Beschluss vom Finanzgericht Hamburg (4. Senat) - 4 V 107/15

Tatbestand

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I. Die Antragstellerin begehrt vorläufigen Rechtsschutz gegen die Erhebung von Tabaksteuer und Einfuhrumsatzsteuer.

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Am 08.05.2012 meldete die Antragstellerin als Vertreterin einer Firma A, ..., B, im ATLAS-Verfahren zwei Dampfkessel aus China zu Überführung in den freien Verkehr an. Die Dampfkessel waren mit dem Seeschiff "C" im Hamburger Hafen eingetroffen. Die Abfertigung erfolgte entsprechend der Anmeldung. Die Dampfkessel wurden sodann am 15.05.2012 durch den Kraftfahrer D, Mitarbeiter der von der Antragstellerin beauftragten Firma E GbR, auf das Gelände der Firma F GmbH verbracht. Am 30.05.2012 untersuchten Beamte des Zollfahndungsamts Hamburg aufgrund eines Hinweises eines britischen Verbindungsbeamten die Wasserkessel und stellten im Inneren der Kessel 1099 kg Feinschnitt-Tabak fest. Der Tabak wurde sichergestellt.

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Im Rahmen des eingeleiteten Ermittlungsverfahrens wurde festgestellt, dass eine Firma A, ..., B, mutmaßlich nur auf dem Papier besteht.

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Mit Bescheid vom 03.07.2014 setzte der Antragsgegner gegenüber der Antragstellerin Tabaksteuer i. H. v. 82.479,95 € und Einfuhrumsatzsteuer i. H. v. 21.342,21 € fest. Wegen Art. 867a ZK-DVO erhob der Antragsgegner keinen Zoll.

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Mit Schreiben vom 07.07.2014 legte die Antragstellerin Einspruch ein und beantragte den Erlass der Abgaben sowie die Aussetzung der Vollziehung. Zur Begründung führte sie aus, sie sei ein Opfer ihr nicht zurechenbarer betrügerischer Handlungen Dritter geworden.

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Mit Bescheid vom 10.07.2014 setzte der Antragsgegner die Vollziehung des Bescheides vom 03.07.2014 unter der aufschiebenden Bedingung einer bis zum 07.08.2014 beizubringenden Sicherheitsleistung in Höhe des Abgabenbetrages für die "Verfahrensstufe außergerichtliches Rechtsbehelfsverfahren" aus. Dies erfolgte mit der Begründung, dass im Bescheid vom 03.07.2014 Ausführungen dazu gefehlt hätten, durch welches Verhalten die Antragstellerin den Grund für das vorschriftswidrige Verbringen der Tabakwaren gesetzt habe und weshalb von der Inanspruchnahme des Fahrers Abstand genommen worden sei.

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Den Einspruch gegen den Bescheid vom 03.07.2014 wies der Antragsgegner mit Einspruchsentscheidung vom 03.06.2015 zurück. Zur Begründung führte er aus, die Zollschuld sei gemäß Art. 202 Abs. 1 lit. b) Zollkodex i. V. m. §§ 13 Abs. 2, 21 Abs. 2 UStG entstanden. Die Dampfkessel seien gestellt worden, nicht jedoch der Tabak, so dass dieser vorschriftswidrig in das Zollgebiet verbracht worden sei. Auf Verschulden komme es nicht an. Die Antragstellerin habe nicht über eine wirksame Vertretungsmacht gemäß Art. 5 Zollkodex für die Firma A, ..., B, verfügt, da diese nicht existiere, so dass sie nach Art. 5 Abs. 4 Zollkodex im eigenen Namen und in eigener Verantwortung gehandelt habe. Unmittelbaren Kontakt zum Anmelder habe sie nicht gehabt, den Verzollungsauftrag habe sie von der Firma G Ltd. in China erhalten. Ob tatsächlich eine Bevollmächtigung vorgelegen habe, habe sie ebenso wie andere im Rahmen der Anmeldung zu machende Angaben nicht überprüft. Die Antragstellerin sei neben dem Lkw-Fahrer Schuldner der Einfuhrabgaben nach Art. 202 Abs. 3 Anstrich 1 Zollkodex. Sie habe für die von den Zollbehörden entgegengenommene Zollanmeldung vor Gestellung gesorgt und den Grund für das vorschriftswidrige Verbringen des Tabaks gesetzt. Zudem sei sie nach § 21 Abs. 2 Nr. 1, Nr. 2 TabStG Steuerschuldnerin, da sie verpflichtet gewesen wäre, die Tabakwaren anzumelden, und einen objektiv fördernden Beitrag zu der unrechtmäßigen Einfuhr des Tabaks geleistet habe. Weiter führte der Antragsgegner Näheres zum Zollwert aus. Der Zoll und die Einfuhrumsatzsteuer seien nicht nach Art. 233 S. 1 lit. d) Zollkodex, § 21 Abs. 2 UStG erloschen, da die Ware nicht bei, sondern nach dem vorschriftswidrigen Verbringen beschlagnahmt worden sei. Der zollrechtliche Erlöschenstatbestand greife gemäß § 21 Abs. 3 S. 1 TabStG nicht für die Tabaksteuer. Der Zoll sei wegen Art. 887a ZK-DVO nicht erhoben worden. Die Inanspruchnahme allein der Antragstellerin sei nicht ermessensfehlerhaft. Der allein als weiterer Abgabenschuldner in Betracht kommende Lkw-Fahrer sei lediglich als Bote aufgetreten, Anhaltspunkte für fahrlässige Unkenntnis vom tatsächlichen Inhalt der Ladung bestünden bei ihm ebenso wenig wie bei der Antragstellerin. Deren Inanspruchnahme erfolge allein aus fiskalischen Erwägungen vor dem erfahrungsgemäß wirtschaftlich schwächeren Lkw-Fahrer. Bei ihr könne die vollständige und rechtzeitige Entrichtung des Abgabenbetrages am ehesten erwartet werden.

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Am 02.07.2015 hat die Antragstellerin Klage erhoben und um vorläufigen Rechtsschutz nachgesucht. Zur Begründung trägt sie vor, sie sei nicht Zollschuldnerin nach Art. 202 Abs. 3 Alt. 1 Zollkodex geworden. Sie habe lediglich die Fracht- und Transportpapiere bearbeitet, sei am physischen Verbringen der Ware aber nicht beteiligt gewesen. Auf das Urteil des Gerichtshofs der Europäischen Union vom 03.03.2015 (C-195/03) könne sich der Antragsgegner nicht berufen. Der Tabak hätte schon gar nicht gestellt werden können, da sein Vorhandensein nicht bekannt gewesen sei. Mangels Gestellung hätte der Anmelder oder dessen Vertreter die Ware nicht durch Falschangabe verbringen können. Verbringen könne sie allein derjenige, der sie tatsächlich befördere. Die Anmeldung könne ihr auch nicht gemäß Art. 5 Abs. 4 Zollkodex zugerechnet werden. Tatsächlich habe sie eine Vollmacht des in Großbritannien ansässigen Anmelders erteilt bekommen. Stelle sich im Nachhinein heraus, dass der Vertretene nicht existiere, könne Art. 5 Abs. 4 Zollkodex nicht angewandt werden, denn der direkte Vertreter habe gerade zum Ausdruck gebracht, nicht auf eigene Rechnung handeln zu wollen. Den Fall, dass es gar keinen Vertretenen gebe, erfasse Art. 5 Abs. 4 Zollkodex nicht. Sie sei auch nicht Schuldnerin der Tabaksteuer. Es fehle bereits an einem Verbringen gemäß § 21 Abs. 1 S. 1 i. V. m. § 19 Abs. 2 TabStG. Die Abwicklung von branchentypischen Logistikdienstleistungen könne nicht als fördernder Tatbeitrag angesehen werden. Da der Tabak vom Zollfahndungsamt unmittelbar und zielgerichtet nach dem Entfernen aus der Freizone aufgegriffen worden sei und die Zollbehörde vom vorschriftswidrigen Verbringen gewusst habe, sei auch von einem Erlöschen nach Art. 233 lit. d) Zollkodex auszugehen.

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Die Antragstellerin beantragt,
die Vollziehung des Einfuhrabgabenbescheides vom 03.07.2014 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 03.06.2015 ab Fälligkeit bis zu einer rechtskräftigen Entscheidung im Hauptsacheverfahren auszusetzen.

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Der Antragsgegner beantragt,
den Antrag abzulehnen.

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In Bezug auf die Zulässigkeit des Antrags trägt er vor, einen künftig bei ihm gestellten Antrag auf Aussetzung der Vollziehung abzulehnen. Der Kreis der möglichen Zollschuldner sei weit zu fassen. Jeder, der als derjenige angesehen werden könne, der mit seinem Verhalten den Grund für das vorschriftswidrige Verbringen der Ware gesetzt habe, komme als Zollschuldner in Betracht. Im Rahmen der Gestellung müsse auf versteckte oder verheimlichte Waren ausdrücklich hingewiesen werden. Durch das Vorführen des Lkw und die Mitteilung über das Vorhandensein der Dampfkessel seien diese gestellt worden. Dies gelte nicht für den Tabak, auf den ausdrücklich hätte hingewiesen werden müssen. Die Antragstellerin habe am 08.05.2012 den Auftrag zur Verbringung der Waren aus der Freizone erteilt (Sachakte Bl. 8 und 11). Darüber hinaus habe sie den Zollbehörden über das IT System ATLAS am 08.05.2012 - vor der Gestellung - eine Zollanmeldung übermittelt. Diese Handlungen hätten zu einer unvollständigen Zollanmeldung geführt, wodurch sie den Grund für das vorschriftswidrige Verbringen des Tabaks gesetzt habe. Kenntnis vom vorschriftwidrigen Verbringen habe er - der Antragsgegner - erst am 29.05.2012 durch den Hinweis des britischen Zollverbindungsbeamten erhalten, mithin also nach dem 15.05.2012, an dem der Tabak vorschriftswidrig verbracht worden sei.

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Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Gerichtsakte sowie die Sachakte des Antragsgegners Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

II.

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1.
Der Antrag auf Aussetzung der Vollziehung des Einfuhrabgabenbescheides vom 03.07.2014 in der Fassung der Einspruchsentscheidung vom 03.06.2015 bleibt in Bezug auf die Einfuhrumsatzsteuer (a.) und die Tabaksteuer (b.) ohne Erfolg.

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a.
Der Antrag auf Aussetzung der Vollziehung des Abgabenbescheides wegen Einfuhrumsatzsteuer richtet sich nach § 21 Abs. 2 UStG, Art. 244 Unterabs. 2 Zollkodex. In der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs ist geklärt, dass im Geltungsbereich des Zollkodex auch im finanzgerichtlichen Aussetzungsverfahren nach § 69 Abs. 3 FGO die Vorschriften des Art. 244 Unterabs. 2 Zollkodex über die Aussetzung der Vollziehung im Verwaltungsverfahren anzuwenden sind (vgl. BFH, Beschluss vom 11.07.2000, VII B 41/00). In Art. 244 Unterabs. 2 Zollkodex ist bestimmt, dass die Zollbehörden die Vollziehung der Entscheidung ganz oder teilweise aussetzen, wenn sie begründete Zweifel an der Rechtmäßigkeit der angefochtenen Entscheidung haben oder wenn dem Beteiligten ein unersetzbarer Schaden entstehen könnte. Begründete Zweifel im Sinne des Art. 244 Unterabs. 2 Zollkodex bestehen, wenn bei der im Aussetzungsverfahren gebotenen summarischen Prüfung der angefochtenen Entscheidung neben den für die Rechtmäßigkeit sprechenden Umständen auch gegen die Rechtmäßigkeit sprechende Gründe zu Tage treten, die eine Unentschiedenheit in der Beurteilung der Rechtslage oder Unklarheit in der Beurteilung von Tatfragen bewirken (vgl. BFH, Beschluss vom 22.11.1994, VII B 140/94). Die genannten Vorschriften gelten wegen § 21 Abs. 2 UStG auch für die Einfuhrumsatzsteuer.

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Der Senat geht davon aus, dass die Einfuhrumsatzsteuer nach Art. 202 Abs. 1 lit. b) Zollkodex, der gemäß § 21 Abs. 2 UStG für diese Abgabenart entsprechend gilt, entstanden ist. Die Entstehung der Einfuhrabgaben für die Zigaretten hat der Antragsgegner zutreffend begründet. Die Zigaretten wurden aus dem seinerzeitigen Freihafen Hamburg ohne Gestellung gemäß Art. 38, Art. 40 Zollkodex in das Zollgebiet der Union verbracht. Sofern eine Lkw-Ladung gestellt worden ist, bezieht sich die Gestellung nur auf die Waren, die von der Erklärung erfasst sind bzw. auf die Waren, mit deren Vorhandensein der befasste Zöllner unter normalen Umständen zu rechnen hat. Die Anmeldung bezieht sich daher nur auf die darin bezeichnete Ware und nicht auf ebenfalls in der Sendung enthaltene Waren, die mit der in der Anmeldung beschriebenen Warenart tatsächlich nicht übereinstimmen. Wird in der Anmeldung ein wichtiger Teil der gestellten Waren nicht erwähnt, muss angenommen werden, dass dieser Teil vorschriftswidrig in das Zollgebiet verbracht wurde (EuGH, Urteil vom 03.03.2005, C-195/03; BFH, Urteil vom 20.07.2004, VII R 38/01). Hinter einer Tarnladung versteckte Waren - wie im Streitfall der Tabak - sind mithin wegen der fehlenden qualifizierten Mitteilung - mitgeteilt wurden nur Dampfkessel - nicht gestellt, wobei es unerheblich ist, ob der Anmelder oder Beförderer selbst Kenntnis von den betreffenden Waren hatte (vgl. BFH, Urteil vom 20.07.2004, VII R 38/01).

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Die Antragstellerin dürfte Zollschuldner gemäß Art. 202 Abs. 3 Anstrich 1 Zollkodex geworden sein. Danach ist Zollschuldner die Person, welche die Ware vorschriftswidrig in das Zollgebiet verbracht hat. Als solche dürfte die Antragstellerin anzusehen sein. Verbringer kann neben den natürlichen Personen, die die Ware tatsächlich befördern, auch eine juristische Person sein. In Betracht kommt insoweit eine juristische Person wie z. B. das Unternehmen, das den Grund für das vorschriftswidrige Verbringen der Waren gesetzt hat (EuGH, Urteile vom 23.09.2004, C-414/02 und vom 03.03.2005, C-195/03; BFH, Urteil vom 07.12.2004, VII R 21/04). Den Grund für das vorschriftswidrige Verbringen des Tabaks dürfte hier die Antragstellerin gesetzt haben. Sie hat die Zollanmeldung abgegeben und, wie der Antragsgegner unbestritten vorgetragen hat, auch den Auftrag zur Beförderung der Waren vom Freihafen zur Firma F GmbH erteilt. Darauf, dass sie - soweit ersichtlich - keine Kenntnis von der Existenz des Tabaks hatte, kommt es nicht an. Im Gegensatz zu Art. 202 Abs. 3 Anstriche 2 und 3 Zollkodex enthält Art. 202 Abs. 3 Anstrich 1 Zollkodex für die Begründung der Zollschuldnerschaft keine subjektive Voraussetzung. Ebenso wenig kann sich die Antragstellerin darauf berufen, sie habe als Stellvertreterin für die Firma A, ..., B, gehandelt. Sofern - was nach der Aktenlage naheliegt - diese Firma tatsächlich nicht existiert, hätte die Antragstellerin ohne wirksame Vollmacht und Vertretungsmacht gehandelt, so dass die Anmeldung gemäß Art. 5 Abs. 4 Unterabs. 2 Zollkodex als im eigenen Namen und für eigene Rechnung der Antragstellerin abgegeben gilt.

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Die Einfuhrumsatzsteuer ist entgegen der Auffassung der Antragstellerin nicht nach Art. 233 S. 1 lit. d) Zollkodex erloschen. Nach dieser Bestimmung erlischt die Zollschuld, wenn Waren, für die eine Zollschuld gemäß Art. 202 Zollkodex entstanden ist, bei dem vorschriftswidrigen Verbringen beschlagnahmt und gleichzeitig oder später eingezogen werden. Ein Erlöschen scheidet demnach aus, wenn die Beschlagnahme erfolgt ist, nachdem die Waren bereits verbracht worden waren. Nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union (EuGH, Urteil vom 02.04.2009, C-459/07, bestätigt durch EuGH, Urteil vom 29.04.2010, C-230/08) führt die Beschlagnahme von vorschriftswidrig in das Zollgebiet der Europäischen Union verbrachten Waren nur dann zum Erlöschen der Zollschuld, wenn sie erfolgt, bevor die Waren über die erste innerhalb dieses Gebiets liegende Zollstelle hinaus gelangt sind. In dem Moment, in dem die Waren über die erste innerhalb des Zollgebiets der Union liegende Zollstelle hinaus gelangt sind, ohne dort gestellt worden zu sein, ist das vorschriftswidrige Verbringen vollzogen. Der Bundesfinanzhof hat mit Urteil vom 07.03.2006 (VII R 23/04) erkannt, dass das vorschriftswidrige Verbringen von Waren im Sinne des Art. 233 S. 1 lit. d) Zollkodex beendet sei, wenn die Waren den Ort, an dem sie hätten gestellt werden müssen, wieder verlassen hätten, ohne dass eine ordnungsgemäße Gestellung erfolgt sei, denn mit dem Verlassen des Amtsplatzes habe die Ware das Innere des Zollgebiets der Gemeinschaft erreicht. Zu diesem Zeitpunkt ist unabhängig von der Frage, auf welchen Bereich sich die örtliche Zuständigkeit einer Zollstelle erstreckt, eine zollamtliche Überwachung der Waren tatsächlich nicht mehr möglich; der Verbringer befindet sich nicht mehr unter den Augen des Zolls, er kann nach Belieben mit der Ware verfahren (BFH, Urteil vom 07.03.2006, VII R 23/04). Dieser Rechtsprechung folgt der Senat.

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Im Streitfall hat der Lkw den Freihafen verlassen und die Sendung am 15.05.2012 auf das Gelände der Firma F GmbH befördert, wo dann am 30.05.2012 die Sicherstellung erfolgte. Das Gelände der Firma F GmbH liegt unstreitig außerhalb des Freihafens und außerhalb des Amtsplatzes der Grenzzollstelle. Die Ware war der zollamtlichen Überwachung gänzlich entzogen. Sofern die Antragstellerin meint, die Zollbehörden hätten bereits vor dem Verlassen des Freihafens Kenntnis von dem Tabak gehabt, ist dies unerheblich. Selbst wenn das Passieren der Grenzzollstelle und die nachfolgende Beförderung gleichsam unter den Augen des Zolls stattgefunden hätten, würde ein Erlöschen ausscheiden. In jedem Fall haben die Waren mit dem Passieren der Grenzzollstelle den Bereich der intensiven zollamtlichen Überwachung verlassen, die Interessen der innergemeinschaftlichen Wirtschaft waren bereits konkret gefährdet (vgl. BFH, Urteil vom 07.03.2006, VII R 23/04). Es ist zwar richtig, dass die Abgaben erloschen wären, wenn die Zigaretten bereits im Freihafen beschlagnahmt worden wären, auf derart hypothetische Geschehensabläufe kann indes nicht abgestellt werden. Es ist hinzunehmen, dass das Erlöschen der Einfuhrabgaben auch von dem Ausgang ermittlungstaktischer Überlegungen der Zollbehörden über den Zeitpunkt des Zugriffs abhängt, die Zollbehörden sind nicht verpflichtet, ein vorschriftswidriges Verbringen von Waren zum frühestmöglichen Zeitpunkt zu beenden um damit die Entstehung der Einfuhrabgaben zu verhindern bzw. die Voraussetzungen für das Erlöschen der Abgaben zu schaffen, wenn ermittlungs- oder einsatztaktische Gründe ein anderes Vorgehen nahelegen (BFH, Urteil vom 07.03.2006, VII R 23/04). Dass der Zugriff nicht bereits im Freihafen Hamburg erfolgte, ist - selbst wenn ein Zugriff noch im Freihafen möglich gewesen sein sollte, was der Senat zurzeit nicht abschließend beurteilen kann - daher unproblematisch.

19

Die Inanspruchnahme der Antragstellerin dürfte auch ermessensfehlerfrei sein. Gemäß Art. 213 Zollkodex sind, wenn es für eine Zollschuld mehrere Zollschuldner gibt, diese gesamtschuldnerisch zur Erfüllung dieser Zollschuld verpflichtet. Der Antragsgegner hat erkannt, dass es neben der Antragstellerin mit dem Fahrer des Lkw einen weiteren Zollschuldner gibt. Er dürfte seine Ermessensentscheidung unter Hinweis auf fiskalischen Erwägungen und den Umstand, dass die vollständige und rechtzeitige Entrichtung des Abgabenbetrages von der Antragstellerin eher erwartet werden könne als von dem erfahrungsgemäß wirtschaftlich schwächeren Lkw-Fahrer, tragfähig begründet haben (vgl. Witte, Zollkodex, Art. 213 Rn. 7b). Eine Inanspruchnahme der Firma A, ..., B, die bei der Anmeldung der Dampfkessel von der Antragstellerin vertreten wurde, kommt nicht in Betracht, da diese vom Antragsgegner nicht ermittelt werden konnte; mutmaßlich existiert sie nicht.

20

b.
Der Antrag auf Aussetzung der Vollziehung des Einfuhrabgabenbescheides wegen Tabaksteuer richtet sich nach § 69 Abs. 3 FGO, wonach das Gericht der Hauptsache einem Antrag auf Aussetzung bzw. Aufhebung der Vollziehung eines Verwaltungsakts unter den Voraussetzungen des § 69 Abs. 2 bis 6 FGO entsprechen kann. Nach dieser Bestimmung soll die Vollziehung ausgesetzt werden, wenn ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angefochtenen Verwaltungsakts bestehen oder wenn die Vollziehung für den Betroffenen eine unbillige, nicht durch überwiegende öffentliche Interessen gebotene Härte zur Folge hätte. Ernstliche Zweifel im Sinne des § 69 Abs. 2 FGO sind zu bejahen, wenn bei summarischer Prüfung der angefochtenen Bescheide neben für ihre Rechtmäßigkeit sprechende Umstände gewichtige Gründe zutage treten, die Unentschiedenheit in der Beurteilung der entscheidungserheblichen Rechtsfragen oder Unklarheit in der Beurteilung von Tatfragen bewirken (ständige Rechtsprechung des BFH, vgl. nur Beschluss vom 26.08.2004, V B 243/03 und Beschluss vom 23.08.2004, IV S 7/04). Gemäß § 69 Abs. 2 S. 3 FGO kann die Aussetzung von einer Sicherheitsleistung abhängig gemacht werden.

21

Durch das Verbringen des Tabaks aus der Freizone des Hamburger Hafens ist Tabaksteuer gemäß §§ 21 Abs. 1 S. 1, 19 Abs. 1 Nr. 2, Abs. 2 Nr. 1 lit. c TabStG entstanden. Nach § 21 Abs. 1 S. 1 TabStG entsteht die Steuer zum Zeitpunkt der Überführung der Tabakwaren in den steuerrechtlich freien Verkehr durch die Einfuhr, es sei denn, - was im Streitfall aber ersichtlich ausscheidet - die Tabakwaren werden unmittelbar am Ort der Einfuhr in ein Verfahren der Steueraussetzung überführt oder es schließt sich eine Steuerbefreiung an. Nach § 19 Abs. 1 Nr. 2, Abs. 2 Nr. 1 lit. c TabStG stellt die Entnahme von Tabakwaren aus einem zollrechtlichen Nichterhebungsverfahren im Steuergebiet eine Einfuhr dar, sofern sich kein weiteres zollrechtliches Nichterhebungsverfahren anschließt, wobei das Verfahren in Freizonen oder Freilagern ein zollrechtliches Nichterhebungsverfahren darstellt.

22

Die Antragstellerin dürfte Steuerschuldnerin geworden sein. Gemäß § 21 Abs. 2 Nr. 1 TabStG ist Steuerschuldner die Person, die nach den Zollvorschriften verpflichtet ist, die Waren anzumelden oder in deren Namen die Waren angemeldet werden. Zudem ist gemäß § 21 Abs. 2 Nr. 2 TabStG jede andere Person Steuerschuldner, die an einer unrechtmäßigen Einfuhr beteiligt gewesen ist. Die Antragstellerin dürfte bereits als die (juristische) Person anzusehen sein, die aufgrund ihrer Gestellungspflicht (Art. 38, Art. 40 Zollkodex) nach den Zollvorschriften verpflichtet war, die Waren (den Tabak) anzumelden. Sie hat jedenfalls als Vertreter ohne Vertretungsmacht (siehe oben) die Dampfkessel zur Überführung in den freien Verkehr angemeldet. Die Anmelde- bzw. Gestellungspflicht dürfte sich dann auf alle in der Sendung enthaltenen Waren, also sowohl auf die Dampfkessel als auch auf den Tabak erstrecken. Subjektive Voraussetzungen werden insoweit nicht aufgestellt. Es kommt also nicht darauf an, ob die Antragstellerin Kenntnis von der Beschaffenheit der in den freien Verkehr überführten Waren hatte. Ob die Antragstellerin zudem im Sinne von § 21 Abs. 2 Nr. 2 TabStG als an der unrechtmäßigen Einfuhr beteiligt anzusehen ist, da sie der Firma E GbR den Auftrag erteilt hat, die Waren aus der Freizone heraus zur Firma F GmbH zu transportieren, lässt der Senat offen.

23

Die Tabaksteuer ist auch nicht erloschen. Gemäß § 21 Abs. 3 S. 1 TabStG gilt Art. 233 S. 1 lit. d) Zollkodex, der das Erlöschen durch Einziehung regelt, nicht für die Tabaksteuer. Abgesehen davon liegt, wie bereits dargelegt wurde, ein Erlöschen nach Art. 233 S. 1 lit. d) Zollkodex ohnehin nicht vor.

24

Aus den bereits dargelegten Gründen hat der Senat auch keine Bedenken hinsichtlich der Auswahl der Antragstellerin als Gesamtschuldnerin (§ 44 AO).

25

c.
Gegen die Höhe der festgesetzten Steuern wendet sich die Antragstellerin nicht. Auch dem Senat drängen sich insoweit keine Bedenken auf, so dass es weiterer Ausführungen hierzu nicht bedarf.

26

2.
Die Nebenentscheidungen beruhen auf §§ 135 Abs. 1, 128 Abs. 3 i. V. m. 115 Abs. 2 FGO.

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