Beschluss vom Finanzgericht Hamburg (3. Senat) - 3 V 279/16

Tatbestand

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I. 1. Mit Pfändungs- und Einziehungsverfügungen vom 15.11.2016 pfändete der Antragsgegner (das Finanzamt -FA-) wegen Abgabenrückständen in Höhe von ... € alle dem Antragsteller gegenwärtig und künftig gegen die A AG und die Bank B AG zustehenden Ansprüche, Forderungen und Rechte aus den dort geführten Konten. Zugleich wurde jeweils die Einziehung der gepfändeten Ansprüche in Höhe des geschuldeten Gesamtbetrags angeordnet (...).

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2. Die Abgabenrückstände setzten sich aus folgenden Beträgen zusammen:

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Säumniszuschläge (SZ) zur Einkommensteuer (ESt) 2010  

... €

SZ zum Solidaritätszuschlag (Soli) 2010

... €

SZ zur ESt 4. Quartal 2011

 ... €

SZ zum Soli 4. Quartal 2011

... €

ESt 2013

... €

SZ zur ESt 2013

... €

Zinsen zur ESt 2013

... €

Soli 2013

... €

SZ zum Soli 2013

... €

Vollstreckungskosten

... €

Summe:

... €

(davon SZ:        

... €

zzgl. Pfändungsgebühren und Auslagen

... €

Gesamtbetrag

... €

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3. Die SZ für 2010 und 2011 haben folgende Entstehungsgeschichte:

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a) SZ zur ESt und zum Soli 2010:

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In ihrer am 28.11.2011 eingereichten Einkommensteuererklärung für 2010 erklärten der Antragsteller und seine Ehefrau neben geringfügigen Verlusten des Antragstellers aus gewerblichem Grundstückshandel und Vermittlungen Einkünfte des Antragstellers aus seiner selbständigen Tätigkeit als ... in Höhe von ... €, aus nichtselbständiger Tätigkeit in Höhe von ... € und aus Vermietung und Verpachtung in Höhe von insgesamt ... € sowie Einkünfte der Ehefrau aus Vermietung und Verpachtung in Höhe von ... €. Mit Einkommensteuerbescheid für 2010 vom 15.11.2012 setzte das FA unter Berücksichtigung eines Verlustvortrags in Höhe von ... € die Einkommensteuer für 2010 auf 0,00 € fest. Den verbleibenden Verlustvortrag auf den 31.12.2010 stellte das FA mit Bescheid vom 15.11.2012 auf ... € fest. Mit Änderungsbescheiden vom 17.01.2013 verringerte das FA aufgrund des Einspruchs des Antragstellers und seiner Ehefrau vom 18.12.2012 die steuerpflichtigen Einkünfte der Ehefrau und setzte die Einkommensteuer für 2010 nunmehr unter Berücksichtigung eines Verlustvortrags in Höhe von ... mit 0,00 € fest und stellte den verbleibenden Verlustvortrag auf den 31.12.2010 entsprechend höher mit ... € fest.

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Mit Änderungsbescheid vom 04.09.2013 setzte das FA die Einkommensteuer für 2010 auf ... € herauf und daneben ... € Zinsen, ... € Soli und ... € Kirchensteuer fest. Diese Beträge wurden zum 09.10.2013 fällig gestellt. Der Antragsteller zahlte nicht, so dass in der Folgezeit Säumniszuschläge entstanden. Aufgrund eines Verlustrücktrags aus 2011 wurde die Einkommensteuer für 2010 mit Bescheid vom 12.05.2015 wieder auf 0,00 € herabgesetzt.

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b) SZ zur ESt und zum Soli 4. Quartal 2011

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Im Einkommensteuerbescheid für 2010 vom 15.11.2012 setzte das FA nachträgliche Vorauszahlungen für 2011 in Höhe von ... € zzgl. Soli und Kirchensteuer fest. Der Einkommensteuerbescheid für 2010 ist dem Antragsteller und seiner Ehefrau bekanntgegeben worden. Sie haben am 18.12.2012 gegen den Einkommensteuerbescheid Einspruch eingelegt. Der Antragsteller zahlte die festgesetzte Vorauszahlung nicht, so dass in der Folgezeit Säumniszuschläge entstanden.

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Nachdem der Antragsteller am 28.01.2013 die "vorläufige" Einkommensteuererklärung für 2012 dem FA übersandt hatte, in der er lediglich einen Gewinn aus selbständiger Tätigkeit als ... in Höhe von ... € und keine weiteren Einkünfte erklärt hatte, bat das FA den Antragsteller am 30.01.2013 um Angaben zu den Einkünften aus Gewerbebetrieb, aus nichtselbständiger Arbeit sowie aus Vermietung und Verpachtung. Sofern sich gegenüber dem Kalenderjahr 2010 insoweit keine wesentlichen Änderungen ergeben hätten, bat das FA um entsprechende Mitteilung.

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Am 04.08.2014 reichten der Antragsteller und seine Ehefrau die Einkommensteuererklärung für 2011 ein. Darin erklärten sie Einkünfte des Antragstellers in Höhe von insgesamt ... € sowie Verluste der Ehefrau in Höhe von insgesamt ... €. Mit Bescheid vom 12.01.2015 setzte das FA die Vorauszahlungen für 2011 auf 0,00 € herab. Mit Bescheid vom 12.05.2015 setzte das FA die Einkommensteuer für 2011 auf 0,00 € fest.

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4. Mit Schreiben vom 25.05.2015 und vom 28.05.2015 beantragte der Antragsteller den Erlass der Säumniszuschläge zur ESt/zum Soli für 2010 und zur ESt/zum Soli für das 4. Quartal 2011 und führte zur Begründung u. a. aus, die Säumniszuschläge für 2011 seien nur deshalb entstanden, weil das FA die Vorauszahlungen erst so spät herabgesetzt habe, obwohl ihm schon frühzeitig bekannt gewesen sei, dass die Schätzung zu hoch gewesen sei. Das FA erließ am 09.06.2015 die Säumniszuschläge für die ESt/den Soli für das 4. Quartal 2011, die nach dem 04.08.2014 (Eingang der Einkommensteuererklärung für 2011 beim FA) entstanden waren, und lehnte einen weitergehenden Erlass mit der Begründung ab, dass der Antragsteller erstmalig mit der Abgabe der Einkommensteuererklärung für 2011 Angaben zu den Besteuerungsgrundlagen für 2011 gemacht habe. Dass der Antragsteller bereits zuvor Einwendungen gegen die nachträglichen Vorauszahlungen für 2011 vorgebracht und Angaben über die Höhe der Einkünfte in 2011 gemacht habe, sei aus den Akten nicht ersichtlich.

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Durch diesen Teilerlass reduzierten sich die SZ zur ESt 4. Quartal 2011 von ... € auf ... € und die SZ zum Soli 4. Quartal 2011 von ... € auf ... €.

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Gegen die weitergehende Ablehnung des Erlassantrags legte der Antragsteller am 26.06.2015 Einspruch ein und beantragte, die Säumniszuschläge für 2010 und 2011 vollständig zu erlassen. Das FA teilte dem Antragsteller daraufhin am 01.07.2015 mit, dass der Einspruch von der Veranlagungsdienststelle bearbeitet werde, dass es ihm, dem Antragsteller, jedoch freistehe, bezüglich der Säumniszuschläge jederzeit einen weiteren Erlassantrag zu stellen, sofern er diesen mit seiner Zahlungsunfähigkeit begründen und die Zahlungsunfähigkeit nachweisen könne. Für diesen Fall käme ein Erlass von 50% der Säumniszuschläge in Betracht.

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5. Am 17.11.2016 überwies der Antragsteller einen Betrag in Höhe von ... € an das FA auf die rückständige ESt 2013 nebst Zinsen, Soli und Kirchensteuer (...). Am 21.11.2016 überwies die Bank B aufgrund der Pfändungs- und Einziehungsverfügung vom 15.11.2016 einen Betrag in Höhe von ... € an das FA (...), so dass insgesamt ... € - und damit ... € mehr als der Pfändungsbetrag - gezahlt wurden.

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6. Am 18.11.2016 hat der Antragsteller "Rechtsschutz gem. § 69 FGO [Finanzgerichtsordnung] und Erlass einer einstweiligen Anordnung betreffend Aussetzung der Vollziehung nach § 114 FGO" beantragt (...). Zur Begründung trägt er vor, das FA habe rechtswidrig und hinterhältig seine Konten bei der A und der Bank B gepfändet und dadurch massiv die Existenz seiner Familie gefährdet. Einen Betrag in Höhe von ... € für ESt 2013 nebst Zinsen, Soli, Kirchensteuer und Säumniszuschläge habe er am 17.11.2016 überwiesen. Bei der restlichen Forderung über ... € (SZ zur ESt 2010, SZ zum Soli 2010, SZ zur ESt 4. Quartal 2011 und SZ zum Soli 4. Quartal 2011) handele es sich jedoch um "Luftforderungen". Die Säumniszuschläge seien willkürlich festgesetzt worden.

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Durch die Mahnung vom 10.01.2013 habe er, der Antragsteller, erstmalig von der Schätzung der Einkommensteuer nebst Soli und Kirchensteuer für das 4. Quartal 2011 in Höhe von insgesamt ... € erfahren (...). Mit Schreiben vom 11.01.2013 habe er dagegen Einspruch eingelegt und Aussetzung der Vollziehung (AdV) beantragt (...). Am 30.01.2013 habe er dem FA telefonisch und auch schriftlich mitgeteilt, dass seine Einkünfte aus Gewerbebetrieb, nichtselbständiger Arbeit und aus Vermietung und Verpachtung in 2011 und 2012 denen in 2010 entsprächen, so dass "von einem zu versteuernden Einkommen von -... € auszugehen" sei (...). Gleichwohl seien die Vorauszahlungen zur Einkommensteuer für 2011 erst mit Bescheid vom 12.01.2015 auf 0,00 € herabgesetzt worden.

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Der Antragsteller beantragt sinngemäß,
im einstweiligen Rechtsschutz den vom FA gepfändeten und eingezogenen Betrag in Höhe von ... € zurückzuzahlen.

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Das FA beantragt,
den Antrag abzulehnen.

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Zur Begründung führt es aus, der Antrag sei jedenfalls unbegründet. Mit Einkommensteuerbescheid für 2010 vom 15.11.2012 seien nachträgliche Vorauszahlungen für 2011 in Höhe von ... € zzgl. Soli und Kirchensteuer festgesetzt worden. Diese Festsetzung sei auf der Grundlage der für 2010 erklärten Einkünfte vorgenommen worden. Dagegen sei weder Einspruch eingelegt noch sei ein Herabsetzungsantrag gestellt worden. Erst mit Einreichung der Einkommensteuererklärung für 2011 am 04.08.2014 habe der Antragsteller Angaben zu seinen Einkünften in 2011 gemacht. Das Schreiben des Antragstellers vom 11.01.2013 befinde sich erst seit dem 26.05.2015 in den Akten des FA. An diesem Tag habe der Antragsteller dem FA ein Konvolut von Dokumenten übergeben (...). Das Schreiben des Antragstellers vom 30.01.2013 sei in den Akten des FA nicht auffindbar.

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Dem Antragsteller sei im Rahmen einer umfangreichen Korrespondenz und bei persönlichen Gesprächen an Amtsstelle erläutert worden, dass § 240 Abs. 1 Satz 4 Abgabenordnung (AO) vorsehe, dass Säumniszuschläge auch dann erhalten blieben, wenn die Steuerfestsetzung aufgehoben oder geändert werde. Lediglich ein Erlass von Säumniszuschlägen aus Billigkeitsgründen in Höhe von bis zu 50% sei bei Zahlungsunfähigkeit möglich. Die Zahlungsunfähigkeit müsse allerdings vom Antragsteller nachgewiesen werden, was er bislang nicht getan habe.

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7. Dem Gericht haben 4 Bd. Einkommensteuerakten, 1 Bd. Rechtsbehelfsakte sowie 1 Bd. Vollstreckungsakte (St.-Nr. .../.../...) vorgelegen.

Entscheidungsgründe

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II. 1. Der Antrag des Antragstellers hat keinen Erfolg.

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Der Antrag wird als Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung im Sinne des § 114 Abs. 1 Satz 2 FGO ausgelegt, da allein dieser statthaft ist. Der Antrag ist aber unbegründet.

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a) Mit der Zahlung der gepfändeten Forderung durch den Antragsteller und durch den Drittschuldner an das FA als Pfändungsgläubiger ist die gepfändete Forderung eingezogen (§ 314 AO), der Pfandgegenstand mithin verwertet und die Vollstreckung beendet. Eingelegte Rechtsbehelfe werden unzulässig, weil sich die Pfändungs- und Einziehungsverfügung mit ihrer Verwirklichung erledigt hat; aus demselben Grund kann eine Anfechtungsklage gegen die Pfändung nicht mehr zulässigerweise erhoben werden (BFH-Beschluss vom 11.04.2001 VII B 304/00, BFHE 194, 338, BStBl II 2001, 525). Einstweiliger Rechtsschutz kann dann nur noch im Wege der einstweiligen Anordnung gewährt werden (Loose in Tipke/Kruse, AO/FGO, § 309 AO Rn. 56, Kögel in Beermann/Gosch, AO/FGO, § 309 AO Rn. 146, a. A. Beschluss des FG München vom 14.11.2008 14 V 3293/08, Juris).

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b) aa) Gemäß § 114 Abs. 1 Satz 2 FGO kann das Gericht auf Antrag eine einstweilige Anordnung zur Regelung eines vorläufigen Zustandes in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis treffen, wenn die Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile, zur Verhinderung drohender Gewalt oder aus anderen Gründen nötig erscheint (sog. Regelungsanordnung). Voraussetzung für einen erfolgreichen Antrag ist, dass der Antragsteller einen Grund für die zu treffende Regelung (sog. Anordnungsgrund) und den Anspruch, aus dem er sein Begehren herleitet (sog. Anordnungsanspruch), schlüssig dargelegt und deren tatsächliche Voraussetzungen glaubhaft gemacht hat. Fehlt es an einer der beiden Voraussetzungen, kann die einstweilige Anordnung nicht ergehen (§ 114 Abs. 3 FGO i. V. m. § 920 Abs. 2 der Zivilprozessordnung -ZPO-; BFH-Beschluss vom 24.05.2016 V B 123/15, BFH/NV 2016, 1253).

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Da die einstweilige Anordnung vorläufigen Rechtsschutz gewährleistet und damit das Gericht keine endgültige Regelung treffen darf, kann die Erstattung einer Steuerzahlung grundsätzlich nicht angeordnet werden. In Anlehnung an die von den Zivilgerichten anerkannte Leistungsverfügung in den Fällen, in denen der Gläubiger auf die sofortige Erfüllung dringend angewiesen ist, kann das Finanzgericht aber im Wege der einstweiligen Anordnung die vorläufige Erstattung anordnen (vgl. Loose in Tipke/Kruse AO/FGO, § 114 FGO Rn. 40; Vollkommer in Zöller, ZPO, § 940 Rn. 6).

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Da bei einer Leistungsverfügung die Hauptsache im Ergebnis vorweggenommen wird, sind an das Vorliegen eines Anordnungsgrundes strenge Anforderungen zu stellen. Das bedeutet, dass die besonderen Voraussetzung darzulegen sind und glaubhaft zu machen ist, dass der Gläubiger auf die sofortige Erfüllung der Forderung dringend angewiesen ist. Das ist insbesondere bei extremen Notlagen oder Existenzgefährdung der Fall (OLG Köln Beschluss vom 20.12.2012 I-9 W 83/12, 9 W 83/12 5 W 99/04, VersR 2013, 1258; Vollkommer in Zöller, ZPO, § 940 Rn. 6). Das Abwarten eines ordentlichen Verfahrens muss ausnahmsweise in besonderem Maße unzumutbar sein, weil ein irreparabler Schaden droht. Es müssten nicht rückgängig zu machende Fakten geschaffen werden, dass der Verweis auf das ordentliche Verfahren einer Rechtsverweigerung gleichkäme (OLG Köln Urteil vom 01.09.2004 5 W 99/04, MDR 2005, 290).

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bb) Danach hat der Antragsteller weder einen Anordnungsanspruch noch einen Anordnungsgrund hinreichend glaubhaft gemacht.

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aaa) Ein Anordnungsanspruch im Sinne des § 114 Abs. 1 Satz 2 FGO kann der Anspruch nach § 227 AO auf Erlass der gepfändeten und eingezogenen Steuerforderung sein, sofern mit gewisser Wahrscheinlichkeit mit diesem zu rechnen ist und dem Antragsteller unangemessene Nachteile drohen würden, wenn er die beantragte Erlassentscheidung abwarten müsste (vgl. BFH-Beschluss vom 15.01.2003 V S 17/02, BFH/NV 2003, 738 zur einstweiligen Einstellung von Vollstreckungsmaßnahmen nach beantragtem Erlass).

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Der Antragsteller kann keinen Anspruch auf Erlass der streitigen Säumniszuschläge geltend machen. Die hier in Rede stehenden Säumniszuschläge sind, weil der Antragsteller die wirksam festgesetzten Vorauszahlungen für 2011 bzw. die wirksam festgesetzte Einkommensteuer für 2010 inkl. Nebenleistungen bei Fälligkeit nicht bezahlt hatte, kraft Gesetzes entstanden (§ 240 Abs. 1 AO). Es ist von dem Antragsteller weder vorgetragen noch sonst ersichtlich, dass die Säumniszuschläge zum Nachteil des Antragstellers unzutreffend der Höhe nach berechnet worden wären. Damit kommt bezüglich der Säumniszuschläge nur ein Erlass gem. § 227 AO in Betracht, den der Antragsteller auch beantragt hat. Nachdem das FA aufgrund dieses Antrags einen Teil der SZ erlassen und den Antrag im Übrigen abgelehnt hatte, hat das FA bislang nicht über den dagegen gerichteten Einspruch entschieden.

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Im Streitfall ist bei summarischer Prüfung ein Erfolg des Erlassantrags nicht wahrscheinlich. Aus dem Vorbringen des Antragstellers ergibt sich nicht, dass das FA am 09.06.2015 den über den bewilligten Teilerlass hinaus begehrten Erlass trotz Unbilligkeit bzw. aus sonstigen Gründen ermessensfehlerhaft abgelehnt hätte und der Antragsteller unter den gegebenen Umständen bei erneuter Ermessensausübung einen Rechtsanspruch darauf hätte, dass ihm ein solcher Erlass zu gewähren wäre.

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(1) Das FA hat das Vorliegen einer sachlichen Unbilligkeit verneint, obwohl die fälligen Vorauszahlungs- und Steuerbeträge schlussendlich auf 0,00 € herabgesetzt worden sind. Diese Entscheidung des FA ist nicht zu beanstanden. Denn nach der klaren Entscheidung des Gesetzgebers in § 240 Abs. 1 Satz 4 AO bleiben die bis dahin verwirkten Säumniszuschläge unberührt, wenn die Festsetzung einer Steuer aufgehoben, geändert oder berichtigt wird. Selbst wenn der Antragsteller - wie von ihm vorgetragen - am 11.01.2013 gegen die Vorauszahlungen für 2011 Einspruch eingelegt und AdV beantragt hätte, wären die Säumniszuschläge für 2011 bis zur Herabsetzung der Vorauszahlungen weiter entstanden. Denn gem. § 361 Abs. 1 AO hat die Einlegung des Einspruchs keine aufschiebende Wirkung, so dass die festgesetzten Steuern trotz Einspruchseinlegung so lange fällig blieben, bis entweder die mit dem Einspruch angefochtenen Bescheide geändert worden sind oder deren Vollziehung durch den Beklagten oder das Gericht ausgesetzt worden wären (§ 361 Abs. 2 AO, § 69 Abs. 3 FGO).

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Dass der Antragsteller dem FA bereits vor der Einreichung der Einkommensteuererklärung für 2011 am 04.08.2014 konkrete Angaben über die Besteuerungsgrundlagen in 2011 gemacht hätte, so dass er einen Anspruch auf Herabsetzung der Vorauszahlungen für 2011 schon zuvor gehabt hätte, ergibt sich weder aus dem Inhalt der dem Gericht vorliegenden Akten noch aus dem Vortrag des Antragstellers. Zwar hat der Antragsteller vorgetragen, er habe am 30.01.2013 dem FA telefonisch und schriftlich mitgeteilt, dass die Einkünfte in 2011 ähnlich wie in 2010 seien und daher von einem zu versteuernden Einkommen in Höhe von ca. -... € auszugehen sei. Ob das entsprechende Schreiben vom 30.01.2013 tatsächlich an das FA übersandt und dort eingegangen ist und ob ein Telefonat mit einem derartigen Inhalt stattgefunden hat, lässt sich anhand des vorliegenden Akteninhalts nicht feststellen. Selbst wenn man davon ausgeht, dass der Antragsteller dem FA gegenüber am 30.01.2013 entsprechende Angaben gemacht hat, genügt dies nicht, um ab dem 30.01.2013 einen Anspruch des Antragstellers auf Herabsetzung der Vorauszahlungen und damit eine sachliche Unbilligkeit bezüglich der Säumniszuschläge für 2011 annehmen zu können. Die - nicht näher erläuterte - Bezifferung des zu versteuernden Einkommens mit "-... €" ließ sich nämlich nicht nachvollziehen. Das zu versteuernden Einkommen in 2010 betrug laut Einkommensteuerbescheid vom 17.01.2013 -... € unter Berücksichtigung eines Verlustvortrags in Höhe von ... €. Für 2011 stand demgegenüber nur noch ein Verlustvortrag von ca. ... € zur Verfügung.

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(2) Der Antragsteller hat gegenüber dem FA keine Zahlungsunfähigkeit dargelegt und nachgewiesen. Das FA hat den Antragsteller mit Schreiben vom 01.07.2015 darauf hingewiesen, dass ein (Teil-)Erlass von 50% bei Zahlungsunfähigkeit möglich sei, und ihm die Gelegenheit gegeben, seinen Erlassantrag zu erneuern und die erforderlichen Nachweise beizufügen. Dies hat der Antragsteller nicht getan. Insoweit ist es nicht zu beanstanden, dass das FA eine sachliche Unbilligkeit wegen Zahlungsunfähigkeit nicht angenommen hat.

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(3) Schließlich ist es nicht zu beanstanden, dass das FA keine persönliche Unbilligkeit angenommen hat. Persönliche Unbilligkeit ist gegeben, wenn die Steuererhebung die wirtschaftliche oder persönliche Existenz des Steuerpflichtigen vernichten oder ernstlich gefährden würde. Das ist der Fall, wenn ohne Billigkeitsmaßnahmen der notwendige Lebensunterhalt vorübergehend oder dauernd nicht mehr bestritten werden kann (BFH-Beschluss vom 31.01.2002 VII B 312/00 BFH/NV 2002, 889). Insoweit hat der Antragsteller nichts vorgetragen.

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bbb) Darüber hinaus fehlt auch ein Anordnungsgrund. Der Antragsteller hat weder dargelegt noch glaubhaft gemacht, dass seine wirtschaftliche und persönliche Existenz durch die Kontopfändung derart stark bedroht ist, dass er auf die sofortige Rückerstattung dringend angewiesen ist.

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2. Die Nebenentscheidungen beruhen auf § 135 Abs. 1 und § 128 Abs. 3 FGO.

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