Urteil vom Finanzgericht Hamburg (6. Senat) - 6 K 32/15

Tatbestand

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Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob der Kläger Einnahmen aus einer betrieblichen Altersversorgung in voller Höhe zu versteuern hat oder ob sich Zahlungen, die aufgrund einer Abtretung der Ansprüche im Rahmen eines schuldrechtlichen Versorgungsausgleichs unmittelbar an seine geschiedene und in Südafrika wohnhafte Ehefrau geleistet werden, steuermindernd auswirken.

2

Der Kläger war seit dem ...19... mit Frau A, im Streitzeitraum 2010 bis 2013 wohnhaft X-Straße ..., B, Südafrika, verheiratet. Aus einer nichtselbständigen Beschäftigung als ... standen dem Kläger Anwartschaften aus einer betrieblichen Altersversorgung bei der Versicherung X ... (im Folgenden: Versicherung X) zu.

3

Auf Antrag des Klägers vom 12.03.2003 wurde die Ehe durch Urteil des Amtsgerichts C vom ... 2005 geschieden. Durch das Urteil wurden Anwartschaften des Klägers aus der gesetzlichen Rentenversicherung bei der Bundesversicherungsanstalt für Angestellte (BfA) auf die geschiedene Ehefrau übertragen. Zur Durchführung des schuldrechtlichen Versorgungsausgleichs im Hinblick auf die Versorgungsanwartschaft bei der Versicherung X wurden im Wege des erweiterten Splittings weitere Rentenansprüche bei der BfA übertragen. Im Übrigen sollte der geschiedenen Ehefrau nach dem Urteil der schuldrechtliche Versorgungsausgleich vorbehalten bleiben.

4

Auf der Grundlage einer vom Amtsgericht C am 06.08.2004 erstellten Vorabberechnung zum Versorgungsausgleich (Anlage K 10, Finanzgerichtsakten -FGA- Anlagenband), derzufolge die Versicherung X eine Realteilung nicht zuließ, einigten sich die Parteien über den schuldrechtlichen Versorgungsausgleich in der Weise, dass der Kläger insgesamt Ansprüche aus der Betriebsrente der Versicherung X in Höhe von 1.109,34 € monatlich an seine geschiedene Ehefrau abtrat (Anlage K 11, FGA Anlagenband). Die Versicherung X behielt diesen Betrag ab dem 01.10.2010 von der monatlichen Netto-Altersrente des Klägers ein und überwies ihn unmittelbar an Frau A.

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In den gemeinsam mit seiner jetzigen Ehefrau D eingereichten Einkommensteuererklärungen für 2010 bis 2013 erklärte der Kläger die Betriebsrentenzahlungen der Versicherung X einschließlich der an die geschiedene Ehefrau geleisteten Zahlungen als Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit, die sich pro Jahr auf insgesamt jeweils rund 20.000,00 € beliefen, machte aber gleichzeitig die Zahlungen an die geschiedene Ehefrau als negativen Arbeitslohn geltend in Höhe von 3.328,00 € für 2010 und jeweils in Höhe von 13.313,00 € für 2011 bis 2013. Darüber hinaus bezog der Kläger Einnahmen aus Renten- und Pensionen von über 20.000,00 € jährlich.

6

Am 06.09.2011 erließ das seinerzeit zuständige Finanzamt E den Einkommensteuerbescheid für 2010 (zu versteuerndes Einkommen -zvE- des Klägers und seiner mit ihm zusammen veranlagten Ehefrau 27.185,00 €, Einkommensteuer 2.042,00 €) und am 13.08.2012 für 2011 (zvE 30.824,00, Einkommensteuer 2.920,00 €). Der aufgrund eines Wohnsitzwechsels des Klägers zuständig gewordene Beklagte erließ am 08.10.2013 den Einkommensteuerbescheid für 2012 (zvE 29.587,00 €, Einkommensteuer 2.434,00 €) und am 24.06.2014 für 2013 (zvE 28.976,00 €, Einkommensteuer 2.105,00 €). Die Einnahmen aus der Betriebsrente wurden jeweils in voller Höhe als Einkünfte des Klägers aus nichtselbständiger Arbeit berücksichtigt. Ein Sonderausgabenabzug in Höhe der Zahlungen der Versicherung X an die geschiedene Ehefrau des Klägers wurde unter Hinweis auf die beschränkte Einkommensteuerpflicht der Empfängerin abgelehnt.

7

Der Kläger legte mit Schreiben vom 15.09.2011 (2010) und 16.08.2012 (2011) Einspruch ein. Mit Schreiben vom 16.07.2013 beantragte er hilfsweise, die weitergeleiteten Zahlungen aus Billigkeitsgründen von der Bemessungsgrundlage der Einkommensteuer auszunehmen. Mit weiteren Schreiben vom 15.10.2013 und 30.06.2014 legte er unter Bezugnahme auf die Begründung für die Vorjahre Einspruch gegen die Einkommensteuerbescheide für 2012 und 2013 ein.

8

Am 27.09.2013 erließ der Beklagte für 2011 einen aus anderen Gründen geänderten Einkommensteuerbescheid (zvE 29.168,00 €, Einkommensteuer 2.512,00 €).

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Die Einspruchsverfahren ruhten bis zur Entscheidung des BFH vom 07.07.2014 im Verfahren X B 135/13. Anschließend wies der Beklagte die Einsprüche mit Einspruchsentscheidungen vom 09.01.2015 jeweils als unbegründet zurück. Der abgetretene Teil der Versorgungsansprüche sei dem Kläger als Einnahme zuzurechnen; insoweit liege lediglich eine Einkommensverwendung vor. Ein Sonderausgabenabzug sei ausgeschlossen, weil die geschiedene Ehefrau des Klägers nicht unbeschränkt einkommensteuerpflichtig sei. Eine Realteilung der Versorgungsanwartschaft sei nicht durchgeführt worden, weil die Versicherung X als inländischer und privatrechtlich organisierter Träger diese nicht zugelassen habe. Dem Antrag auf abweichende Festsetzung der Einkommensteuer aus Billigkeitsgründen könne nicht entsprochen werden. Eine sachliche Unbilligkeit liege nicht vor, weil es dem gesetzgeberischen Willen entspreche, die Versteuerung im Inland bei Weiterleitung der Versorgungsbezüge sicherzustellen. Gründe für die Annahme einer Unbilligkeit aus persönlichen Gründen seien nicht ersichtlich.

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Der Kläger hat am 09.02.2015 Klage erhoben.

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Der Beklagte hat die Klage, soweit sie als Sprungklage auf Verpflichtung zu einer abweichenden Steuerfestsetzung aus Billigkeitsgründen gerichtet und mangels Zustimmung des Beklagten unwirksam gewesen ist, als Einspruch gegen die (erstmalige) Ablehnung des Billigkeitserlasses durch die Einspruchsentscheidung vom 09.01.2015 behandelt und diesen Einspruch mit Einspruchsentscheidung vom 07.04.2015 als unbegründet zurückgewiesen. Eine persönliche Unbilligkeit liege nicht vor, weil dem Kläger jährliche Renten- und Pensionszahlungen von rund 20.000,00 € zuflössen. Eine Billigkeitsmaßnahme aus sachlichen Gründen sei ausgeschlossen, da der Gesetzgeber den Sonderausgabenabzug bewusst auf die im Gesetz genannten Fälle beschränkt habe.

12

Hiergegen hat der Kläger am 15.04.2015 Klage erhoben (Az. 6 K 100/15). Das Gericht hat die Klagen durch Beschluss vom 05.06.2015 zur gemeinsamen Verhandlung und Entscheidung verbunden.

13

Der Kläger trägt vor:

14

Er sei aufgrund der gesetzlichen Bestimmungen gezwungen gewesen, den Versorgungsausgleich durchzuführen. Die Unterschiede zwischen der Realteilung des gesetzlichen Rentenanspruchs und der schuldrechtlichen Abtretung der privaten Ansprüche seien lediglich juristischer Natur; wirtschaftlich sei das Ergebnis dasselbe. Die abzutretenden Beträge seien von vornherein seiner, des Klägers, Disposition entzogen gewesen, er habe sich gegen die Abtretung nicht wehren können.

15

Aufgrund der Handhabung durch den Beklagten sei er jährlich mit Steuern von rund 2.500 € belastet, obwohl das übrige Einkommen den Freibetrag für das Existenzminimum nicht übersteige. Die Belastung des Existenzminimums mit Steuern sei aber verfassungswidrig.

16

Der Streitfall unterscheide sich von dem durch das Niedersächsische FG (Urteil vom 16.05.2013 1 K 166/12, EFG 2013, 1490) entschiedenen Fall. So habe sich der abgetretene Teil der Bezüge im dortigen Fall auf 17,85 % belaufen, während er, der Kläger, rund 40 % der Bezüge nicht erhalte. Auch beschäftige sich das Niedersächsische FG nicht mit der Frage, ob überhaupt Einnahmen zugeflossen seien. Da ihm, dem Kläger, die wirtschaftliche Verfügungsmacht genommen sei, liege kein Zufluss vor.

17

Darüber hinaus könne die Auffassung des Niedersächsischen FG, dass der Empfänger von Versorgungszahlungen als Voraussetzung für einen Sonderausgabenabzug beim Zahlenden unbeschränkt steuerpflichtig sein müsse, aus Sicht des Verpflichteten nicht richtig sein. Aus dessen Sicht sei die Frage einer gleichheitswidrigen Besteuerung aber zu prüfen. Dem Verpflichteten sei die Dispositionsmöglichkeit über die gezahlten Beträge unabhängig vom Wohnort des Berechtigten entzogen. Die vom Niedersächsischen FG angesprochene vage Möglichkeit, beim schuldrechtlichen Versorgungsausgleich niemals zahlen zu müssen, genüge ebenso wenig als Rechtfertigung für eine unterschiedliche steuerliche Behandlung.

18

Sachgerecht und auch bei einem schuldrechtlichen Versorgungsausgleich heranzuziehen sei demgegenüber die Lösung bei den gesetzlichen Renten. Dort werde ein nicht unbeschränkt steuerpflichtiger Berechtigter beschränkt zur Einkommensteuer veranlagt.

19

Im Ergebnis werde er, der Kläger, in seiner Leistungsfähigkeit beeinträchtigt und die Besteuerung verstoße gegen das Übermaßverbot und das Gleichheitsgebot. Dass in Deutschland Beträge einkommensmindernd zu berücksichtigen seien, die ausländischen Empfängern zuflössen, sei im Bereich der Betriebsausgaben oder Werbungskosten üblich und könne einer Berücksichtigung bei den Sonderausgaben nicht entgegenstehen.

20

Die Besteuerung sei schließlich persönlich unbillig, weil das gemeinsame Familieneinkommen aufgrund des Versorgungsausgleichs geringer sei als die Eingangsfreibeträge, wodurch das Existenzminimum im Ergebnis mit Steuer belastet werde. Es liege aber auch eine sachliche Unbilligkeit vor, denn er, der Kläger, müsse hohe Beträge versteuern, über die er keine Verfügungsgewalt habe und die ihm nicht zuflössen; zudem würden nicht disponible Einkommensteile besteuert. Dies lasse sich nicht dadurch rechtfertigen, dass ein Teil der Rentenzahlungen bei der Empfängerin möglicherweise unversteuert bleibe. Die Ansässigkeit des Zahlungsempfängers sei irrelevant; der Gesetzgeber sei zu einer sachgerechten Lösung verpflichtet.

21

Der Kläger beantragt,
die Einkommensteuerbescheide für 2010 vom 06.09.2011, für 2011 vom 27.09.2013, für 2012 vom 08.10.2013 und für 2013 vom 24.06.2014, jeweils in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 09.01.2015, dahingehend zu ändern, dass das zu versteuernde Einkommen für 2010 um 3.328,00 € und für 2011 bis 2013 jeweils um 13.313,00 € gemindert und die Einkommensteuer für 2010 auf 1.328,00 € und für 2011 bis 2013 jeweils auf 0,00 € herabgesetzt wird,
hilfsweise,
den Beklagten unter Aufhebung des Ablehnungsbescheides vom 09.01.2015 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 07.04.2015 zu verpflichten, die Einkommensteuer für 2010 bis 2013 aus Billigkeitsgründen gemäß § 163 AO entsprechend niedriger festzusetzen.

22

Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.

23

Der Beklagte trägt vor:

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Die an die geschiedene Ehefrau gezahlten Versorgungsbezüge seien nicht steuermindernd als Sonderausgaben zu berücksichtigen, weil die geschiedene Ehefrau nicht unbeschränkt einkommensteuerpflichtig sei. Diese Besteuerung verstoße entgegen der Auffassung des Klägers nicht gegen Art. 3 Grundgesetz (GG). Nach der Rechtsprechung des BFH (Beschluss vom 07.07.2014 X B 135/13) habe der Gesetzgeber den ihm eingeräumten Gestaltungsspielraum nicht überschritten, weil die Differenzierung zwischen beschränkt und unbeschränkt steuerpflichtigen Empfängern sachgerecht sei.

25

Die Besteuerung sei auch nicht unbillig. Eine Unbilligkeit aus persönlichen Gründen sei nicht gegeben; der Kläger habe nicht dargelegt, ob und inwieweit eine ernsthafte Gefährdung oder Vernichtung der wirtschaftlichen Existenz gegeben sei. Eine sachliche Unbilligkeit liege ebenso wenig vor. Denn es entspreche dem gesetzgeberischen Willen, die Einnahmeversteuerung im Inland sicherzustellen.

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Auf die Sitzungsniederschrift der mündlichen Verhandlung vom 05.06.2014 wird Bezug genommen.

27

Dem Gericht haben Band I der Akten Allgemeines, ein Band Dauerunterlagen, Band II der Einkommensteuerakten und Band I der Rechtsbehelfsakten (St.-Nr. .../.../...) vorgelegen.

Entscheidungsgründe

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Die Klage ist zulässig, aber unbegründet.

I.

29

Die mit dem Hauptantrag angefochtenen Bescheide sind rechtmäßig und verletzen den Kläger nicht in seinen Rechten (§ 100 Abs. 1 Satz 1 -FGO- Finanzgerichtsordnung). Der Beklagte hat die Zahlungen der Versicherung X an die geschiedene Ehefrau des Klägers bei ihm zu recht einkommenserhöhend berücksichtigt (1.) und sowohl einen Sonderausgabenabzug als auch einen Abzug als außergewöhnliche Belastungen abgelehnt (2.).

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1. a) Dem Kläger sind die Versorgungszahlungen, auch soweit sie an seine geschiedene Ehefrau geleistet wurden, in voller Höhe als Einnahmen aus nichtselbständiger Arbeit zuzurechnen.

31

aa) Nach den vor der gesetzlichen Neuregelung des Versorgungsausgleichs durch das Gesetz über den Versorgungsausgleich vom 03.04.2009 (-VersAusglG-, BGBl I 2009, 700, mit Wirkung ab dem 01.09.2009) und damit im Zeitpunkt der Scheidung des Klägers noch geltenden Regelungen zum Versorgungsausgleich findet, wenn nicht Rentenanwartschaften in der gesetzlichen Rentenversicherung oder öffentlich-rechtliche Versorgungsanwartschaften, sondern andere Versorgungsanrechte auszugleichen sind, gemäß § 2 des Gesetzes zur Regelung von Härten im Versorgungsausgleich (VAHRG) der schuldrechtliche Versorgungsausgleich statt, sofern nach dem für den Versorgungsträger maßgebenden Recht eine Realteilung des Versorgungsanrechts durch Begründung eines eigenen Anrechts für den anderen Ehegatten nicht vorgesehen ist (§ 1 Abs. 2 VAHRG). Beim schuldrechtlichen Versorgungsausgleich hat der Ehegatte, dessen auszugleichende Versorgung die des anderen übersteigt, dem anderen Ehegatten als Ausgleich eine Geldrente in Höhe der Hälfte des jeweils übersteigenden Betrags zu entrichten (§ 1587g Abs. 1 Satz 1 BGB a. F.; jetzt § 20 Abs. 1 Satz 1 VersAusglG). Der ausgleichsberechtigte Ehegatte kann vom ausgleichsverpflichteten die Abtretung des Anspruchs gegen den Versorgungsträger in Höhe der Ausgleichsrechte verlangen (§ 1587i Abs. 1 BGB a. F.; jetzt § 21 Abs. 1 VersAusglG).

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bb) Hat ein Steuerpflichtiger aufgrund eines schuldrechtlichen Versorgungsausgleichs betriebliche Versorgungsleistungen mit seinem geschiedenen Ehegatten zu teilen, ist allein der Steuerpflichtige derjenige, der Einkünfte i. S. des § 19 Abs. 2 Einkommensteuergesetz (EStG) erzielt, da nur er diese Einkünfte durch eigene Arbeitsleistung erwirtschaftet hat (BFH-Urteil vom 15.06.2010 X R 23/08, BFH/NV 2010, 1807). Ihm sind daher trotz der Verpflichtung zur Weiterleitung eines Teils an den ausgleichsberechtigten Ehegatten die (ungekürzten) Versorgungsbezüge steuerlich als eigene Einkünfte zuzurechnen (BFH-Urteil vom 22.08.2012 X R 36/09, BFHE 239, 203, BStBl II 2014, 109). Nichts anderes gilt selbst dann, wenn der ausgleichsberechtigte Ehegatte gemäß § 1587i Abs. 1 BGB a. F. (jetzt § 21 Abs. 1 VersAusglG) in Höhe einer laufenden Ausgleichsrente die Abtretung der in den Ausgleich einbezogenen Versorgungsansprüche verlangen kann (BFH-Urteil vom 15.06.2010 X R 23/08, BFH/NV 2010, 1807; BMF-Schreiben vom 09.04.2010, BStBl I 2010, 323, Tz. 15; Pflüger in Herrmann/Heuer/Raupach, EStG/KStG, § 19 EStG Rz. 325).

33

cc) Im Streitfall war hinsichtlich der betrieblichen Altersversorgung des Klägers bei der Versicherung X als Versorgungsträgerin der schuldrechtliche Versorgungsausgleich durchzuführen, weil die Versicherung X nach der zwischen den Beteiligten unstreitigen Feststellung in der Berechnung des Versorgungsausgleichs durch das AG C die Realteilung nicht zuließ. Trotz Weiterleitung eines Teils der Bezüge an seine geschiedene Ehefrau sind dem Kläger die Bezüge somit in voller Höhe als Einnahmen aus nichtselbständiger Arbeit zuzurechnen.

34

dd) Die Abtretung der Ansprüche und die unmittelbare Überweisung an die Abtretungsempfängerin ändert nichts daran, dass die Versorgungszahlungen dem Kläger in voller Höhe zugeflossen sind. Auch im Falle einer Abtretung fließt der Betrag der übergegangenen Forderung dem Steuerpflichtigen in dem Zeitpunkt zu, in dem die Zahlung beim Zessionar eingeht (BFH-Urteil vom 15.11.2007 VI R 66/03, BFHE 219, 313, BStBl II 2008, 375). Daher gehören im Rahmen des schuldrechtlichen Versorgungsausgleichs abgetretene Versorgungsbezüge weiterhin zu den Einkünften des Ausgleichsverpflichteten (BFH-Urteil vom 09.12.2014 X R 7/14, juris; Pflüger in Herrmann/Heuer/Raupach EStG/KStG, § 19 EStG Rz. 325, zu abgetretenen Versorgungsansprüchen).

35

ee) Etwas anderes ergibt sich nicht aus den Vorschriften des § 3 Nr. 55a und des § 3 Nr. 55b EStG, die nicht entsprechend anzuwenden sind. Nach § 3 Nr. 55a Satz 2 EStG gehören die Leistungen aus Anrechten, die im Rahmen der internen Teilung nach dem VersAusglG übertragen wurden, bei der ausgleichsberechtigten Person zu den Einkünften, zu denen die Leistungen bei der ausgleichspflichtigen Person gehören würden, wenn die interne Teilung nicht stattgefunden hätte. § 3 Nr. 55a Satz 1 EStG stellt im Gegenzug diese Leistungen bei dem Ausgleichsverpflichteten steuerfrei. § 3 Nr. 55b EStG trifft eine vergleichbare Regelung für einen nach § 14 VersAusglG (externe Teilung) geleisteten Ausgleichswert.

36

Einer analogen Anwendung auf Ausgleichszahlungen nach § 1587i BGB a. F. steht zum einen deren ausdrückliche Zuordnung zu den Sonderausgaben entgegen (s. dazu unten zu 2.) und zum anderen, dass die zivilrechtliche Abtretung von Versorgungsansprüchen nach § 1587i BGB a. F. (inzwischen geregelt in §§ 20 bis 26 VersAusglG und nach § 10 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. b EStG ebenfalls den Sonderausgaben zugeordnet) konzeptionell nicht der durch das Familiengericht im Rahmen der Scheidung vorgenommenen internen oder externen Aufteilung von Versorgungsansprüchen entspricht (BFH-Urteil vom 09.12.2014 X R 7/14, juris).

37

b) Die Zahlungen an die geschiedene Ehefrau sind weder als negativer Arbeitslohn (aa.) noch als Werbungskosten bei den Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit abzuziehen (bb. bis dd.).

38

aa) Negativer Arbeitslohn ist nur anzunehmen, wenn ein Rückfluss von Arbeitslohn an den Arbeitgeber stattfindet, sich der Vorgang also als "actus contrarius" zur Lohnzahlung darstellt (BFH-Urteil vom 17.09.2009 VI R 17/08, BFHE 226, 317, BStBl II 2010, 299). Der Kläger hat den Arbeitslohn jedoch nicht an den Arbeitgeber zurückgezahlt, sondern an seine geschiedene Ehefrau weitergeleitet.

39

bb) Zahlungen im Zusammenhang mit einem Versorgungsausgleich führen nur dann zu Aufwendungen, die der Erwerbung, Sicherung und Erhaltung von Einnahmen i. S. des § 9 Abs. 1 Satz 1 Einkommensteuergesetz (EStG) dienen, und damit zu abziehbaren Werbungskosten, wenn dem Inhaber des Anspruchs auf betriebliche Altersversorgung wegen der Verpflichtung zum Versorgungsausgleich niedrigere steuerpflichtige Versorgungsbezüge i. S. des § 19 Abs. 2 EStG zufließen als im Fall des Fehlens einer solchen Ausgleichsverpflichtung (BFH-Urteil vom 15.06.2010 X R 23/08, BFH/NV 2010, 1807). Wie oben dargelegt, ist dies im Streitfall aber gerade nicht der Fall; der Kläger bezieht die Versorgungsbezüge in voller Höhe trotz der teilweisen Weiterleitung an die geschiedene Ehefrau.

40

cc) Zwar sind im Gegensatz dazu Ausgleichszahlungen, die ein zum Versorgungsausgleich verpflichteter Beamter aufgrund einer Vereinbarung nach § 1408 Abs. 2 BGB oder nach § 1587o BGB a. F. an den anderen Ehegatten leistet, ebenso wie sog. Wiederauffüllungszahlungen als Werbungskosten nach der Rechtsprechung des BFH bei den Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit abziehbar. Maßgeblich sei dabei, dass durch die oben genannten Ausgleichs- oder Wiederauffüllungszahlungen eine sonst gemäß § 57 des Beamtenversorgungsgesetzes (a. F.) vorzunehmende Kürzung der Pensionsbezüge unterbleibe. Im Unterschied zur Ablösung von Ansprüchen aus einem schuldrechtlichen Versorgungsausgleich dienten daher solche Ausgleichs- oder Wiederauffüllungszahlungen der Sicherung des künftigen Zuflusses (eigener) steuerpflichtiger Einkünfte in ungeschmälerter Höhe und beträfen den Bereich der Einkünfteerzielung (BFH-Urteile vom 24.03.2011 VI R 59/10, BFH/NV 2011, 1130; vom 15.06.2010 X R 23/08, BFH/NV 2010, 1807; vom 08.03.2006 IX R 107/00, BFHE 212, 511, BStBl II 2006, 446; vom 08.03.2006 IX R 78/01, BFHE 212, 514, BStBl II 2006, 448; ebenso BFH-Urteil vom 17.06.2010 VI R 33/08, BFH/NV 2010, 2051, obwohl die beamtenrechtliche Versorgung des dortigen Klägers kurz vor der Scheidung in eine betriebliche Altersversorgung umgewandelt worden war).

41

Die Frage, ob der Werbungskostenabzug in diesen Fällen zutreffend ist oder nicht, kann vorliegend jedoch offen bleiben. Denn selbst wenn dieser Rechtsprechung nicht zu folgen wäre, könnte der Kläger keine "Gleichbehandlung im Unrecht" verlangen (vgl. BFH-Urteil vom 23.01.2013 X R 43/09, BFHE 240, 147, BStBl II 2013, 608; zur Rechtfertigung der Ungleichbehandlung wegen der Differenzierung zwischen Einkommenserzielung und Einkommensverwendung vgl. im Übrigen BFH-Urteil vom 15.06.2010 X R 23/08, BFH/NV 2010, 1807; FG Köln, Urteil vom 26.03.2014 7 K 1037/12, EFG 2014, 1470, Revision anhängig unter X R 41/14; FG Hamburg, Urteil vom 31.10.2013 3 K 80/12, juris).

42

dd) Schließlich kommt ein Werbungskostenabzug auch deshalb nicht in Betracht, weil der Gesetzgeber Zahlungen im Rahmen eines schuldrechtlichen Versorgungsausgleichs mit konstitutiver Wirkung den Sonderausgaben zugewiesen hat (§ 10 Abs. 1 Nr. 1b EStG; s. dazu 2.). Diese Regelung hätte keinen Anwendungsbereich, wenn die Zahlungen bereits als Werbungskosten abziehbar wären (vgl. BFH-Urteil vom 09.12.2014 X R 7/14, juris; für Altersvorsorgeaufwendungen BFH-Urteil vom 18.04.2012 X R 62/09, BFHE 237, 434, BStBl II 2012, 721; BFH-Beschluss vom 01.02.2006 X B 166/05, BFHE 212, 242, BStBl II 2006, 420)

43

2. Die Zahlungen an die geschiedene Ehefrau des Klägers sind weder als Sonderausgaben (a.) noch als außergewöhnliche Belastungen (b.) abziehbar. Ein Verstoß gegen das objektive Nettoprinzip liegt nicht vor (c.).

44

a) Die Voraussetzungen für einen Sonderausgabenabzug liegen nicht vor.

45

aa) Nach der in den Streitjahren geltenden Regelung des § 10 Abs. 1 Nr. 1b EStG i. d. F. des Jahressteuergesetzes 2010 vom 08.12.2010 (BGBl. I 2010, 1769, mit Wirkung vom 14.12.2010, durch Gesetz vom 22.12.2014, BGBl I 2014, 2417, mit Wirkung vom 01.01.2015 ersetzt durch § 10 Abs. 1a Nr. 4 EStG) zählen zu den abzugsfähigen Sonderausgaben Ausgleichszahlungen im Rahmen des Versorgungsausgleichs nach den §§ 20 bis 22 und 26 VersAusglG und nach den §§ 1587f, 1587g und 1587i BGB in der bis zum 31.08.2009 geltenden Fassung sowie nach § 3a VAHRG, soweit die ihnen zu Grunde liegenden Einnahmen bei der ausgleichspflichtigen Person der Besteuerung unterliegen, wenn die ausgleichsberechtigte Person unbeschränkt einkommensteuerpflichtig ist. Die Zahlungen sind beim Empfänger nach § 22 Nr. 1c EStG a. F. (durch Gesetz vom 22.12.2014, BGBl I 2014, 2417, mit Wirkung vom 01.01.2015 ersetzt durch § 22 Nr. 1a EStG) als sonstige Einkünfte zu versteuern.

46

bb) Da die geschiedene Ehefrau des Klägers als Empfängerin der Versorgungsleistungen weder ihren Wohnsitz noch ihren gewöhnlichen Aufenthalt im Inland hatte (§ 1 Abs. 1 Satz 1 EStG) und auch eine unbeschränkte Einkommensteuerpflicht gemäß § 1 Abs. 2 und 3 EStG nicht gegeben ist, sind die Voraussetzungen für einen Sonderausgabenabzug beim Kläger nach dem eindeutigen Wortlaut der Vorschrift nicht erfüllt.

47

cc) Auch ein Abzug gemäß § 1a Abs. 1 Nr. 1b i. V. m. Nr. 1 Satz 2 und 3 EStG i. d. F. der Streitjahre scheidet aus, weil die Empfängerin ihren Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt nicht im Hoheitsgebiet eines anderen Mitgliedstaates der Europäischen Union oder eines Staates hatte, auf den das Abkommen über den Europäischen Wirtschaftsraum Anwendung findet.

48

dd) Der Ausschluss des Sonderausgabenabzuges für Leistungen im Rahmen eines schuldrechtlichen Versorgungsausgleichs an nicht unbeschränkt einkommensteuerpflichtige Empfänger verstößt nicht gegen das in Art. 3 Abs. 1 GG verankerte Gleichbehandlungsgebot. Der allgemeine Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG gebietet dem Gesetzgeber, wesentlich Gleiches gleich und wesentlich Ungleiches ungleich zu behandeln (BVerfG-Beschlüsse vom 12.09.2007 2 BvR 1413/06, NVwZ-RR 2008, 44; vom 15.07.1998 1 BvR 1554/89 u. a., BVerfGE 98, 365). Aus dem allgemeinen Gleichheitssatz ergeben sich je nach Regelungsgegenstand und Differenzierungsmerkmalen unterschiedliche Grenzen für den Gesetzgeber, die vom bloßen Willkürverbot bis zu einer strengen Bindung an Verhältnismäßigkeitserfordernisse reichen (BVerfG-Beschluss vom 04.12.2002 2 BvR 400/98 u. a., BVerfGE 107, 27, BStBl II 2003, 534).

49

aaa) Nach der Rechtsprechung des BFH, der der erkennende Senat folgt, hat der Gesetzgeber durch die Regelung in § 10 Abs. 1 Nr. 1b EStG a. F. den ihm eingeräumten weiten Gestaltungsspielraum bei der Frage, wie er eine im privaten Bereich liegende Minderung der steuerlichen Leistungsfähigkeit beurteilen und ihr Rechnung tragen will, nicht überschritten (BFH-Beschluss vom 07.07.2014 X B 135/13, BFH/NV 2014, 1542, unter Hinweis auf BVerfG-Beschluss vom 11.10.1977  1 BvR 343/73 u. a., BVerfGE 47, 1, BStBl II 1978, 174). Die Differenzierung zwischen einem unbeschränkt einkommensteuerpflichtigen und einem nicht unbeschränkt einkommensteuerpflichtigen Empfänger ist sachgerecht. Nach dem etwa auch bei den Regelungen zum sog. Realsplitting gemäß § 10 Abs. 1 Nr. 1 i. V. m. § 22 Nr. 1a EStG a. F. (BFH-Urteile vom 20.08.2014 X R 26/12, BFH/NV 2015, 14; vom 20.08.2014 X R 33/12, BFHE 247, 105, BStBl II 2015, 138) und den auf besonderen Verpflichtungsgründen beruhenden Versorgungsleistungen (§ 10 Abs. 1 Nr. 1a, § 22 Nr. 1b EStG a. F.; BFH-Urteil vom 25.02.2014 X R 34/11, BFHE 245, 135, BStBl II 2014, 665) geltenden materiell-rechtlichen Korrespondenzprinzip soll der Sonderausgabenabzug nur eingreifen, wenn und soweit steuerbare Einkünfte auf den Zahlungsempfänger transferiert werden (für Zahlungen im Rahmen eines schuldrechtlichen Versorgungsausgleichs BFH-Beschluss vom 07.07.2014 X B 135/13, BFH/NV 2014, 1542; 2014, 1542; vorgehend Niedersächsisches FG, Urteil vom 16.05.2013 1 K 166/12, EFG 2013, 1490, mit ausführlicher Begründung; BFH-Urteile vom 15.10.2003 X R 29/01, BFH/NV 2004, 478; vom 18.09.2003 X R 152/97, BFHE 203, 337, BStBl II 2007, 749). Das BVerfG hat die gegen eine entsprechende Entscheidung des BFH (Beschluss vom 25.03.1996 X B 202/95, BFH/NV 1996, 739) gerichtete Verfassungsbeschwerde nicht zur Entscheidung angenommen (Beschluss vom 15.08.1996 2 BvR 1185/96, juris). Die Beschränkung des Sonderausgabenabzugs auf Zahlungsverpflichtungen aufgrund eines steuerlichen Transfers von Einkünften ist daher verfassungsgemäß (BFH-Urteil vom 15.06.2010 X R 23/08, BFH/NV 2010, 1807).

50

bbb) Entgegen der Auffassung des Klägers ist eine nicht gerechtfertigte Ungleichbehandlung auch nicht darin zu sehen, dass Einkünfte aus einer gesetzlichen Rentenversicherung nach § 1 Abs. 4 i. V. m. § 49 Abs. 1 Nr. 7, § 22 Nr. 1 Satz 3 Buchst. a EStG der beschränkten Steuerpflicht unterliegen, Zahlungen im Rahmen eines schuldrechtlichen Versorgungsausgleichs hingegen nicht. Zum einen impliziert die Feststellung, dass es, wie dargelegt, nicht gleichheitswidrig ist, den Sonderausgabenabzug für Versorgungszahlungen auf den Transfer steuerbarer Einkünfte zu beschränken, dass der Gesetzgeber nicht verpflichtet ist, zur Verhinderung einer Gleichheitswidrigkeit die Steuerbarkeit beim Empfänger herzustellen. Zum anderen ist dem Gesetzgeber bei der Frage, welche Einkünfte mit Inlandsbezug der beschränkten Steuerpflicht unterliegen sollen, ebenfalls ein weiter Gestaltungsspielraum eingeräumt. Im Übrigen läuft die Regelung des § 49 Abs. 1 Nr. 7 EStG regelmäßig leer, weil das Besteuerungsrecht nach den meisten Doppelbesteuerungsabkommen dem Wohnsitzstaat des Empfängers zugewiesen wird (vgl. Art. 18, 21 OECD-MA; Loschelder in Schmidt, EStG, 34. Aufl., § 49 Rz. 119). Dies wäre auch im Streitfall der Fall, wenn die Zahlungen an die geschiedene Ehefrau des Klägers der beschränkten Steuerpflicht unterfielen. Denn Art. 20 Abs. 1 des Abkommens zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Republik Südafrika zur Vermeidung der Doppelbesteuerung auf dem Gebiet der Steuern vom Einkommen vom 25.01.1973 (BGBl I 1974, 1185, BStBl I 1974, 850) weist das ausschließliche Besteuerungsrecht für im DBA nicht ausdrücklich geregelte Einkünfte dem Staat zu, in dem der Einkünftebezieher ansässig ist, hier also Südafrika.

51

ee) Die Regelung des § 10 Abs. 1 Nr. 1b EStG verstößt auch nicht gegen Unionsrecht, weil der Schutzbereich der Kapitalverkehrsfreiheit gemäß Art. 63 des Vertrages über die Arbeitsweise der Europäischen Union (AEUV), der im Verhältnis zu Drittstaaten allein eröffnet sein könnte, Zahlungen im Rahmen eines schuldrechtlichen Versorgungsausgleichs nicht umfasst (BFH-Beschluss vom 07.07.2014 X B 135/13, BFH/NV 2014, 1542; ebenso vorgehend Niedersächsisches FG, Urteil vom 16.05.2013 1 K 166/12, EFG 2013, 1490).

52

b) Ein Abzug der Zahlungen als außergewöhnliche Belastungen gemäß § 33 EStG kommt ebenfalls nicht in Betracht.

53

Zahlungen zur Durchführung eines Versorgungsausgleichs dienen der Vermögensauseinandersetzung und nicht der Abgeltung von Unterhaltsansprüchen und sind daher nicht als außergewöhnliche Belastungen gemäß § 33 EStG abzugsfähig (BFH-Urteil vom 15.06.2010 X R 23/08, BFH/NV 2010, 1807; Loschelder in Schmidt, EStG, 34. Aufl., § 33 Rz. 35 "Versorgungsausgleich").

54

c) In der Nichtberücksichtigung der Aufwendungen des Klägers liegt kein Verstoß gegen das subjektive Nettoprinzip. Aus Art. 1 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 20 Abs. 1, Art. 3 Abs. 1 und Art. 6 Abs. 1 GG leitet sich das Prinzip der Steuerfreiheit des Existenzminimums ab. Danach hat der Staat das Einkommen des Bürgers insoweit steuerfrei zu stellen, als dieser es zur Schaffung der Mindestvoraussetzungen eines menschenwürdigen Daseins für sich und seine Familie benötigt (BVerfG-Beschluss vom 13.02.2008 2 BvL 1/06, BVerfGE 120, 125, DStR 2008, 789). Maßstab hierfür ist nicht, ob Aufwand zwangsweise anfällt, ob er also disponibel ist oder nicht, sondern ob das Sozialhilferecht einen solchen Aufwand in seinem Leistungskatalog berücksichtigt. Danach besteht verfassungsrechtlich keine Pflicht, Aufwendungen, die die Durchführung eines Versorgungsausgleichs und damit eine Vermögensauseinandersetzung betreffen, steuerlich zum Abzug zuzulassen (BFH-Urteil vom 15.06.2010 X R 23/08, BFH/NV 2010, 1807).

II.

55

Die Klage hat im Hilfsantrag ebenfalls keinen Erfolg. Der Beklagte hat die Anträge des Klägers auf abweichende Festsetzung der Einkommensteuer aus Billigkeitsgründen (die der Kläger für die Jahre 2012 und 2013 konkludent durch Bezugnahme auf die Einspruchsbegründung bzgl. der Vorjahre und damit auch auf den mit Schreiben vom 16.07.2013 gestellten Billigkeitsantrag gestellt hat) zu Recht abgelehnt (§ 101 Satz 1 FGO).

56

1. a) Gemäß 163 Satz 1 AO können Steuern niedriger festgesetzt werden und einzelne Besteuerungsgrundlagen, die die Steuern erhöhen, können bei der Festsetzung der Steuer unberücksichtigt bleiben, wenn die Erhebung der Steuer nach Lage des einzelnen Falles unbillig wäre. Zweck des § 163 AO ist, sachlichen und persönlichen Besonderheiten des Einzelfalls, die der Gesetzgeber in der Besteuerungsnorm nicht berücksichtigt hat, durch eine nicht den Steuerbescheid selbst ändernde Korrektur des Steuerbetrages insoweit Rechnung zu tragen, als sie die steuerliche Belastung als unbillig erscheinen lassen (BFH-Urteil vom 21.08.2012 IX R 39/10, BFH/NV 2013, 11).

57

b) Die Entscheidung über die Billigkeitsmaßnahme nach § 163 AO ist eine Ermessensentscheidung, die gerichtlich nur in den von § 102 FGO gezogenen Grenzen überprüft werden kann. Die gerichtliche Prüfung ist darauf beschränkt, ob die Finanzbehörde bei ihrer Entscheidung die gesetzlichen Grenzen des Ermessens überschritten oder von ihrem Ermessen in einer dem Zweck der Ermächtigung nicht entsprechenden Weise Gebrauch gemacht hat. Nur ausnahmsweise kann das Gericht eine Verpflichtung zur abweichenden Steuerfestsetzung aussprechen (§ 101 Satz 1 FGO), wenn der Ermessensspielraum so eingeengt ist, dass nur eine Entscheidung ermessensgerecht ist (sog. Ermessensreduzierung auf null; BFH-Urteile vom 21.08.2012 IX R 39/10, BFH/NV 2013, 11; vom 26.08.2010 III R 80/07, BFH/NV 2011, 401).

58

c) Der Rahmen des pflichtgemäßen Ermessens wird durch den Begriff "unbillig" i. S. des § 163 AO abgegrenzt (vgl. Beschluss des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes vom 19.10.1971 GmS-OGB 3/70, BFHE 105, 101, BStBl II 1972, 603). Die Unbilligkeit im Sinne dieser Vorschrift kann in der Sache liegen oder ihren Grund in der wirtschaftlichen Lage des Steuerpflichtigen haben (BFH-Urteil vom 21.10.2009 I R 112/08, BFH/NV 2010, 606). Die Kriterien hierfür sind im Regelungsbereich des § 163 AO dieselben wie im Rahmen des § 227 AO, weil sich diese beiden Billigkeitsvorschriften im Wesentlichen nur in der Rechtsfolgeanordnung, nicht aber in den tatbestandsmäßigen Voraussetzungen unterscheiden (BFH-Urteil vom 21.08.2012 IX R 39/10, BFH/NV 2013, 11).

59

d) aa) Sachlich unbillig ist die Erhebung einer Steuer vor allem dann, wenn sie zwar äußerlich dem Gesetz entspricht, aber den Wertungen des Gesetzgebers im konkreten Fall derart zuwiderläuft, dass die Erhebung der Steuer als unbillig erscheint. So verhält es sich, wenn nach dem erklärten oder mutmaßlichen Willen des Gesetzgebers angenommen werden kann, dass der Gesetzgeber die im Billigkeitswege zu entscheidende Frage - wenn er sie als regelungsbedürftig erkannt hätte - im Sinne der beabsichtigten Billigkeitsmaßnahme entschieden hätte (BFH-Urteile vom 21.01.2015 X R 40/12, BFH/NV 2015, 719; vom 21.08.2012 IX R 39/10, BFH/NV 2013, 11; vom 14.07.2010 X R 34/08, BFHE 229, 502, BStBl II 2010, 916).

60

bb) Eine Billigkeitsentscheidung darf indes nicht dazu führen, die generelle Geltungsanordnung des den Steueranspruch begründenden Gesetzes zu unterlaufen. Sie darf nicht die Wertung des Gesetzes durchbrechen oder korrigieren, sondern nur einem ungewollten Überhang des gesetzlichen Steuertatbestandes abhelfen (BFH-Urteil vom 21.08.2012 IX R 39/10, BFH/NV 2013, 11). Die Billigkeitsmaßnahme darf nicht auf Erwägungen gestützt werden, die die vorgesehene Besteuerung allgemein oder für bestimmte Fallgruppen außer Kraft setzen würde. Eine für den Steuerpflichtigen ungünstige Rechtsfolge, die der Gesetzgeber bewusst angeordnet oder in Kauf genommen hat, rechtfertigt keine Billigkeitsmaßnahme (BFH-Urteile vom 21.01.2015 X R 40/12, BFH/NV 2015, 719; vom 20.09.2012 IV R 29/10, BFHE 238, 518, BFH/NV 2013, 103; vom 05.05.2011 V R 39/10, BFH/NV 2011, 1474).

61

e) Eine abweichende Steuerfestsetzung aus persönlichen Billigkeitsgründen setzt die Erlassbedürftigkeit und die Erlasswürdigkeit des Antragstellers voraus (BFH-Beschluss vom 20.07.2007 XI B 95/06, BFH/NV 2007, 1826). Erlassbedürftig ist ein Steuerpflichtiger, dessen wirtschaftliche oder persönliche Existenz im Falle der Versagung eines Billigkeitserlasses gefährdet ist, weil der notwendige Lebensunterhalt vorübergehend oder dauernd nicht mehr bestritten oder die Erwerbstätigkeit nicht mehr fortgesetzt werden kann (BFH-Beschluss vom 28.09.2006 V B 71/05, juris).

62

2. Danach kommt eine abweichende Steuerfestsetzung weder aus sachlichen noch aus persönlichen Billigkeitsgründen in Betracht.

63

a) Das Vorliegen einer sachlichen Unbilligkeit hat der Beklagte zu Recht abgelehnt.

64

aa) Der Gesetzgeber hat den Sonderausgabenabzug für Zahlungen im Rahmen eines schuldrechtlichen Versorgungsausgleichs ausdrücklich und bewusst davon abhängig gemacht, dass der Zahlungsempfänger unbeschränkt steuerpflichtig ist. Ist eine unbeschränkte Steuerpflicht nicht gegeben, liefe ein Erlass der Steuer der bewussten Wertung des Gesetzgebers zuwider und setzte die gesetzliche Beschränkung generell außer Kraft.

65

bb) Das Argument des Klägers, dass er über die Zahlungen nicht verfügen könne, rechtfertigt eine abweichende Steuerfestsetzung aus Billigkeitsgründen ebenso wenig. Denn wenn man einen Zufluss der abgetretenen oder weitergeleiteten Zahlungen ablehnte, käme der Sonderausgabenabzug gemäß § 10 Abs. 1 Nr. 1b EStG von vornherein nicht zu Anwendung. Bei einer abweichenden Steuerfestsetzung aus diesem Grunde liefe der durch den Gesetzgeber nur unter einschränkenden Voraussetzungen gewährte Sonderausgabenabzug daher generell leer; auch dies widerspräche dem gesetzgeberischen Willen.

66

b) Eine Unbilligkeit der Steuerfestsetzung aus persönlichen Gründen liegt ebenso wenig vor.

67

Der allgemeine Hinweis des Klägers auf die Besteuerung seines Existenzminimums genügt zur substantiierten Darlegung einer Gefährdung der wirtschaftlichen Existenz ohne die beantragte abweichende Steuerfestsetzung nicht. Eine derartige Gefährdung ist nach Aktenlage auch nicht ersichtlich. Der Beklagte hat in der Einspruchsentscheidung zutreffend darauf hingewiesen, dass der Kläger über die streitgegenständlichen und als Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit besteuerten Versorgungszahlungen der Versicherung X (von insgesamt über 23.000,00 € jährlich) hinaus Rentenzahlungen von jeweils über 20.000,00 € bezogen hat. Durch die Besteuerung der Einkünfte ohne Abzug der Zahlungen an die geschiedene Ehefrau von rund 13.000,00 € jährlich war die wirtschaftliche Existenz des Klägers danach nicht gefährdet.

68

c) Dessen ungeachtet ist die Besteuerung beim Kläger aber auch deshalb nicht unbillig, weil er und seine geschiedene Ehefrau es in der Hand gehabt hätten, der steuerlichen Lage bei Abschluss der Vereinbarung über den schuldrechtlichen Versorgungsausgleich Rechnung zu tragen (vgl. BFH-Beschluss vom 05.11.2014 X B 223/13, BFH/NV 2015, 202; BFH-Urteil vom 15.06.2010 X R 23/08, BFH/NV 2010, 1807).

III.

69

1. Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO.

70

2. Gründe für die Zulassung der Revision gemäß § 115 Abs. 2 FGO liegen nicht vor.

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