbucht, aber nur einen Warenverkauf von 17.929 kg. Der nicht verbuchte Warenverkauf von 72 t, erfasst als Einkauf zu 1 EUR/kg, sei ausweislich der in der Schlussbesprechung erzielten Einigung mit einer Gewinnmarge von 2 EUR/kg zu berücksichtigen, mithin mit einem Erlös von 72.000 kg x 3 EUR = 216.000 EUR. Für das Streitjahr 2007 sei ein Monolithverkauf von 3,3 t nicht verbucht. Da hier nicht zu ermitteln sei, ob der Kläger den Einkauf bereits erfasst habe, werde der Gewinn lediglich um 2 EUR/kg erhöht, mithin um 3.300 kg x 2 EUR = 6.600 EUR. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den BP-Bericht vom 03.12.2012, Tz. 2.4 und 2.10, sowie den Teilbericht der Steufa vom 03.09.2012 Bezug genommen. Am 28.08.2012, dem Tag der Beschuldigtenvernehmung des Klägers und auch der Schlussbesprechung, hatten u. a. der Kläger, der Prozessbevollmächtigte und der Sachgebietsleiter der Steufa A BP einen „Aktenvermerk“ unterzeichnet mit folgendem Inhalt: „Nach Sachverhalt halten beide Seiten eine Gewinnmarge von 2 EUR pro kg für angemessen. Dies bezieht sich auf die nicht verbuchten Lieferungen an die Firmen D und C GmbH. 2006 wurden Lieferungen von 74 t und 2007 Lieferungen von 3,3 t nicht verbucht. Diese Lieferungen bilden die Bemessungsgrundlage für die genannten 2 EUR pro kg.“ Unter Bezugnahme auf diesen „Aktenvermerk“ wandte der Kläger am 24.09.2012 ein, angesichts der Gewinnmarge von 2 EUR sei zwar für 2007 die Gewinnerhöhung zutreffend berechnet, nicht indes für 2006; hier müsse reduziert werden auf 144.000 EUR (72.000 kg x 2 EUR). Hierauf erläuterte die SteuFA, dass betr. 2006 bereits ein Wareneinkauf von 1 EUR/Kg verbucht worden sei. Sie werde den Teilbericht an den Beklagten übersenden.
4Nach erfolglosem Einspruchsverfahren gegen die am 22.01.2013 geänderten Bescheide zur Einkommensteuer 2006, 2007 und vom 12.02.2013 wegen Gewerbesteuermessbeträgen 2006, 2007 (Einspruchsentscheidungen vom 14.10.2013) verfolgen die Kläger ihr Begehren mit der vorliegenden Klage weiter. Im Rahmen des gerichtlichen Erörterungstermins vom 18.06.2015 hat der Kläger sein Begehren betr. weiterer Streitpunkte eingeschränkt. Er trägt im Wesentlichen Folgendes vor:
5Zu den beiden streitigen Barzahlungen vom 29.09.2007 hat der Kläger erstmals mit Schriftsatz vom 04.04.2015 zwei Quittungen vorgelegt (Bl. 173: B über 57.279,80 EUR und Bl. 190: E über 56.812,50 EUR, beide unterzeichnet unter dem 29.09.2007); die Quittungen habe er erst nach Rückgabe der Belege seitens der Staatsanwaltschaft wiedergefunden – in zwei mannshohen Aktenwagen mit unsortierten Unterlagen; der Fahndungsprüfer habe sie wohl in der ungeordneten Materialmenge übersehen. Zwar habe er die Beträge – formell ordnungswidrig – nicht in das Kassenbuch eingetragen; dies rechtfertige indes keine Zuschätzung, weil an der Richtigkeit der Quittungen kein Zweifel bestehe.
6Ausweislich der zu den Akten gereichten Luftfrachtrechnungen, Zollbegleitpapiere, Zollabfertigungspapiere, Gutschriften und Verkaufsrechnungen habe der Kläger am 11.09.2007 (Fa. B) bzw. 15.09.2007 (Fa. E) Katalysator- und Auspuffmaterial per Luftfracht aus Nigeria bezogen (Kläger bezeichnet als Vertreter der Fa. D), hierüber zwei Gutschriften seines Abnehmers Fa. D erhalten und dieser wiederum am selben Tag wunschgemäß eine spiegelbildliche Rechnung erteilt (Bl. 171, 172 über brutto 69.606,31 EUR und Bl. 187, 191 über brutto 69.109,25 EUR). Die Beträge von 69.606,31 EUR und 69.109,25 EUR habe ihm die Fa. D am 25.09.2007 und 01.10.2007 überwiesen (Kontoauszüge Bl. 189 und 294). Auf die beiden Rechnungsbeträge habe der Kläger die für seine Tätigkeit vereinbarte Provision von EUR/kg in Abzug gebracht und die verbleibenden Beträge von 57.279,80 EUR und 56.812,50 EUR in bar an Vertreter der Firmen B bzw. E ausgezahlt. Am 27.09.2007 und 02.10.2007 habe er sich jeweils 30.000 EUR bei der Bank in … bar auszahlen lassen (Bl. 306 und 310). Die Abwicklung sei bar erfolgt, weil dies unter nigerianischen Geschäftspartnern üblich sei, sich die Vertreter der Lieferfirmen zu den betreffenden Zeitpunkten (mit Visa, die indes am 30.09.2007 abliefen) ohnehin in Deutschland aufgehalten hätten, sie kein deutsches Konto unterhielten und das empfangene Bargeld sogleich wieder hierzulande in neue Exportgüter reinvestiert hätten. Absprachen über die Abholung des Geldes seien telefonisch erfolgt, hier mit den Geschäftspartnern F und G. Wegen deren bevorstehender Abreise am 30.09.2007 habe er bei der Fa. D am 27.09.2007 die ausstehende Überweisung angemahnt, für den 28.09.2007 deren Zusage erhalten, noch am 27.09.2007 vorsorglich 30.000 EUR in bar abgeholt (Aufbewahrung im Safe; irrtümlich ohne Eintrag im Kassenbuch) und am 29.09.2007 (Überweisung seitens der Fa. D zwar angewiesen, aber Geld noch nicht eingegangen) lediglich Herrn F ausbezahlen können (56.812,50 EUR). Glücklicherweise habe sich zum gleichen Zeitpunkt ein anderer Kunde beim Kläger befunden (und zwar, so der Kläger erstmals nach der mündlichen Verhandlung vom 12.08.2015, der Zeuge H), der Bargeld zwecks Einkäufen bei sich geführt und dies dem Kläger mit 57.279,80 EUR vorgestreckt habe, sodass er auch die zweite quittierte Zahlung noch am 29.09.2007 habe tätigen können. Nur im Hinblick auf diese Absprachen hätten die nigerianischen Lieferanten den dokumentierten Abzug der Provisionen des Klägers akzeptiert. Die beiden Überweisungen von der Fa. D seien dann am 01.10.2007 auf dem Konto des Klägers eingegangen. Er habe am 02.10.2007 nochmals 30.000 EUR abgehoben und H den vorgestreckten Betrag zurückgezahlt. Die beiden streitgegenständlichen Quittungen habe der Kläger seinem damaligen Steuerberater übergeben, dem indes die fehlende Buchung in der Kasse offenbar nicht aufgefallen sei.
7Die Gewinnerhöhung seitens der SteufA A wegen der Monolithverkäufe könne nicht auf die Grundsätze einer sog. tatsächlichen Verständigung gestützt werden. Die Einigung entfalte bereits deshalb keine Bindungswirkung, weil diese zu einem offensichtlich unzutreffenden Ergebnis führe. Zudem müsse ein Amtsträger mitwirken, der zur Entscheidung über die Steuerfestsetzung befugt sei; das sei hier nicht der Fall, weil nur Beamte der SteufA beim Finanzamt A beteiligt gewesen seien. Zudem sei das „Geständnis“ des Klägers allein auf die Drohung hin zustande gekommen, andernfalls die Differenz zwischen dem Einkaufspreis von 1 EUR und dem in den Gutschriften ausgewiesenen Ankaufspreis der Fa. C GmbH von 30 EUR bis 60 EUR als Gewinn anzusetzen. Die Abrede lt. Vermerk habe im Widerspruch gestanden zu seiner Aussage im Rahmen der Beschuldigtenvernehmung vom selben Tag, dass er gerade keine Einkünfte aus den fraglichen Geschäften erzielt habe.
8In der Sache trägt der Kläger zu den Monolithgeschäften Folgendes vor: Als Vermittler auf der Schnittstelle zwischen afrikanischem und deutschem Markt sei er sowohl für die Lieferanten als auch die Abnehmer (überwiegend Firma C GmbH, gelegentlich auch Fa. D GmbH) interessant gewesen. Der Kläger selbst (später auch zwei von ihm beschäftigte Fahrer) habe die Ware am Flughafen abgeholt; die Rechnungen seien nur pro forma auf seinen Namen ausgestellt worden, um ihn zur Abwicklung zu berechtigen; der viel zu geringe Preis von 1 EUR/kg sei auch nie verlangt oder bezahlt worden. Er habe die Ware dem Abnehmer gebracht und bei den Preisverhandlungen vermittelt. Im Erfolgsfall habe er den Preis bar erhalten und dem Lieferanten auf seinem Betriebsgelände übergeben. Gelegentlich, wenn der Wertstoffgehalt höher gewesen sei als angenommen, seien Nachzahlungen erfolgt – ggf. per (Blitz-)Überweisung auf sein Privatkonto. Er habe zuerst ohne Provision gearbeitet, um sich einen Markteinstieg zu verschaffen und um entgeltliche Exportaufträge zu akquirieren; lediglich seine Barauslagen (Transport, Fahrer, EUSt) habe er sich vom Lieferanten erstatten lassen. Ab November 2006 habe er mehr und mehr mit den afrikanischen Lieferanten vereinbart, 2 bis 3 EUR als Provision bzw. zum Ausgleich seiner baren Auslagen einbehalten zu dürfen; entsprechend seien dann die Gutschriften zunehmend mit Umsatzsteuerausweis, teilweise auch gesplittet, erteilt worden. Auf dem Warenkonto seien zunächst als Einkaufspreis 1 EUR, ab November 2006 dann die tatsächlichen Kilopreise von 40 – 60 EUR erfasst worden. Als Einkäufer habe er nie gehandelt; das Risiko habe er gescheut. Dass die Lieferungen dennoch vollumfänglich eingebucht worden seien, beruhe auf einem Fehler seines damaligen Steuerberaters. Die Erlöse seien indes nicht als Verkäufe erfasst worden, weil der Kläger die Belege nicht vorgelegt habe; er habe geglaubt, hierzu als bloßer Vermittler nicht verpflichtet zu sein. Vom Zeugen I bzw. dessen Arbeitgeber, der Fa. C GmbH, sei er als „Agent“ bzw. „Vermittler“ bezeichnet worden.
9Nach Erörterungstermin vom 18.06.2015 und mündlicher Verhandlung vom 12.08.2015 hat der Senat am 17.08.2015 die Einholung eines Schriftsachverständigengutachtens zum Zeitpunkt der Erstellung der beiden o. a. auf den 29.09.2007 datierten Barquittungen beschlossen. Der Sachverständige Dr. J ist mit Gutachten vom 17.02.2016 zu dem Ergebnis gelangt, dass die Datumsechtheit der beiden Urkunden nicht beweisbar, indes auch nicht ausgeschlossen sei.
10Der Kläger beantragt,
11die Einkommensteuerbescheide 2006 bis 2007 vom 22.01.2013 und die Gewerbesteuermessbescheide 2006 bis 2007 vom 12.02.2013, jeweils in Gestalt der Einspruchsentscheidungen vom 14.10.2013, dahin zu ändern, dass die Betriebsausgaben 2007 erhöht werden um 57.279,80 EUR sowie 56.812,50 EUR und dass die Gewinnerhöhungen von 216.000 EUR (2006) und 6.600 EUR (2007) rückgängig gemacht werden.
12Der Beklagte beantragt,
13die Klage abzuweisen.
14Der Beklagte wendet zu dem geltend gemachten Betriebsausgabenabzug für die vorgetragenen Barzahlungen ein, die späte Vorlage der beiden Barquittungen sei erstaunlich; die Steufa A habe in den im Übrigen geordneten Unterlagen vergeblich danach gesucht. Ein Abzug komme auch deshalb nicht in Betracht, weil es dazu weder eine Eintragung im Kassenbuch noch Mails zu Abreden der Geldübergabe, zur Provisionshöhe etc. gebe. Zudem sei offen, aus welchen Mitteln das Geld stamme. Denkbar sei etwa auch, dass der Steuerberater unter dem 29.09.2007 den Wareneingang über das Gegenkonto Kasse nachgebucht habe, nachdem der Kläger ihn auf weitere Barzahlungen hingewiesen habe, ihm jedoch weder Gutschriften noch Barbelege vorgelegt worden seien. Hinsichtlich der Monolithlieferungen gehe der Beklagte davon aus, dass die Verständigung auf die Marge von 2 EUR auch im Steuerfestsetzungsverfahren bei ihm Bestand habe.
15In der Ladung sowie der mündlichen Verhandlung vom 19.09.2016 hat das Gericht darauf hingewiesen, dass es zu den Gewinnerhöhungen auf der Grundlage des „Aktenvermerks“ bzw. der „tatsächlichen Verständigung“ keine Beweisaufnahme beabsichtige. Zu den streitgegenständlichen Quittungen hat der Senat Beweis erhoben durch Vernehmung der durch die Kläger zum Termin gestellten Zeugen F, G und H. Wegen des Inhalts wird auf das Sitzungsprotokoll verwiesen.
16Hinsichtlich der Einzelheiten zum Sachverhalt und zum Klagevorbringen der Beteiligten wird auf den Inhalt der Gerichtsakten (einschließlich Gutachten vom 17.02.2016) und der dem Gericht vorgelegten Steuerakten sowie der beigezogenen Strafakten Bezug genommen.
17Die Klage ist teilweise begründet.
18Die angefochtenen Bescheide sind insoweit rechtswidrig und verletzen die Kläger in ihren Rechten (§ 100 Abs. 1 Satz 1 der Finanzgerichtsordnung –FGO-), als der Beklagte den Betriebsausgabenabzug aus den beiden Quittungen vom 29.09.2007 versagt hat; im Übrigen – hinsichtlich der Gewinnerhöhung - sind die Bescheide rechtmäßig.
19Den Klägern steht der geltend gemachte Betriebsausgabenabzug nach § 4 Abs. 4 des Einkommensteuergesetzes –EStG- bei den Einkünften aus Gewerbebetrieb nach § 15 Abs. 1 EStG und entsprechend beim Ansatz des Gewerbesteuermessbetrages für das Streitjahr 2007 zu.
20Der Kläger hat über diese beiden Beträge (erstmals) im Verlauf des Klageverfahrens zwei Barquittungen vorgelegt. Dass diese Belege unecht bzw. nachträglich erstellt worden seien, hat der vom Senat mit Beweisbeschluss beauftragte Sachverständige Dr. J zwar nicht ausschließen, aber auch nicht positiv feststellen können; auf sein Gutachten vom 17.02.2016 wird Bezug genommen. Theoretisch denkbare weitere Ermittlungen waren nach den vorliegenden Umständen im Tatsächlichen nicht aussichtsreich und kamen daher nicht in Betracht. Der Senat behandelt die Belege demgemäß als echt.
21Zwar hat der Beklagte zutreffend Indizien angeführt, die Zweifel an den beiden Barzahlungen aufzeigen: Die späte Vorlage der Quittungen ist merkwürdig; die Steufa A hatte vergeblich in den (geordneten) Unterlagen gesucht, und der Kläger hat keine näheren Umstände zum verspäteten Auffinden dargelegt. Außerdem fehlt eine Eintragung im Kassenbuch. Die Erfassung auf dem Wareneingangskonto ist erst am 29.09.2007 erfolgt, obwohl die zugehörigen Gutschriften bereits vom 17.09.2007 und 24.09.2007 datieren.
22Diese Bedenken und (Gegen-)Indizien sind zur Ansicht des Senats indes mit der Beweisaufnahme durch Vernehmung der drei präsenten Zeugen entkräftet worden; das Gericht ist von dem Abfluss der Gelder durch Barzahlung des Klägers überzeugt.
23Beide Zahlungsempfänger – F und G – haben nach Vorhalt der beiden Quittungen glaubhaft bestätigt, die dortige Unterschrift stamme von ihnen; der Zeuge F hat zur Bekräftigung seinen Ausweis vorgelegt. Dass sich beide Zeugen demgegenüber nicht an den Vorgang der Unterzeichnung bzw. den konkreten Hintergrund zu erinnern vermochten, steht der Beweiskraft nicht entgegen. Dies ist dem Umstand geschuldet, dass der Vorfall neun Jahre zurückliegt und die beiden Zeugen mit dem Kläger eine Vielzahl gleichartiger Geschäfte abgewickelt haben; eher im Gegenteil wäre es ungewöhnlich gewesen, wenn die Zeugen Details zu den Quittungen bekundet hätten. Indes haben beide Zeugen übereinstimmend und anschaulich geschildert, wie die in ihrer Geschäftsbeziehung üblichen Barzahlungen des Klägers regelmäßig abgelaufen sind – in dessen Geschäftsräumen und unter Ausschluss der sich regelmäßig dort aufhaltenden weiteren Afrikaner. Ebenso haben die beiden Zahlungsempfänger widerspruchsfrei und überzeugend den Klagevortrag sowie den Inhalt der den Bezahlungen zugrunde liegenden Dokumente (Einfuhrpapiere, Gutschriften, Rechnungen) bestätigt – angesichts der verstrichenen Zeit auch insoweit nicht bezogen auf das den Quittungen zugrunde liegende Einzelgeschäft, aber als das in den Beziehungen zum Kläger durchaus übliche Vorgehen. Die Zeugen haben das Material aus Nigeria an den Kläger übersandt, damit er es (als Vermittler oder in anderer rechtlicher Position) in Deutschland an Kunden veräußere und ihnen, den Lieferanten, sodann den – noch zu ermittelnden – Wert der Ware bezahle. Hierbei habe der Kläger – so das Ergebnis der Beweisaufnahme in Übereinstimmung mit dem Klagevorbringen – den Zeitpunkt der Weiterveräußerung auf Weisung der Zeugen ausgewählt, um angesichts der Marktschwankungen einen möglichst günstigen Preis zu erzielen. Gleichfalls haben die Zeugen bekräftigt, die Bargelder in erheblicher Höhe zugleich vor Ort – in Deutschland – wieder zum Kauf inländischer Produkte für eine Weiterverwendung in ihrer Heimat investiert zu haben. Diese Handhabung gewährleistete schnelle Abwicklungen. Beide Zeugen haben die Barzahlungen als in ihren Geschäftsbeziehungen üblichen und angesichts der langjährigen vertrauensvollen Zusammenarbeiten unter Landsleuten auch risikolosen Weg beschrieben. Der Zeuge F hat ergänzt, dass der Kläger ihm keine Gelder schuldig geblieben sei; auch der Zeuge G hat angegeben, dass er allenfalls einmal zwei oder drei Tage auf sein Geld habe warten müssen.
24Dass der Zeuge H erstmals vor der heutigen mündlichen Verhandlung benannt worden ist, begegnet gewissen Bedenken. Indes hat der Kläger diese auszuräumen vermocht unter Hinweis auf die lange zurückliegende Zeit und die Vielzahl der gleichartigen Geschäfte, sämtlich im Wege der Barabwicklungen getätigt. Der Zeuge hat die Behauptung des Klägers bestätigt, ihm kurzfristig mit Bargeld zur Bezahlung Dritter in Höhe von mehr als 20.000 EUR ausgeholfen und das Geld innerhalb weniger Wochen zurückerhalten zu haben. Dass er hierüber keine Informationen und keine Quittung verlangt habe, hat der Zeuge mit der vertrauensvollen langjährigen Geschäftsbeziehung und den Gewohnheiten in ihrem Heimatland erklärt. Bedenken gegen die Glaubwürdigkeit des Zeugen – der ebenfalls bemüht war, nur die ihm tatsächlich in Erinnerung gebliebenen Details anzugeben -, bestehen aus Sicht des Senats nicht und sind auch vom Beklagten nicht geltend gemacht worden.
25Hinsichtlich der streitigen Gewinnerhöhungen auf der Grundlage des „Aktenvermerks“ um 216.000 EUR (2006) und 6.600 EUR (2007) hat die Klage dagegen keinen Erfolg. Die Vereinbarung vom 28.08.2012 ist steuerrechtlich als sog. tatsächliche Verständigung einzuordnen und demgemäß bindend.
26Die Bindungswirkung einer tatsächlichen Verständigung setzt voraus, dass sie sich auf Sachverhaltsfragen bezieht, der Sachverhalt die Vergangenheit betrifft, die Sachverhaltsermittlung erschwert ist, auf Seiten der Finanzbehörde ein für die Entscheidung über die Steuerfestsetzung zuständiger Amtsträger beteiligt ist und die tatsächliche Verständigung nicht zu einem offensichtlich unzutreffenden Ergebnis führt (Urteil des Bundesfinanzhofs –BFH- vom 07.07.2004 X R 24/03, Bundessteuerblatt –BStBl- II 2004, 975). Diese Voraussetzungen sind vorliegend erfüllt.
27Die Schriftform ist gewahrt. Die Urkunde ist zwar mit „Aktenvermerk“ überschrieben. Indes enthält sie die Unterschriften sämtlicher Gesprächsteilnehmer, sollte also nach deren Willen verbindlich sein. Zudem nahm die Steufa diese Abrede zum Anlass, von (ohne Weiteres möglichen) zusätzlichen Ermittlungen abzusehen und den Fall abzuschließen.
28Die Abrede führt auch nicht zu einer offensichtlich unzutreffenden Besteuerung. Eine solche läge allenfalls dann vor, wenn das Ergebnis gegen die Regeln der Logik verstoßen würde; stattfinden soll lediglich eine Art Evidenzkontrolle (vgl. Seer in Tipke/Kruse, AO und FGO, vor § 118 AO Tz. 30; Frotscher in Schwarz/Pahlke, AO und FGO, § 161 AO Rdn. 174 m.w.N.). Das ist hier zu verneinen. Eine Gewinnmarge von 2 EUR ist zwar extrem niedrig, aber – auch i. S. des Klagevortrags – als eine Größe für den Kläger als Anfänger, der sich in dem Geschäft erst einen Namen machen musste, denkbar – dann wirtschaftlich ggf. als eine Art Provision gemeint. Der Zeuge G hat in seiner Zeugenaussage angegeben, der Kläger habe ihm eine Provision von 1 EUR je Kilogramm beziffert. Zudem ist die Vereinbarung unter anwaltlicher Mitwirkung des jetzigen Prozessbevollmächtigten - also wohlüberlegt - abgeschlossen worden.
29Die Gesamtumstände lassen nicht die Feststellung zu, dass die Abrede unter Drohung oder Druck zustande gekommen ist. Der Klagevortrag, dass der Prüfer „gedroht“ habe, andernfalls die Differenz zwischen dem Einkaufspreis von 1 EUR und dem in den Gutschriften ausgewiesenen Ankaufspreis der Fa. C GmbH von 30 EUR bis 60 EUR als Gewinn anzusetzen, ist bereits nach dem Vortrag nicht als Drohung i. e. S.. zu werten (Vorbringen insoweit also schon nicht schlüssig), sondern als Aufzeigen der Alternativen, wie das Verfahren hätte fortgesetzt werden können - entweder durch Schätzung eines nach Aktenlage möglichen höheren Betrages (der dann einer Überprüfung im Rechtsbehelfs- oder Klageverfahren zugänglich gewesen wäre), durch weitere umfangreiche Sachaufklärung (mit dem Risiko ebenfalls einer deutlich größeren Gewinnerhöhung) oder eben durch Einigung auf einen Betrag, der angesichts der Unsicherheiten über den Ausgang weiterer Ermittlungen und Überprüfungen für beide Beteiligten geringer ausfiel. Eine derartige Situation ist geradezu typisch als Ausgangspunkt einer tatsächlichen Verständigung; hiermit steht daher auch im Einklang, dass der Kläger bei seiner am selben Tag vorangegangenen Beschuldigtenvernehmung angegeben hat, erst ab Oktober/November 2006 nach und nach auch Gelder für sich behalten zu haben (Provisionsanteile von 1 bis 2 EUR/kg). Zudem wäre selbst dann, wenn man hier eine Drohung als Anfechtungsgrund gemäß § 123 des Bürgerlichen Gesetzbuchs –BGB- bejahen würde, jedenfalls die einjährige Anfechtungsfrist nach § 124 Abs. 1 BGB im Streitfall verstrichen; die Einsprüche hatte der Kläger noch nicht näher begründet (vgl. BFH-Urteil vom 01.09.2009 VIII R 78/06, BFH/NV 2010, 593).
30Die Einordnung der Abrede als tatsächliche Verständigung scheitert auch nicht daran, dass an ihrem Zustandekommen nicht die zuständigen entscheidungsberechtigten Amtsträger beteiligt gewesen wären. Grundsätzlich muss auf Seiten der Finanzbehörde ein entscheidungsbefugter Beamter mitwirken. Bei einer sog. veranlagenden Außenprüfung gehören nach einigen Stimmen in Rechtsprechung und Literatur auch der Prüfer und dessen Sachgebietsleiter dazu (etwa Frotscher a.a.O. § 162 AO Rdn. 177 m.w.N). Das war hier am 28.08.2012 nicht der Fall, weil die Betriebsprüfung vom Beklagten durchgeführt, hingegen der „Aktenvermerk“ vom Sachgebietsleiter der Steufa A unterschrieben worden ist. Dieser Umstand ist zur Überzeugung des Senats jedenfalls im vorliegenden Einzelfall nach den dortigen besonderen Umständen unschädlich und steht der Bindungswirkung der Verständigung hier nicht entgegen.
31Die Rechtsfrage, ob eine Vertretung des entscheidungsberechtigten Amtsträgers möglich ist oder ob dieser die Erklärung eines anderen Amtsträgers, der an der Vereinbarung mitgewirkt hat, genehmigen kann, ist streitig:
32Nach dem BFH-Urteil vom 28.07.1993 XI R 68/92, Sammlung amtlich nicht veröffentlichter Entscheidungen des BFH -BFH/NV- 1994, 290 kommt dann, wenn ein entscheidungsbefugter Beamter an der Schlussbesprechung nicht teilgenommen hat, eine Vertretung nicht in Betracht. Gerade auch durch die persönliche Anwesenheit dieses Beamten soll den Beteiligten die besondere Bedeutung ihrer Erklärungen im Rahmen einer tatsächlichen Verständigung vor Augen geführt werden. Demzufolge können die Erklärungen von Vertretern - mit oder ohne Vollmacht - nicht nach den Regeln des zivilrechtlichen Vertretungsrechts, das den Besonderheiten der steuerlichen Außenprüfung und der tatsächlichen Verständigung naturgemäß nicht Rechnung trägt, berücksichtigt, also auch nicht nachträglich genehmigt werden. Im Fall des BFH lt. Urteil vom 25.11.1997 IX R 47/94, BFH/NV 1998, 580, konnte offen bleiben, ob eine durch einen nicht entscheidungsbefugten Amtsträger getroffene Absprache die Bindungswirkung einer tatsächlichen Verständigung entfaltet, wenn sie nachträglich durch den Sachgebietsleiter genehmigt wird. Im BFH-Beschluss vom 16.10.2006 I B 228/04, juris, war die Frage der Genehmigung nicht entscheidungserheblich.
33Das FG Niedersachsen hat mit Urteil vom 19.09.2007 12 K 334/05, EFG 2008, 180, entschieden, dass bei einer sog. veranlagenden Betriebsprüfung das BP-Finanzamt auch befugt ist, mit dem Steuerpflichtigen ohne Beteiligung des beauftragenden Finanzamts eine tatsächliche Verständigung abzuschließen. Ein etwaiger Fehler der sachlichen Zuständigkeit zum Abschluss der tatsächlichen Verständigung würde auch dadurch geheilt, dass das beauftragende Finanzamt den Inhalt der tatsächlichen Verständigung uneingeschränkt in die Steuerfestsetzungen übernimmt und damit die Vereinbarung der anderen Behörde genehmigt.
34Nach Ansicht von Wüllenkemper (Anmerkung zur a. A. des FG Rheinland-Pfalz mit Urteil vom 21.09.2012 3 K 2493/10, EFG 2013, 186) möge es zwar so sein, dass eine tatsächliche Verständigung nicht nach zivilrechtlichen Regeln genehmigt werden könne. Indes sei das Argument, dass den Beteiligten die Bindungswirkung nur durch die Anwesenheit des für die Steuerfestsetzung zuständigen Amtsträgers vor Augen geführt werden könne, praxisfern – das könne nur der Prüfer mittels seines PC-Programms. Zudem sei der Sachgebietsleiter der Veranlagung an der BP regelmäßig nicht beteiligt und kenne die Ergebnisse nicht im Einzelnen. Zudem diene eine Verständigung nicht typischerweise einer Benachteiligung gerade des Steuerpflichtigen.
35Gemäß BMF-Schreiben vom 30.07.2008 (Tz. 5.3) in BStBl I 2008, 831, muss auf Seiten des Finanzamts mindestens der für die Entscheidung über die Steuerfestsetzung zuständige, d. h. der zur abschließenden Zeichnung berechtigte Amtsträger beteiligt sein. War an dem Abschluss einer tatsächlichen Verständigung ein für die Entscheidung über die Steuerfestsetzung zuständiger Amtsträger nicht beteiligt, kann dieser Mangel durch ausdrückliche nachträgliche Zustimmung gegenüber allen Beteiligten geheilt werden.
36Seer (in Tipke/Kruse, AO und FGO, vor § 118 AO, 25) meint, dass zumindest dann, wenn der intern zuständige Veranlagungsbeamte das Ergebnis der Verständigung umsetze, dieser die Verantwortung für die Verständigung übernehme und sie rückwirkend konkludent entspr. §§ 177 Abs. 1 , 184 Abs. 1 BGB genehmige. Auch Frotscher (a.a.O. § 162 AO Rdn. 178) vertritt die Ansicht, dass der entscheidungsbefugte Beamte trotz Nichtteilnahme ausreichend beteiligt werde, wenn er vor Abschluss der Verständigung einwillige oder ihr nachträglich zustimme (mit Rspr.N. div. Finanzgerichte –FG-); das sei der Fall, wenn er das Ergebnis der Verständigung uneingeschränkt in die Steuerfestsetzung übernehme. Es sei kein Grund ersichtlich, eine nachträgliche Genehmigung oder Bevollmächtigung zu versagen. Lt. Rüsken (in Beermann/Gosch, AO und FGO, § 78 AO Rdn. 61.3, und in Klein, AO, 12. A., § 162 Rdn. 32) sei entgegen der höchstrichterlichen Rechtsprechung eine dem Prüfungsbeamten von der Veranlagungsstelle erteilte Einzelvollmacht und vor allem eine Genehmigung des von dem nicht vertretungsbefugten Beamten geschlossenen und deshalb zunächst schwebend unwirksamen (§ 177 BGB) Vertrages möglich.
37Der Senat schließt sich den befürwortenden Stimmen an. Letztlich kann die (Rechts-)Frage der Genehmigungsfähigkeit indes jedenfalls vorliegend dahinstehen. Der Fall des Klägers stellt eine Sondersituation bzw. einen Einzelfall mit Besonderheiten dar: Die Feststellungen der Steufa A – und damit auch die Abrede lt. „Aktenvermerk“ - sind einvernehmlich als „Teilbericht“ eingegangen in die Auswertungen der veranlagenden BP des Beklagten. Hier ist die Ausgangslage nicht vergleichbar der ggf. schädlichen Situation konkurrierender Zuständigkeitsbereiche (etwa nichtveranlagende BP / Sachbearbeiter Veranlagung). Vielmehr stellen sich die Umstände dergestalt dar, dass die Steufa „im Auftrag“ des Beklagten bzw. arbeitsteilig tätig geworden ist – quasi so, als hätte der Beklagte selbst gehandelt. Der Beklagte hatte (nach interner Handhabung) keine Prüfungsbefugnis bzw. auch keinen Prüfungsbedarf dahin, ob er die Feststellungen der Steufa übernimmt oder nicht; die Übernahme ist ohne Weiteres erfolgt - so, als hätte der Beklagte bzw. die dortige veranlagende BP die Prüfung selbst durchgeführt und als Ergebnis die Verständigung selbst abgeschlossen. Die Wertung der besonderen Umstände des vorliegenden Einzelfalls lässt sogar die weitere Feststellung zu, dass der Beklagte (die veranlagende BP) und die Steufa eine bindende Tätigkeit der Steufa für den Beklagten in tatsächlicher Hinsicht konkludent vereinbart haben.
38Das Ergebnis der tatsächlichen Verständigung hat der Beklagte rechnerisch, wie nunmehr auch die Kläger nicht mehr in Abrede stellen, zutreffend umgesetzt.
39Die Übertragung der Berechnung der Steuer auf den Beklagten stützt sich auf § 100 Abs. 2 Satz 2 FGO.
40Die Kostenentscheidung beruht auf § 136 Abs. 1 Satz 1 FGO.
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