Urteil vom Finanzgericht Düsseldorf - 4 K 135/20 AO
Tenor
Die Bescheide über die Festsetzung von Verspätungszuschlägen zur Umsatzsteuer 2012 bis 2017 vom 30.8.2019, jeweils in der Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 7.1.2020, werden aufgehoben.
Der Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens.
Das Urteil ist wegen der Kosten ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des jeweils zu vollstreckenden Betrages abwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe des vollstreckbaren Betrages leistet.
Die Revision wird nicht zugelassen.
1
Tatbestand
2Die Beteiligten streiten noch über die Festsetzung von Verspätungszuschlägen zur Umsatzsteuer der Jahre 2012 bis 2017.
3Die Klägerin vermietet seit 1998 in größerem Umfang Pkw-Stellplätze und Garagen. Die zwei Gesellschafter der Klägerin sind Geschwister; der vertretungsberechtigte Gesellschafter ist Rechtsanwalt und Justitiar. Die Klägerin gab pflichtwidrig (§ 4 Nr. 12 Satz 2, § 18 des Umsatzsteuergesetzes – UStG –) zunächst keine Umsatzsteuererklärungen, sondern lediglich Feststellungserklärungen ab. Mit der Feststellungserklärung 2018 reichte die Klägerin die Umsatzsteuererklärungen 2012 bis 2018 ein. Für die weiter zurückliegenden Jahre berief sie sich auf den Eintritt der Festsetzungsverjährung. Mit Umsatzsteuerbescheiden vom 30.8.2019 setzte der Beklagte Umsatzsteuer und Verspätungszuschläge wie folgt fest (in €):
4Jahr |
USt |
Verspätungszuschlag |
2006 |
13.838,28 |
1.380,00 |
2007 |
13.989,37 |
1.390,00 |
2008 |
16.018,44 |
1.600,00 |
2009 |
14.467,32 |
1.440,00 |
2010 |
14.862,44 |
1.480,00 |
2011 |
14.239,88 |
1.420,00 |
2012 |
15.813,38 |
1.580,00 |
2013 |
14.918,89 |
1.490,00 |
2014 |
15.635,69 |
1.560,00 |
2015 |
10.755,83 |
1.070,00 |
2016 |
9.867,92 |
980,00 |
2017 |
16.299,34 |
1.140,00 |
Summe |
170.706,78 |
16.530,00 |
Gegen die Umsatzsteuerfestsetzungen der Jahre 2006 bis 2011 und gegen die Festsetzung von Verspätungszuschlägen in allen Jahren legte die Klägerin am 6.9.2019 Einspruch ein und machte u.a. geltend: Für die Jahre 2006 bis 2011 sei Festsetzungsverjährung eingetreten. Es greife keine verlängerte Festsetzungsfrist. Sie sei irrig davon ausgegangen, dass die Vermietung umsatzsteuerfrei sei. Nach § 152 der Abgabenordnung (AO) i.d.F. vom 26.6.2013 sei von der Festsetzung von Verspätungszuschlägen abzusehen, wenn die Verspätung entschuldbar erscheine.
6Das Finanzamt wies den Einspruch gegen die Umsatzsteuerfestsetzungen mit Einspruchsentscheidung vom 16.12.2019 und den Einspruch gegen die Festsetzung der Verspätungszuschläge mit Einspruchsentscheidung vom 7.1.2020 als unbegründet zurück und führte u.a. an, die Klägerin hätte hinsichtlich der Abgabeverpflichtungen rechtlichen Rat einholen müssen.
7Auf die sodann erhobene Klage hob der 5. Senat des Finanzgerichts Düsseldorf mit rechtskräftig gewordenem Urteil vom 26.5.2021 (Aktenzeichen 5 K 143/20 U) die Umsatzsteuerfestsetzungen der Jahre 2006 bis 2011 auf. Zur Begründung führte der 5. Senat unter anderem an, die Klägerin habe den Beklagten nicht i.S.d. § 169 Abs. 2 Satz 2 i.V.m. § 370 Abs. 1 Nr. 2 AO über steuerlich erhebliche Tatsachen in Unkenntnis gelassen. Denn durch die eingereichten Feststellungserklärungen sei der Beklagte über alle relevanten Tatsachen – insbesondere über den Inhalt der Geschäftstätigkeit und die Höhe der jeweiligen Umsätze – unterrichtet gewesen. Der Beklagte könne sich nach dem Grundsatz von Treu und Glauben bzw. nach den Grundsätzen eines fairen Verfahrens auch nicht darauf berufen, dass die Klägerin die entsprechenden Tatsachen nicht durch Abgabe von Umsatzsteuererklärungen mitgeteilt habe. Wenn der Beklagte meine, ein Irrtum oder ein Versehen der Klägerin hinsichtlich der Erklärungspflicht sei undenkbar, so sei es zumindest ebenso undenkbar, dass der jeweils für die Feststellungserklärungen zuständige Sachbearbeiter über ca. 20 Jahre nie den sich aus § 4 Nr. 12 Satz 2 UStG einfach zu folgernden Schluss einer bestehenden Umsatzsteuerpflicht gezogen habe. Dies habe sich aufgedrängt, so dass der Beklagte seine Pflichten aus §§ 85 Satz 2, 89 Abs. 1 Satz 1 AO, die u.a. den Grundsatz eines fairen Verfahrens näher konkretisierten, verletzt habe. Zudem habe der Vertreter der Klägerin, der in keiner Weise versucht habe, die steuerlich erheblichen Tatsachen zu verbergen, jedenfalls nicht vorsätzlich gehandelt. Wegen der weiteren Gründe wird auf den Urteilsabdruck verwiesen.
8Die Klägerin hat am 16.1.2020 die hiesige, gegen die Festsetzung von Verspätungszuschlägen gerichtete Klage erhoben, mit der sie u.a. geltend macht: Ihr Vertreter, Herr A, habe über die materielle Rechtslage geirrt und die Fristen daher nicht bewusst verstreichen lassen. Es liege unter Berücksichtigung der Grundsätze von Treu und Glauben und eines fairen Verfahrens ein unvermeidlicher Rechtsirrtum vor. Die Aussagen im Urteil des 5. Senats hätten für alle Streitjahre Gültigkeit. Der Beklagte habe über 20 Jahre einen Vertrauenstatbestand geschaffen. Zudem lägen Ermessensfehler vor: Der Beklagte habe nicht berücksichtigt, dass der Sinn und Zweck der Verspätungszuschläge – den Steuerpflichtigen zukünftig zur rechtzeitigen Abgabe anzuhalten – nicht habe erreicht werden können. Sie habe, sobald der Irrtum erkannt worden sei, alle Erklärungspflichten erfüllt. Soweit der Verspätungszuschlag der Sicherung eines ordnungsgemäßen Verwaltungsverfahrens diene, habe der Beklagte dieses selber sicherstellen können, da ihm alle erforderlichen Informationen vorgelegen hätten. Unabhängig davon habe der Beklagte auch sein eigenes Versäumnis, das nach dem Urteil des 5. Senats nicht unerheblich sei, nicht in die Ermessensausübung einbezogen. Schließlich seien die Verspätungszuschläge, die offenbar maschinell und an der Obergrenze des Zulässigen festgesetzt worden seien, ermessenswidrig überhöht. Wenn der Beklagte sich hingegen auf eine verspätete Abgabe der Feststellungserklärungen der Jahre 2012 bis 2014 berufe, so handele es sich um einen völlig anderen Sachverhalt.
9Entgegen der Auffassung des Beklagten sei auch nicht von einem Verschulden ab Ende 2018 auszugehen. Herr A habe seinerzeit im Rahmen eines zufälligen Gesprächs mit einem befreundeten Steuerberater erfahren, dass die Vermietung umsatzsteuerlich relevant sein könne. Ihm sei aber angesichts des vom Beklagten gesetzten Vertrauenstatbestandes eine umfassende steuerrechtliche Überprüfung durch ein Steuerbüro zuzugestehen. Der Sachverhalt habe überprüft und aufbereitet werden müssen. Herrn A sei insoweit kein schuldhaftes Zögern vorzuwerfen. Im Übrigen bliebe es auch dann bei einer fehlerhaften Ermessensausübung und blieben die Zuschläge rechtswidrig überhöht.
10Der Beklagte hat im Nachgang zum Urteil des 5. Senats vom 26.5.2021 die Festsetzungen der Verspätungszuschläge der Jahre 2006 bis 2011 mit Bescheiden vom 25.6.2021 aufgehoben. Die Beteiligten haben das Verfahren sodann hinsichtlich der Jahre 2006 bis 2011 mit Schriftsätzen vom 8.7.2021 (Kläger) bzw. 23.7.2021 (Beklagter) für erledigt erklärt.
11Die Klägerin beantragt schriftsätzlich sinngemäß noch,
12die Bescheide über die Festsetzung des Verspätungszuschlages zur Umsatzsteuer 2012 bis 2017 vom 30.8.2019 in der Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 7.1.2020 aufzuheben.
13Der Beklagte beantragt schriftsätzlich,
14die Klage abzuweisen.
15Er führt zu Begründung ergänzend aus: Herr A als Rechtsanwalt und Justitiar hätte sich über die ihn treffenden steuerlichen Pflichten informieren müssen. Er habe sich zumindest fachlicher Hilfe bedienen müssen. Das Verhalten spreche für Verantwortungslosigkeit und sei nicht entschuldbar. Die vorgelegten Feststellungserklärungen hätten die Klägerin nicht von der Pflicht zur Abgabe der Umsatzsteuererklärungen entbunden. Er, der Beklagte, hätte auch dann Verspätungszuschläge festgesetzt, wenn er die Besteuerungsgrundlagen der Umsatzsteuer nach § 162 AO geschätzt hätte. Das Verschuldenserfordernis bei § 152 AO sei nicht gleichzusetzen mit dem subjektiven Tatbestand der Steuerhinterziehung oder leichtfertigen Steuerverkürzung. Die Klägerin habe noch nicht einmal die Feststellungserklärungen 2012 bis 2014 fristgerecht eingereicht, sondern erst nach erfolgter Mahnung. Es sei nicht anzunehmen, dass die Klägerin, hätte er sie auf die Umsatzsteuerpflicht hingewiesen, die Umsatzsteuererklärungen fristgerecht eingereicht hätte.
16Es sei jedenfalls von einem Verschulden der Klägerin ab dem Zeitpunkt auszugehen, ab dem Kenntnis von der Pflicht zur Abgabe von Umsatzsteuererklärungen bestanden habe. Herr A habe Ende 2018 die entsprechende Kenntnis erlangt, die Umsatzsteuererklärungen jedoch erst am 11.7.2019 eingereicht. Es müsse daher zumindest für den Zeitraum Januar 2019 bis Juni 2019 von einem Verschulden ausgegangen werden, so dass die Verspätungszuschläge wie folgt zu ermitteln seien:
17Jahr |
Verspätungszuschlag |
Bisher |
|
2012 |
3 % von 15.800 € |
474 € |
1.580 € |
2013 |
3 % von 14.900 € |
447 € |
1.490 € |
2014 |
3 % von 15.600 € |
468 € |
1.560 € |
2015 |
3 % von 10.750 € |
322 € |
1.070 € |
2016 |
3 % von 9.850 € |
295 € |
980 € |
2017 |
3 % von 16.250 € |
487 € |
1.140 € |
Summe |
2.493 € |
7.820 € |
Die Beteiligten haben mit Schriftsätzen vom 28.8.2020 (Beklagter) bzw. vom 8.7.2021 (Klägerin) ihr Einverständnis mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung erklärt.
19Entscheidungsgründe
20Der Senat entscheidet mit Einverständnis der Beteiligten gemäß § 90 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung (FGO) ohne mündliche Verhandlung.
21Die zulässige Klage ist, soweit nicht bereits Erledigung eingetreten ist, begründet. Die Festsetzung der Verspätungszuschläge für die Jahre 2012 bis 2017 ist rechtswidrig und verletzt die Klägerin in ihren Rechten, § 100 Abs. 1 Satz 1 FGO.
221. § 152 Abs. 1 AO ist gemäß Art. 97 § 8 Abs. 4 des Einführungsgesetzes zur Abgabenordnung in der Fassung vom 26.6.2013 anzuwenden, da die jeweiligen Umsatzsteuerjahreserklärungen der Klägerin nach § 18 Abs. 3 UStG i.V.m. § 149 Abs. 2 AO in der jeweils anwendbaren Fassung vor dem 1.1.2019 einzureichen waren. Nach § 152 Abs. 1 AO a.F. kann gegen denjenigen, der seiner Verpflichtung zur Abgabe einer Steuererklärung nicht oder nicht fristgemäß nachkommt, ein Verspätungszuschlag festgesetzt werden. Von der Festsetzung eines Verspätungszuschlags ist abzusehen, wenn die Versäumnis entschuldbar erscheint. Das Verschulden eines gesetzlichen Vertreters oder eines Erfüllungsgehilfen steht dem eigenen Verschulden gleich.
232. Es kann offenbleiben, ob der Klägerin ein Verschuldensvorwurf zu machen ist. Denn ein etwaiges Versäumnis wäre jedenfalls wegen eines überwiegenden Mitverschuldens des Beklagten als entschuldbar anzusehen.
24a) Ein Mitverschulden des Beklagten ist auch für Zwecke des § 152 Abs. 1 AO a.F. relevant.
25Der Verschuldensbegriff des § 152 Abs. 1 a.F. AO entspricht dem des § 110 Abs. 1 AO (Bundesfinanzhof – BFH –, Urteil v. 11.12.1991 – I R 73/90, Sammlung der Entscheidungen des Bundesfinanzhofs – BFH/NV – 1992, 577, Rn. 10). Für § 110 Abs. 1 AO ist anerkannt, dass ein Mitverschulden der Behörde einen Wiedereinsetzungsanspruch begründen kann (Bundesverfassungsgericht, Beschluss v. 2.9.2002 – 1 BvR 476/01, Bundessteuerblatt – BStBl. – II 2002, 835, Rn. 13 ff.; Anwendungserlass zur Abgabenordnung zu § 89 Rn. 1.2; Brandis, in Tipke/Kruse, AO/FGO, § 110 AO Rn. 10 (10/2018)). Der Bundesfinanzhof hält den Rechtsgedanken des § 254 des Bürgerlichen Gesetzbuches zudem für im Steuerrecht allgemein anwendbar, soweit Ansprüche ein Vertretenmüssen voraussetzen (BFH, Urteil v. 6.5.2020 – X R 10/19, BFH/NV 2020, 1364, Rn. 31 ff., zum Verzögerungsgeld nach § 22a Abs. 5 des Einkommensteuergesetzes a.F.). Vergleichbare Entscheidungen zu § 152 AO liegen zwar, soweit erkennbar, noch nicht vor (vgl. Nöcker, jurisPR-SteuerR 5/2021, Anm. 2). Es besteht jedoch kein Anlass, den allgemeinen Rechtsgedanken des Mitverschuldens für Zwecke des § 152 AO außer Acht zu lassen und insbesondere das BFH-Urteil vom 6.5.2020 nicht auf § 152 AO zu übertragen (vgl. Kulosa, HFR 2020, 1147; Nöcker, jurisPR-SteuerR 5/2021, Anm. 2).
26b) Ein relevantes Mitverschulden des Beklagten liegt vor. Ausgehend von den Feststellungen des 5. Senats, denen der erkennende Senat folgt, musste sich dem Beklagten geradezu aufdrängen, dass die Klägerin aufgrund eines Irrtums über die materielle Rechtslage ihre Erklärungspflichten verletzt und der Beklagte seinerseits seine Fürsorgepflichten verletzt hat. Im Urteil des 5. Senats heißt es: „Denn aus den von der Klägerin freimütig gemachten Angaben in den Feststellungserklärungen, ihren Erläuterungen hierzu und etwa den eingereichten Werbungskostenbelegen hätte jeder zuständige Bearbeiter unschwer darauf schließen können, dass die Abgabe von Umsatzsteuererklärungen lediglich versehentlich unterblieben war. Zur Abgabe von Umsatzsteuererklärungen hat das Finanzamt jedoch entgegen der in den §§ 85 ff. AO normierten Besteuerungsgrundsätze und dem Grundsatz eines fairen Verfahrens die Klägerin nie aufgefordert. Insbesondere sei in diesem Zusammenhang auf § 85 S. 2 AO (‚Insbesondere haben die Finanzbehörden sicherzustellen, dass Steuern nicht verkürzt … werden.‘), auf den in § 88 AO normierten Untersuchungsgrundsatz und auf § 89 Abs. 1 S. 1 AO (‚Die Finanzbehörde soll die Abgabe von Erklärungen, die Stellung von Anträgen oder die Berichtigung von Erklärungen oder Anträgen anregen, wenn diese offensichtlich nur versehentlich oder aus Unkenntnis unterblieben oder unrichtig abgegeben oder gestellt worden sind.‘), hingewiesen, in denen die Grundsätze eines fairen Verwaltungsverfahrens gesetzlich konkretisiert sind.“ (S. 19 des Urteils). Demnach hat der Beklagte es schuldhaft unterlassen, die Klägerin durch frühzeitigen Hinweis zur Erfüllung ihrer Erklärungspflichten zu veranlassen. Soweit der Beklagte dagegen geltend macht, die Klägerin hätte ihre Erklärungspflichten auch bei entsprechendem Hinweis nicht (fristgerecht) erfüllt, bleiben diese Ausführungen spekulativ. Das tatsächliche Verhalten der Klägerin weist hingegen deutlich darauf hin, dass einzig ein Irrtum über die materielle Rechtslage (und als Konsequenz hieraus über die Erklärungspflichten) ursächlich für die Nichtabgabe der Umsatzsteuererklärungen war.
27An dieser Einschätzung ändert sich auch nichts, wenn man – wie der Beklagte nunmehr mit Schriftsatz vom 23.7.2021 – davon ausgeht, dass die Klägerin jedenfalls ab Ende 2018 Kenntnis von der Umsatzsteuerproblematik hatte. Selbst wenn man ein Verschulden der Klägerin ab Ende 2018 bejahen würde, bliebe es bei den obigen Ausführungen und bei der Feststellung eines überwiegenden Mitverschuldens des Beklagten.
283. Schließlich wäre die Klage selbst dann begründet, wenn man entgegen den obigen Ausführungen von einem nicht als entschuldbar anzusehenden Versäumnis der Klägerin ausginge. In diesem Fall läge ein nach § 102 Satz 1 FGO justiziabler Ermessensnichtgebrauch vor. Denn der Beklagte wäre aus den oben genannten Gründen zumindest verpflichtet gewesen, das eigene Verschulden – also insbesondere das Unterlassen eines Hinweises auf die Erklärungspflicht über einen derart langen Zeitraum – im Zuge der Ausübung des durch § 152 Abs. 1 Satz 1 AO a.F. eingeräumten Ermessens zu berücksichtigen.
294. Es kann aus diesen Gründen offenbleiben, ob – wie die Klägerin meint – die Verspätungszuschläge zudem rechtswidrig an der gesetzlichen Obergrenze festgesetzt wurden und zudem im Hinblick auf die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts zur Vollverzinsung (BVerfG, Beschluss v. 8.7.2021 – 1 BvR 2237/14 u.a., Höchstrichterliche Finanzrechtsprechung 2021, 922) zu reduzieren sind.
305. Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 135 Abs. 1, 138 Abs. 1, Abs. 2 Satz 1 FGO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf §§ 151 Abs. 3, 155 Satz 1 FGO i. V. m. §§ 708 Nr. 10, 711 der Zivilprozessordnung. Die Revision war nicht zuzulassen, da keiner der Gründe des § 115 Abs. 2 FGO vorlag.
Verwandte Urteile
Keine verwandten Inhalte vorhanden.
Referenzen
- 1 BvR 2237/14 1x (nicht zugeordnet)
- X R 10/19 1x (nicht zugeordnet)
- I R 73/90 1x (nicht zugeordnet)
- 5 K 143/20 1x (nicht zugeordnet)
- 1 BvR 476/01 1x (nicht zugeordnet)