Urteil vom Finanzgericht Hamburg (2. Senat) - 2 K 158/14

Tatbestand

1

Die Beteiligten streiten über das Vorliegen der Festsetzungs- und Feststellungsverjährung bei Erlass von Änderungsbescheiden durch den Beklagten, über das Eingreifen des so genannten Halbeinkünfteverfahrens bei Verlusten aus privaten Veräußerungsgeschäften im Veranlagungszeitraum 2001 und die Behandlung von Zwischengewinnen als Anschaffungskosten von Wertpapieren im Veranlagungszeitraum 2004.

2

Der Kläger erzielte in den Streitjahren 2001-2005 Einkünfte aus mehreren Einkunftsarten. In seiner Einkommensteuererklärung 2001 nebst Erklärung zur Feststellung des verbleibenden Verlustvortrags vom Dezember 2003 machte der Kläger unter anderem einen Verlust aus privaten Veräußerungsgeschäften (§ 23 des Einkommensteuergesetzes - EStG-) in Höhe von ... DM (= ... €) aus der Veräußerung von 20 Genussscheinen der A AG, B, geltend. Die Veräußerung erfolgte am ... April 2001 zu einem Preis von ... DM (= ... €). Der Kläger hatte die Genussscheine an der A AG ab Mai 2000 in mehreren Tranchen erworben. Er berechnete die Anschaffungskosten nach dem Durchschnittswert in Höhe von ... DM (= ... €) und ermittelte hieraus den Veräußerungsverlust in Höhe von ... DM. Die Genussscheine an der A AG waren nach deren Statuten kein Bestandteil des Aktienkapitals und vermittelten kein Stimmrecht. Jeder Genussscheininhaber hatte aber den gleichen Anteil am Bilanzgewinn und an dem nach Rückzahlung des Aktienkapitals und des Partizipationskapitals verbleibenden Liquidationsergebnisses wie eine Aktie.

3

Der Kläger wurde vom Beklagten in Bezug auf den streitgegenständlichen Verlust aus der Veräußerung der Genussscheine an der A AG zunächst erklärungsgemäß veranlagt, zuletzt mit Einkommensteuerbescheid 2001 vom 2. Mai 2008. Dieser Verlust ist dementsprechend in den Bescheid über die gesonderte Feststellung des verbleibenden Verlustvortrags zur Einkommensteuer zum 31. Dezember 2001 vom 10. Dezember 2007 in Bezug auf den dort festgestellten Verlust für die Einkünfte aus privaten Veräußerungsgeschäften eingeflossen. Die Bescheide standen jeweils unter dem Vorbehalt der Nachprüfung (§ 164 Abs. 1 der Abgabenordnung - AO -).

4

Der Kläger gab seine Einkommensteuererklärung 2002 im November 2004 und seine Einkommensteuererklärung 2003 im Juni 2005 beim Beklagten ab. Er wurde für beide Veranlagungszeiträume vom Beklagten zunächst im Wesentlichen erklärungsgemäß unter dem Vorbehalt der Nachprüfung zur Einkommensteuer veranlagt (zuletzt mit Bescheiden vom 21. Februar 2008 für 2002 und vom 15. April 2008 für 2003).

5

Seine Einkommensteuererklärung 2004 reichte der Kläger im September 2006 beim Beklagten ein. Dabei erklärte er unter anderem einen Gewinn aus der Veräußerung von Anteilen an drei Investmentfonds (C- Kaufdatum: ... Dezember 2003, Verkauf: ... Januar 2004, D - Kaufdatum: ... Dezember 2003, Verkauf: ... Januar 2004, E - Kaufdatum: ... Dezember 2003, Verkauf: ... Januar 2004) in Höhe von insgesamt ... €. Den Veräußerungsgewinn errechnete er unter Berücksichtigung von Anschaffungskosten in Höhe von insgesamt ... €, worin Zwischengewinne in Höhe von insgesamt ... € enthalten sind, die im Veranlagungszeitraum 2003 als negative Einkünfte aus Kapitalvermögen berücksichtigt worden waren. Der Beklagte veranlagte den Kläger insoweit zunächst erklärungsgemäß unter dem Vorbehalt der Nachprüfung, zuletzt mit Einkommensteuerbescheid 2004 vom 5. Juni 2010.

6

Die Einkommensteuererklärung 2005 gab der Kläger im April 2007 beim Beklagten ab. Der Beklagte veranlagte den Kläger auch insoweit zunächst erklärungsgemäß unter dem Vorbehalt der Nachprüfung, zuletzt mit Bescheid vom 11. August 2010.

7

Der Beklagte ordnete mit Bescheid vom 30. November 2007 beim Kläger eine Außenprüfung in Bezug auf die Einkommensteuer 2001-2005 und die gesonderte Feststellung des verbleibenden Verlustvortrags zur Einkommensteuer auf den 31. Dezember für die Zeiträume 2001-2005 an. Die Prüfung sollte nach der Anordnung am 10. Dezember 2007 beginnen. Die Prozessbevollmächtigten des Klägers beantragten mit Schreiben 10. Dezember 2007, eingegangen am 12. Dezember 2007, eine Verschiebung des Beginns der Außenprüfung auf die Zeit nach dem 14. April 2008. Mit Schreiben vom 10. Dezember 2008, eingegangen am selben Tag, beantragten sie eine erneute Verschiebung des Beginns der Außenprüfung, diesmal auf die Zeit nach dem 15. Januar 2009. Parallel zur Außenprüfung beim Kläger wurde eine Prüfung beim so genannten F-Konzern angeordnet. Nach einem Vermerk des Betriebsprüfers, des Zeugen G, vom 17. November 2009 fand an diesem Tag ein Eröffnungsgespräch in den Geschäftsräumen des Konzerns statt. Danach sollten Fragen zur Prüfung der Einkommensteuer über Steuerberater H von den Prozessbevollmächtigten des Klägers laufen.

8

Mit Schreiben vom 22. Dezember 2009 bat der Zeuge G die Prozessbevollmächtigten des Klägers, mitzuteilen, auf welcher Rechtsgrundlage eine Versorgungsrente für J zu zahlen sei. Zudem werde ein belegmäßigen Nachweis benötigt, wie alt die Versorgungsempfängerin bei Beginn der Zahlungsverpflichtung gewesen sei. Ferner teilte der Zeuge mit, dass in der Steuererklärung für das Jahr 2005 Steuerberatungskosten aus einer Rechnung des Steuerberaters K vom 11. April 2005 in Höhe von ... € geltend gemacht würden und bat um eine Ablichtung dieser Rechnung sowie erforderlichenfalls nähere Erläuterungen dazu. Mit Schreiben vom 8. Februar 2010 übersandten die Prozessbevollmächtigten des Klägers hinsichtlich der Versorgungsrente für J eine Kopie der notariellen Urkunde des diesbezüglichen Vermächtnisses. Ferner teilten sie mit, dass ein belegmäßiger Nachweis über das Alter von J aufgrund der bereits sehr langen Laufzeit der Rente nicht vorgelegt werden könne. Hinsichtlich der Steuerberatungskosten übersandten die Prozessbevollmächtigten eine Kopie der Rechnung des Steuerberaters K.

9

Nach dem Inhalt der BP-Arbeitsakten des Beklagten erfolgte die nächste schriftliche Prüfungsanfrage des Beklagten mit Schreiben vom 13. Juli 2012. Vorher erfolgte Anfang Juli 2012 eine Prüfung der Kapitaleinkünfte des Klägers in den Räumen seiner Prozessbevollmächtigten und gab es ausweislich entsprechender Vermerke am 14. Februar 2011, am 29. November 2011, am 4. und am 25. April 2012 telefonische Kontakte zwischen dem Zeugen G und dem Steuerberater H über den Fortgang der Prüfung. Ferner enthält die Akte einen Vermerk des Zeugen G vom 7. Mai 2010, wonach im Rahmen einer anderen Außenprüfung bei einer Besprechung am 6. Mai 2010 eine Kopie des Personalausweises von ausgehändigt worden sei. Diese habe zum Beginn der Rente das ... Lebensjahr vollendet gehabt. Der als Sonderausgaben abziehbare Kostenanteil habe bis 2004 46 % betragen, ab 2005 33 %. Dies sei in den aktuellen Bescheiden bereits berücksichtigt worden.

10

Die Außenprüfung endete am 28. Mai 2013. Der Beklagte kam ausweislich des Berichts über die Außenprüfung vom 21. Juni 2013 - soweit hier streitgegenständlich - zu dem Ergebnis, dass der Verlust aus der Veräußerung der Genussscheine an der A AG im Jahr 2001 nicht in voller Höhe anzuerkennen sei, sondern dem so genannten Halbeinkünfteverfahren unterliege. Er sei gemäß § 3 Nr. 40 Buchstabe j EStG in der für den Veranlagungszeitraum 2001 maßgeblichen Fassung (EStG a. F.) nur zur Hälfte anzuerkennen. Der Gewinn aus der Veräußerung der Investmentfond-Anteile im Jahr 2004 sei um die im Jahr 2003 berücksichtigten Zwischengewinne in Höhe von insgesamt ... € zu erhöhen. Die Zwischengewinne seien nicht als Anschaffungskosten anzuerkennen, weil sie bereits im Veranlagungszeitraum 2003 als negative Einkünfte aus Kapitalvermögen berücksichtigt worden seien.

11

Nach dem Abschluss der Außenprüfung erließ der Beklagte am 7. Augst 2013 Änderungsbescheide zur Einkommensteuer 2001 - 2005 sowie geänderte Bescheide über die gesonderte Feststellung des verbleibenden Verlustvortrags zur Einkommensteuer zum 31. Dezember 2001 - 2004. Der Einkommensteuerbescheid 2004 wurde aus hier nicht streiterheblichen Gründen mit Bescheid vom 17. September 2013 erneut geändert.

12

Der Kläger legte am 10. September 2013 Einsprüche gegen die Änderungsbescheide ein. Der Verlust aus der Veräußerung der Genussscheine an der A AG im Jahr 2001 sei in voller Höhe steuerlich anzuerkennen. Der Verlust unterliege nicht dem so genannten Halbeinkünfteverfahren. Dieses Verfahren sei in seinem Fall unionrechtswidrig und deshalb nicht anwendbar. Beteiligungen an ausländischen Gesellschaften würden im Jahr 2001 schlechter behandelt als Beteiligungen an inländischen Gesellschaften. Dies verstoße nach der Rechtsprechung des Gerichtshofes der Europäischen Union (EuGH) und des Finanzgerichts München gegen die unionsrechtlich verbürgte Kapitalverkehrsfreiheit (Art. 56 des Vertrags zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft - EG -, jetzt Art. 63 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union - AEUV). Die gezahlten Zwischengewinne seien im Jahr 2004 als Anschaffungskosten der Investmentfond-Anteile zu berücksichtigen. Im Veranlagungszeitraum 2003 seien Zwischengewinne als Einkünfte aus Kapitalvermögen zu versteuern gewesen. Deshalb hätten gezahlte Zwischengewinne die Einkünfte aus Kapitalvermögen gemindert. Für Erwerbe und Veräußerungen ab dem 1. Januar 2004 sei die Zwischengewinnbesteuerung aber aufgehoben worden. Der Gesetzgeber habe für die Fälle, in denen Zwischengewinne in Vorjahren als negative Einkünfte angesetzt worden seien, keine Übergangsregelung getroffen. Bei Veräußerungen im Jahr 2004 sei der Zwischengewinn im Rahmen der Veräußerung zu versteuern, deshalb stellten die gezahlten Zwischengewinne Anschaffungskosten der Anteile dar. Auch der Veräußerungspreis erhöhe sich um entsprechende Zwischengewinne.

13

Mit Entscheidung vom 9. Mai 2014 wies der Beklagte die verbundenen Einsprüche als unbegründet zurück.

14

Der Kläger hat am 6. Juni 2014 Klage erhoben. Mit Schriftsatz vom 30. März 2015 hat er die Klage in Bezug auf den Einkommensteuerbescheid 2001 und die Bescheide über die gesonderte Feststellung des verbleibenden Verlustvortrags zur Einkommensteuer zum 31. Dezember 2002, zum 31. Dezember 2003 und zum 31. Dezember 2004 zurückgenommen. Soweit die Klage zurückgenommen worden ist, wurde das Verfahren durch Beschluss vom 1. April 2015 (2 K 158/14) eingestellt.

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Zur Begründung trägt der Kläger im Wesentlichen vor, dass bei Erlass der noch streitgegenständlichen Bescheide Festsetzungsverjährung vorgelegen habe. Das Eröffnungsgespräch vom 17. November 2009 stelle nicht den Beginn der Außenprüfung bei ihm, dem Kläger, dar. Das an diesem Tag stattgefundene Gespräch habe nur den F-Konzern mit seinen diversen Gesellschaften betroffen, für die ebenfalls Außenprüfungen angeordnet worden seien. Ein Eröffnungsgespräch zur Außenprüfung bei ihm, dem Kläger, habe nicht stattgefunden. Die Prüfungsanfrage des Beklagten vom 22. Dezember 2009 sei die erste für ihn, den Kläger, erkennbare Prüfungshandlung gewesen und stelle deshalb grundsätzlich den Beginn der Außenprüfung dar. Die Außenprüfung sei aber unmittelbar nach ihrem Beginn für länger als sechs Monaten unterbrochen worden. Diese Unterbrechung sei dem Beklagten zuzurechnen. Die Prüfung sei erst mit dem Schreiben des Zeugen vom 13. Juli 2012 fortgesetzt worden. Die zwischenzeitlichen telefonischen Kontakte im Jahr 2011 und 2012 seien nicht als Prüfungshandlungen erkennbar gewesen.

16

Der Beklagte sei mit der Prüfungsanfrage vom 22. Dezember 2009 über Vorbereitungshandlungen und das allgemeine Aktenstudium nicht hinausgekommen. Es hätten keine Ermittlungsergebnisse vorgelegen, an die bei Wiederaufnahme der Prüfung am 13. Juli 2012 hätte angeknüpft werden können. Obwohl die mit der ersten Prüfungsanfrage angeforderten Belege über die geltend gemachten Steuerberatungskosten in aussagefähigem Umfang am 8. Februar 2010 zur Verfügung gestellt worden seien, habe der Beklagte mit Schreiben vom 13. Juli 2012 dazu weitere Unterlagen angefordert. Sofern sich der Beklagte vorher bereits mit der am 8. Februar 2010 übermittelten Rechnung des Steuerberaters K beschäftigt gehabt hätte, wäre diese Nachfrage entbehrlich gewesen. Es entstehe vielmehr der Eindruck, dass durch die Prüfungsanfrage vom 22. Dezember 2009 durch den Beklagten die Voraussetzungen der Ablaufhemmung gemäß § 171 Abs. 4 AO nur "pro forma" hätten herbeigeführt werden sollen. Zum einen ließen sich aus der Dokumentation des Beklagten bis Juli 2012 keine Hinweise auf verwertbare Ergebnisse durch die Prüfungsanfrage vom 22. Dezember 2009 entnehmen. Es sei aber mindestens erforderlich, dass der Prüfer seine Erkenntnisse in der Arbeitsakte festhalte. Zum anderen habe die Gefahr gedroht, dass die zunächst gemäß § 174 Abs. 4 Satz 1 AO eingetretene Ablaufhemmung wieder rückwirkend entfalle, sofern der Beklagte nicht innerhalb von zwei Jahren nach Eingang des Antrags auf Hinausschieben des Beginns der Außenprüfung durch den Kläger tatsächlich mit der Prüfung beginnen würde. Allem Anschein nach seien nur deshalb zu zwei Sachverhalten die Belege angefordert worden, mit denen man sich im Rahmen der späteren Prüfung habe beschäftigen wollen. Dafür spreche auch, dass der Beklagte nach dieser ersten Prüfungshandlung vom 22. Dezember 2009 die Prüfung für mehr als zwei Jahre unterbrochen habe.

17

Darüber hinaus sei die Prüfungshandlung vom 22. Dezember 2009 auch nicht von einem erheblichen zeitlichen oder qualitativen Gewicht. Die Prüfung habe bis zum Abschluss insgesamt drei Jahre und zehn Monate, nach Abzug der Unterbrechung, zehn Monate gedauert. Gemessen daran sei das Schreiben des Briefes vom 22. Dezember 2009 innerhalb von höchstens einem halben Tag nicht ausreichend, um den Fristablauf im Sinne des § 171 AO zu hemmen, zumal auch keinerlei Vermerke in der Arbeitsakte des Beklagten darauf hindeuten, dass mit der eigentlichen Prüfungstätigkeit vor dem 13. Juli 2012 begonnen worden sei.

18

In materieller Hinsicht werde daran festgehalten, dass der Verlust aus der Veräußerung der Genussscheine der A AG im Jahr 2001 in voller Höhe zu berücksichtigen und entgegen der Auffassung des Beklagten nicht dem so genannten Halbeinkünfteverfahren zuzurechnen sei. Die Benachteiligung von Beteiligungen an ausländischen Gesellschaften im Vergleich zu Beteiligungen an inländischen Gesellschaften im Jahr 2001 stelle einen Verstoß gegen die Kapitalverkehrsfreiheit dar. Deshalb seien § 3 Nr. 40 Satz 1 Buchstabe j und § 3c Abs. 2 Satz 1 EStG a. F. nicht anzuwenden. Aus dem Urteil des Bundesfinanzhofs (BFH) vom 20. Oktober 2010 (IX R 56/09) sei nicht anderes zu folgern. Dem dort entschiedenen Fall liege ein anderer, nicht vergleichbarer Sachverhalt zu Grunde. Auch an der Auffassung, dass die gezahlten Zwischengewinne als Anschaffungskosten der im Jahr 2004 veräußerten Fondsanteile zu berücksichtigen seien, werde festgehalten,

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Der Kläger beantragt,
die Einkommensteuerbescheide 2002, 2003 und 2005 vom 7. August 2013, den Einkommensteuerbescheid 2004 vom 17. September 2013 und den Bescheid über die gesonderte Feststellung des verbleibenden Verlustvortrags zur Einkommensteuer zum 31. Dezember 2001 vom 7. August 2013, jeweils in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 9. Mai 2014, aufzuheben.

20

Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.

21

Er ist der Ansicht, dass bei Erlass der streitgegenständlichen Bescheide keine Festsetzungsverjährung vorgelegen habe. Die Außenprüfung sei nicht unmittelbar nach ihrem Beginn für die Dauer von mehr als sechs Monaten aus Gründen unterbrochen worden, die er, der Beklagte, zu vertreten habe. Der Beginn der Prüfung liege am 17. November 2009. An diesem Tag habe das Eröffnungsgespräch stattgefunden, in dessen Verlauf den Betriebsprüfern unter anderem Informationen über die Struktur, unternehmerische Aktivitäten und Verrechnungswege innerhalb des klägerischen Konzerns erteilt und hinsichtlich der Betriebsprüfung beim Kläger die Frage des Ansprechpartners beim steuerlichen Berater besprochen worden sei. Ein solches Öffnungsgespräch stelle den Beginn einer Außenprüfung dar.

22

Im weiteren Verlauf sei die Prüfungsanfrage vom 22. Dezember 2009 gestellt worden. Diese Anfrage sei vom Kläger mit Schreiben vom 8. Februar 2010 beantwortet worden. Die darauf eingetretene Unterbrechung von mehr als sechs Monaten sei nicht mehr unmittelbar nach Beginn der Prüfung erfolgt. Die kurz nach Beginn der Prüfung erfolgten Prüfungshandlungen in der Anfrage des Zeugen G vom 22. Dezember 2009 habe zu einer Prüfungsfeststellung über ein Mehrergebnis von etwa ... € geführt. Diese Prüfungsanfrage habe damit ein verwertbares Ergebnis erbracht. An diesem Ergebnis ändere sich auch nichts, wenn man der vom Kläger vertretenen Auffassung folge, wonach der Beginn der Prüfung erst im Zeitpunkt der ersten Prüfungsanfrage am 22. Dezember 2009 gelegen habe. Die bereits vor der Unterbrechung vorliegenden Ergebnisse müssten nicht geeignet sein, unmittelbar in einen Bescheid Eingang zu finden. Es sei vielmehr ausreichend, dass Ermittlungsergebnisse vorlägen, an die bei der Wiederaufnahme der Prüfung angeknüpft werden könne. Im vorliegenden Fall hätten die vom Klägervertreter in Beantwortung des Schreibens vom 22. Dezember 2009 übersandten Unterlagen unmittelbar Eingang in den Änderungsbescheid 2005 gefunden, in dem die der Anfrage zu Grunde liegenden Steuerberatungskosten nicht als Sonderausgaben berücksichtigt worden seien. Dass der Zeuge später noch einmal um nähere Erläuterungen zu diesem Punkt gebeten habe, stehe dieser Tatsache nicht entgegen. Im Übrigen habe auch der Klägervertreter auf die Nachfrage des Zeugen zu den Steuerberatungskosten zunächst geantwortet, dass ihm hierzu noch nicht alle Informationen vorlägen. Erst mit Schreiben vom 1. Oktober 2012 habe der Klägervertreter mitgeteilt, dass es sich hierbei nach Auskunft des Steuerpflichtigen um entsprechende Aufwendungen handele. Eine Nachfrage beim Kläger sei auch deshalb nicht entbehrlich gewesen.

23

Es sei zudem nicht erforderlich, dass ein Prüfer die bereits gewonnenen Erkenntnisse in Arbeitsakten dokumentiere. Entsprechende Dokumentationspflichten seien nur für die Frage der Erkennbarkeit der Fortsetzung einer unterbrochenen Prüfung aufgestellt worden. Im Übrigen habe die Prüfungsanfrage vom 22. Dezember 2009 nicht nur die Steuerberatungskosten, sondern auch die Versorgungsrente für J betroffen. Auch hieraus habe sich als Resultat der ersten Anfrage ein verwertbares Ergebnis ergeben, das zwar nicht zu einem Mehrergebnis geführt habe, aber zu der Feststellung, dass an der bisherigen steuerlichen Behandlung nichts zu beanstanden sei. Diese Feststellung sei im Vermerk vom 7. Mai 2010 aktenkundig gemacht worden. Auch ergebnislose Prüfungshandlungen hemmten den Ablauf der Festsetzungsfrist.

24

In materieller Hinsicht sei aus den in der Einspruchsentscheidung genannten Gründen an der Nichtberücksichtigung der Zwischengewinne als Anschaffungskosten der im Jahr 2004 veräußerten Fondsanteile festzuhalten. Die Anwendung des Halbeinkünfteverfahren auf den streitgegenständlichen Veräußerungsverlust im Jahr 2001 sei unter Berücksichtigung des BFH-Urteils vom 20. Oktober 2010 (IX R 56/09) vorgenommen worden. Darin werde die Rechtmäßigkeit des gesetzlichen Anwendungszeitpunkts hinsichtlich des Halbeinkünfteverfahrens für Erträge aus ausländischen Kapitalgesellschaften ausdrücklich bestätigt.

25

In der mündlichen Verhandlung am 18. Juni 2015 ist der Zeuge G zu den näheren Umständen des Beginns und der Unterbrechung der Außenprüfung beim Kläger für die Jahre 2001 - 2005 vernommen worden. Hinsichtlich des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf das Verhandlungsprotokoll Bezug genommen.

26

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach-und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und den der beigezogenen Akten des Beklagten (Rechtsbehelfsakte, Einkommensteuerakten Bände 7-9, BP-Arbeitsakten Bände 1-4) Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

27

Die Klage ist zulässig, aber nur zum Teil begründet.

28

Die Einkommensteuerbescheide 2002, 2003 und 2005 vom 7. August 2013 und der Einkommensteuerbescheid 2004 vom 17. September 2013 sind rechtmäßig und verletzen den Kläger deshalb nicht in seinen Rechten (I). Der Bescheid vom 7. August 2013 über die gesonderte Feststellung des verbleibenden Verlustvortrags zur Einkommensteuer zum 31. Dezember 2001 ist rechtswidrig und verletzt den Kläger in seinen Rechten, soweit darin der streitgegenständliche Verlust aus der Veräußerung der Genussscheine an der A AG nicht in voller Höhe anerkannt worden ist; der Bescheid war insoweit gemäß § 100 Abs. 2 Satz 1 der Finanzgerichtsordnung (FGO) zu ändern (II.).

I.

1)

29

Die Einkommensteuerbescheide 2002 bis 2005 und der Bescheid über die gesonderte Feststellung des verbleibenden Verlustvortrags zur Einkommensteuer zum 31. Dezember 2001 durften vom Beklagten geändert werden. Bei Erlass der Bescheide am 7. August und 17. September 2013 (Einkommensteueränderungsbescheid 2004) lag keine Festsetzungs- oder Feststellungsverjährung vor. Der Vorbehalt der Nachprüfung war jeweils noch wirksam.

a)

30

Nach § 169 Abs. 1 Satz 1 AO ist eine Steuerfestsetzung sowie ihre Aufhebung oder Änderung nicht mehr zulässig, wenn die Festsetzungsfrist (Feststellungsfrist) abgelaufen ist. Die Frist beträgt für die streitgegenständlichen Einkommensteuerbescheide und den Bescheid über die gesonderte Feststellung des verbleibenden Verlustvortrags zur Einkommensteuer 4 Jahre (§ 169 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2, § 181 Abs. 1 Satz 1 AO). Sie beginnt gemäß § 170 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 AO (i. V. m. § 181 Abs. 1 Satz 1 AO) mit Ablauf des Kalenderjahres der Einreichung der Steuererklärung/Feststellungserklärung. Vorliegend sind die Erklärungen für 2001 im Dezember 2003, für 2002 im November 2004, für 2003 im Juni 2005, für 2004 im September 2006 und für 2005 im März 2007 beim Beklagten eingereicht worden. Die Festsetzungs- Feststellungsfristen liefen deshalb grundsätzlich Ende 2007 (für 2001), Ende 2008 (für 2002), Ende 2009 (für 2003), Ende 2010 (für 2004) und Ende 2011 (für 2005) ab.

b)

31

Dies gilt gemäß § 171 Abs. 4 Satz 1 AO allerdings nicht, wenn vor Ablauf der Festsetzungsfrist (Feststellungfrist) mit einer Außenprüfung begonnen oder deren Beginn auf Antrag des Steuerpflichtigen hinausgeschoben wird. Dann läuft die Frist für die Steuern, auf die sich die Außenprüfung erstreckt oder im Fall des Hinausschiebung der Prüfung erstrecken sollte, nicht ab, bevor die auf Grund der Außenprüfung zu erlassenden Steuerbescheide unanfechtbar geworden sind, oder nach Bekanntgabe der Mitteilung nach § 202 Abs. 1 Satz 3 AO drei Monate verstrichen sind (so genannte Ablaufhemmung).

aa)

32

Mit Bescheid des Beklagten vom 30. November 2007 ist eine Außenprüfung für die Prüfungsgegenstände Einkommensteuer 2001 bis 2005 und gesonderte Verlustfeststellung zur Einkommensteuer 2001 bis 2005 angeordnet worden. Diese Prüfungsanordnung erfolgte innerhalb der für die streitgegenständlichen Bescheide laufenden Festsetzungs-/Feststellungsfrist. Die Prüfung sollte danach am 10. Dezember 2007 beginnen. Ein Prüfungsbeginn erfolgte an diesem Tag aber nicht. Vielmehr beantragten die Prozessbevollmächtigen des Klägers mit Schreiben vom 10. Dezember 2007, den Prüfungsbeginn für die Einkommensteuer des Klägers 2001 bis 2005 auf den Zeitraum nach dem 14. April 2008 zu verschieben und sie möglichst bis Ende Juli 2008 abzuschließen. Mit Schreiben vom 10. Dezember 2008 beantragten die Prozessbevollmächtigten des Klägers erneut eine Verschiebung des Beginns der Außenprüfung beim Kläger bis nach dem 15. Januar 2009. Beide Verschiebungsanträge bezogen sich auch auf andere Außenprüfungen beim so genannten F-Konzern.

33

Durch die Anträge auf Verschiebung der Außenprüfung beim Kläger trat gemäß § 174 Abs. 1 Satz 1 AO mit dem Antragseingang eine Ablaufhemmung für die Einkommensteuer des Klägers und die gesonderte Verlustfeststellung zur Einkommensteuer für den Prüfungszeitraum 2001 bis 2005 ein, weil sich die Außenprüfung darauf erstrecken sollte. Die beiden Anträge weisen auch die erforderliche Ursächlichkeit für das Hinausschieben der Außenprüfung auf (vgl. BFH-Urteil vom 17. März 2010 IV R 54/07, BStBl II 2011, 7; FG Münster, Urteil vom 19. März 1996 15 K 5602/94 U, EFG 1996, 630; Paetsch in Beermann/Gosch, § 171 AO Rz. 77). Wird der Beginn der Außenprüfung nicht maßgeblich auf Grund des Antrags des Steuerpflichtigen, sondern auf Grund der eigenen Belange der Finanzbehörde bzw. aus innerhalb deren Sphäre liegenden Gründen hinausgeschoben, so läuft die Frist ungeachtet des Antrags ab. Für die Beurteilung der Kausalität des Antrags für das Verschieben des Beginns der Außenprüfung kommt es auf den Zeitpunkt des Antragseingangs an. Nicht erheblich ist es, ob nach Antragseingang in der Sphäre der Finanzverwaltung liegende Gründe für den Prüfungsaufschub - überlagernd - maßgeblich ursächlich werden (vgl. BFH-Urteil vom 17. März 2010 IV R 54/07, BStBl II 2011, 7; Paetsch in Beermann/Gosch, § 171 AO Rz. 77, jeweils m. w. N.).

34

Vorliegend erfolgte der ersten Antrag auf Verschiebung der Außenprüfung nach einem Telefonvermerk des Zeugen G vom 26. November 2007 nach einer Anregung des Steuerberaters H vom Prozessbevollmächtigten des Klägers, den Beginn der Prüfung auf das nächste Jahr zu verschieben, und ist danach nicht maßgeblich von eigenen Belangen des Beklagten verursacht worden.

35

Die Beweisaufnahme durch Vernehmung des Zeugen G hat nichts Anderes ergeben. Der Zeuge hat bekundet, dass eine Prüfung normalerweise verschoben werde, wenn der Steuerpflichtige es beantrage und er, der Zeuge, keine Bedenken habe. So sei es nach seiner Erinnerung auch bei der streitgegenständlichen Prüfung gewesen. Verjährungsfragen habe er natürlich immer im Blick. Mit der Prüfung wäre begonnen worden, wenn der Verlegungsantrag nicht gestellt worden wäre. Er habe auch nicht auf einen Antrag gedrungen.

36

Diese Aussage des Zeugen ist glaubhaft und der Zeuge ist nach Auffassung des Gerichts glaubwürdig. Die Aussage wird durch den Inhalt des zeitnahen Telefonvermerks vom 26. November 2007 bestätigt und ist in sich widerspruchsfrei. Sie wird zudem im Kern durch die Erklärungen des Prozessbevollmächtigten des Klägers in der mündlichen Verhandlung gestützt, wonach es nach seiner Erinnerung wohl ein "agreement" gegeben habe, den Termin zu verschieben und er den Antrag stelle. Sie hätten sich nicht unter Druck gesetzt gefühlt. Wenn er den Antrag nicht gestellt gehabt hätte, wäre vor Jahresende wohl ein Betriebsprüfer erschienen. Diese Erklärungen verdeutlichen, dass die Verschiebung des Beginns der Außenprüfung maßgeblich durch den - wenn auch möglicherweise "einvernehmlich" gestellten - Verschiebungsantrag und nicht durch eigene Belange des Beklagten verursacht worden ist. Auch aus Sicht der Prozessbevollmächtigten des Klägers wäre es ohne Antragstellung zu einem Beginn der Prüfung im Jahr 2007 gekommen.

37

Der zweite Verschiebungsantrag erfolgte ebenfalls nicht maßgeblich aus in der Sphäre des Beklagten liegenden Gründen, sondern nach den Erläuterungen des Prozessbevollmächtigten des Klägers in der mündlichen Verhandlung aus Gründen, die im Konzern des Klägers lagen.

bb)

38

Bei - wie hier- befristeten Anträgen auf Verschiebung des Beginns der Außenprüfung, entfällt die zunächst mit dem Antrag herbeigeführte Ablaufhemmung allerdings nach dem Rechtsgedanken des § 171 Abs. 8 Satz 3 AO rückwirkend dann, wenn die Finanzbehörde nicht vor Ablauf von zwei Jahren nach Eingang des Antrags mit der Prüfung beginnt (vgl. BFH-Urteile vom 17. März 2010 IV R 54/07, BStBl II 2011, 7; vom 1. Februar 2012 I R 18/11, BStBl II 2012, 400). Vorliegend ist diese Frist eingehalten worden, wobei auf den zweiten Antrag auf Hinausschieben der Außenprüfung vom 10. Dezember 2008 abzustellen ist. Der zweite Antrag hat eine weitere Ursache für die Verschiebung der Prüfung gesetzt. Mit der Außenprüfung ist am 22. Dezember 2009 begonnen worden, so dass die Zwei-Jahres-Frist eingehalten worden ist (unten unter c. aa.).

c)

39

Die durch die Anträge auf Verschiebung der Außenprüfung vom 12. Dezember 2007 und 10. Dezember 2008 eingetretene Ablaufhemmung ist nicht wieder rückwirkend entfallen. Nach § 171 Abs. 4 Satz 2 AO tritt die Ablaufhemmung nach § 171 Abs. 4 Satz 1 AO nicht ein, wenn eine Außenprüfung unmittelbar nach ihrem Beginn für die Dauer von mehr als sechs Monaten aus Gründen unterbrochen wird, die die Finanzbehörde zu vertreten hat; diese Rechtsfolge wird - im Ergebnis gleich - auch damit umschrieben, dass die Ablaufhemmung rückwirkend entfällt (vgl. z. B. BFH-Urteile vom 17. März 2010 IV R 54/07, BStBl II 2011, 7; vom 17. Juni 1998 IX R 65/95, BStBl II 1999, 4; Kruse in Tipke/Kruse, AO/FGO, § 171 AO Rz 47). Diese Bestimmung will einer missbräuchlichen Ausnutzung der Möglichkeit der Ablaufhemmung durch die Finanzverwaltung entgegentreten; Außenprüfungen sollen nicht "pro forma" begonnen werden, um den Ablauf der Festsetzungsfrist hinauszuschieben (vgl. BFH-Urteil vom 17. März 2010 IV R 54/07, BStBl II 2011, 7; BT-Drucks 7/4292, S. 33). Wenn § 171 Abs. 4 Satz 2 AO hinsichtlich der Prüfungsunterbrechung auf Gründe abstellt, die in der Sphäre der Finanzverwaltung liegen und die die Finanzbehörde deshalb zu vertreten hat, so ist dieses Merkmal das Gegenstück zum Prüfungsaufschub auf Antrag des Steuerpflichtigen nach § 171 Abs. 4 Satz 1 2. Alternative AO (vgl. Kruse in Tipke/Kruse, AO/FGO, § 171 AO Rz 46). Steuerpflichtiger und Finanzbehörde sollen demnach die in § 171 Abs. 4 Satz 1 1. Alternative AO bestimmte Rechtsfolge weder verhindern noch durch lediglich formelle Prüfungshandlungen oder Scheinhandlungen, die zu keinem ernsthaften tatsächlichen Beginn einer Außenprüfung führen, eintreten lassen können (vgl. BFH-Urteil vom 17. März 2010 IV R 54/07, BStBl II 2011, 7). § 171 Abs. 4 Satz 2 AO bezieht sich auf beide Alternativen der Ablaufhemmung nach § 171 Abs. 4 Satz 1 AO. Eine Einschränkung auf die erste Alternative für den Eintritt einer Ablaufhemmung (Beginn der Außenprüfung) ist dem Wortlaut der Bestimmung nicht zu entnehmen. Dies ist auch systemgerecht, weil sich der Antrag des Steuerpflichtigen auf eine Verschiebung des Prüfungsbeginns bezieht und der Beginn der Außenprüfung die Kausalität des Verschiebungsantrags für Verzögerungen der Prüfung entfallen lässt (vgl. auch BFH-Urteil vom 26. Juni 2014 IV R 51/11, BFH/NV 2014, 1716).

aa)

40

Der Beginn der Außenprüfung liegt nicht bereits in dem Eröffnungsgespräch vom 17. November 2009. Der Beginn der Außenprüfung im Sinne von § 171 Abs. 4 Satz 1 AO setzt den Erlass einer Prüfungsanordnung und die Vornahme - wenn auch nur stichprobenweise - tatsächlicher Prüfungshandlungen für die in der Anordnung genannten Steuerarten und Besteuerungszeiträume voraus. Es sind ernsthafte und qualifizierte Ermittlungshandlungen des Prüfers erforderlich, die für den Steuerpflichtigen erkennbar darauf gerichtet sind, den für die richtige Anwendung der Steuergesetze wesentlichen Sachverhalt zu ermitteln oder zu überprüfen. Dabei muss es sich um Maßnahmen handeln, die für den Steuerpflichtigen als Prüfungshandlungen erkennbar sind und geeignet erscheinen, sein Vertrauen in den Ablauf der Verjährungsfrist zu beseitigen. Bloße Vorbereitungshandlungen des Prüfers stellen keinen Beginn der Außenprüfung dar (vgl. BFH-Urteile vom 24. April 2003 VII R 3/02, BStBl II 2003, 739; vom 31. August 2011 I B 9/11, BFH/NV 2011, 2011; Paetsch in Beermann/Gosch, AO/FGO, § 171 AO Rn. 66 ff. m. w. N.). Auch ein informatives Gespräch des Prüfers mit dem Steuerpflichtigen oder seinem Bevollmächtigen kann den Beginn der Außenprüfung darstellen (vgl. BFH-Urteil vom 18. Februar 2009 V R 82/07, BStBl II 2009, 876; BFH-Beschluss vom 31. August 2011 I B 9/11, BFH/NV 2011, 2011).

41

Aus den BP-Arbeitsakten des Beklagten lässt sich nicht entnehmen, dass für die Prüfung beim Kläger ein Eröffnungsgespräch anberaumt worden ist. Darin ist auch nicht der vom Beklagten übermittelte Vermerk über ein Eröffnungsgespräch vom 17. November 2009 enthalten. Das Eröffnungsgespräch bezog sich ausweislich des Vermerks vornehmlich auf die Konzern-Betriebsprüfung beim F-Konzern. Dies ergibt sich aus der Überschrift "Konzern-BP F" und dem Inhalt des Vermerks, wonach es bei dem Gespräch hauptsächlich um die Unternehmensgruppe und die Gliederung des Konzerns ging. Nur am Ende des Vermerks ist in einem Satz festgehalten worden, dass Anfragen zur Prüfung der Einkommensteuer beim Kläger über Steuerberater H laufen sollten. Dies stellt eine bloße Vorbereitungshandlung in Form der Ermittlung des Ansprechpartners auf der Beraterseite dar. Eine für den Kläger oder seinen Berater erkennbare Prüfungshandlung, die auf eine Information zum steuerrechtlich erheblichen Sachverhalt gerichtet war, liegt darin nicht. Die Beweisaufnahme durch Vernehmung des Zeugen G hat nichts Abweichendes ergeben. Die Bekundungen des Zeugen gingen im Kern nicht über den Inhalt des Vermerks hinaus. Der Zeuge hat ergänzend ausgesagt, dass über die Einkommensteuer des Klägers nicht gesprochen worden sei, weil das Gespräch in großer Runde stattgefunden habe und das Steuergeheimnis zu beachten gewesen sei.

bb)

42

Der Beginn der Außenprüfung liegt vielmehr (erst) in dem Schreiben des Zeugen G vom 22. Dezember 2009 mit dem der Prüfer zu zwei Sachverhalten konkrete Prüfungsfragen an Steuerberater H gestellt hat. Dort ging es zum einen um die Versorgungsrente für J, für die der Kläger im gesamten Prüfungszeitraum einen Sonderausgabenabzug geltend gemacht hatte. Der Prüfer hat dazu nach der Rechtsgrundlage der Rente gefragt und einen Nachweis zum Alter der Versorgungsempfängerin bei Beginn der Zahlungsverpflichtung erbeten. Ferner bezog sich die Anfrage auf die im Jahr 2005 als Sonderausgaben geltend gemachten Steuerberatungskosten aus einer Rechnung des Steuerberaters K über ... €, wozu eine Ablichtung der Rechnung angefordert worden ist und bei einer fehlenden Aussagekraft des Belegs um nähere Erläuterungen gebeten wurde.

43

Diese Anfrage bezog sich auf bestimmte prüfungsrelevante Sachverhalte und ging über bloßen Vorbereitungshandlungen hinaus. Sie stellt deshalb den Beginn der Außenprüfung dar. Das Gericht kann nicht erkennen, dass diese Prüfungsanfrage nur "pro forma" gestellt worden ist, um den Ablauf der Festsetzungsfrist zu hemmen. Dazu gibt es nach Aktenlage keine Anhaltspunkte. Der Umstand allein, dass der Prüfer anschließend über eine längere Zeit keine für den Kläger erkennbaren Prüfungshandlungen vorgenommen hat, reicht für eine solche Annahme nicht aus. Die Rechtsprechung des BFH zur Verpflichtung der Finanzbehörde zum Beginn der Außenprüfung innerhalb von zwei Jahren nach Antragstellung auf ein Verschieben der Prüfung stammt erst aus dem März 2010 (BFH-Urteil vom 17. März 2010 IV R 54/07, BStBl II 2011, 7) und konnte bereits deshalb nicht in die Überlegungen des Zeugen einfließen. Der Zeuge hat vielmehr glaubhaft bekundet, dass er die beiden Fragen gestellt habe, weil sie ihm bei Durchsicht der Einkommensteuerakten des Klägers aufgefallen seien. Hinzu kommt, dass der Zeuge nach Erhalt der Antwort der Prozessbevollmächtigten des Klägers hinsichtlich der Abzugsfähigkeit der Versorgungsrente in einer anderen Außenprüfung weitere Ermittlungen vorgenommen hat, deren Ergebnis auch für die Prüfung beim Kläger von Bedeutung war und in den zu den Akten genommenen Vermerk vom 7. Mai 2010 eingeflossen ist.

cc)

44

Die Außenprüfung ist nicht unmittelbar nach ihrem Beginn durch die Anfrage vom 22. Dezember 2009 für länger als sechs Monate unterbrochen worden (§ 171 Abs. 4 Satz 2 AO). Zwar liegt unstreitig eine Unterbrechung vor, die diesen Zeitraum erheblich überschreitet. Die Unterbrechung erfolgte aber nicht unmittelbar nach dem Beginn der Außenprüfung.

45

Die Frage, ob eine Außenprüfung unmittelbar nach ihrem Beginn unterbrochen worden ist, ist grundsätzlich nach den Verhältnissen im Einzelfall zu beurteilen. Dabei sind neben dem zeitlichen Umfang der bereits durchgeführten Prüfungsmaßnahmen alle Umstände zu berücksichtigen, die Aufschluss über die Gewichtigkeit der Prüfungshandlungen vor der Unterbrechung geben. Unabhängig vom Zeitaufwand ist eine Unterbrechung unmittelbar nach Beginn der Prüfung dann anzunehmen, wenn der Prüfer über Vorbereitungshandlungen, allgemeine Informationen über die betrieblichen Verhältnisse, das Rechnungswesen und die Buchführung und/oder die Sichtung der Unterlagen des zu prüfenden Steuerfalls bzw. ein allgemeines Aktenstudium nicht hinausgekommen ist (vgl. BFH-Urteil vom 18. Februar 2009 V R 82/07, BFHE 225, 198, BStBl II 2009, 876, m. w. N.). Eine Außenprüfung ist danach nur dann nicht mehr unmittelbar nach ihrem Beginn unterbrochen, wenn die Prüfungshandlungen von Umfang und Zeitaufwand gemessen an dem gesamten Prüfungsstoff erhebliches Gewicht erreicht oder erste verwertbare Ergebnisse gezeitigt haben (vgl. BFH-Urteil vom 24. April 2003 VII R 3/02, BFHE 202, 32, BStBl II 2003, 739). Letzteres bedeutet allerdings nicht, dass die ermittelten Ergebnisse geeignet sein müssen, unmittelbar als Besteuerungsgrundlage Eingang in einen Steuer- oder Feststellungsbescheid zu finden; ausreichend ist vielmehr, dass Ermittlungsergebnisse vorliegen, an die bei der Wiederaufnahme der Prüfung angeknüpft werden kann (vgl. BFH-Beschluss vom 31. August 2011 I B 9/11, BFH/NV 2011, 2011, m. w. N.; BFH-Urteil vom 26. Juni 2014 IV R 51/11, BFH/NV 2014, 1716).

dd)

46

Es kann dahingestellt bleiben, ob die Prüfungshandlung des Zeugen mit Schreiben vom 22. Dezember 2009 in Bezug auf Umfang und Zeitaufwand gemessen an dem gesamten Prüfungsstoff erhebliches Gewicht erreicht. Jedenfalls hat die Prüfungshandlung erste verwertbare Ergebnisse gezeitigt, an die bei Wiederaufnahme der Prüfung angeknüpft werden konnte und vom Zeugen auch angeknüpft worden ist.

47

Die Prozessbevollmächtigten des Klägers haben mit Schreiben vom 8. Februar 2010 auf die Anfrage des Prüfers reagiert und hinsichtlich der Versorgungsrente für J die notarielle Urkunde über das zu Grunde liegende Vermächtnis in Kopie übersandt. Hinsichtlich der Steuerberaterkosten ist eine Kopie der Rechnung des Steuerberaters K nebst Anlage übersandt worden. Beide Urkunden trugen zur Sachverhaltsaufklärung bei und waren damit erste Ermittlungsergebnisse. An sie konnte bei Wiederaufnahme der Prüfung angeknüpft werden. Auf die als Sonderausgaben geltend gemachte Rechnung des Steuerberaters K ist vom Zeugen mit Schreiben vom 13. Juli 2012 auch Bezug genommen und um Vorlage von Belegen gebeten worden, welche Leistungen erbracht worden sind. Es kommt für die Eignung als erstes verwertbares Ergebnis nicht darauf an, ob diese Nachfrage des Zeugen in Bezug auf die Rechnung des Steuerberaters überflüssig war, weil sich daraus durch die Bezugnahme auf § 30 der Steuerberatergebührenverordnung (StBGebV) bereits ergeben haben könnte, welche Leistungen abgerechnet worden und ob die Kosten als Sonderausgaben berücksichtigungsfähig waren (vgl. zur Nichtabzugsfähigkeit von Steuerberatungskosten für strafbefreiende Erklärungen BFH-Urteil vom 20. Dezember 2012 VIII R 29/10, BStBl II 2013, 344). Entscheidend ist nach dem oben Dargelegten vielmehr, dass ein Ermittlungsergebnis in Form der eingereichten Rechnung vorlag, an das bei der Wiederaufnahme der Prüfung angeknüpft werden konnte. Die Steuerberaterkosten sind, nach dem die Prozessbevollmächtigen des Klägers mit Schreiben vom 1. Oktober 2012 auf den Hintergrund der Rechnung hingewiesen haben (strafbefreiende Erklärung) letztlich nicht als Sonderausgaben anerkannt worden.

48

Auch in Bezug auf die Versorgungsrente für J lag mit Übersendung der notariellen Urkunde ein anknüpfungsfähiges Ermittlungsergebnis vor, was letztlich zusammen mit den oben dargestellten anderweitigen Ermittlungen des Zeugen zum Alter der Versorgungsempfängerin bei Beginn der Rente dazu geführt hat, dass die Versorgungsrente - wie erklärt - anerkannt worden ist.

49

Aus der Rechtsprechung des BFH ergibt sich nicht, dass die ersten verwertbaren Ergebnisse ein absolutes oder relatives Gewicht in Bezug auf die steuerlichen Auswirkungen haben müssen. Angesichts des Telos des § 171 Abs. 4 AO, dass beim Steuerpflichtigen durch den Prüfungsbeginn das Vertrauen in den Ablauf der Festsetzungsfrist erschüttert worden sein muss, kann es auf das Ausmaß der steuerlichen Auswirkungen auch nicht ankommen, allenfalls kann erwogen werden, dass eine Bagatellgrenze in Bezug auf die steuerlichen Auswirkungen überschritten sein muss. Diese Frage kann vorliegend aber dahingestellt bleiben, weil eine wie auch immer zu bemessene Bagatellgrenze in jedem Fall überschritten wäre. Die im Jahr 2005 nicht anerkannten Sonderausgaben aus der Rechnung des Steuerberaters K betrugen über ... €, die als Sonderausgaben prozentual berücksichtigte Versorgungsrente betrug von 2001 bis 2005 jährlich über ... €. Diese Beträge haben schon jeweils für sich keinen Bagatellcharakter.

2)

50

Der Einkommensteuerbescheid 2004 vom 17. September 2013 ist rechtmäßig. Der Beklagte hat die geltend gemachten Zwischengewinne in Höhe von ... € zu Recht nicht als Anschaffungskosten der im Jahr 2004 veräußerten Fondsanteile berücksichtigt.

a)

51

Nach § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG in der für den Veranlagungszeitraum 2004 maßgeblichen Fassung gehören zu den privaten Veräußerungsgeschäften im Sinne von § 22 Nr. 2 EStG auch Veräußerungen von Wertpapieren, bei denen der Zeitraum zwischen Anschaffung und Veräußerung nicht mehr als ein Jahr beträgt. Dies war in Bezug auf die streitgegenständlichen Veräußerungen der Fondsanteile - unstreitig - jeweils der Fall (C - Kaufdatum: ... Dezember 2003, Verkauf: ... Januar 2004, D - Kaufdatum: ... Dezember 2003, Verkauf: ... Januar 2004, E - Kaufdatum: ... Dezember 2003, Verkauf: ... Januar 2004). Die Fondsanteile sind Wertpapiere und stellen jeweils eigenständige Wirtschaftsgüter dar (vgl. BFH-Urteil vom 21. Januar 2014 IX R 11/13, BStBl II 2012, 385; FG Baden-Württemberg, Urteil vom 18. Dezember 2014 1 K 3180/12, EFG 2015, 720). Sie sind somit steuerpflichtig veräußert worden.

b)

52

Als Gewinn oder Verlust aus Veräußerungsgeschäften nach § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 bis 3 EStG ist nach § 23 Abs. 3 Satz 1 EStG in der maßgeblichen Fassung der Unterschied zwischen dem Veräußerungspreis einerseits und den Anschaffungs- oder Herstellungskosten und den Werbungskosten anzusetzen. Die im Jahr 2003 im Rahmen des Erwerbs der Fondsanteile als Teil des Kaufpreises gezahlten Zwischengewinne in Höhe von insgesamt ... € stellen zwar grundsätzlich Anschaffungskosten der Wertpapiere dar. Der Begriff "Anschaffungskosten" in § 23 Abs. 3 Satz 1 EStG a. F. ist mit dem in § 6 Abs. 1 Nr. 1 und 2 EStG identisch. Der aus dem Handelsrecht in das Steuerrecht übernommene einheitliche Anschaffungskostenbegriff gilt gleichermaßen im Bereich der Gewinneinkünfte wie im Bereich der Überschusseinkünfte (vgl. BFH-Urteil vom 19. Dezember 2000 IX R 100/97, BStBl II 2001, 345). Zu den Anschaffungskosten gehören unter anderem alle Aufwendungen, die geleistet werden, um einen Vermögensgegenstand zu erwerben (§ 255 Abs. 1 HGB), somit auch die im Kaufpreis der Fondsanteile enthaltenen Zwischengewinne.

c)

53

Nach § 23 Abs. 2 Satz 1 EStG a. F. sind aber Einkünfte aus privaten Veräußerungsgeschäften der in § 23 Abs. 1 EStG a. F. bezeichneten Art Einkünften aus anderen Einkunftsarten zuzurechnen, soweit sie zu diesen gehören.

54

Im Jahr 2003 gehörten die vom Kläger beim Erwerb als Teil des Kaufpreises gezahlten Zwischengewinne (noch nicht zugeflossenen Gewinnanteile), ebenso wie bei einer Veräußerung erhaltene Zwischengewinne, nach § 39 Abs. 2 des Gesetzes über Kapitalanlagegesellschaften (KAGG) zu den Einkünften aus Kapitalvermögen im Sinne von § 20 Abs. 1 Nr. 1 EStG, wenn sie nicht - wie hier - Betriebseinnahmen des Steuerpflichtigen oder Leistungen im Sinne des § 22 Nr. 5 EStG waren. Dementsprechend sind die vom Kläger im Jahr 2003 gezahlten Zwischengewinne als negative Einkünfte aus Kapitalvermögen und damit im Rahmen einer anderen Einkunftsart steuerrechtlich berücksichtigt worden. Sie können deshalb auf Grund der vorrangigen Zuordnung durch § 23 Abs. 2 Satz 1 EStG a. F. nicht mehr im Rahmen der Einkunftsart "sonstigen Einkünfte" in Form von privaten Veräußerungsgeschäften (§ 23 EStG) als Anschaffungskosten berücksichtigt werden.

55

Entgegen der Auffassung des Klägers führt die für den Veranlagungszeitraum 2004 vom 1. Januar bis einschließlich 15. Dezember 2004 abweichend geregelte Behandlung von Zwischengewinnen nicht zu einer anderen Beurteilung. Nach § 2 Abs. 1 des Investmentsteuergesetzes (InvStG) in der bis zum 15. Dezember 2004 geltenden Fassung wurden Zwischengewinne nicht den Einkünften aus Kapitalvermögen zugeordnet. Das InvStG hat das KAGG abgelöst. § 39 KAGG war in Bezug auf die steuerliche Behandlung von Zwischengewinnen letztmalig auf Veräußerungen, Erwerbe oder Abtretungen anzuwenden, die vor dem 1. Januar 2004 stattfanden (§ 19 Abs. 2 Satz 3 InvStG). Ab dem 16. Dezember 2004 werden die Zwischengewinne gemäß § 2 Abs. 2 Satz 1 InvStG wieder den Einkünften aus Kapitalvermögen zugeordnet.

56

Das InvStG enthält zwar keine Regelung zur Nichtberücksichtigung von vor seinem Inkrafttreten gezahlten Zwischengewinnen als Anschaffungskosten. Eine solche Übergangsregelung war - entgegen der Auffassung des Klägers - aber nicht erforderlich, weil sich aus der für die Gewinnermittlung nach § 23 Abs. 3 Satz 1 EStG vorrangigen Zuordnungsvorschrift des § 23 Abs. 2 EStG a. F. ergibt, dass die Zwischengewinne im Jahr ihres Abflusses oder Zuflusses, auf den bei den Überschusseinkünften abzustellen ist (§ 11 EStG), einer anderen Einkunftsart zugeordnet waren und deshalb nicht - gleichsam doppelt - steuermindernd als Anschaffungskosten der Fondsanteile berücksichtigt werden können.

57

Im Übrigen zeigt auch die Regelung des § 23 Abs. 3 Satz 4 EStG a. F., dass bei der Ermittlung der Anschaffungs- und Herstellungskosten Aufwendungen, die anderen Einkunftsarten zuzuordnen waren, abzuziehen sind. Danach mindern sich die Anschaffungs- und Herstellungskosten um Absetzungen für Abnutzung, erhöhte Absetzungen und Sonderabschreibungen, soweit sie bei der Ermittlung der Einkünfte im Sinne von § 2 Abs. 1 Nr. 4 bis 6 abgezogen worden sind.

II.

58

Der Bescheid vom 7. August 2013 über die gesonderte Feststellung des verbleibenden Verlustvortrags zur Einkommensteuer zum 31. Dezember 2001 ist rechtswidrig und verletzt den Kläger in seinen Rechten, soweit darin der streitgegenständliche Verlust aus der Veräußerung der Genussscheine an der A AG nicht in voller Höhe von ... DM (= ... €) anerkannt worden ist. Der Bescheid war deshalb insoweit zu ändern und ein weiterer Verlust in Höhe von ... DM (= ... €) - somit insgesamt ein Verlust von ... DM (= ... €) - bei den Einkünften aus privaten Veräußerungsgeschäften zu berücksichtigen.

a)

59

Nach § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG in der für den Veranlagungszeitraum 2001 maßgeblichen Fassung gehören zu den privaten Veräußerungsgeschäften im Sinne von § 22 Nr. 2 EStG auch Veräußerungen von Wertpapieren, bei denen der Zeitraum zwischen Anschaffung und Veräußerung nicht mehr als ein Jahr beträgt. Dies war in Bezug auf die streitgegenständlichen Veräußerungen der Genussscheine an der A AG  - unstreitig - jeweils der Fall. Sie wurden ab Mai 2000 in mehreren Tranchen erworben und am ... April 2001 veräußert. Der - unstreitige - Verlust aus der Veräußerung betrug ... DM (= ... €).

60

Dieser Verlust ist in voller Höhe anzuerkennen. Entgegen der Auffassung des Beklagten unterliegt er nicht dem so genannten Halbeinkünfteverfahren.

b)

61

Nach § 3 Nr. 40 Buchstabe j EStG in der für den Veranlagungszeitraum 2001 maßgeblichen Fassung war die Hälfte des Veräußerungspreises im Sinne von § 23 Abs. 3 EStG bei der Veräußerung von Anteilen an Körperschaften, Personenvereinigungen oder Vermögensmassen, deren Leistungen beim Empfänger zu Einnahmen im Sinne von § 20 Abs. 1 Nr. 1 EStG gehören, steuerfrei. Die Genussscheine an der A AG stellen Anteile an Körperschaften dar, deren Leistungen zu Einnahmen im Sinne von § 20 Abs. 1 Nr. 1 EStG gehören. Nach § 20 Abs. 1 Nr. 1 EStG in der maßgeblichen Fassung gehören zu den Einkünften aus Kapitalvermögen unter anderem Gewinnanteile (Dividenden), Ausbeuten und sonstige Bezüge aus Genussrechten, mit denen das Recht am Gewinn und Liquidationserlös einer Kapitalgesellschaft verbunden ist. Letzteres war bei den streitgegenständlichen Genussscheinen der Fall. Jeder Genussscheininhaber hatte nach den Statuten der A AG den gleichen Anteil am Bilanzgewinn und an dem nach Rückzahlung des Aktienkapitals und des Partizipationskapitals verbleibenden Liquidationsergebnisses wie eine Aktie. Die Genussscheine waren somit aktienähnlich ausgestaltet und vermittelten Bezüge im Sinne von § 20 Abs. 1 Nr. 1 EStG in der maßgeblichen Fassung. Solche qualifizierten Genussrechte werden im Einkommen- und Körperschaftsteuerrecht wie Nennkapital behandelt (vgl. BFH-Urteile vom 14. Juni 2005 VIII R 73/03, BStBl II 2005, 861; vom 8. April 2008 VIII R 3/05, BStBl II 2008, 852).

62

Nach § 3c Abs. 2 Satz 1 EStG in der maßgeblichen Fassung dürfen Betriebsvermögensminderungen, Betriebsausgaben, Veräußerungskosten oder Werbungskosten, die mit den dem § 3 Nr. 40 EStG zugrunde liegenden Betriebsvermögensmehrungen oder Einnahmen in wirtschaftlichem Zusammenhang stehen, unabhängig davon, in welchem Veranlagungszeitraum die Betriebsvermögensmehrungen oder Einnahmen anfallen, bei der Ermittlung der Einkünfte nur zur Hälfte abgezogen werden; Entsprechendes gilt, wenn bei der Ermittlung der Einkünfte der Wert des Betriebsvermögens oder des Anteils am Betriebsvermögen oder die Anschaffungs- oder Herstellungskosten oder der an deren Stelle tretende Wert mindernd zu berücksichtigen ist (vgl. dazu BFH-Urteile vom 25. Juni 2009 IX R 42/08, BFH/NV 2009, 1696; vom 14. Juli 2009 IX R 8/09, BFH/NV 2010, 399). Das durch § 3c Abs. 2 EStG a. F. statuierte so genannte Halbabzugsverbot führt dazu, dass sich ein Veräußerungsverlust im Sinne von § 23 Abs. 3 EStG halbiert.

63

Die Regelung des § 3 Nr. 40 Satz 1 Buchstabe j EStG a. F. und damit des § 3c Abs. 2 EStG a. F. ist im Streitjahr 2001 für Gewinne aus privaten Veräußerungsgeschäften durch Veräußerung von Wertpapieren - hier in Form von Genussscheinen - die von ausländischen Gesellschaften ausgegeben worden sind, anwendbar. Dies ergibt sich aus § 52 Abs. 1 Satz 1 EStG in der maßgeblichen Fassung. Die Ausnahmevorschriften des § 52 Abs. 4a Nr. 2 und Abs. 8a EStG a. F. greifen vorliegend nicht, weil sie auf die erstmalige Anwendung des Körperschaftsteuergesetzes in der Fassung des Art. 3 des Gesetzes vom 23. Oktober 2000 (BGBl I 2000, 1433) abstellen. Das Körperschaftsteuergesetz gilt aber nur für inländische Körperschaften, so dass das so genannte Halbeinkünfteverfahren nur bei Beteiligungen an diesen frühestens im Jahr 2002 anzuwenden ist (vgl. BFH-Urteil vom 20. Oktober 2010 IX R 56/09, BStBl II 2011, 409; FG München, Urteil vom 30. März 2010 13 K 3609/07, EFG 2010, 1704, jeweils m. w. N.).

64

Nach § 3 Nr. 40 Buchstabe j in Verbindung mit § 3c Abs. 2 EStG a. F. wäre der vom Kläger geltend gemachte Verlust somit nur zur Hälfte anzuerkennen.

65

c) Diese Vorschriften sind vorliegend aber wegen eines Verstoßes gegen Art. 56 EG nicht anwendbar. Die für Genussscheine an ausländischen Gesellschaften - im Gegensatz zu solchen an inländischen Gesellschaften - vorgezogene Geltung des Halbeinkünfteverfahrens stellt eine Ungleichbehandlung dar, die die Kapitalverkehrsfreiheit des Art. 56 EG verletzt. (vgl. FG München, Urteil vom 30. März 2010 13 K 3609/07, EFG 2010, 1704 zu Veräußerungen von ausländischen Aktien im Betriebsvermögen; a. A. BFH v. 20. Oktober 2010 IX R 56/09, BStBl II 2011, 409 für Veräußerungen von Beteiligungen im Sinne von § 17 EStG).

aa)

66

Art. 56 EG verbietet Beschränkungen des Kapitalverkehrs sowohl zwischen den Mitgliedstaaten als auch zwischen Mitgliedstaaten und dritten Ländern, wie hier der B (vgl. EuGH-Urteil vom 20. Mai 2008 C-194/06 "Orange European Smallcap Fund NV", HFR 2008, 774 Rz. 87, 88). Die nationalen Maßnahmen, die als "Beschränkungen" im Sinne des Art. 56 Abs. 1 EG eingestuft werden können, umfassen nicht nur Maßnahmen, die geeignet sind, den Erwerb von Aktien oder anderen Beteiligungen an in anderen Mitgliedstaaten niedergelassenen Gesellschaften zu verhindern oder zu beschränken (vgl. EuGH-Urteil vom 23. Oktober 2007 C-112/05 "Kommission/Deutschland", Slg. 2007, I-8995 = DB 2007, 2418, Rz. 19 m. w. N. zur Rechtsprechung), sondern auch Maßnahmen, die davon abhalten können, solche Beteiligungen an in anderen Mitgliedstaaten niedergelassenen Gesellschaften zu behalten (vgl. EuGH-Urteil vom 22. Januar 2009 C-377/07 "STEKO", BStBl II 2011, 95 m. w. N. zur Rechtsprechung). Eine Beschränkung der Kapitalverkehrsfreiheit stellt nach der Rechtsprechung des EuGH jede Steuerregelung dar, die zwischen Steuerpflichtigen nach dem Ort ihrer Kapitalanlage unterscheidet (vgl. EuGH-Urteil vom 7. September 2004 C-319/02 "Manninen", Slg. 2004, I-7477 = HFR 2004, 1262, Rz. 19). Die Übertragung von Kapitalanteilen wird von der Kapitalverkehrsfreiheit dabei mitgeschützt (vgl. EuGH-Beschluss vom 8. Juni 2004 C-268/03 "De Baeck", Slg. 2004, I-5961 = HFR 2005, 274; EuGH-Urteil vom 21. November 2002 C-436/00 "X und Y", Slg. 2002, I-10829 = HFR 2003, 307; FG München, Urteil vom 30. März 2010 13 K 3609/07, EFG 2010, 1704).

67

Die dargestellte Ungleichbehandlung verstößt gegen die in Art. 56 EG verbürgte Freiheit des Kapitalverkehrs, denn sie führt dazu, dass sich im Jahr 2001 inländische natürliche Personen mit im Wert gesunkenen Beteiligungen an ausländischen Gesellschaften - hier in Form von qualifizierten Genussscheinen - in einer ungünstigeren Lage befanden als diejenigen, die solche Beteiligungen an inländischen Gesellschaften hielten. Diese unterschiedliche Behandlung nach Maßgabe des Kapitalanlageorts, die vor dem Veranlagungszeitraum 2002 gilt, ist geeignet, einen Anleger davon abzuhalten, sein Kapital in einer Gesellschaft mit Sitz in einem anderen Staat als der Bundesrepublik Deutschland anzulegen, und auch eine beschränkende Wirkung in Bezug auf Gesellschaften mit Sitz in anderen Staaten zu entfalten, da sie für sie ein Hindernis bei der Kapitalbeschaffung in Deutschland darstellt. Dabei ist unerheblich, dass die Ungleichbehandlung nur während eines begrenzten Zeitraums bestand (vgl. EuGH-Urteil vom 18. Dezember 2007 C-436/06 "Grønfeldt", Slg. 2007, I-12357 = HFR 2008, 294, Rz. 15). Dieser Umstand allein schließt nämlich nicht aus, dass die Ungleichbehandlung erhebliche Auswirkungen hat (vgl. EuGH-Urteil vom 22. Januar 2009 C-377/07 "STEKO", BStBl II 2011, 95).

68

Die Ungleichbehandlung muss entweder objektiv nicht vergleichbare Sachverhalte betreffen aber durch einen zwingenden Grund des Allgemeininteresses gerechtfertigt sein, um keine Verletzung des Art. 56 EG darzustellen (vgl. EuGH-Urteil vom 18. Dezember 2007 C-436/06 "Grønfeldt", Slg. 2007, I-12357 = HFR 2008, 294, Rz. 15). Dies ist vorliegend nicht der Fall. Die Ungleichbehandlung der Veräußerungsverluste des Klägers gegenüber Verlusten aus Genussrechtsbeteiligungen an inländischen Kapitalgesellschaften lässt sich nach dem EuGH-Urteil "STEKO" nicht dadurch rechtfertigen, dass sie als Übergangsregelung auf das Streitjahr beschränkt ist (vgl. BFH-Urteil vom 28. Oktober 2009 I R 27/08 BStBl II 2011). Die Ungleichbehandlung von Inlandsbeteiligungen und Auslandsbeteiligungen ist auch nicht zur Wahrung der Kohärenz des Steuersystems durch den Übergang vom Anrechnungsverfahren auf das Halbeinkünfteverfahren sachlich gerechtfertigt (a. A. BFH-Urteil vom 20. Oktober 2010 IX R 56/09, BStBl II 2011, 409). Bei einem Inhaber von Genussrechten an ausländischen Gesellschaften fehlt es an einem diesbezüglichen Abstimmungsbedarf, weil ausländische Gesellschaften nicht dem deutschen Anrechnungsverfahren unterlagen und deshalb kein unmittelbarer Zusammenhang zwischen der betreffenden Steuervergünstigung und dem Ausgleich dieser Vergünstigung durch eine bestimmte Abgabe besteht. Die "Vollbesteuerung" in der Zusammenschau von Körperschaft und Anteilseigners kann bei ausländischen Anteilseignern ohnehin nicht erreicht werden, weil die Gewinne der ausländischen Gesellschaft in einem andern Staat versteuert werden (vgl. EuGH-Urteil vom 18. Dezember 2007 C-436/06 "Grønfeldt", Slg. 2007, I-12357 = HFR 2008, 294, Rz. 15; BFH-Beschluss vom 14. Februar 2006 VIII B 107/04, BStBl II 2006, 523).

69

Das Halbeinkünfteverfahren mit dem Halbabzugsverbot ist deshalb auf Grund des Anwendungsvorrangs des Unionsrechts auf die streitgegenständlichen Verluste nicht anwendbar (vgl. auch BFH-Urteile vom 28. Oktober 2009 I R 27/08, BStBl II 2011, 229, zu § 8b Abs. 3 KStG a.F.; vom 6. März 2013 I R 14/07, BStBl II 2015, 349 zu § 36 Abs. 4 GewStG; vom 6. März 2013 I R 10/11, BStBl II 2013, 707 zum Abzugsverbot auf Teilwertabschreibungen bei Auslandsbeteiligung; FG München, Urteil vom 30. März 2010 13 K 3609/07, EFG 2010, 1704).

d)

70

Der Senat war im Streitfall nicht verpflichtet, das Klageverfahren gemäß § 74 FGO auszusetzen und eine Vorabentscheidung des EuGH einzuholen. Anders als im Bereich von Art. 100 des Grundgesetzes (GG) steht die Einleitung des Vorabentscheidungsverfahrens nach Art. 234 Abs. 2 EG im Ermessen des erkennenden Gerichts. Es bedarf der Einholung einer Vorabentscheidung nur dann, wenn die anstehende unionsrechtliche Frage nicht schon eindeutig auf der Grundlage der bislang ergangenen Rechtsprechung des EuGH geklärt ist, so dass für Zweifel vernünftigerweise kein Raum bleibt (vgl. BFH-Urteile vom 19. Dezember 2007 II R 65/06, BFH/NV 2008, 693; vom 21. Oktober 2009 I R 114/08, DStR 2010, 37; vom 18. November 2008 VIII R 24/07, BStBl II 2009, 518; vgl. EuGH-Urteil vom 6. Oktober 1982 Rs. 283/81 "C.I.L.F.I.T.", Slg. 1982, 3415). Die aufgezeigte Unionsrechtslage ist in Anbetracht der oben dargestellten Rechtsprechung des EuGH eindeutig. Die zu entscheidende Rechtsfrage war bereits mehrfach Gegenstand der Auslegung des EuGH, wenn auch nicht in der derselben Ausgangskonstellation. Dennoch sind die Auslegungsergebnisse des EuGH nach dem oben Dargelegten ohne weiteres auf die vorliegende Fallgestaltung übertragbar. Einer Vorlage an den EuGH bedurfte es deshalb nicht (vgl. auch BFH-Urteil vom 6. März 2013 I R 10/11, BStBl II 2013, 707; FG München, Urteil vom 30. März 2010 13 K 3609/07, EFG 2010, 1704).

71

Die Kostenentscheidung folgt aus § 136 Abs. 1 Satz 3 FGO. Dem Kläger waren die ganzen Kosten des Verfahrens aufzuerlegen, weil der Beklagte mit unter 2 % und damit nur zu einem geringen Teil unterlegen ist.

72

Die Revision war zuzulassen (§ 115 Abs. 2 Nr. 1, 2 FGO).

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