Urteil vom Finanzgericht Hamburg (2. Senat) - 2 K 14/16
Tatbestand
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Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob ein sogenanntes Kartenpfand für den Erwerb einer elektronischen Zahlungskarte eine steuerbare und steuerpflichtige Leistung im Sinne des Umsatzsteuergesetzes (UStG) darstellt.
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Die Klägerin ist eine Aktiengesellschaft, deren Unternehmensgegenstand die Entwicklung und der Vertrieb von bargeldlosen Zahlungsmöglichkeiten im Soft- und Hardwarebereich ist. .... Die Klägerin ist Organträgerin der ... GmbH (im Folgenden A), die in den Streitjahren 2008 bis 2013 den Besuchern von Fußballstadien elektronische Zahlungskarten (im Folgenden E-Karten) zur bargeldlosen Bezahlung von Speisen und Getränken in Stadien überließ.
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Die Allgemeinen Geschäftsbedingungen der A für die Nutzung der E-Karte treffen im Einzelnen folgende Regelung:
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"§ 1 Vertragsbeziehungen
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(1) Mit dem Bezug der E-Karte kommt ein Vertrag zwischen dem Kartenaussteller und dem Karteninhaber über die Nutzung der E-Karte als Zahlungssystem gemäß den nachfolgenden Bedingungen zustande.
....
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§ 3 Erwerb
(1)...
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(2) Der Karteninhaber erwirbt kein Eigentum an der E-Karte. Die E-Karte berechtigt lediglich zur Verfügung über das Kartenguthaben.
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(3) Die E-Karte wird grundsätzlich gegen ein Pfand zur Nutzung überlassen. Der Kartenaussteller kann bei der Ausgabe von bestimmten Karteneditionen (z.B. Dauerkarten mit Bezahlfunktion) auf die Erhebung eines Pfandes verzichten. Eine Erstattung des Pfandes ist ausgeschlossen bei einem Verlust der E-Karte, bei einer Beschädigung der Karte oder nach Ablauf der Rücktauschfrist des § 6 (3).
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(4) Die E-Karte hat grundsätzlich einen Mindestausgabewert von 10 € Verzehrguthaben sowie ggf. Pfand). Eine Änderung des Mindestausgabewertes ist möglich.
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§ 5 Gültigkeitsdauer
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Die E-Karte kann ab Erwerb ein Jahr und einen Tag für die Bezahlung bei den angeschlossenen Akzeptanzstellen verwendet werden.
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§ 6 Rücktausch
....
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(3) Nach Ablauf der Gültigkeitsdauer kann der Karteninhaber den Rücktausch eines etwaigen Kartenguthabens innerhalb von 2 Jahren verlangen. Der Anspruch auf Rücktausch eines etwaigen Kartenguthabens verjährt nach 2 Jahren. Die Verjährung beginnt mit dem Ablauf der Gültigkeitsdauer des § 5.
...
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(5) Ein Rücktausch erfolgt gegen Rückgabe der E-Karte. Im Falle einer Beschädigung des Speichers bzw. der aufgebrachten eindeutigen Karten-ID der E-Karte durch unsachgemäßen Gebrauch (z.B. Lochen der Karte, Kartenbruch) ist ein Rücktausch ausgeschlossen, außer der Karteninhaber weist ein noch bestehendes Kartenguthaben nach. Die Erstattung des Kartenpfands ist in diesem Fall jedoch ausgeschlossen.
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Nach dem Preis- und Leistungsverzeichnis der A beträgt das Kartenpfand 2 €.
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Die A erhielt bzw. erhält aufgrund von Vereinbarungen mit den Stadionbetreibern bzw. Catering-Unternehmen Provisionen, die bemessen werden nach den mit der Zahlungskarte bezahlten Umsätzen oder an festen Größen wie Zuschauerzahlen. Dafür bietet sie einen umfassenden Service für den Kartenzahlungsverkehr an, in dem sie den Caterern Kartenlesegeräte zur Verfügung stellt und im Stadion mit eigenem Personal den Vertrieb, die Aufladung und die Rückgabemöglichkeit der Zahlungskarten organisiert. Die Einnahmen aus dem Kartenpfand einer Veranstaltung erfasst die A jeweils in einem Saldo, d. h. das am Ende der Veranstaltung erstattete Kartenpfand wird nicht gesondert erfasst, sondern mit den Einnahmen verrechnet. Die Erlöse aus dem Kartenpfand wurden in der Buchführung zu 80 % als Erlöse und zu 20 % als Verbindlichkeiten erfasst. Die so erfassten Verbindlichkeiten werden im Folgejahr bilanziell erneut bewertet, 10 % werden in "Erlöse Pfand" umgebucht, die restlichen 10 % werden in die Rückstellungen eingestellt. Nach weiteren zwei Jahren werden auch die restlichen 10 % aus den Rückstellungen als Erlöse erfasst.
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Die Einnahmen aus dem Kartenpfand behandelte die Klägerin in den Streitjahren als umsatzsteuerfrei. Die Provisionseinnahmen wurden der Umsatzsteuer unterworfen. Zusätzlich wurden in geringem Umfang (abgelaufene) Zahlkarten als Sammelobjekt über eine Webseite zum Preis von 1,50 € veräußert. Auch auf diese Umsätze wurde Umsatzsteuer abgeführt. Ferner erzielte die A umsatzsteuerfreie Erlöse aus den nicht verbrauchten und nach Zeitablauf nicht mehr rückerstattungspflichtigen Kartenguthaben.
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2014 fand bei der Klägerin eine Außenprüfung für die Jahre 2007 bis 2012 statt. Der Betriebsprüfer kam zu dem Ergebnis, dass es sich bei den Pfanderlösen um steuerpflichtiges Entgelt handle, dass dem Regelsteuersatz unterliege. Daraus ergebe sich eine Erhöhung von Lieferungen und sonstigen Leistungen zu 19 %
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in 2008
um
... €,
in 2009
um
... €,
in 2010
um
... €,
in 2011
um
... €,
in 2012
um
... €.
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Der Beklagte folgte der Würdigung der Betriebsprüfung und setzte mit Bescheiden vom 10.09.2014 die Umsatzsteuer für 2008 auf - ... €, für 2009 auf - ... €, für 2010 auf - ... € und für 2011 auf - ... € fest. Mit Umsatzsteuerbescheid vom 22.04.2015 setzte der Beklagte die Umsatzsteuer für 2012 auf - ... € fest. Der Vorbehalt der Nachprüfung wurde jeweils aufgehoben. Auch 2013 erhöhte der Beklagte die angemeldeten Umsätze um die Erlöse aus Pfandeinnahmen in Höhe von ... € und setzte die Umsatzsteuer mit Bescheid vom 22.04.2015 auf - ... € fest.
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Gegen diese Bescheide legte die Klägerin jeweils fristgemäß Einspruch bei dem damals noch zuständigen Finanzamt B ein. Mit Einspruchsentscheidung vom 14.12.2015 wies der Beklagte die Einsprüche als unbegründet zurück.
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Gegen diese Entscheidung hat die Klägerin am 15.01.2016 Klage erhoben. Zur Begründung trägt sie vor, dass die streitbefangenen Bescheide rechtswidrig seien. Die E-Karte werde zu einem Mindestausgabebetrag von 10 € ausgegeben, der sich aus 8 € Kartenguthaben und 2 € Pfand zusammensetze. Die Verbuchung der Pfandgelder zu 80 % als Erlöse und Auflösung der Verbindlichkeit bzw. Rückstellung in den Folgejahren beruhe auf Erfahrungswerten und stelle eine übliche Vorgehensweise dar, wie sie z. B. auch bei Pfandflaschen vorgenommen werde. Darin liege kein Indiz für eine eigenständige umsatzsteuerliche Lieferung. In welchem Umfang tatsächlich Zahlungskarten gegen Einlösung des Pfandes zurückgegeben würden, sei nicht bekannt.
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Die Hingabe von Bargeld gegen Erhalt der Zahlungskarte sei ein nicht steuerbarer Austausch von Zahlungsmitteln, die Überlassung der Karte stelle dabei eine Nebenleistung dar. Die Zahlungskarte sei nur das Medium für den Transport und die Nutzung des elektronischen Geldes. Dem stehe nicht entgegen, dass für die Nebenleistung ein besonderes Entgelt entrichtet werde, denn dies trete angesichts des Rückzahlungsanspruchs des Kunden, der Herstellungskosten und der mit dem Zahlungssystem einhergehenden Erlöse der A wirtschaftlich in den Hintergrund. Die Karte stelle lediglich ein zweckgerichtetes Mittel dar, um die Hauptleistung in Anspruch zu nehmen. Der vom Beklagten vorgenommene Vergleich mit Transporthilfsmitteln oder Warenumschließungen passe schon deshalb nicht, weil kein Zusammenhang mit einer Lieferung von Gegenständen bestehe. Im Übrigen würde bei den vereinzelt noch von Mobilfunkanbietern abgegebenen Prepaid-Karten kein Anteil für die Lieferung der Karte abgezogen und der Umsatzsteuer unterworfen, obwohl auch in diesen Fällen der Käufer beliebig über die Karte verfügen könne. Vielmehr gehe die Finanzverwaltung in diesen Fällen bei dem Verkauf der Karte von einer einheitlichen Leistung aus, die in einem nicht steuerbaren Bargeldtausch bestehe. Das Interesse des Kartenerwerbers sei darauf gerichtet, die mit Hilfe der auf der Karte befindlichen Information Dienstleistungen in Anspruch zu nehmen. Entsprechendes gelte bei Geschenkgutscheinen in Form von elektronischen Zahlkarten. Allein die Tatsache, dass Pfand als Nebenleistung zum Bargeldaustausch berechnet werde, führe nicht zu einer eigenständigen Lieferung der Zahlungskarte. Zudem seien Geschenkgutscheinkarten ebenfalls regelmäßig mit Motiven bedruckt. Die Bedruckung der E-Karten sei in erster Linie auf Wunsch der Vereine erfolgt, um so die Karte attraktiver zu machen und den bargeldlosen Zahlungsverkehr im Stadion zu fördern. Daran habe auch der jeweilige Verein, der von den Catering-Betrieben ebenfalls Provisionen erhalte, ein Interesse gehabt, denn durch die Zahlungskarte würden die Absatzgeschwindigkeit und damit die Umsatzerlöse erheblich gesteigert.
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Die Laufzeit der Karten sei auf ein Jahr begrenzt worden, um sie jeweils mit der neuesten Sicherheitstechnik ausstatten zu können und weil sie einer starken Nutzung unterlägen und nur durch Austausch eine fortlaufend technisch einwandfreie Funktion gewährleistet werden könne. Darüber hinaus forderten die Vereine, dass bei gewissen Motiven (z. B. Spieler, Trainer, Spielszenen) umgehend auf Änderungen reagiert werde. Im Übrigen würde es regelmäßig nicht beanstandet, wenn Karteninhaber in der Folgesaison noch die abgelaufene Karte weiterbenutzten, sofern diese technisch einwandfrei funktioniere und noch aufladbar sei.
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Soweit die A Zahlungskarten als Sammelobjekt veräußert habe, seien diese Einnahmen der Umsatzsteuer unterworfen worden. Aus diesem Verkauf könne jedoch nicht der Schluss gezogen werden, dass die aktiv genutzten Zahlungskarten von vornherein als Sammelobjekte verkauft würden. Beim Erwerb würden die Kunden an der Nutzung der Zahlungsfunktion Interesse haben, da in den meisten Stadien, die die E-Karten eingeführt hätten, ein Verkauf von Getränken und Essen gegen Bargeld nicht mehr erfolge. Ein möglicher Sammelwert trete eindeutig in den Hintergrund. Vielmehr müsse festgestellt werden, dass sich ein - zunächst durchaus erhofftes - Sammelinteresse an den Zahlungskarten nicht entwickelt habe. Die anfängliche Geschäftsidee, die Karten auch als Sammeleditionen oder Sammelkarten verkaufen zu können, habe sich nach kurzer Zeit als nicht erfolgsträchtig erwiesen. Es seien damit nur geringe Umsätze erzielt worden. Der Online-Shop sei eingestellt worden.
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Ginge man hingegen von einer Lieferung oder sonstigen Leistung durch die Überlassung der Karte für 2 € aus, so liege eine nicht umsatzsteuerbare pauschalierte Schadensersatzleistung vor. Dem stehe nicht entgegen, dass die Herstellungskosten für die Karte lediglich bei 0,97 € bzw. 1,29 € lägen. Denn die Höhe der Herstellungskosten sei nur ein Bestandteil des für vertragswidriges Verhalten zu ersetzenden Schadens bzw. positiven Interesses. Sie bestreite, dass die A kein Interesse an einer Rückgabe der Karten habe bzw. eine solche Rückgabe durch Kunden regelmäßig nicht stattfinde. Seit Beendigung des Kartenzahlungsservices beim Fußballverein C mit Wirkung vom Juli 2014 seien ca. 26.000 Karten von Kunden zurückgegeben worden und seit Beendigung der Zusammenarbeit mit D im Mai 2015 etwa 60.000 Karten. Auch ohne eine vertragliche Abrede stelle das Pfand einen auflösend bedingten Schadensersatz dar (§ 990 Abs. 1 S. 2 des Bürgerlichen Gesetzbuches - BGB), denn so werde sichergestellt, dass die Kosten für die Karte (Herstellung u. ä.) gedeckt seien, wenn die Karte nach Ablauf der Gültigkeit nicht zurückgegeben werde.
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Zudem sei von einem steuerbefreiten Leistungsaustausch nach § 4 Nr. 8 Buchst. d UStG auszugehen. Zu den steuerfreien Leistungen im kartengesteuerten Zahlungsverkehr gehörten auch die Ausgabe einer Zahlungskarte mit oder ohne Geldkartenfunktion und die Möglichkeit der Aufladung sowie der "Tausch" in elektronisches Geld. Die bei Ausgabe der Karte berechnete Gebühr wäre Entgelt für eine steuerfreie Leistung.
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Die Klägerin beantragt,
die Umsatzsteuerbescheide für 2008 bis 2011 vom 10.09.2014 und die Umsatzsteuerbescheide für 2012 und 2013 vom 22.04.2015 sowie die Einspruchsentscheidung vom 14.12.2015 in der Weise zu ändern, dass sonstige Leistungen in
2008 in Höhe von ... €,
2009 in Höhe von ... €,
2010 in Höhe von ... €,
2011 in Höhe von ... €,
2012 in Höhe von ... € und
2013 in Höhe von ... €
nicht als steuerpflichtig berücksichtigt und die Umsatzsteuer niedriger festgesetzt wird.
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Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
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Der Beklagte vertritt weiterhin die Auffassung, dass die angefochtenen Bescheide rechtmäßig seien. Entgegen der Auffassung der Klägerin könnten die Pfanderlöse nicht als echte Schadensersatzleistungen bewertet werden. Nach dem tatsächlich verwirklichten Sachverhalt fehle es an einem durch die Kartenerwerber verursachten, schädigenden Ereignis. Nach dem Vortrag der Klägerin werde der Betrag von 2 € vorab für den Fall erhoben, dass der Kunde die Karte nicht zurückgebe. Eine Rückgabeverpflichtung, aus der er in Anspruch genommen werden könnte, gebe es aber nicht, so dass auch kein auflösend bedingter Schadensersatz vorliegen könne. Zudem sei fraglich, ob das Umsatzsteuerrecht überhaupt einen auflösend bedingten (echten) Schadensersatz anerkenne.
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Es liege auch keine unselbstständige Nebenleistung zum Tausch von Zahlungsmitteln vor. Bei der Überlassung der E-Karten handle es sich um eine Lieferung. Entgegen der Darstellung der Klägerin könnten nach dem aktuellen Inhalt der Homepage die Karten mit Bezahlfunktion auch ohne Guthaben zu einem als "Pfand" bezeichneten Preis von 2 € erworben werden. Dies verdeutliche die Lieferung einer Karte, die aus Sicht des Verbrauchers nicht durch eine sonstige Leistung "Ermöglichung elektronischer Zahlung" überdeckt werde. Vielmehr werde dem Karteninhaber uneingeschränkte Verfügungsmacht eingeräumt, eine Rückgabeverpflichtung bestehe gerade nicht. Die Klägerin habe nach Ausgabe der Karten keinen Einfluss und keine Einwirkungsmöglichkeiten mehr auf deren weiteres Schicksal. Sie habe sich zwar das Eigentum vorbehalten, unternehme jedoch nichts, um den Besitz wiederzuerlangen.
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Ob die Klägerin für das Aufdrucken von Vereinslogos oder anderer Bilder auf die Zahlkarten Lizenzgebühren gezahlt habe oder nicht, entziehe sich seiner Erkenntnis. Darauf komme es im Ergebnis auch nicht an.
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Wenn mit der Klägerin von einer steuerbaren, aber steuerbefreiten Leistung in Gestalt von Bargeldumtausch auszugehen sei, würde dies letztlich wohl zu einem ungünstigeren Ergebnis für die Klägerin führen, weil die auf die Leistungen entfallenen Vorsteuerbeträge nicht zu berücksichtigen seien.
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Dem Gericht haben die Steuerakten des Beklagten zu der Steuernummer ... vorgelegen. Ergänzend wird auf den Inhalt dieser Akten sowie die im gerichtlichen Verfahren eingereichten Unterlagen und die Protokolle über die mündliche Verhandlung am 15.09.2016 und 07.02.2017 Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
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Die zulässige Klage hat keinen Erfolg. Die angefochtenen Bescheide sind rechtmäßig und verletzen die Klägerin nicht in ihren Rechten. Der Beklagte hat zu Recht die Erlöse aus dem Kartenpfand der Umsatzsteuer unterworfen.
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1. Nach § 1 Abs. 1 Nr. 1 S. 1 UStG unterliegen der Umsatzsteuer die Umsätze aus Lieferungen und sonstigen Leistungen, die ein Unternehmer im Inland gegen Entgelt im Rahmen seines Unternehmens ausführt. Sonstige Leistungen sind gemäß § 3 Abs. 9 S. 1 UStG Leistungen, die keine Lieferungen sind. Nach § 3 Abs. 1 UStG liegt eine Lieferung vor, wenn der Unternehmer (oder in seinem Auftrag ein Dritter) den Abnehmer (oder in dessen Auftrag einen Dritten) befähigt, im eigenen Namen über einen Gegenstand zu verfügen (Verschaffung der Verfügungsmacht).
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a) Die Klägerin ist unstreitig Unternehmerin und erbringt über ihre A Leistungen im Inland.
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b) Bei der Überlassung der E-Karte gegen Zahlung eines Betrags von 2 € handelt es sich um eine Lieferung.
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Als Lieferung eines Gegenstandes gilt die Übertragung der Befähigung wie ein Eigentümer über den körperlichen Gegenstand zu verfügen. Die Verschaffung der Verfügungsmacht setzt die Übertragung von Substanz, Wert und Ertrag voraus. Sie ist in der Regel, aber nicht notwendig, mit einem bürgerlich-rechtlichen Eigentum verbunden (Bundesfinanzhof - BFH Urteile vom 12.11.2008 XI R 46/07, BStBl II 2009, 558; vom 06.12.2007 V R 24/05, BStBl II 2009, 490 m. w. N.).
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Ob bestimmte Umsätze Lieferungen von Gegenständen oder Dienstleistungen (sonstige Leistungen) sind, richtet sich nach ihrem Wesen. Dieses ist im Rahmen einer Gesamtbetrachtung zu ermitteln; maßgebend ist die Sicht des Durchschnittsverbrauchers (vgl. Gerichtshof der Europäischen Union - EuGH - Urteil vom 25.02.1999 C-349/96, CCP, Slg. 1999, I-973 Rn. 28; BFH Urteil vom 09.10.2002 V R 5/02, BStBl II 2004, 470). Bei einer Leistung, die sowohl Lieferungselemente als auch Elemente sonstiger Leistungen aufweist, hängt die Qualifizierung als einheitliche Lieferung oder sonstige Leistung davon ab, welche Leistungselemente unter Berücksichtigung des Willens der Vertragsparteien den wirtschaftlichen Gehalt der Leistung bestimmen. In der Regel ist jede Lieferung und jede Dienstleistung als eigene selbstständige Leistung zu betrachten (BFH-Urteil vom 09.10.2002 V R 5/02, BStBl II 2004, 470; EuGH-Urteil vom 25.02.1999 C-349/96, CCP, Slg. 1999, I-973 Rn. 28; EuGH-Urteil vom 02.12.2010 C-276/09, Everything Everywhere, Umsatzsteuerrecht - UR 2011, 261, Rn. 21). Bei Leistungen, zu deren Ausführung sich die Vertragsparteien in einem gegenseitigen Vertrag verpflichtet haben, liegt grundsätzlich ein Leistungsaustausch vor. Dabei kommt es auf das zugrunde liegende Rechtsverhältnis an, ob eine Leistung derart mit der Zahlung verknüpft ist, dass sie sich auf die Erlangung einer Gegenleistung richtet (vgl. BFH-Urteil vom 18.12.2008 V R 38/06, BStBl II 2009, 749).
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Die Überlassung der Zahlungskarte gegen zusätzliche Zahlung von 2 € neben dem Ausgleich für das Guthaben von 8 € ist eine Lieferung im Sinne von § 3 Abs. 1 UStG. Der rechtlichen Einordnung als Lieferung steht weder der in den Allgemeinen Geschäftsbedingungen erklärte Eigentumsvorbehalt noch die Bezeichnung der Gegenleistung als "Pfand" entgegen.
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Die A überlässt dem jeweiligen Karteninhaber nach Zahlung der 2 € "Pfand" die Verfügungsmacht über die Zahlungskarte, denn mit Übergabe kann der Karteninhaber nach seinem Belieben frei, ohne Einwirkung der A über die Karte verfügen. Eine Verpflichtung zur Rückgabe der Zahlungskarte besteht nach den Allgemeinen Geschäftsbedingungen nicht. Lediglich die Gültigkeitsdauer der Zahlungsfunktion ist grundsätzlich auf ein Jahr begrenzt sowie der Zeitraum, innerhalb dem die Karte gegen Erstattung des "Pfandes" zurückgegeben werden kann. Die A hat keine rechtliche Handhabe, auf die Rückgabe der Karte hinzuwirken. Sie hat ihre Verfügungsmacht vollständig aufgegeben, denn sie hat keinen Einfluss mehr auf das weitere Schicksal der Zahlungskarte, insbesondere ob, in welchem Umfang und nach welchen Regeln die Karte weitergegeben wird.
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Eine andere Würdigung ergibt sich nicht daraus, dass sich in geringem Umfang Karteninhaber online haben registrieren lassen und dass dadurch eine namentliche Zuordnung möglich ist. Die Zahl der online registrierten Karteninhaber ist nach den Angaben der Klägerin verschwindend gering. Auch in diesen Fällen hat die A die Verfügungsmacht letztlich aufgegeben, denn es erfolgt keine abweichende Behandlung der registrierten Karteninhaber. Weder wird der weitere Verbleib dieser Karten verfolgt noch die Rückgabe angemahnt, zumal die Karteninhaber zur Rückgabe der Karte nicht verpflichtet sind.
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Dem in den Allgemeinen Geschäftsbedingungen formulierten "Eigentumsvorbehalt" kommt keine einschränkende Bedeutung zu. Dieses Recht dürfte praktisch gegenstandslos sei, denn es erscheint im Falle einer Vertragsverletzung - auch mit Hilfe eines dinglichen Herausgabeanspruchs - kaum realisierbar. Tatsächlich unternimmt die A auch nichts, um das Eigentum an den Zahlungskarten wiederzuerlangen. Vielmehr weist die bilanzielle Behandlung der "Pfanderlöse" darauf hin, dass die A es jedenfalls in den Streitjahren selbst als Regel ansieht, dass die Zahlungskarten nicht zurückgegeben werden, das "Pfand" nur im Ausnahmefall zurückzuzahlen ist. Denn 80 % der Einnahmen aus dem "Pfand" erfasst die A sofort als Erlöse, während nur 20 % als Verbindlichkeiten gebucht werden, die nach einem Jahr um weitere 10 % Erlöse reduziert werden. Mit dieser nach ihren Angaben auf Erfahrungswerten beruhenden bilanziellen Behandlung räumt auch die Klägerin ein, dass letztlich eine endgültige Übertragung der Verfügungsmacht von E-Karten gegen Zahlung von 2 € vorliegt. Der Hinweis der Klägerin, dass Pfandgelder, z. B. auch bei Pfandflaschen, üblicherweise so verbucht würden, widerspricht dem nicht. Denn insbesondere für Pfandflaschen hat der BFH entschieden, dass hinsichtlich des Leerguts eine entgeltliche Lieferung vorliege (vgl. Urteil vom 07.05.1987 V R 56/79, BStBl II 1987, 582).
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Soweit die Klägerin vorträgt, dass bei Beendigung des Kartenzahlungsservices in drei Fußballstadien im Zeitraum 2014 bis 2016 eine beträchtliche Anzahl von Karten zurückgegeben wurde, steht dies nicht der vorstehenden Würdigung entgegen. Bei einer Beendigung des Services wird regelmäßig schon deshalb mit einer höheren Rückgabequote zu rechnen sein, weil ein erheblicher Teil der Karteninhaber auf diese Weise die Rückzahlung von noch vorhandenem Guthaben geltend machen wird, denn ein Aufbrauchen des Geldguthabens oder eine Übertragung auf eine neue Karte in der nachfolgenden Saison ist nicht möglich. In diesen Fällen geht es den Karteninhabern in erster Linie um die Auszahlung des Kartenguthabens und nicht um die Auslösung des Kartenpfands von 2 €. Der Geschäftsführer der Klägerin hat hierzu in der mündlichen Verhandlung erklärt, dass nach Auslaufen des Vertrags mit dem D bei ausgegebenen Kartenguthaben von ... € ... € zurückgefordert worden seien. Insbesondere an diesem Beispiel wird das Interesse der Kunden an dem Kartenguthaben deutlich, denn die große Anzahl der Dauerkarteninhaber in D hatten die Zahlungskartenfunktion auf ihrer Dauereintrittskarte und haben daneben keine E-Karte gegen Zahlung von 2 € erworben bzw. an die A zurückgegeben.
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c) Die Lieferung der Zahlungskarte ist auch nicht derart mit einer sonstigen Leistung verbunden, dass diese der Leistung insgesamt das Gepräge gibt und die Kartenlieferung lediglich eine Nebenleistung wäre.
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Grundsätzlich ist jede Lieferung oder sonstige Leistung als eigenständige und von anderen unabhängige Leistung zu betrachten; ein wirtschaftlich einheitlicher Vorgang darf jedoch im Interesse eines funktionierenden Mehrwertsteuersystems nicht künstlich aufgespalten werden. Unter bestimmten Umständen sind mehrere formal eigenständige Leistungen, die getrennt erbracht werden und damit jede für sich zu einer Besteuerung oder Befreiung führen könnten, als einheitlicher Umsatz anzusehen, wenn sie nicht voneinander unabhängig sind. Das ist z. B. der Fall, wenn festgestellt wird, dass eine oder mehrere Einzelleistungen eine Hauptleistung bilden und die andere Einzelleistung oder die anderen Einzelleistungen eine oder mehrere Nebenleistungen bilden, die das steuerliche Schicksal der Hauptleistung teilen. Insbesondere ist eine Leistung als Neben- und nicht als Hauptleistung anzusehen, wenn sie für die Kundschaft keinen eigenen Zweck, sondern das Mittel darstellt, um die Hauptleistung des Leistungserbringers unter optimalen Bedingungen in Anspruch zu nehmen (EuGH-Urteile vom 02.12.2010 C-276/09, Everything Everywhere, UR 2011, 261 Rn. 22 ff.; vom 11.06.2009 C-572/07, RLRE Tellmer Property, Slg. 2009, I-4983, Rn. 18; BFH EuGH-Vorlage vom 15.05.2012 V R 19/11, BStBl II 2012, 803; BFH-Urteile vom 04.07.2002 V R 41/01, BFH/NV 2002, 1622; vom 31.05.2001 V R 97/98, BStBl II 2001, 658). Dem Umstand, dass ein Gesamtpreis in Rechnung gestellt wird, kommt keine entscheidende Bedeutung zu (vgl. BFH-Urteil vom 31.05.2001 V R 97/98, BStBl II 2001, 658). Um festzustellen, ob der Steuerpflichtige dem Verbraucher mehrere eigenständige Hauptleistungen oder eine einheitliche Leistung erbringt, sind die charakteristischen Bestandteile der fraglichen Umsatzes zu ermitteln und sämtliche Umstände zu berücksichtigen, unter denen er abgewickelt wird (EuGH-Urteil vom 02.12.2010 C-276/09, Everything Everywhere, UR 2011, 261 Rn. 26).
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(1) Nach Maßgabe dieser Grundsätze ist die Leistung der A nicht als eine einheitliche Leistung zu betrachten, bei der die Überlassung der Zahlungskarte Nebenleistung zu dem (nicht steuerbaren) Tausch von Zahlungsmitteln darstellt. Geldbewegungen, die keinen Entgeltcharakter haben, sind keine steuerbaren Umsätze. Vielmehr sind sie erforderlich, damit eine steuerbare Leistung überhaupt erbracht werden kann. Dies gilt beispielsweise für die Auszahlung von gewährten Krediten oder deren Rückzahlung (vgl. Philipowski in Rau/Dürrwächter/ Flick/Geist, UStG § 4 Nr. 8 Rn. 147, 151).
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Die A tauscht nicht lediglich Bargeld in elektronisches Geld, sondern liefert darüber hinaus die Karte mit der technischen Ausstattung, die es ermöglicht, mit dem elektronischen Geld zu zahlen. Bei dem erstmaligen Erwerb einer Zahlungskarte behält die A 2 € von dem in elektronisches Geld getauschten Bargeld im Mindestumtauschwert von 10 € ein, die Gegenleistung für die Lieferung der Karte ist. Der Lieferung der Karte kommt dabei ein eigenständiger Wert zu, sie ist Transportmittel und notwendiger Schlüssel, um mit dem elektronischen Geld bezahlen zu können. Insoweit ist das Interesse des Erwerbers nicht allein auf den Umtausch in elektronisches Geld gerichtet, sondern vorrangig auf den Erwerb der Zahlungskarte, die ihm den Einsatz dieses Geldes erst ermöglicht. Die Leistung der A geht damit über eine reine Umwechselleistung hinaus, die nach § 4 Nr. 8b UStG steuerfrei sein könnte. Die Zahlungskarte hat für den Erwerber vielmehr einen eigenständigen wirtschaftlichen Wert, weil nur die E-Karte den Zugang zur Nutzung des bargeldlosen Zahlungsverkehrs in den entsprechenden Stadien eröffnet. Aus Sicht eines Stadionbesuchers muss er eine Zahlungskarte erwerben, weil er andernfalls in dem Stadion keine Getränke, Lebensmittel oder sonstige Artikel erwerben kann, da in aller Regel nach Einführung des Systems keine Bargeldzahlung in den Stadien mehr möglich ist. Sein Interesse besteht an der Nutzung dieser Zahlungsmöglichkeit, nicht originär an dem elektronischen Geld. Dies wird auch daran deutlich, dass die E-Karte wiederholt mit einem Guthaben aufgeladen werden kann.
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Bemessungsgrundlage für die Lieferung der Zahlungskarte ist das Entgelt. Entgelt ist alles, was der Leistungsempfänger aufwendet um die Leistung zu erhalten, jedoch abzüglich der Umsatzsteuer (§ 10 Abs. 1 Sätze 1 und 2 UStG). Im vorliegenden Fall zahlt der Erwerber das Kartenpfand von 2 €, das ihm bei Erwerb der Karte nicht auf das Kartenguthaben angerechnet wird.
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(2) Die Überlassung der Zahlungskarte ist auch keine Haupt- oder Nebenleistung zur Ermöglichung eines bargeldlosen Zahlungsverkehrs im Sinne von § 4 Nr. 8d UStG. Danach sind die Umsätze und die Vermittlung der Umsätze u. a. im Zahlungs- und Überweisungsverkehr steuerfrei.
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Die Regelung beruht auf Art. 135 Abs. 1 Buchst. d der Richtlinie 2006/112/EG des Rates vom 28.11.2006 über das gemeinsame Mehrwertsteuersystem (MwStSystRL), wonach Mitgliedstaaten Umsätze - einschließlich der Vermittlung - u. a. im Zahlung- und Überweisungsverkehr von der Steuer befreien. Art. 135 Abs. 1 Buchst. d MwStSystRL enthält autonome Begriffe des Unionsrechts, die eng auszulegen sind, da sie Ausnahmen von dem allgemeinen Grundsatz darstellen, dass auf jede von einem Steuerpflichtigen gegen Entgelt erbrachte Dienstleistung Mehrwertsteuer zu erheben ist (EuGH-Urteile vom 26.05.2016 C-130/15 National Expedition Centre, juris, Rn. 29; vom 28.07.2011 C-350/10 Nordea Pankki Suomi, Slg. 2011, I-7359, Rn. 23). Zweck der Befreiung von Finanzgeschäften ist es, Schwierigkeiten, die mit der Bestimmung der Bemessungsgrundlage und der Höhe der abzugsfähigen Mehrwertsteuer verbunden sind, zu beseitigen und eine Erhöhung der Kosten des Verbraucherkredits zu vermeiden (BFH-Urteil vom 16.11.2016 XI R 35/14, juris, m. w. N.).
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Um als von der Steuer befreite Umsätze im Sinne des Art. 135 Abs. 1 Buchst. d MwStSystRL qualifiziert zu werden, müssen geleistete Dienste nach ständiger Rechtsprechung des EuGH ein im Großen und Ganzen eigenständiges Ganzes sein, das die spezifischen und wesentlichen Funktionen einer in diesen Nummern beschriebenen Dienstleistungen erfüllt. In Bezug auf die Umsätze im Zahlungs- und Überweisungsverkehr müssen die erbrachten Dienstleistungen eine Übertragung von Geldern bewirken, und zu rechtlichen und finanziellen Änderungen führen. Die befreite Dienstleistung ist von der Erbringung einer rein materiellen oder technischen Leistung, wie sie etwa vorliegt, wenn einer Bank ein EDV-System zur Verfügung gestellt wird, zu unterscheiden (vgl. EuGH-Urteile vom 26.05.2016 C-130/15 National Expedition Centre, juris, Rn. 35; vom 28.07.2011 C-350/10 Nordea Pankki Suomi, Slg. 2011, I-7359, Rn. 24).
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Überweisung ist nach der Rechtsprechung des EuGH ein Vorgang, der in der Ausführung eines Auftrags zur Übertragung einer Geldsumme von einem Bankkonto auf ein anderes besteht. Sie ist namentlich dadurch gekennzeichnet, dass sie zu einer Änderung der bestehenden rechtlichen und finanziellen Situation zwischen dem Auftraggeber und dem Empfänger auf der einen Seite und zwischen diesem und dem jeweiligen Banken auf der anderen Seite sowie ggf. zwischen den Banken führt. Die Erwägungen zu Umsätzen im Überweisungsverkehr gelten nach ständiger Rechtsprechung des EuGH auch für Umsätze im Zahlungsverkehr (EuGH-Urteile vom 26.05.2016 C-130/15 National Expedition Centre, juris, Rn. 33, 36, 38; vom 28.07.2011 C-350/10 Nordea Pankki Suomi, Slg. 2011, I-7359, Rn. 25, f.).
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Umsätze im Zahlungsverkehr werden ausgeführt, wenn der dafür Verantwortliche dafür sorgt, dass das bei ihm vom Auftraggeber eingezahlte Geld dem von diesem bestimmten Zahlungsempfänger ausgezahlt wird (BFH-Urteil vom 27.08.1998 V R 84/97, BStBl. II 1999, 106). Ein Unternehmer kann auch dann Umsätze im Zahlungsverkehr erbringen, wenn er kein Kreditinstitut ist. Entscheidend ist die Natur der Dienstleistung und nicht die Art ihrer Ausführung (BFH-Urteile vom 16.11.2016 XI R 35/14, juris Rn. 23; vom 27.08.1998 V R 84/97, BStBl. II 1999, 106).
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Nach Maßgabe dieser Rechtsprechung erbringt die A keine Umsätze im Zahlungsverkehr. Die Leistung der A ist nicht dadurch gekennzeichnet, dass sie zu einer Änderung der bestehenden rechtlichen und finanziellen Situation zwischen Auftraggeber und Empfänger sowie ihren jeweiligen Banken führt. Ihre Leistung gegenüber dem Erwerber einer E-Karte beschränkt sich darauf, eine Zahlungskarte zur Verfügung zu stellen, auf die elektronisches Geld geladen werden kann und dass mit der Karte auf Grund der in den jeweiligen Stadien eingerichteten Infrastruktur Ware bezahlt werden kann. Die A bewirkt unmittelbar keine Übertragung von Geldern des Karteninhabers (Auftraggeber) an einen Empfänger (z. B. Caterer), sondern schafft lediglich die technischen Voraussetzungen für eine (spätere) Übertragung des Geldes. Im Verhältnis zu dem Kartenerwerber liefert die A die Karte und ermöglicht die Aufladung mit elektronischem Geld. Erst in einem zweiten Schritt entscheidet der Karteninhaber, wie er das elektronische Geld verwenden will und wohin es ggf. zu übertragen ist. Durch das Aufladen der Karte verliert der Karteninhaber noch nicht seinen rechtlichen Anspruch auf das Geld.
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Von der befreiten Dienstleistung ist die Erbringung einer rein materiellen oder technischen Leistung zu unterscheiden. Aus dem Umstand, dass ein Element für die Bewirkung eines befreiten Umsatzes unerlässlich ist, lässt sich nicht die Befreiung eines Leistungselements herleiten (vgl. BFH-Urteil vom 16.11.2016 XI R 35/14, juris Rn. 26; EuGH-Urteil vom 28.07.2011 C-350/10 Nordea Pankki Suomi, Slg. 2011, I-7359, Rn. 24). In dem Vertragsverhältnis mit der A erwirbt der Stadionbesucher die Zahlungskarte und damit den Zugang zu dem bargeldlosen Zahlungssystem, für das die A die Infrastruktur bereitgestellt hat. Die Zahlungskarte beinhaltet die dafür notwendige Technik, die auch nur auf die Nutzung in den Stadien der Vertragspartner der Klägerin begrenzt ist. Denn Zweck der Karte besteht aus Sicht des Kartenerwerbers in erster Linie darin, in dem jeweiligen Stadion die Infrastruktur des bargeldlosen Zahlungsverkehrs zu nutzen, um sich mit Getränken u. ä. versorgen zu können.
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Im Gegenzug sind auch aus Sicht der A die Einnahmen aus dem Zahlungskartenverkauf eine Gegenleistung für die von ihr erbrachten Leistungen zur Bereitstellung der Infrastruktur für den bargeldlosen Zahlungsverkehr. Denn die Bereitstellung der Infrastruktur erfordert ausweislich der vorgelegten Bilanzen erhebliche Investitionen und zusätzlichen Aufwand während einer Veranstaltung durch die Gestellung von Personal und Geräten. Diese Leistungen finanziert die A durch Einnahmen aus Provisionen von den Caterern, dem Kartenpfand und dem nicht zurückgeforderten Kartenguthaben. Den Einnahmen aus dem Kartenpfand kommt dabei kein untergeordneter Stellenwert zu, sondern diese erreichen in den Streitjahren immerhin mehr als die Hälfte der Einnahmen aus den Provisionen aus (zwischen 42 % in 2011 und 82 % in 2008). Für die Klägerin kommt damit den Erlösen aus dem Verkauf der Zahlungskarten ein eigenständiger wirtschaftlicher Wert in Bezug auf die Finanzierung der insgesamt von ihr erbrachten Leistungen zu.
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(3) Eine andere Würdigung ergibt sich auch nicht auf Grund einer in der Literatur vertretenen Auffassung, dass die Ausgabe von Geldkarten Teil eines kartengesteuerten Zahlungsverkehrs ist. Bei der Ausgabe solcher Karten werde in Höhe des eingespeicherten Betrags Bargeld des Kunden in "elektronisches Geld" umgetauscht. Die bei der Ausgabe der Karte berechnete Gebühr sei Entgelt für einen Umsatz im Zahlungsverkehr (Philipowski in Rau/Dürrwächter/ Flick/Geist, UStG § 4 Nr. 8 Rn. 274).
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Nach dieser Auffassung könnte die Bereitstellung der Zahlungskarte Nebenleistung für die Vermittlung eines bargeldlosen Zahlungsverkehrs sein. Eine Nebenleistung liegt jedoch nur dann vor, wenn sie für den Leistungsempfänger keinen eigenen Zweck darstellt und so hinter dem Ganzen zurücktritt, dass ihr kein selbständiger wirtschaftlicher Wert beigemessen werden kann (vgl. EuGH-Urteil vom 02.12.2010 C-276/09, Everything Everywhere, UR 2011, 261 Rn. 25, 27; BFH- Urteile vom 31.05.2001 V R 97/98, BStBl II 2001, 658; vom 07.05.1987 V R 56/79, BStBl II 1987, 582).
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Entscheidend ist im vorliegenden Sachverhalt, dass die A durch ihre Leistung (noch) nicht die Übertragung von Geldern bewirkt, sondern im Verhältnis zu dem Kartenerwerber lediglich die Technik und das Transportmittel liefert, das im Stadion die Übertragung des Geldes an einen Dritten ermöglicht. Insoweit liefert die A auch nicht allgemein eine Geldkarte, sondern eine auf eine bestimmte Nutzung begrenzte Zahlungskarte.
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Anders als bei Telefonkarten, Geschenkgutscheinen und Gegenleistungen für die Nutzung bestimmter Zahlungsmöglichkeiten wie in dem Verfahren Everything Everywhere (EuGH-Urteil vom 02.12.2010 C-276/09, UR 2011, 261) stellt der Erwerb der Zahlungskarte auch kein Mittel zum Erwerb bestimmter Produkte dar. Die Klägerin erbringt keine weitere (Haupt-)Leistung, deren Zahlung mit Hilfe der Zahlungskarte ermöglicht wird. Die A ist Vertragspartner für den Erwerber der Zahlungskarte, während die Getränke, Lebensmittel oder sonstigen Artikel von jeweils anderen Anbietern erworben werden. Die eigentliche Leistung der A besteht in der Ermöglichung einer bestimmten Form des Zahlungsverkehrs in Stadien, die der Kartenerwerber mit seiner Gegenleistung von 2 € entgilt (vgl. hierzu auch OFD Frankfurt vom 14.05.1996 S 7100 A-172-St IV10).
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(4) Es kommt danach nicht darauf an, ob die Zahlungskarten darüber hinaus aus Sicht der Kartenerwerber einen eigenständigen Wert als Sammelobjekte haben. Die von der Klägerin vorgelegten Zahlen, wonach nur in sehr geringem Umfang (abgelaufene) Zahlungskarten als Sammelkarten ohne Bezahlfunktion über die Website ... verkauft worden sind, legen allerdings den Schluss nahe, dass der Wert als Sammelobjekt tatsächlich zu vernachlässigen ist. Dafür spricht auch, dass die Klägerin diesen Vertrieb mangels Umsätzen inzwischen eingestellt hat. Das Bedrucken der Zahlungskarten mit Motiven über Stadien, bestimmten Ereignissen oder herausragenden Personen zielt dabei nicht allein auf ein Sammelinteresse, sondern ist auch geeignet, die Akzeptanz der Zahlungskarten und damit den Absatz zu fördern. Es dient gleichzeitig der Verbreitung und damit Förderung des Kartenvertriebs und dem Zahlungssystem insgesamt.
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3. Entgegen der Auffassung der Klägerin ist auch nicht davon auszugehen, dass es sich bei den für die Überlassung der Zahlungskarte hingegebenen 2 € um einen pauschalierten Schadensersatz handelt.
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Ein nicht steuerbarer (echter) Schadensersatz liegt nur vor, wenn der Zahlende nach Vertrag oder Gesetz für Schäden oder deren Folgen einzustehen hat. Besteht hingegen zwischen dem Zahlenden und dem Zahlungsempfänger ein Rechtsverhältnis, in dessen Rahmen gegenseitige Leistungen ausgetauscht werden, liegt grundsätzlich ein steuerbarer Leistungsaustausch vor (vgl. Robisch in Bunjes, UStG 15. Aufl. 2016, § 1 Rn. 46 m. w. N.).
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Im vorliegenden Fall wird die Zahlung von 2 € bei Überlassung der Karte nicht als Folge eines schädigenden Ereignisses geschuldet. Aber auch wenn mit der Klägerin davon ausgegangen wird, dass der Schadensersatz vorab pauschalierend erhoben wird, fehlt es an einem schädigenden Ereignis. Denn der Karteninhaber ist nach den Allgemeinen Vertragsbedingungen nicht zur Rückgabe der Karte verpflichtet. Etwas anderes kann auch nicht aus § 990 Abs. 1 S. 2 BGB hergeleitet werden, denn der Käufer bleibt mangels Rückgabepflicht zum Besitz der Karte berechtigt. Die bei Überlassung der Karten vereinnahmten 2 € können deshalb nicht als "auflösend bedingte" Schadensersatzleistung eingeordnet werden.
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4. Die Klägerin hat gemäß § 135 Abs. 1 der Finanzgerichtsordnung (FGO) die Kosten des Verfahrens zu tragen. Die Revision wird § 115 Abs. 2 Nr. 2 FGO zugelassen.
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Referenzen
- 2008 V R 38/06 1x (nicht zugeordnet)
- 2012 V R 19/11 1x (nicht zugeordnet)
- 2007 V R 24/05 1x (nicht zugeordnet)
- FGO § 115 1x
- 2016 XI R 35/14 3x (nicht zugeordnet)
- 2001 V R 97/98 3x (nicht zugeordnet)
- § 1 Abs. 1 Nr. 1 S. 1 UStG 1x (nicht zugeordnet)
- 1987 V R 56/79 2x (nicht zugeordnet)
- 1998 V R 84/97 2x (nicht zugeordnet)
- § 4 Nr. 8b UStG 1x (nicht zugeordnet)
- § 3 Abs. 9 S. 1 UStG 1x (nicht zugeordnet)
- § 4 Nr. 8d UStG 1x (nicht zugeordnet)
- 2002 V R 41/01 1x (nicht zugeordnet)
- § 3 Abs. 1 UStG 2x (nicht zugeordnet)
- BGB § 990 Haftung des Besitzers bei Kenntnis 1x
- 2002 V R 5/02 2x (nicht zugeordnet)
- 2008 XI R 46/07 1x (nicht zugeordnet)