Urteil vom Finanzgericht Hamburg (4. Senat) - 4 K 49/13

Tatbestand

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Die Beteiligten streiten darüber, ob das Vermischen von Fettalkoholen, die die Klägerin aus dem externen gemeinschaftlichen Versandverfahren als zugelassener Empfänger übernommen hatte, mit im Zollverfahren der aktiven Veredelung befindlichen anderen Fettalkoholen zu einer Entstehung einer Zollschuld wegen Entziehens einer einfuhrabgabenpflichtigen Ware aus der zollamtlichen Überwachung nach Art. 203 Abs. 1 der Verordnung (EWG) Nr. 2913/92 des Rates zur Festlegung des Zollkodex der Gemeinschaften vom 12.10.1992 (ABl. Nr. L 302/1, ber. ABl. 1993 Nr. L 79/84, ABl. 1996 Nr. L 97/38 und Nr. L 321/23, m. spät. Änd.) - im Folgenden: ZK - geführt hat.

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Die Klägerin unterhält im Hamburger Hafen ein Tanklager mit über ... Lagertanks, in denen sie verschiedene Produkte ihrer Kunden einlagert, und wo sie neben der Lagerung den Umschlag und, soweit vereinbart, die Mischung von Gütern, insbesondere Flüssiggütern, vornimmt. Ihr wurde mit Wirkung vom 04.02.2008 die Bewilligung des Status eines zugelassenen Empfängers (Bewilligungsnummer DE/...-1) erteilt, wobei ihr u. a. der Übergabeort an ihrer Betriebsstätte unter der Anschrift X-Straße eingeräumt wurde. In der Bewilligung ist unter Nummer 10 bestimmt, dass die übernommenen Waren sich mit der Übernahme/Beendigung des Versandverfahrens bis zum Erhalt einer neuen zollrechtlichen Bestimmung in der vorübergehenden Verwahrung befinden und die Klägerin während dieser Zeit nicht über diese Waren verfügen darf. Aufgrund einer bei der Firma A GmbH (im Folgenden: A), mit der die Klägerin in Geschäftsbeziehung stand, im Jahr 2010/2011 durchgeführten Zollprüfung wurde festgestellt, dass die Klägerin für die A im Zeitraum Dezember 2008 bis Oktober 2009 im Rahmen der ihr erteilten Bewilligung als zugelassener Empfänger auf dem Betriebsgelände ihres Tanklagers, Betriebsstätte X-Straße, Fettalkohole in Empfang genommen hatte, die im externen gemeinschaftlichen Versandverfahren T1 befördert worden waren, und diese, bei Anlieferung in Tankcontainern befindlichen Fettalkohole teilweise schon vor der Annahme der Zollanmeldung zur jeweils beabsichtigten Überführung der Waren in das Zollverfahren der aktiven Veredelung, jedenfalls aber vor der entsprechenden Überlassung der Waren durch die Zollstelle, in ihre Lagertanks umgepumpt hatte, wodurch stets eine Vermischung mit Lagerbeständen stattgefunden hatte. Im Rahmen der weiteren Ermittlungen durch den Beklagten und aufgrund der Angaben der Klägerin zu den Verfahrensabläufen wurde festgestellt, dass das Umpumpen in die Lagertanks stets vor Abgabe der Zollanmeldung zur Überführung der Waren in das Zollverfahren der aktiven Veredelung stattfand, da das erst nach erfolgtem Umpumpen ermittelte Nettowarengewicht für die Angaben in der Zollanmeldung verwendet wurde (vgl. auch Bl. 216 f., 223, 234 f. der Sachakte des Beklagten, Ordner 1). Die aktive Veredelung war der A mit Veredelungsort u. a. der Betriebsstätte X-Straße der Klägerin bewilligt worden, wobei jeweils die Klägerin in direkter Vertretung der A die Zollanmeldung zur Überführung der Fettalkohole in das Zollverfahren der aktiven Veredelung abgab. Das Nettowarengewicht wurde ermittelt, indem zunächst eine Bruttoverwiegung des Tanklastwagens und nach Umpumpen der Ware sodann eine Taraverwiegung des entleerten Tankwagens durchgeführt wurde. Der Bestimmungszollstelle teilte die Klägerin im übermittelten Entladekommentar jeweils eine konforme Beendigung der T1-Verfahren mit. Insgesamt handelt es sich um 94 (noch) streitgegenständliche Anlieferungs- und Umpumpvorgänge im Zeitraum zwischen dem 30.12.2008 und dem 12.10.2009.

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Daraufhin setzte der Beklagte mit Einfuhrabgabenbescheid vom 28.12.2011, abgesandt am selben Tage, gegen die Klägerin Einfuhrabgaben in Höhe von insgesamt ... € (... € ZollEU und ... € Einfuhrumsatzsteuer) fest mit der Begründung, dass die technischen Fettalkohole als einfuhrabgabenpflichtige Waren bereits vor Überlassung in die aktive Veredelung umgepumpt und dabei mit anderen Waren vermischt worden und damit der zollamtlichen Überwachung entzogen worden seien, so dass eine Zollschuld gemäß Art. 203 Abs. 1, Abs. 3 ZK entstanden sei.

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Dagegen legte die Klägerin Einspruch ein, den sie im Wesentlichen damit begründete, dass die vorübergehend verwahrten Waren nach Art. 52 ZK den zu ihrer Erhaltung notwendigen Behandlungen unterzogen werden dürften, sofern deren Aufmachung oder technischen Merkmale unverändert blieben. Vorliegend seien die Fettalkohole aufgeheizt worden, um sie pumpfähig zu machen, und gewogen worden, und es seien auf Weisung der A grundsätzlich bei jeder ein- und ausgehenden Lieferung jeweils Proben (von je 1/2 Liter), entweder als Rückstellprobe oder zur internen chemisch-technischen Analyse der Ware, entnommen worden, die - nach Auskunft der A - im Labor im Werk der A in B untersucht und sodann nach einem halben Jahr entsorgt worden seien. Eine Einlagerung habe stets erst nach Freigabe durch die A aufgrund der erfolgten Probenuntersuchung stattgefunden; darüber hinaus seien nach Maßgabe des Rahmenvertrages zwischen der Klägerin und der A nach Beendigung der Einlagerung und durchgeführter Homogenisierung der Tankinhalte mit Stickstoff jeweils weitere Proben von je 1/2 Liter zur Qualitätssicherung entnommen worden. Eine Änderung der technischen und zolltariflichen Merkmale habe dies nicht zur Folge gehabt. Die jeweilige Bestandsmenge im Einlagerungszeitpunkt sei bekannt gewesen, die in den Lagertanks befindlichen Warenbestände in Form von Nichtgemeinschaftswaren seien technisch und zolltariflich gleiche Waren, nämlich bestimmte technische Fettalkohole der Unterposition 3823 70 00 KN, gewesen. Bei den Vorgängen der Einlagerung und Verwiegung seien stets bestellte Steuerhilfspersonen nach § 217 AO anwesend gewesen. Konkrete zollamtliche Überwachungsmaßnahmen seien wegen der Besonderheit der Ware als lose, flüssige Ware lediglich in Form einer buchmäßigen Überwachung möglich gewesen und hätten auch nach Umpumpen zu jeder Zeit aufgrund ihrer, der Klägerin, Unterlagen sowie der Unterlagen der A vorgenommen werden können. Art, Beschaffenheit, zolltarifliche Einreihung und Menge seien aus den Unterlagen zu jeder Zeit ersichtlich gewesen, anhand der Proben und Wiegeprotokolle hätten weitere zollamtliche Prüfungen vorgenommen werden können. Die Waren hätten die Betriebsstätte und den Zuständigkeitsbereich der zuständigen Zollstelle nicht verlassen. Der Beklagte sei zudem im Rahmen der Selbstbindung der Verwaltung gemäß Abs. 21 der DV VSF Z 09 01 gehalten, davon auszugehen, dass hier die Möglichkeit der zollamtlichen Prüfung ausnahmsweise noch bestanden habe. Die praktizierte Vorgehensweise sei in der Vergangenheit mit dem Abfertigungsleiter bei der Abfertigungsstelle Hamburg-3, Herrn D, der 2003 pensioniert worden sei, abgesprochen worden, und jahrelang bis 2010 unbeanstandet ausgeübt worden. Eine zeitweise getrennte Lagerung sei mangels Zwischentank nicht möglich und unter ökonomischen Gesichtspunkten auch nicht vertretbar gewesen. Die Ermittlung des Nettogewichts sei erfolgt, um dieses für die Zollanmeldungen zur Überführung der betroffenen Waren in die aktive Veredelung zu verwenden. Zudem seien die Daten der Überlassung offenbar willkürlich vom jeweiligen Abfertigungsbeamten vergeben worden, da eine Systematik der Überlassungsdaten nicht erkennbar sei. Die Überlassung der Waren hätte jeweils auch ohne weiteres zum jeweiligen Datum der Einlagerung verfügt werden können.

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Mit Einfuhrabgabenbescheid vom 10.04.2012 erstattete der Beklagte der Klägerin u. a. ZollEU in Höhe von ... €, da die Einfuhrabgaben zu zwei der untersuchten Sendungen, laufende Nrn. 3 und 5 der Anlage zum Einfuhrabgabenbescheid vom 28.12.2011, jeweils mit Einlagerungsdatum 29.12.2008, bereits festsetzungsverjährt gewesen seien. Mit Einfuhrabgabenbescheid vom 12.02.2013 erstattete der Beklagte der Klägerin ferner u. a. ZollEU in Höhe von ... € aufgrund einer für 22 der Sendungen vorgenommenen Korrekturberechnung, die ausgehend von insoweit festgestellten Mindermengen zu anteiligen Erstattungsbeträgen für diese Sendungen führte.

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Mit Einspruchsentscheidung vom 05.03.2013 wies der Beklagte den Einspruch unter Berücksichtigung der mit Einfuhrabgabenbescheiden vom 10.04.2012 und vom 12.02.2013 erfolgten Teilabhilfe im Übrigen als unbegründet zurück. Die Klägerin habe die Waren als zugelassener Empfänger gemäß Art. 76 Abs. 4 ZK i. V. m. Art. 372 Abs. 1 Buchst. e), 407 Abs. 1 der Verordnung (EWG) Nr. 2454/93 der Kommission mit Durchführungsvorschriften zu der Verordnung (EWG) Nr. 2913/92 des Rates zur Festlegung des Zollkodex der Gemeinschaften vom 02.07.1993 (ABl. Nr. L 253/1, ber. ABl. 1994 Nr. L 268/32, ABl. 1996 Nr. L 180/34, ABl. 1997 Nr. L 156/59 und ABl. 1999 Nr. L 111/88, m. spät. Änd.) - im Folgenden: ZK-DVO - im T1-Verfahren in Empfang nehmen dürfen, ohne dass die Waren zur Beendigung des T1-Verfahrens der Bestimmungszollstelle gestellt und das Versandbegleitdokument hätten vorgelegt werden müssen. Die Beendigung des T1-Verfahrens sei nach Art. 406 Abs. 2 ZK-DVO dadurch erfolgt, dass der Hauptverpflichtete des Versandverfahrens der Klägerin die Tankcontainer mit den Fettalkoholen innerhalb der vorgeschriebenen Frist unverändert unter Beachtung der zur Nämlichkeitssicherung von den Zollbehörden getroffenen Maßnahmen an dem in der Bewilligung näher bestimmten Ort und unter Vorlage des Versandbegleitdokuments übergeben habe; mit Beendigung des Versandverfahrens hätten die Fettalkohole bis zum Erhalt einer zollrechtlichen Bestimmung die Rechtsstellung von Waren in vorübergehender Verwahrung nach Art. 50 Abs. 1 ZK gehabt. Da die Klägerin der Bestimmungszollstelle im übermittelten Entladekommentar stets eine konforme Beendigung der T1-Verfahren mitgeteilt habe, obgleich sie bei der Empfangnahme nach Verwiegung Mehr- und Fehlmengen ermittelt habe, sei eine zollbehördliche Aufklärung dieser Unstimmigkeiten nicht möglich gewesen. Zudem habe sie bewirkt, dass die ihr erteilten Verwahrungsmitteilungen inhaltlich so nicht zugetroffen hätten. Eine neue zollrechtliche Bestimmung hätten die Waren hier durch die namens der A beantragte Überführung in das Zollverfahren der aktiven Veredelung erst durch deren Überlassung durch die Zollbehörden gemäß Art. 73 ZK erhalten. Die vorübergehende Verwahrung der Fettalkohole sei noch nicht beendet gewesen, als diese aus den Tankcontainern in die Lagertanks umgepumpt worden seien und dadurch eine Vermischung mit den darin befindlichen Lagerbeständen stattgefunden habe. Zudem stehe fest, dass aufgrund des zwischen der Klägerin und der A geschlossenen Rahmenvertrages nach Abschluss des Pumpvorgangs dem Lagertankinhalt stets für eine 1/2 Stunde Stickstoff zur Erreichung einer homogenen Qualität verschiedener Chargen zugeführt worden sei. Das Vermischen der Fettalkohole und ihre anschließende Behandlung mit Stickstoff sei keine nach Art. 52 ZK zulässige Behandlung gewesen, da sie nicht zur Erhaltung der Fettalkohole erforderlich gewesen sei, sondern vielmehr der Verbesserung ihrer Aufmachung und Handelsgüte oder der Vorbereitung des Vertriebs oder des Weiterverkaufs gedient habe. Der willensgesteuerte Prozess des Vermischens der Fettalkohole sowie die anschließende Behandlung mit Stickstoff stellten sich als Warenveränderung durch Einwirkung im Sinne einer Bearbeitung dar und hätten eine neue Identität der Ware bewirkt. Dies sei als nicht heilbare Pflichtverletzung im Rahmen der vorübergehenden Verwahrung nach Art. 204 Abs. 1 Buchst. a) ZK zu bewerten. Es sei auch kein Fall gegeben, in dem sich die Verfehlung auf die ordnungsgemäße Abwicklung der vorübergehenden Verwahrung nicht wirklich ausgewirkt habe, insbesondere sei Art. 859 Nr. 3 ZK-DVO nicht einschlägig, da der über eine Erhaltungsbehandlung hinausgehenden Veredelungsbehandlung der Ware im Rahmen der vorübergehenden Verwahrung nicht hätte stattgegeben werden können. Eine bestimmte zollrechtliche Behandlung im Sinne einer auf schriftlichen Antrag hin zu erteilenden Zusage sei der Klägerin nicht gewährt worden. Etwaige unzutreffende Auskünfte oder Bewertungen durch den Abfertigungsleiter der Abfertigungsstelle Wilhelmsburg könnten keinen Vertrauenstatbestand für die Klägerin begründen. Das Risiko einer Falschauskunft trage die Klägerin, wie sich aus den Regelungen aus Art. 11, 12 ZK ergebe, wonach im Rahmen des Art. 11 ZK erteilte Auskünfte stets unverbindlich seien. Zudem hätte sich der Zolldeklarant der Klägerin bei gebotener Sorgfalt bewusst sein müssen, dass das Vermischen der Fettalkohole nicht als in der vorübergehenden Verwahrung zulässige Behandlung nach Art. 52 ZK angesehen werden könne. Nach Art. 213 ZK, 44 AO sei zu prüfen, ob weitere Personen als Zollschuldner in Betracht kämen und wer gegebenenfalls vorrangig in Anspruch zu nehmen wäre. Hier spreche zwar einiges dafür, dass auch die A Zollschuldner geworden sei, weil diese anhand der zivilrechtlichen Vereinbarungen und/oder entsprechender Erkundigung gewusst habe oder hätte wissen müssen, dass ihre Waren wegen der angewiesenen Probenentnahme sowie im Übrigen wegen der bei der Klägerin gegebenen Örtlichkeiten und des dortigen Betriebsablaufs der zollamtlichen Überwachung entzogen würden. Da die Klägerin aber für die Einhaltung der zollrechtlichen Verpflichtungen zuvörderst einzustehen habe, wäre auch unter zusätzlicher Berücksichtigung einer Verbindlichkeitenfreistellung der Klägerin nach ihren Allgemeinen Lager- und Umschlagsbedingungen ermessensgerecht allein die Klägerin in Anspruch zu nehmen. Wegen Ablaufs der Festsetzungsfrist gegen die A könne diese heute auch nicht mehr in Anspruch genommen werden. Zur Ergreifung verjährungshemmender Maßnahmen gegen jeden Gesamtschuldner sei der Gläubiger nach § 425 BGB gerade nicht verpflichtet.

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Mit der am 25.03.2013 erhobenen Klage verfolgt die Klägerin ihr Begehren weiter. Sie wiederholt und vertieft ihr Vorbringen aus dem Einspruchsverfahren und trägt ergänzend insbesondere vor: Der Beklagte sei für den Erlass des Einfuhrabgabenbescheides nicht örtlich zuständig gewesen. Dies sei nicht nach § 127 AO unberücksichtigt zu lassen, da nicht davon ausgegangen werden könne, dass das örtlich zuständige Hauptzollamt Hamburg-1 keine andere Entscheidung in der Sache getroffen hätte, da nicht auszuschließen sei, dass dieses im Rahmen der Ermessensentscheidung zur Zollschuldnerauswahl anstelle von oder neben ihr, der Klägerin, auch die A als Zollschuldner in Anspruch genommen hätte. Die erfolgte Behandlung der umgepumpten Fettalkohole mit Stickstoff sei keine Maßnahme zur Verbesserung der Aufmachung und Handelsgüte der Waren, sondern vorliegend vordergründig zur Vermeidung von Kondenswasser im Lagertank erfolgt und habe damit allein der Qualitätssicherung gedient; eine Verbindung der Fettalkohole mit dem Stickstoff habe nicht stattgefunden. Auch sei keine Zollschuld nach Art. 204 Abs. 1 Buchst. a) ZK entstanden. Erhaltungsbehandlungen, durch die weder die Aufmachung der Ware noch ihre technischen Merkmale verändert würden, bedürften keiner zollamtlichen Zulassung. Jedenfalls wäre die Behandlung der Waren in Form der gemeinsamen Lagerung technischer Fettalkohole, die sich teilweise noch in der vorübergehenden Verwahrung und teilweise schon im Zollverfahren der aktiven Veredelung befänden, bewilligt worden, sofern ein entsprechender Antrag gestellt worden wäre, so dass eine Verfehlung nach Art. 859 Nr. 3 ZK-DVO sich auf die ordnungsgemäße Abwicklung der vorübergehenden Verwahrung nicht wirklich ausgewirkt habe und damit unbeachtlich gewesen sei. Zudem sei die Abgabenerhebung als nachträgliche buchmäßige Erfassung nach Art. 220 Abs. 2 Buchst. b) ZK unzulässig. Da unterschiedliche Zollbeamte des ehemaligen Zollamts Hamburg-3 bzw. des späteren Zollamts Hamburg-2 über einen Zeitraum von mehr als 10 Jahren regelmäßig die durch sie, die Klägerin, im Namen und in Vollmacht der A abgegebenen Zollanmeldungen zur Überführung in die aktive Veredelung angenommen hätten, obwohl sich ihnen - die Auffassung des Beklagten unterstellt - bei jedem Einzelfall hätte aufdrängen müssen, dass für die Einfuhrware schon zuvor eine Zollschuld entstanden sei, liege ein Irrtum der Zollbehörde i. S. d. Art. 220 Abs. 2 Buchst. b) ZK vor. Nachdem bis ca. 1998/1999 die Zollanmeldungen noch unter Angabe zum Gewicht in den Versandscheinen bzw. Frachtbriefen abgegeben worden seien, sei das Verfahren später auf Wunsch der A auf Zollanmeldungen mit exaktem Löschgewicht umgestellt worden. Der damalige Abfertigungsleiter beim Zollamt Hamburg-3, Herr D, habe kein Problem darin gesehen, dass die Straßentankwagen zunächst verwogen würden und anschließend in einen Lagertank löschten, in dem sich bereits die gleiche Warenart, die zuvor in die aktive Veredelung überlassen worden sei, befinde, um dadurch eine Ermittlung des Nettogewichts vornehmen zu können; dabei sei dem Abfertigungsleiter und den anderen Abfertigungsbeamten auch bewusst gewesen, dass nicht jeder ankommende Straßentankwagen in einen leeren festen Tank habe gelöscht werden können. Zum Beweis für diese Umstände beantrage sie die Vernehmung des Herrn D sowie des Zolldeklaranten Herrn C als Zeugen. Da für sie, die Klägerin, keine Veranlassung bestanden habe anzunehmen, dass sie Nichtgemeinschaftswaren gleicher zolltariflicher Beschaffenheit nicht mit solchen vermischen dürfe, nur weil sich die einen noch in der vorübergehenden Verwahrung, die anderen schon in der bewilligten aktiven Veredelung befänden, wobei eine buchmäßige Trennung jederzeit möglich gewesen sei, habe es sich auch um einen Irrtum gehandelt, der für sie nicht erkennbar gewesen sei. Die Abgabenerhebung sei zudem ermessensfehlerhaft. Die A hätte als Zollschuldner in Betracht gezogen werden müssen. Tatsächlich sei jedoch bei Erlass des Einfuhrabgabenbescheides im Dezember 2011 kein Ermessen ausgeübt worden. Der Einfuhrabgabenbescheid habe keinen Hinweis auf andere Gesamtschuldner enthalten, auch in den Sachakten sei eine Auswahlentscheidung nicht dokumentiert, obwohl dies nach den einschlägigen Dienstvorschriften vorgesehen sei, wenn ein Gesamtschuldner kein Leistungsgebot erhalte. Die in der Einspruchsbegründung enthaltenen Ausführungen seien ungenügend. Eine nachträgliche Begründung der Auswahlentscheidung könne sich immer nur auf eine tatsächlich erfolgte Auswahlentscheidung beziehen. Zudem wäre die A als Eigentümer der Ware und Inhaber des Zollverfahrens der aktiven Veredelung sowie diejenige, die die Anweisungen zum Umpumpen der Fettalkohole gegeben habe, vorrangig in Anspruch zu nehmen gewesen. Dass die A in Anspruch zu nehmen gewesen wäre, hätte sich dem Beklagten nach den Ausführungen im Einspruchsverfahren im März 2012 aufdrängen müssen. Darin, dass der Beklagte die A nicht in Anspruch genommen habe und schließlich zum Zeitpunkt der Einspruchsentscheidung bereits Verjährung gegenüber der A eingetreten sei, sei ein Ermessensfehlgebrauch zu sehen.

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Die Klägerin beantragt,
den Einfuhrabgabenbescheid vom 28.12.2011 - in der Fassung der Einfuhrabgabenbescheide vom 10.04.2012 und 12.02.2013 - insoweit, als darin noch ZollEU in Höhe von ... € festgesetzt wird, in der Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 05.03.2013 aufzuheben.

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Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen,

und trägt zur Begründung im Wesentlichen vor: Der Begriff der Behandlungen i. S. v. Art. 52 ZK sei gemeinschaftsrechtlich weder legal definiert noch mit den üblichen Behandlungen i. S. v. Art. 109 ZK i. V. m. Art. 531 ZK-DVO und Anhang 72 ZK-DVO bzw. Art. 173 ZK i. V. m. 809 ZK-DVO und Anhang 72 ZK-DVO gleichzusetzen, sondern sei als konkrete Einwirkung durch menschliche Handlungen auf die objektive Beschaffenheit der Ware aus Anlass ihrer Aufbewahrung zu verstehen, wobei deren Erforderlichkeit eine hinreichende begründete Wahrscheinlichkeit einer Substanzveränderung, die zu einem Schaden an den Waren führen würde, beinhalte. Eine Rechtfertigung für das Vermischen von in unterschiedlichen zollrechtlichen Verfahrensabschnitten befindlichen technischen Fettalkoholen könne die Klägerin daher aus Nr. 14 im Anhang 72 ZK-DVO, wonach das Vermischen von gleichartigen Waren, sofern dies die Art der Waren nicht verändere, eine übliche Behandlung in einem Zolllager und in Freizonen darstelle, nicht herleiten. Der Umstand, dass das Vermischen der Fettalkohole als Veredelungsbehandlung in der Bewilligung der aktiven Veredelung der A grundsätzlich zugelassen gewesen sei, könne sich auf die Beurteilung der unzulässigen Behandlung während der vorübergehenden Verwahrung ebenfalls nicht auswirken. Aufgrund der Verwahrungsmitteilungen und der Bewilligung des Status eines zugelassenen Empfängers sei der Klägerin bekannt gewesen, dass sie während der vorübergehenden Verwahrung nicht über die Waren verfügen dürfe, daher habe sich die Frage aufdrängen müssen, ob ein Vermischen der Fettalkohole und die anschließende Durchleitung von Stickstoff, der Wassermoleküle aus dem flüssigen Gemisch mitnehme, nicht diesen Belehrungen zuwiderlaufen könnte. Die Vorprüfung von Waren in der vorübergehenden Verwahrung, u. a. die Probenentnahme, nach Art. 42 ZK sei antragspflichtig. Soweit die Klägerin auf willkürlich vergebene Datumsangaben zur Überführung in das Zollverfahren der aktive Veredelung durch die Abfertigungsbeamten verweise, übersehe sie, dass eine Überlassungserklärung nicht binnen einer kalendermäßigen Frist normiert sei, Verzögerungen seien nicht schuldhaft, wenn sie zur Durchdringung und Beurteilung der Sach- und Rechtslage hätten für erforderlich gehalten werden können, auch ein Zeitraum von zwei Wochen oder länger könne noch unverzüglich sein. Im Übrigen hätte die Klägerin die Überlassungserklärungen anfechten oder einer vermeintlich stockenden Arbeitsweise bei der Abfertigungsstelle seinerzeit entgegentreten können, was nicht geschehen sei. Die technischen Fettalkohole seien nicht die nämlichen geblieben. Durch das Vermischen der Fettalkohole sei der Zollverwaltung nicht nur die Kontrollmöglichkeit genommen worden, auch habe die Klägerin die Fettalkohole auf Verlangen der Zollstelle nicht mehr vollständig und unverändert vorführen können. Die Zollverwaltung müsse sich weder auf eine andere, eventuell die tariflich gleichen Merkmale aufweisende Ware verweisen lassen noch mit der Möglichkeit einer späteren Zollprüfung durch einen Betriebsprüfer begnügen. Es treffe auch nicht zu, dass die als Steuerhilfspersonen bestellten Mitarbeiter der Klägerin, die ausschließlich einen festgelegten Kreis von Tatsachen von im Bereich der Energiesteuern bewilligten Verbrauchsteuervergünstigungen hätten feststellen und bescheinigen dürfen, ohne weiteres Kontrollmöglichkeiten für die Zollverwaltung hätten aufrechterhalten können. Hinsichtlich eines etwaigen Irrtums des damaligen Abfertigungsleiters D hinsichtlich der Zulässigkeit der abzuwickelnden zollrelevanten Vorgänge sei für die Klägerin vor dem Hintergrund ihrer beruflichen Erfahrungen, ihrer Unterstützung durch einen Zolldeklaranten und der Eindeutigkeit der einzuhaltenden Pflichten, insbesondere im Zusammenwirken mit den Verwahrungsmitteilungen sowie der Bewilligung des Status eines zugelassenen Empfängers, zweifelsfrei erkennbar gewesen, dass etwaig erteilte Auskünfte nicht im Einklang mit den Zollvorschriften hätten stehen können. Sie habe weder bei übergeordneten Stellen nachgefragt noch sich derartige Auskünfte schriftlich bestätigen lassen. Im Übrigen habe die Klägerin, die die T1-Versandverfahren durch konform-Bestätigung beendet habe, obwohl Unstimmigkeiten hinsichtlich der übernommenen Warenmengen vorgelegen hätten, nicht alle geltenden Vorschriften über die Zollanmeldung eingehalten. Dass er, der Beklagte, am 28.12.2011 für den Erlass des Einfuhrabgabenbescheides örtlich nicht zuständig gewesen sei, treffe zu, führe aber nach §§ 125 Abs. 3 Nr. 1, 127 AO nicht zur Nichtigkeit des Verwaltungsakts. Denn er habe aufgrund der Feststellungen aus der bei der A stattgefundenen Zollprüfung seinerzeit von einem gebundenen Verwaltungsakt ausgehen können. Eine Gesamtschuldnerschaft der Klägerin mit der A habe sich nicht aufgedrängt, im Übrigen hätte selbst bei Annahme einer Gesamtschuldnerschaft nur die getroffene Entscheidung ermessensfehlerfrei getroffen werden können.

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Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Inhalt der Sachakte des Beklagten (1 Ordner Sachakte mit 4 Teilheften und 5 Ordner Nebenakten) und der Gerichtsakte Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

I.

11

Die zulässige Anfechtungsklage ist unbegründet. Der Einfuhrabgabenbescheid vom 28.12.2011 - in der Fassung der Einfuhrabgabenbescheide vom 10.04.2012 und 12.02.2013 - insoweit, als darin noch ZollEU in Höhe von ... € festgesetzt wird, in der Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 05.03.2013 ist rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten, § 100 Abs. 1 Satz 1 FGO.

1.

12

Der Beklagte hat zu Recht Zoll gegen die Klägerin festgesetzt. Rechtsgrundlage für die Erhebung der genannten Einfuhrabgaben ist Art. 218 Abs. 3 ZK, wonach eine Zollschuld, die - wie hier mangels Annahme einer Zollanmeldung oder einer anderen Handlung mit gleicher rechtlicher Wirkung - unter anderen als den in Art. 218 Abs. 1 ZK vorgesehenen Voraussetzungen entsteht, buchmäßig zu erfassen ist (vgl. zur Abgrenzung der nachträglichen buchmäßigen Erfassung nach Art. 220 Abs. 1 ZK zur erstmaligen buchmäßigen Erfassung nach Art. 218 Abs. 3 ZK: Schwarz, in: Schwarz/Wockenforth, Zollrecht, Stand: 75. Ergänzungslieferung 09/14, Band 1/3, Art. 220 ZK Rnrn. 31, 36; a. A. Gellert, in: Dorsch, Zollrecht, Stand: 150. Ergänzungslieferung 10/14, Band 2, Art. 220 ZK Rn. 13).

a)

13

Die mit Einfuhrabgabenbescheid vom 28.12.2011 geltend gemachte Zollschuld ist nach Art. 203 Abs. 1, Abs. 2 ZK entstanden. Nach Art. 203 Abs. 1 ZK entsteht eine Einfuhrzollschuld, wenn eine einfuhrabgabenpflichtige Ware der zollamtlichen Überwachung entzogen wird, und zwar im Zeitpunkt ihrer Entziehung, Art. 203 Abs. 2 ZK. Der Begriff des Entziehens im Sinne des Art. 203 Abs. 1 ZK umfasst nach ständiger Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union und des Bundesfinanzhofes, der sich der erkennende Senat anschließt, jede Handlung oder Unterlassung, die dazu führt, dass die zuständige Zollbehörde auch nur zeitweise am Zugang zu einer unter zollamtlicher Überwachung stehenden Ware und an der Durchführung der vom gemeinschaftlichen Zollrecht vorgesehenen Prüfungen gehindert wird. Dabei kommt es nicht darauf an, ob die Zollbehörde tatsächlich eine solche Prüfung durchzuführen beabsichtigt und ob der Beteiligte gegebenenfalls dann der Zollbehörde die Waren für eine solche Prüfung zur Verfügung stellen könnte. Entscheidend ist allein, dass die Zollbehörde - auch nur vorübergehend - objektiv nicht in der Lage ist, die zollamtliche Überwachung sicherzustellen (vgl. nur EuGH, Urteil vom 01.02.2001, Rs. C-66/99, in: juris; BFH, Urteile vom 21.06.2010, VII R 36/08, und vom 07.12.2004, VII R 21/04; Beschluss vom 29.10.2007, VII B 352/06, jeweils in: juris, m. w. N.).

14

Diese Voraussetzungen sind im Streitfall erfüllt. Die Klägerin hat jeweils über Nichtgemeinschaftswaren, die im Rahmen des externen gemeinschaftlichen Versandverfahrens befördert und an sie als zugelassener Empfänger übergeben worden waren, in dem Sinne verfügt, dass sie davon zum einen vor Umpumpen in ihre Lagertanks Proben entnahm und diese weitergab und zum zweiten die Waren mit anderen zolltariflich gleichartigen, im Verfahren der aktiven Veredelung befindlichen Waren, zudem unter Zusatz von Stickstoff, in ihren Lagertanks vermischte, so dass eine neue Identität der Ware entstand. Die Entziehungshandlung lag dabei jeweils hinsichtlich eines Teils der Ware zum einen in der Probenentnahme und hinsichtlich des übrigen verbleibenden Teils der Ware in dem nachfolgenden Vorgang des Vermischens und Zuführens von Stickstoff. Im Einzelnen:

(1)

15

Die Waren unterlagen der zollamtlichen Überwachung. Die Waren waren jeweils zur Beendigung eines externen gemeinschaftlichen Versandverfahrens der Klägerin als zugelassener Empfänger, Art. 76 Abs. 4 ZK i. V. m. Art. 372 Abs. 1 Buchst. e), 406 Abs. 1 ZK-DVO, vorschriftsmäßig i. S. v. Art. 406 Abs. 2 ZK-DVO - wovon mangels anderslautender Anhaltspunkte auszugehen ist - übergeben worden. Damit galt das Versandverfahren gemäß Art. 96 Abs. 1 Buchst. a) ZK jeweils als beendet und die Waren hatten bis zum Erhalt einer zollrechtlichen Bestimmung, hier der späteren Überführung in das Zollverfahren der aktiven Veredelung, vgl. Art. 4 Nr. 16 Buchst. d), 114 ff. ZK, die Rechtsstellung von Waren in vorübergehender Verwahrung, Art. 55 i. V. m. Art. 50 Abs. 1 ZK. Abgesehen von der mit dem Verbringen in das Zollgebiet der Gemeinschaft bereits einsetzenden zollamtlichen Überwachung durch die für das externe Versandverfahren zuständigen Zollbehörde, unterlagen die Waren jedenfalls vom Zeitpunkt der Übergabe an die Klägerin bis zur späteren Überführung in das Zollverfahren der aktiven Veredelung der zollamtlichen Überwachung der Bestimmungszollstelle, vgl. Art. 37 ZK. Mit der eine Gestellung der Waren an der Bestimmungszollstelle ersetzenden Übergabe der Waren an die Klägerin als zugelassener Empfänger, die keine Gestellungsbefreiung, sondern lediglich eine Zulassung der Gestellung an einen anderen Ort als dem Amtsplatz der Bestimmungsstelle bedeutet (vgl. Hohrmann, in: Dorsch, Zollrecht, Stand: 150. Ergänzungslieferung 10/14, Band 2, Art. 97 ZK Rn. 533), spätestens jedoch jedenfalls nach der durch die Klägerin vorgenommenen Ankunftsanzeige nach Art. 408 Abs. 1 Buchst. a) ZK-DVO, setzten auch hinreichend konkret begonnene Überwachungsmaßnahmen der Zollstelle ein (vgl. zur Pflicht der unverzüglichen Auskunftsanzeige und die dadurch ermöglichten Kontrollmaßnahmen der Bestimmungsstelle auch: Hohrmann, a. a. O., Art. 97 ZK Rn. 548). Denn ab der Gestellung der Waren - hier in der Form der Empfangnahme der Waren durch den zugelassenen Empfänger und die entsprechende Ankunftsanzeige - hält sie die Zollverwaltung "in den Händen" (vgl. Witte, in: Witte, Zollkodex, 6. Aufl. 2013, Art. 203 Rn. 5).

16

Dass die Waren zum Zeitpunkt der Einlagerung nur deshalb noch nicht in das spätere Zollverfahren der aktiven Veredelung durch entsprechende Überlassung der Waren durch die Zollstelle überführt worden waren - und damit noch der vorübergehenden Verwahrung unterlagen -, weil, wie die Klägerin meint, die Überlassung nicht unverzüglich, ggf. rückwirkend zum Einlagerungsdatum, erfolgt sei, ist ohne Belang. Denn nach den eigenen Angaben der Klägerin ist die Einlagerung wegen der erst danach möglichen Taraverwiegung des Tanklastwagens und der Ermittlung des Nettowarengewichts, das sodann für die Zollanmeldung verwendet wurde, stets schon abgeschlossen gewesen, bevor überhaupt eine Anmeldung der Waren zum Zollverfahren der aktiven Veredelung vorgenommen wurde, und eine rückwirkende Überlassung auf einen Zeitpunkt vor Annahme der Zollanmeldung ist nicht möglich.

(2)

17

Darin, dass die Klägerin von den angelieferten Fettalkoholen zum einen vor Umpumpen in ihre Lagertanks Proben entnahm und diese an die A zwecks dortiger Untersuchung weitergab und zum zweiten die Waren mit anderen zolltariflich gleichartigen, im Verfahren der aktiven Veredelung befindlichen Waren, zudem unter Zusatz von Stickstoff, in ihren Lagertanks vermischte, liegt ein Entziehen aus der zollamtlichen Überwachung.

(a)

18

Gemäß Art. 51 Abs. 1 ZK dürfen vorübergehend verwahrte Waren ausschließlich an von den Behörden zugelassenen Orten und unter den von diesen Behörden festgelegten Bedingungen gelagert werden. Die Regelung des Art. 51 ZK dient der zollamtlichen Überwachung der Waren. Die Zollbehörden sollen stets über Ort und Lagerungsbedingungen für die Waren informiert sein, um gegebenenfalls zollamtliche Kontrolltätigkeiten durchführen zu können (Kock, in: Dorsch, Zollrecht, Stand: 150. Ergänzungslieferung 10/14, Band 1, Art. 51 ZK Rn. 2). Ein nicht von den Zollbehörden zugelassener Ortswechsel führt daher regelmäßig zur Zollschuldentstehung nach Art. 203 ZK (vgl. BFH, Beschluss vom 17.03.2009, VII R 17/07, in: juris, dort: Rn. 26; Kock, a. a. O., Art. 51 ZK Rn. 10; Rogmann, in: Hübschmann/Hepp/Spitaler, AO/FGO, Stand: 226. Ergänzungslieferung 03/2014, Band XIV, Art. 50-53 ZK Rn. 38). Zudem dürfen die Waren ab Gestellung nicht ohne Zustimmung der Zollbehörden von dem Ort entfernt werden, an den sie ursprünglich verbracht worden sind, vgl. Art. 47 ZK, der systematisch gesehen zu den Regelungen über die vorübergehende Verwahrung gehört, da diese nach Art. 50 ZK im Zeitpunkt der Gestellung beginnt (vgl. Kock, a. a. O., Art. 47 ZK Rn. 3). Ferner sind nach Art. 52 ZK nur notwendige Erhaltungsmaßnahmen an der Ware zugelassen, z. B. Entstauben, Kühlen, Lüften; nicht zulässig ist jede andere Verfahrensweise mit der Ware (Kock, a. a. O., Art. 50 ZK Rn. 12). Die Waren unterlagen gemäß den Bestimmungen in der Bewilligung des Status eines zugelassenen Empfängers vom 29.01.2008 (Nr. 10) zudem einem Verfügungsverbot (vgl. Art. 407 Abs. 2 ZK-DVO), und zwar in dem Sinne, dass über die Ware in tatsächlicher Hinsicht nicht nur nicht verfügt werden darf, d. h. z. B. durch Verarbeitung, Zerstörung, Beschädigung oder Vernichtung, sondern dass die Ware vielmehr grundsätzlich unverändert verwahrt werden muss (vgl. auch Kampf, in: Witte, Zollkodex, 6. Aufl. 2013, Art. 297 Rn. 74). Soweit die vorstehend genannten Pflichten des zugelassenen Empfängers und zugleich Verwahrers auf das Unterlassen eines Ortswechsels der vorübergehend verwahrten Wahren gerichtet sind, liegt bei entsprechendem Pflichtenverstoß ein Entziehen der Waren aus der zollamtlichen Überwachung, wie bereits ausgeführt, auf der Hand. Darüber hinaus ist hinsichtlich der weiteren vorstehend genannten Pflicht, die vorübergehend verwahrten Waren, abgesehen von etwaigen zulässigen Behandlungen nach Art. 52 ZK, grundsätzlich unverändert zu verwahren, im Fall eines Pflichtenverstoßes - in Abgrenzung von einer bloßen Verfehlung nach Art. 204 Abs. 1 Buchst. a) ZK - jedenfalls dann ebenfalls von einem Entziehen aus der zollamtlichen Überwachung auszugehen, wenn die Veränderung an den Waren dazu führt, dass diese entweder, z. B. aufgrund von Zerstörung oder Vernichtung, nicht mehr vorhanden sind oder, z. B. aufgrund einer derart wesentlichen Ver- oder Bearbeitung, nicht mehr die nämlichen Waren sind. Denn sowohl bei einer nicht mehr existenten Ware als auch bei einer im vorstehenden Sinne veränderten Ware sind zollamtliche Kontrollen hinsichtlich der Ware, wie sie gestellt worden ist, nicht oder zumindest nicht mehr vollumfänglich möglich.

(b)

19

Da die Ware aufgrund ihrer Beschaffenheit teilbar war, lässt sich das zollrechtlich relevante pflichtwidrige Verhalten der Klägerin in Bezug auf ein Entziehen der Ware aus der zollamtlichen Überwachung gemessen an den vorstehend aufgezeigten Entziehungshandlungen wie folgt unterscheiden:

20

Soweit die Klägerin, nach ihren eigenen Angaben regelmäßig, aufgrund der entsprechenden Weisung der A vor dem Umpumpen der Fettalkohole jeweils 1/2 Liter als Probe entnommen und der A übergeben hat, hat die Klägerin hinsichtlich dieses mengenmäßigen Teils der jeweils gelieferten Menge an Fettalkohol die Ware der zollamtlichen Überwachung entzogen. Ort der Verwahrung war hier die in der Bewilligung des Status eines zugelassenen Empfängers benannte Betriebsstätte der Klägerin in der X-Straße. Da die gezogenen Proben von der A in deren Werk nach B erbracht wurden und dort bis zu ihrer Vernichtung verblieben, befanden sie sich nicht mehr an der Betriebsstätte der Klägerin. Dieser Ortswechsel war auch nicht durch die Zollbehörden zugelassen. Insbesondere stellte die Probenentnahme keine im Rahmen einer Vorprüfung nach Art. 42 ZK zulässige Maßnahme dar. Insoweit fehlte es bereits an einer auf schriftlichen Antrag erteilten Genehmigung der Zollbehörden zur Entnahme von Proben, vgl. Art. 187 Buchst. a) Abs. 2 ZK-DVO.

21

Soweit die Klägerin in Bezug auf die nach einer Probenentnahme verbleibende Restmenge der jeweiligen Fettalkohollieferungen bzw. - soweit im Einzelfall keine Probe entnommen worden sein sollte, was letztlich nicht mehr vollständig aufzuklären ist - hinsichtlich der insoweit vollständigen Menge der jeweiligen Fettalkohollieferungen diese in ihre Lagertanks umpumpte, in denen stets bereits im Zollverfahren der aktiven Veredelung befindliche Fettalkohole lagerten, und die gelieferten streitgegenständlichen Fettalkohole dadurch mit den im Zollverfahren der aktiven Veredelung befindlichen Fettalkoholen vermischte, hat die Klägerin entgegen des ihr auferlegten Verfügungsverbots gemäß Nr. 10 der Bewilligung des Status eines zugelassenen Empfängers in einer Weise tatsächlich über die Waren verfügt, dass diese nicht mehr die nämlichen waren. Dabei kann dahin gestellt bleiben, ob dem - unstreitig erfolgten - Zuführen von Stickstoff während des Einlagerungsvorgangs eine eigenständige Bedeutung im Hinblick auf das Vermischen oder ein sonstiges Behandeln der Fettalkohole beizumessen ist oder ob dieses möglicherweise als zulässige Behandlung nach Art. 52 ZK bewertet werden kann. Denn entweder führte bereits das Zusammenfügen der Fettalkoholmengen in einem gemeinsamen Lagertank aufgrund der physikalischen Zusammenführung der Fettalkoholmengen zu einer Vermischung oder der Vermischungsvorgang wurde durch die Stickstoffzuführung - über den nach Darstellung der Klägerin mit der Stickstoffzuführung allein verfolgten Zweck der Vermeidung von Kondenswasserbildung im Lagertank hinaus - physikalisch oder chemisch begünstigt oder sogar erst ermöglicht. Im Ergebnis jedenfalls war nach Umpumpen in die Lagertanks und erfolgter Stickstoffzuführung jeweils eine neue Menge an Fettalkohol gebildet worden, in der die gelieferte Fettalkoholmenge als Bestandteil der neuen Menge aufging und mithin als nämliche Ware, so wie sie gestellt worden war, nicht mehr vorhanden war. Dass es sich bei den in den Lagertanks bereits vorhandenen Fettalkoholen - dies zugunsten der Klägerin einmal unterstellt - um Fettalkohole handelte, die derselben Warenposition zuzuordnen waren wie die Fettalkohole der streitgegenständlichen Lieferungen, vermag keine der Klägerin günstigere Beurteilung zu rechtfertigen. Abgesehen davon, dass technische Fettalkohole der Unterposition 3823 70 - das sind nach Erläuterung zu Position 3823 (HS), Rz. 15, Mischungen von acyclischen Alkoholen, die insbesondere durch katalytische Reduktion von technischen Fettsäuren dieser Position oder ihrer Ester, durch Verseifen von Walöl, durch katalytische Reaktion zwischen Olefinen, Kohlenmonoxid und Wasserstoff (Oxo-Synthese), durch Wasseranlagerung an Olefine, durch Oxidation von Kohlenwasserstoffen oder durch andere Verfahren gewonnen werden - abhängig von ihrer chemischen Struktur unterschiedliche Eigenschaften haben (vgl. auch die in Erläuterung zu Position 3823 (HS), Rz. 18-22 beispielhaft genannten wichtigsten technischen Fettalkohole), handelte es sich bei den in den Lagertanks befindlichen Fettalkoholen und den streitgegenständlichen Fettalkoholen um für sich zu betrachtende, unterschiedliche Warenpartien. Im Übrigen zeigt auch der Umstand, dass das Vermischen unterschiedlicher technischer Fettalkohole Gegenstand des der A bewilligten Zollverfahrens der aktiven Veredelung war, dass es sich bei den vermischten Fettalkoholen, verglichen mit den Waren, die als Ausgangsprodukte des Vermischungsvorgangs verwendet wurden, gerade nicht um eine gleichwertige, sondern um eine andere, qualitativ abweichende, in der Regel hochwertigere Ware handelte. Ersichtlich handelte es sich bei dem Vermischen auch nicht um eine zulässige Behandlung nach Art. 52 ZK, da das Vermischen nicht zur Erhaltung der Ware erforderlich war (vgl. zum Begriff der Erhaltungsbehandlung nach Art. 52 ZK, der zu verneinen ist, wenn mit der der Erhaltung dienenden Behandlung eine Bearbeitung im Sinne einer Veränderung der Aufmachung und der technischen Merkmale einhergeht, FG Düsseldorf, Urteil vom 29.03.2000, 4 K 1368/97 Z, in: juris, dort: Rn. 36 ff.; vgl. auch Art. 109 Abs. 1 ZK, Art. 531 ZK-DVO i. V. m. Anhang 72 Nr. 14, wonach das Vermischen von gleichartigen Waren unterschiedlicher Qualität, um eine gleichbleibende Qualität oder eine vom Käufer verlangte Qualität herzustellen, sofern dies die Art der Waren nicht verändert, eine im Rahmen des Zolllagerverfahrens zulässige übliche Behandlung, die neben dem Erhalt der Waren gerade auch der Verbesserung ihrer Aufmachung und Handelsgüte oder der Vorbereitung ihres Vertriebs oder Weiterverkaufs dienen kann, darstellt, woraus sich im Umkehrschluss ergibt, dass eine derartige Behandlung im Rahmen der vorübergehenden Verwahrung nicht zulässig ist).

(c)

22

Die Möglichkeit der zollamtlichen Überwachung war vorliegend auch nicht trotz der erfolgten Probenentnahmen und Vermischungen gleichsam gewährleistet. Zweck der zollamtlichen Überwachung ist es, die in § 1 ZollVG explizit aufgezählten Belange zu sichern. Es handelt sich dabei u. a. um die Erhebung der gemeinschaftlichen Einfuhrabgaben (§ 1 Abs. 1 ZollVG) (vgl. Kock, a. a. O., Art. 37 ZK Rn. 28). Die Klägerin kann nicht damit gehört werden, dass anhand der entnommenen Proben und Wiegeprotokolle weitere zollamtliche Prüfungen im Rahmen einer buchmäßigen Überwachung auch nach dem erfolgten Vermischen hätten vorgenommen werden können.

23

Denn zum einen waren weder die Proben noch die Wiegeprotokolle in Bezug auf die Warenbeschaffenheit der eingeführten Fettalkohole, mithin die spezifischen Eigenschaften, die die zolltarifliche Einreihung der Ware als Fettalkohole der Unterposition 3823 70 ermöglichen, und die Warenmenge, vgl. Art. 1 Nr. 5 ZK-DVO, hinreichend aussagekräftig. Was die vor dem Umpumpen entnommenen Proben anbelangt, so können diese schon deshalb eine zollamtliche Überwachung nicht ersetzen, weil die Probenentnahmen durch die Klägerin selbst und nicht durch die Zollbehörde erfolgten und damit der Beweiswert der Proben in Bezug auf die Nämlichkeit der beprobten Ware nur eingeschränkt aussagekräftig ist. Dies gilt auch in Anbetracht der Tatsache, dass bei den Vorgängen der Anlieferung und Verwiegung der Fettalkohole offenbar stets eine Steuerhilfsperson der Klägerin anwesend war. Zwar kann die Finanzbehörde gemäß § 217 AO zur Feststellung von Tatsachen, die zoll- oder verbrauchsteuerrechtlich erheblich sind, Personen, die vom Ergebnis der Feststellung nicht selbst betroffen werden, als Steuerhilfspersonen bestellen, mit der Folge, dass die Steuerhilfsperson als Amtsträger im Rahmen ihres Aufgabenbereichs Organ der Finanzbehörde ist und die Finanzbehörde daher deren Feststellungen gegen sich gelten lassen muss (vgl. Brandis, in: Tipke/Kruse, AO/FGO, Stand: 137. Ergänzungslieferung 09/14, Band 2, § 217 AO Rn. 8). Jedoch waren die für die Klägerin tätigen Steuerhilfspersonen, bis auf eine Ausnahme, Herr E (vgl. Niederschrift über die Verpflichtung und Bestellung als Steuerhilfsperson nach § 217 AO, Bl. 305 Sachakte, Ordner 1), ausschließlich befugt, einen festgelegten Kreis von Tatsachen von im Bereich der Energiesteuern bewilligten Verbrauchsteuervergünstigungen festzustellen und zu bescheinigen, vgl. § 217 AO i. V. m. § 62 Abs. 2 EnergieStG. Ausweislich der bei den Sachakten des Beklagten (5 Ordner Nebenakten) befindlichen Wiegenoten zu den einzelnen streitgegenständlichen Fettalkohollieferungen sind, soweit nach den dortigen Angaben vorhanden bzw. namentlich hinreichend erkennbar, ausschließlich andere Steuerhilfspersonen als Herr E tätig geworden, so dass davon auszugehen ist, dass die für die hier in Rede stehende zollamtliche Überwachung maßgeblichen Feststellungen nicht von einer hierfür bestellten Steuerhilfsperson getroffen worden sind. Im Übrigen waren die vor dem Umpumpen entnommenen Proben, da diese der A zur Verfügung gestellt wurden, die die Proben in ihr Werk in B verbrachte, nicht mehr an der Betriebsstätte der Klägerin vorhanden und standen den Zollbehörden damit nicht mehr ohne weiteres für etwaige Prüfungszwecke zur Verfügung. Soweit die Klägerin in diesem Zusammenhang möglicherweise auch auf die nach erfolgtem Vermischen der Fettalkohole entnommenen Proben gemäß der Anlage "Abwicklung von Ein- und Auslagerungen" zum Rahmenvertrag zwischen der Klägerin und der A vom 27.11.2008, wonach nach Beendigung der gesamten Einlagerung und einer erfolgten Homogenisierung mit Stickstoff aus dem Tank 1 Probe à 1/2 Liter zwecks Bemusterung zu ziehen ist, verweisen will, so gilt auch hier, dass diese nicht durch die Zollbehörden selbst entnommen wurden und damit der Beweiswert der Proben nur eingeschränkt aussagekräftig ist. Im Übrigen vermögen diese Proben ohnehin keine verlässliche Auskunft über die spezifischen Eigenschaften der eingeführten Fettalkohole zu geben, da ein Nämlichkeitsnachweis durch sie nicht geführt werden kann. Denn die Proben, die erst nach abgeschlossenem Einlagerungsvorgang und Vermischen und Homogenisieren mit den vorhandenen Lagerbeständen an Fettalkoholen gezogen wurden, unterlagen - selbst im zugunsten der Klägerin unterstellten Fall, dass es sich bei den Lagerbeständen nachweislich ebenfalls um Fettalkohole der Unterposition 3823 70 gehandelt haben sollte - zwangsläufig gewissen Veränderungen. Was schließlich die Wiegeprotokolle und damit eine etwaige zollamtliche Überwachung der Warenlieferungen im Hinblick auf deren Menge anbelangt, so gilt hier ebenfalls entsprechend den vorstehenden Ausführungen zu den konkret tätig gewordenen Zollhilfspersonen, dass die Verwiegungen durch die Klägerin selbst und nicht durch die Zollbehörden erfolgten und damit deren Beweiswert nur eingeschränkt aussagekräftig ist.

24

Zum zweiten ist darüber hinaus zu berücksichtigen, dass ausweislich der von der Klägerin für die A bei der Beantragung der Überführung der Waren in das Zollverfahren der aktiven Veredelung angegebenen Warenmengen aufgrund der durchgeführten Nettoverwiegung Mehr- bzw. Fehlmengen gegenüber den Angaben zur Warenmenge in den summarischen Anmeldungen (Versandanmeldungen) festgestellt wurden. Diese Abweichungen hätten nach dem Vermischen mit den Lagerbeständen nicht mehr nochmals anhand der nämlichen Fettalkohollieferungen überprüft und gegebenenfalls aufgeklärt werden können, so dass auch unter diesem Gesichtspunkt eine zollamtliche Überwachung trotz der durch die Klägerin in ihren Wiegenoten dokumentierten Verwiegungen gerade nicht hinreichend sichergestellt war.

25

Ergänzend sei darauf hingewiesen, dass auch die von der Klägerin angeführte Dienstvorschrift aus Abs. 21 der DV VSF Z 09 01 keine abweichende Beurteilung rechtfertigt. Nach dieser Dienstvorschrift besteht die Möglichkeit der zollamtlichen Prüfung ausnahmsweise auch dann noch, wenn die Ware sich zwar nicht mehr an dem zugelassenen Ort befindet oder eine andere Zuwiderhandlung gegen Zollvorschriften begangen worden ist, die Zollstellen jedoch in der Lage sind, anhand vom Beteiligten vorzulegender ordnungsgemäßer und geeigneter Papiere (z. B. Lagerbuchhaltung) den Ort, an dem sich die unveränderte Ware befindet, zeitnah festzustellen, um dort ggf. zollamtliche Prüfungen vorzunehmen. Im Hinblick auf die durch die entnommenen Proben entzogenen Teilmengen der Fettalkohollieferungen war eine derartige Vornahme zollamtlicher Prüfungen anhand geeigneter Papiere schon deshalb nicht möglich, weil es sich um Teilmengen handelte, deren Ursprung bezogen auf die nämlichen Fettalkohollieferungen, wie vorstehend ausgeführt, nicht hinreichend sicher hätte nachgewiesen werden können. Im Hinblick auf die durch die Vermischung mit Lagerbeständen entzogenen Teilmengen der Fettalkohollieferungen musste die Vornahme zollamtlicher Prüfungen nach Maßgabe dieser Dienstvorschrift gleichfalls ausscheiden, hier deshalb, weil es sich nicht mehr, wie ebenfalls bereits ausgeführt, um die unveränderte nämliche Ware handelte.

(d)

26

Schließlich ist vorliegend auch nicht deshalb von einer fehlenden Entziehungshandlung nach Art. 203 Abs. 1 ZK auszugehen, weil, wie die Klägerin vorträgt, ein Einverständnis des bis zum Jahr 2003 tätigen Abfertigungsleiters bei der Abfertigungsstelle Hamburg-3, Herrn D, mit der praktizierten Einlagerung der Fettalkohole und Nettoverwiegung vor Beantragung des Zollverfahrens der aktiven Veredelung bestanden habe. Zum einen lässt auch ein etwaiger Verzicht auf die grundsätzliche Möglichkeit der Durchführung zollamtlicher Überwachungsmaßnahmen den Tatbestand einer Entziehungshandlung nach Art. 203 Abs. 1 ZK nicht entfallen, weil, wie eingangs ausgeführt, für die Annahme eines Entziehens aus der zollamtlichen Überwachung unerheblich ist, ob im konkreten Fall eine zollamtliche Prüfung tatsächlich durchgeführt werden soll, und daher die zollamtliche Überwachung unabhängig von den Verfahrensweisen einzelner Zollbeamter in objektiver Hinsicht stets vollumfänglich gewährleistet sein muss. Zudem bezöge sich, ein solches Einverständnis des Abfertigungsleiters D zugunsten der Klägerin unterstellt, dieses allein auf Einlagerungsvorgänge während der Zeit, in der Herr D als Abfertigungsleiter tätig war. Die streitgegenständlichen Einlagerungsvorgänge fanden jedoch deutlich später in den Jahren 2008 und 2009 statt. Schriftliche Zusagen oder Genehmigungen an die Klägerin hinsichtlich einer gebilligten Einlagerungspraxis, die möglicherweise bis in den streitgegenständlichen Zeitraum fortwirken könnten, bestehen nicht. Wegen der auch bei einem etwaigen Verzicht auf eine konkrete zollamtliche Überwachung nicht entfallenden Entziehungshandlung nach Art. 203 Abs. 1 ZK und der daher fehlenden Entscheidungserheblichkeit der unter Beweis gestellten Tatsache des Einverständnisses von Herrn D mit der Einlagerungspraxis der Klägerin und weil zudem die Angaben der Klägerin zu der durch Herrn D gebilligten Einlagerungspraxis nach vorstehenden Ausführungen wegen der fehlenden Relevanz für den streitgegenständlichen Zeitraum ohnehin als wahr unterstellt werden können, war die von der Klägerin beantragte Zeugenvernehmung des Herrn D im vorliegenden Zusammenhang nicht geboten. Soweit die Klägerin möglicherweise darüber hinaus auf ein entsprechendes Einverständnis mit der Einlagerungspraxis durch die Herrn D nachfolgenden Abfertigungsleiter oder sonstige Abfertigungsbeamte der zuständigen Abfertigungszollstelle verweisen möchte, ergibt sich im Ergebnis keine andere Beurteilung. Auch hier gilt, dass ein etwaiger Verzicht auf die grundsätzliche Möglichkeit der Durchführung zollamtlicher Überwachungsmaßnahmen den Tatbestand einer Entziehungshandlung nach Art. 203 Abs. 1 ZK nicht entfallen lässt und auch insofern eine Beweiserhebung über die Kenntnisse der für die zollamtliche Überwachung zuständigen Zollbeamten von den Betriebsabläufen bei der Einlagerung und die näheren Umstände der praktizierten zollamtlichen Überwachung mangels Entscheidungserheblichkeit nicht geboten und dementsprechend auch dem Beweisantrag der Klägerin auf Zeugenvernehmung des Zolldeklaranten der Klägerin, Herrn C, nicht nachzugehen war. Zudem hat die Klägerin, die insoweit darlegungs- und beweisbelastet wäre, in keiner Weise konkret dargelegt, wer und ggf. aufgrund welcher einzelnen Kenntnisse zu den Einlagerungsvorgängen und ggf. mit welchen Zugeständnissen an die Klägerin im Zeitraum der streitgegenständlichen Einlagerungsvorgänge die Einlagerungspraxis der Klägerin gebilligt haben soll. Dabei sei aus Gründen der Klarstellung vorsorglich darauf hingewiesen, dass es insoweit nicht auf die Abfertigungsbeamten ankommen kann, die die Zollanmeldungen für die Überführung der Waren in das Zollverfahren der aktiven Veredelung bearbeiteten, sondern allein auf die für die zollamtliche Überwachung der Waren während der vorübergehenden Verwahrung konkret zuständigen Beamten, zu denen dem Senat weder aus den Sachakten des Beklagten noch aufgrund der Angaben der Klägerin nähere Erkenntnisse vorliegen. Auch von daher war der Senat mithin nicht gehalten, dem insoweit nicht hinreichend substantiierten Beweisantrag der Klägerin auf Zeugenvernehmung des Herrn C nachzugehen.

b)

27

Der Beklagte hat die Klägerin auch zu Recht als Zollschuldnerin in Anspruch genommen.

28

Die Klägerin ist nach Art. 203 Abs. 3, 1. und 4. Anstrich ZK Zollschuldnerin geworden, da sie durch die Entnahme von Proben der in Empfang genommenen Fettalkohole und Weitergabe der Proben an die A sowie das Umpumpen der verbleibenden Fettalkoholmengen in ihre Lagertanks, wo die Fettalkohole mit sich bereits im Verfahren der aktiven Veredlung befindlichen Beständen an Fettalkohole vermischten, die Entziehung der Waren aus der zollamtlichen Überwachung maßgeblich verschuldet hat und zudem das aus der vorübergehenden Verwahrung der Fettalkohole folgende Verfügungsverbot einzuhalten hatte.

c)

29

Der angefochtene Einfuhrabgabenbescheid ist auch nicht wegen eines Ermessensfehlers rechtswidrig.

30

Insbesondere ist es nicht ermessensfehlerhaft, dass der Beklagte von einer Inanspruchnahme der Klägerin mit Blick auf die A als einen möglichen weiteren Zollschuldner im Rahmen einer gesamtschuldnerischen Haftung, vgl. Art. 213 ZK, nicht abgesehen hat. Ebenso wenig ergibt sich eine Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides in der Gestalt der Einspruchsentscheidung daraus, dass dem Einfuhrabgabenbescheid keine zu einem etwaigen Auswahlermessen angestellten Erwägungen zu entnehmen sind, sondern erst im Rahmen der Einspruchsentscheidung derartige Erwägungen ausgeführt sind, zum Zeitpunkt der Einspruchsentscheidung eine Inanspruchnahme der A jedoch wegen Verjährung der Festsetzungsfristen nicht mehr in Betracht kam. Ob die A überhaupt als Zollschuldner in Betracht kommt, kann dabei offenbleiben. Denn selbst wenn dieser aufgrund der Weisungen an die Klägerin im Rahmen der Geschäftsbeziehung mit der Klägerin bekannt gewesen sein sollte, dass die Fettalkohollieferungen zwecks Einlagerung und gewünschter Nettoverwiegung aufgrund der tanklagerbedingten Ausgestaltung der Betriebsstätte der Klägerin und der dortigen Verfahrensabläufe mit Beständen von bereits im Verfahren der aktiven Veredelung befindlichen Fettalkoholbeständen zwangsläufig vermischt wurden, bevor die entsprechenden Fettalkohollieferungen für eine Überführung in das Zollverfahren der aktiven Veredelung angemeldet wurden, wäre es weder ermessensfehlerhaft, nur die Klägerin in Anspruch zu nehmen, noch wäre es zu beanstanden, wenn entsprechende Ermessenserwägungen erst in der Einspruchsentscheidung des Beklagten zum Ausdruck gekommen sind.

31

Zwar hat der Bundesfinanzhof wiederholt entschieden, dass im Abgabenrecht als Teil des öffentlichen Rechts die Entscheidung, welcher von mehreren Gesamtschuldnern aus demselben Rechtsgrund in Anspruch genommen werden soll, nicht im freien Belieben, sondern im pflichtgemäßen Auswahlermessen der Behörde steht, für das die allgemeinen Grundsätze des § 5 AO gelten (vgl. nur BFH, Urteil vom 20.07.2004, VII R 20/02; Beschluss vom 12.07.1999, VII B 2/99, jeweils in: juris). Der einzelne Abgabenschuldner kann deshalb nur aufgrund einer Ermessensentscheidung unter Beachtung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit und der wirtschaftlichen Bedeutung der jeweiligen Tatbestandsverwirklichung in Anspruch genommen werden (vgl. BFH, Urteil vom 20.07.2004, VII R 20/02, in: juris). Diese Ermessensentscheidung ist nach § 102 Satz 1 FGO daraufhin zu überprüfen, ob der Steuerbescheid deshalb rechtswidrig ist, weil die gesetzlichen Grenzen des Ermessens überschritten sind oder von dem Ermessen in einer dem Zweck der Ermächtigung nicht entsprechenden Weise Gebrauch gemacht worden ist. Die Ermessensentscheidung muss spätestens in der Einspruchsentscheidung begründet werden (§ 121 Abs. 1 AO), anderenfalls sie im Regelfall fehlerhaft ist (vgl. BFH, Urteil vom 20.07.2004, VII R 20/02, in: juris; FG Düsseldorf, Urteil vom 06.03.2002, 4 K 4166/01 VTa, in: juris). Eine Begründung erübrigt sich jedoch, soweit ausnahmsweise im Einzelfall die Gründe für eine Inanspruchnahme klar auf der Hand liegen, was insbesondere bei einer Vorprägung der Ermessensentscheidung der Fall ist, beispielsweise bei der Inanspruchnahme des Hauptverpflichteten als eines von mehreren Gesamtschuldnern wegen Entziehens von Waren aus dem Versandverfahren wegen dessen besonderer Garantenstellung (Witte, a. a. O., Art. 213 Rn. 6 m. w. N. aus der Rspr.; zur Inanspruchnahme des Hauptverpflichteten aus dem Versandverfahren: BFH, Urteil vom 26.08.1997, VII R 82/96; Beschluss vom 13.03.1997, VII R 65/96; Urteil vom 29.01.1985, VII R 115/82, jeweils in: juris).

32

Ähnlich liegt der Fall hier: Auch die Klägerin trifft als Inhaberin der Pflichtenstellung aus der vorübergehenden Verwahrung der von ihr als zugelassener Empfänger übernommenen Waren und aufgrund der ihr erteilten Bewilligung, will sie das Privileg des zugelassenen Empfängers behalten, eine besondere Garantenstellung, nämlich über die übernommenen Waren nicht entgegen des ihr auferlegten Verfügungsverbots zu verfügen. Ähnlich wie beim Hauptverpflichteten als Inhaber des externen gemeinschaftlichen Versandverfahrens ist das Verhältnis zwischen dem Bewilligungsinhaber und der Zollbehörde dadurch gekennzeichnet, dass ihm die unter zollamtlicher Überwachung stehenden Waren - hier: die durch den zugelassenen Empfänger übernommenen Waren in vorübergehender Verwahrung - anvertraut werden und er als Gegenleistung die Verantwortung für die ordnungsgemäße Durchführung des Zollverfahrens - hier: die vorübergehende Verwahrung mit dem Ziel, die verwahrten Waren einer zulässigen zollrechtlichen Bestimmung zuzuführen, vgl. Art. 48 ZK - übernimmt. Stellt die Klägerin dies nicht sicher, wie im vorliegenden Fall durch Pflichtenverletzungen während der vorübergehenden Verwahrung, die zudem zum Entziehen der Waren aus der zollamtlichen Überwachung führen, so muss sie dafür vorrangig einstehen, auch wenn die Pflichtverletzungen letztlich auf die Weisungen eines anderen, hier ihres Kunden, der A, zurückzuführen sein sollten. Selbst wenn also die A als weiterer Zollschuldner in Anspruch genommen werden könnte, so wäre die vorrangige Inanspruchnahme der Klägerin aus den dargelegten Erwägungen nicht zu beanstanden, auch nicht in Anbetracht der zwischen der Klägerin und der A vereinbarten Freistellung der Klägerin von jeglichen Verbindlichkeiten gemäß 11.3 der Allgemeinen Geschäftsbedingungen der Klägerin vom 01.07.2008 (Allgemeine Lager- und Umschlagbedingungen), die gemäß aktualisiertem Rahmenvertrag vom 27.11.2008 zum streitgegenständlichen Zeitpunkt galten (Bl. 186 der Sachakte, Ordner 1), weil diese interne Freistellungsregelung gegenüber der aufgezeigten vorrangigen Pflichtenstellung der Klägerin als Verantwortliche des Zollverfahrens der vorübergehenden Verwahrung in den Hintergrund tritt.

33

Ebenso wenig ist zu beanstanden, dass entsprechende Ermessenserwägungen erst in der Einspruchsentscheidung erfolgten. Wie eingangs dargestellt, reicht es aus, dass die Ermessenserwägungen spätestens in der Einspruchsentscheidung erfolgten. Zudem wäre es, wie vorstehend aufgezeigt, nicht zu beanstanden, wenn in der Begründung des Einfuhrabgabenbescheides in der Gestalt der Einspruchsentscheidung entsprechende Ermessenserwägungen sogar ganz fehlten. Denn aufgrund der vorstehend aufgezeigten Vorprägung der Ermessensentscheidung könnte in jedem Fall davon ausgegangen werden, dass von dem Auswahlermessen sachgerecht Gebrauch gemacht worden wäre.

34

Eine der Klägerin günstigere Beurteilung ergibt sich schließlich auch nicht daraus, dass die A im Zeitpunkt der Einspruchsentscheidung als mögliche Zollschuldnerin nicht mehr hätte in Anspruch genommen werden können, weil mittlerweile die Festsetzungsfrist nach Art. 221 Abs. 3 ZK verstrichen war. Denn dass ein anderer Abgabenschuldner nicht mehr in Anspruch genommen werden kann, bedeutet nicht automatisch, dass die Forderung auch gegen die Klägerin nicht mehr beigetrieben werden darf, denn es steht nicht im Ermessen des Beklagten, von der nach den Vorschriften des Zollkodex vorgesehenen Abgabenfestsetzung abzusehen. Da das ursprüngliche Ermessen - eine Zollschuldnerschaft der A unterstellt - auch nicht derart eingeschränkt gewesen ist, dass jede andere Entscheidung als die Inanspruchnahme der A rechtsfehlerhaft gewesen wäre, vielmehr, wie ausgeführt, gerade die Klägerin vorrangig vor der A in Anspruch zu nehmen ist, kann offen bleiben, ob im gegenteiligen Fall eine Inanspruchnahme der Klägerin möglicherweise wegen Verstoßes gegen den Grundsatz von Treu und Glauben rechtsfehlerhaft wäre (so wohl FG Baden-Württemberg, Urteil vom 10.12.2008, 11 K 319/05, in: juris, dort: Rn. 52) oder dies gleichwohl im Rahmen der Abgabenfestsetzung unbeachtlich bleiben müsste und die Klägerin vielmehr auf die Geltendmachung eines solchen Umstandes im Rahmen des Erstattungsverfahrens nach Art. 239 ZK zu verweisen wäre (so BFH, Beschluss vom 09.09.2009, VII B 11/09, in: juris, dort: Rn. 8 f.).

d)

35

Auf die Frage, ob eine Einfuhrzollschuld auch nach Art. 204 Abs. 1 Buchst. a) ZK entstanden ist, kommt es wegen des Vorrangs des hier einschlägigen Art. 203 ZK nicht mehr an.

e)

36

Die Klägerin kann auch nicht damit durchdringen, dass eine Festsetzung der Einfuhrabgaben aufgrund eines für den gutgläubigen Zollschuldner nicht erkennbaren Irrtums der Zollbehörden nach Art. 220 Abs. 2 Buchst. b) Unterabs. 1 ZK unzulässig sei. Nach Art. 220 Abs. 2 Buchst. b) Unterabs. 1 ZK erfolgt keine nachträgliche buchmäßige Erfassung, wenn der gesetzlich geschuldete Abgabenbetrag aufgrund eines Irrtums der Zollbehörden nicht buchmäßig erfasst worden ist, sofern dieser Irrtum vernünftigerweise vom Zollschuldner nicht erkannt werden konnte und dieser gutgläubig gehandelt und alle geltenden Bestimmungen über die Zollerklärung eingehalten hat. Ungeachtet der Frage, ob Art. 220 Abs. 2 ZK auf den vorliegenden Fall einer erstmaligen buchmäßigen Erfassung nach Art. 218 Abs. 3 ZK überhaupt Anwendung finden kann, was äußerst zweifelhaft ist, weil Art. 220 Abs. 2 ZK lediglich das Vertrauen in eine entgegen Art. 218 und 219 ZK überhaupt nicht oder zu niedrig erfolgte buchmäßige Erfassung schützt, könnte sich die Klägerin im Ergebnis nicht auf entsprechenden Vertrauensschutz berufen. Es fehlt insoweit bereits an einem Irrtum der Zollbehörde in Form eines aktiven, auf ein Handeln der Zollbehörde zurückzuführenden Irrtums (zu dem grundsätzlich zu verlangenden Erfordernis eines aktiven Irrtums im Zusammenhang mit der im Anwendungsbereich des Art. 220 Abs. 2 ZK in Zusammenschau mit Art. 220 Abs. 1, Art. 218 Abs. 1 ZK regelmäßig erforderlichen Prüfung einer Zollanmeldung vgl. EuGH, Urteile vom 18.10.2007, Rs.: C-173/06, und vom 14.11.2002, Rs.: C-251/00, BFH, Urteil vom 07.06.2011, VII R 37/10, Beschluss vom 28.11.2005, VII B 116/05, jeweils in: juris, m. w. N.; zu den - im hier zu entscheidenden Fall nicht vergleichbar gegebenen - sonstigen ausnahmsweise bejahten Fallgestaltungen eines rechtserheblichen Irrtums der Zollbehörden, beispielsweise bei antrags- und anmeldungsgemäßer Abfertigung von so genannten nicht befundgerechten Zollanmeldungen unter Hinzutreten eines vertrauensbegründenden Verhaltens der Zollstelle, beispielsweise einer langjährigen unrichtigen Abfertigungspraxis vgl. EuGH, Urteile vom 01.04.1993, Rs.: C-250/91, und vom 22.10.1987, Rs.: 314/85; BFH, Urteile vom 15.10.1991, VII R 27/91, 07.09.1993, VII R 128/92, und vom 04.07.1996, VII R 75/95, jeweils in: juris). Soweit die Klägerin hier auf die Beurteilung der Einlagerungspraxis der Klägerin durch den Abfertigungsleiter Herrn D verweist, muss dies bereits deshalb außer Betracht bleiben, weil dieser zum Zeitpunkt der streitgegenständlichen Einlagerungsvorgänge nicht mehr tätig gewesen ist. Eine Beweisaufnahme durch die von der Klägerin beantragte Zeugenvernehmung des Herrn D war mithin mangels Entscheidungserheblichkeit auch in diesem Zusammenhang nicht geboten. Was die Beurteilung der Einlagerungspraxis der Klägerin durch die im Zeitraum der streitgegenständlichen Einlagerungsvorgänge tätigen Zollbeamten anbelangt, hat die Klägerin, die im Rahmen des Art. 220 Abs. 2 Buchst. b) Unterabs. 1 ZK darlegungs- und beweisbelastet ist, auch hier in keiner Weise konkret dargelegt, wer und ggf. aufgrund welcher einzelnen Kenntnisse zu den Einlagerungsvorgängen im Zeitraum der streitgegenständlichen Einlagerungsvorgänge aufgrund einer bewussten Prüfung im Sinne eines aktiven Irrtums möglicherweise von dem Nichtvorliegen einer Zollschuld nach Art. 203 Abs. 1 ZK ausgegangen ist. Auch an dieser Stelle sei aus Gründen der Klarstellung vorsorglich darauf hingewiesen, dass auch hier nicht auf die Abfertigungsbeamten abzustellen ist, die die Zollanmeldung für die Überführung der Waren in das Zollverfahren der aktiven Veredelung bearbeiteten, da es hier nicht auf einen möglichen Irrtum im Rahmen der Prüfung der Zollanmeldung für das Zollverfahren der aktiven Veredelung ankommen kann, die regelmäßig nicht die Prüfung umfasst, ob die Waren, die zur Überführung in die aktive Veredelung angemeldet werden, zuvor der zollamtlichen Überwachung entzogen worden sein könnten, sondern allenfalls auf einen dem Zollverfahren der aktiven Veredelung vorgelagerten Irrtum in Bezug auf Umstände im Zusammenhang mit der Behandlung der Ware durch die Klägerin während der vorübergehenden Verwahrung. Folglich ist hinsichtlich des Vorliegens eines Irrtums allein auf die für die zollamtliche Überwachung der Waren während der vorübergehenden Verwahrung konkret zuständigen Beamten abzustellen, zu denen dem Senat jedoch weder aus den Sachakten des Beklagten noch aufgrund der Angaben der Klägerin nähere Erkenntnisse vorliegen. Von daher war der Senat auch in diesem Zusammenhang nicht gehalten, dem insoweit ebenfalls nicht hinreichend substantiierten Beweisantrag der Klägerin auf Zeugenvernehmung des Zolldeklaranten der Klägerin, Herrn C, nachzugehen. Ferner wäre - das Vorliegen eines für den Vertrauensschutz der Klägerin beachtlichen Irrtums der Zollbehörden entgegen den vorstehenden Ausführungen zugunsten der Klägerin einmal unterstellt - dieser für die Klägerin jedenfalls erkennbar gewesen. Das ergibt sich bereits aus dem in der Bewilligung des Status eines zugelassenen Empfängers ausdrücklich aufgeführten Verbot, über die Waren zu verfügen. Zudem hat der Beklagte zutreffend darauf hingewiesen, dass die Klägerin aufgrund ihrer Erfahrungen als Wirtschaftsbeteiligte und der Beteiligung des von ihr beauftragten Zolldeklaranten ohne weiteres in der Lage gewesen wäre, die fehlerhafte Verfahrensweise zu erkennen bzw. zu hinterfragen, zumal ihr keinerlei schriftliche Bestätigungen seitens der Zollbehörden über die von ihr ausgeführte Verfahrensweise vorlagen. Schließlich stünde einem Vertrauensschutz auch entgegen, dass die Klägerin nicht, wie es Art. 220 Abs. 2 Buchst. b) Unterabs. 1 ZK weiterhin voraussetzt, alle geltenden Vorschriften über die Zollanmeldung eingehalten hat. Sofern man Art. 220 Abs. 2 Buchst. b) Unterabs. 1 ZK vorliegend auf die erstmalige buchmäßige Erfassung einer Zollschuld nach Art. 203 Abs. 1 ZK anwenden wollte, so käme es hier entsprechend auf die Einhaltung aller geltenden Vorschriften im Zusammenhang mit den hier zugrundeliegenden Pflichtenstellungen aus der Bewilligung des Status eines zugelassenen Empfängers und der vorübergehenden Verwahrung - nicht hingegen, wie offenbar die Klägerin meint, auf die Einhaltung der Vorschriften im Zusammenhang mit der Zollanmeldung für die Überführung der Waren in das Zollverfahren der aktiven Veredelung - an. Wie ausgeführt, hat die Klägerin aber durch die oben aufgezeigten Entziehungshandlungen gerade nicht alle geltenden Vorschriften, die ihr als zugelassener Empfänger und im Rahmen der vorübergehenden Verwahrung oblagen, eingehalten; zudem hat sie, worauf der Beklagte ebenfalls zutreffend hingewiesen hat, festgestellte Mehr- und Fehlmengen pflichtwidrig nicht mit dem von ihr übermittelten Entladekommentar nach Art. 408 Abs. 1 Buchst. c) ZK-DVO mitgeteilt und auch insofern nicht in Übereinstimmung mit den für sie geltenden Vorschriften gehandelt. Aufgrund der vorstehenden Erwägungen war der von der Klägerin beantragten Zeugenvernehmung des Herrn C zu einem etwaigen Vorliegen eines Irrtums der zuständigen Zollbeamten auch insofern nicht nachzugehen, als es aufgrund der offenkundig nicht erfüllten übrigen Voraussetzungen des Art. 220 Abs. 2 Buchst. b) Unterabs. 1 ZK im Ergebnis nicht entscheidungserheblich auf das Vorliegen etwaiger irrtumsbegründender Umstände ankommt.

f)

37

Auch die Festsetzungsfrist des Art. 221 Abs. 3 ZK, nach der die Erhebung nach Ablauf einer Frist von drei Jahren nach dem Zeitpunkt des Entstehens der Zollschuld nicht mehr erfolgen darf, ist gewahrt.

g)

38

Dass der Beklagte örtlich nicht für den Erlass des angefochtenen Einfuhrabgabenbescheides gemäß § 23 Abs. 1 AO zuständig gewesen ist, da der Tatbestand, an den das Gesetz die Steuer knüpft, hier die vorstehend unter a) (b) aufgezeigten Entziehungshandlungen der Klägerin, vorliegend nicht im Bezirk des Hauptzollamts Hamburg-4, sondern des Hauptzollamts Hamburg-1, verwirklicht worden ist, und auch keine örtliche Zuständigkeit des Beklagten gemäß § 23 Abs. 2 Satz 1 AO aufgrund des Firmensitzes der Klägerin gegeben war, ist gemäß §§ 125 Abs. 3 Nr. 1, 127 AO unbeachtlich, da, wie sich aus den vorstehenden Ausführungen ergibt, keine andere Entscheidung in der Sache, insbesondere auch nicht unter dem Gesichtspunkt einer anderen Zollschuldnerauswahl, hätte getroffen werden können.

2.

39

Hinsichtlich der Höhe der geltend gemachten Einfuhrabgabenschuld drängen sich dem Gericht keine Bedenken auf, auch die Klägerin macht solche nicht geltend.

II.

40

Die Kostenentscheidung folgt aus § 135 Abs. 1 FGO. Die Revision war nicht zuzulassen, da die Voraussetzungen des § 115 Abs. 2 FGO nicht vorliegen.

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