Urteil vom Finanzgericht Hamburg (4. Senat) - 4 K 32/15

Tatbestand

1

Im Zeitraum von Mai bis Juni 2010 führte die Klägerin als indirekte (Fiskal-)Vertreterin für die in ... ansässige A Set-Top-Boxen XXX (Modell B) in die Europäische Union ein. Hierbei handelt es sich um Geräte, die für den Empfang und die Decodierung von digitalen TV-Signalen entwickelt wurden. Sie verfügen u. a. über einen DVB-T-Video-Tuner, einen MPEG-Audio- und Video-Decoder und einen Mikroprozessor. Über das eingebaute Ethernet ist der Zugriff auf das Internet möglich. Eine Aufnahme- und/oder Wiedergabefunktion haben die Geräte nicht.

2

Mit den Zollanmeldungen XXX-1 vom 10.05.2010, XXX-2 vom 25.05.2010 und XXX-3 vom 31.05.2010 meldete die Klägerin als Fiskalvertreterin für A unter der Position 8528 7119000 "Fernsehempfangsgeräte, der Beschaffenheit nicht für den Einbau eines Videobildschirms hergerichtet, Video-Tuner, andere als solche der WA-Nrn. ... und ...): hier Set-Top-Box, Modell" zur Überführung in den zoll- und steuerrechtlich freien Verkehr an. In fünf Einfuhrabgabenbescheiden zu den genannten Zollanmeldungen setzte der Beklagte neben Einfuhrumsatzsteuer Zoll in Höhe von ... € fest.

3

Mit Schreiben vom 13.03.2013 beantragte die Klägerin "[i]m Auftrag von" A die Erstattung von Einfuhrabgaben für hier nicht streitgegenständliche Set-Top-Boxen. Sie bezog sich hierbei auf eine Power of Attorney vom 12.02.2013 und gab eine Bankverbindung von A an (...).

4

Mit sechs englischsprachigen Schreiben vom 25. und 27.03.2013 wurden Erstattungsanträge für weitere Set-Top-Boxen gestellt. Darunter befand sich auch das Schreiben vom 27.03.2013 mit der Referenzangabe YYY (...), das die hier in Rede stehenden Waren betrifft. Dieses auf dem Briefkopf von A verfasste Schreiben ist von einer Mitarbeiterin der Klägerin unterschrieben und mit dem Firmenstempel der Klägerin versehen. Hierin wurde "On behalf of" A mit dem Zusatz "fiscal representation through C GmbH" gemäß Art. 236 ZK Erstattung des Zolls beantragt, der mit den fünf genannten Einfuhrabgabenbescheiden erhoben wurde, zzgl. der gesetzlich festgelegten Zinsen. Dem Schreiben war eine Power of Attorney vom 12.02.2013 (...) beigefügt, mit der A die Klägerin ermächtigte, sie gegenüber den Zollbehörden im Hinblick auf den Erstattungsantrag zu vertreten.

5

Mit Schreiben vom 08.04.2013 (...) gab der Beklagte die sechs englischsprachigen Anträge vom 25. und 27.03.2013 an die Klägerin zurück, weil sich ihnen der Antragsteller nicht entnehmen lasse. Er verwies darauf, dass nach Art. 878 ZKDVO sowohl die Klägerin als auch A Antragstellerinnen sein könnten. Es lägen andere Anträge vor, die die Klägerin im eigenen Namen und im Auftrag von A gestellt habe. Sie - die Klägerin - möge neue Anträge stellen, aus denen sich der Antragsteller zweifellos ergebe.

6

In Beantwortung des Schreibens vom 08.04.2013 übersandte die Klägerin am 23.04.2013 insbesondere eine deutsche Fassung des hier in Rede stehenden Antrags vom 27.03.2013 (...). Der Antrag, der keinen Briefkopf von A trägt, wird gestellt von der Klägerin "[i]m Namen der" A mit dem Zusatz "Fiskalvertretung durch C GmbH". Inhaltlich ist das Schreiben eine Übersetzung des englischsprachigen Antrags vom 27.03.2013. Der einzige Unterschied besteht darin, dass die Klägerin als "ehemalige[r] Zollvertreter" von A bezeichnet wird.

7

Nachdem das Kurzgutachten vom 07.01.2014 des Bildungs- und Wissenschaftszentrums der Bundesfinanzverwaltung Hamburg (BWZ) die ursprüngliche Einreihung in der Unterposition 8528 7119 KN bestätigt hatte, lehnte der Beklagte mit Bescheid Nr. XXX-4 vom 28.01.2014 gegenüber der Klägerin "als Vertreter für" A den Erstattungsantrag ab.

8

Mit Schreiben vom 19.02.2014 legten die Prozessbevollmächtigten der Klägerin "[n]amens und im Auftrag" der Klägerin Einspruch gegen den ablehnenden Bescheid vom 28.01.2014 ein. Mit Einspruchsentscheidung vom 06.02.2015 wies der Beklagte den Einspruch als unbegründet zurück. Als Einspruchsführer wird A, vertreten durch die Klägerin, genannt.

9

Am 26.02.2015 hat die Klägerin Klage erhoben. Auf den Einwand des Beklagten, dass zweifelhaft sei, wer als Klägerin anzusehen sei, weil die Einspruchsentscheidung gegenüber A ergangen, die Klage jedoch von der Klägerin erhoben worden sei und daher auch Zweifel an der Zulässigkeit der Klage bestünden, weil die Klägerin weder Inhaltsadressatin der Einspruchsentscheidung noch in anderer rechtlicher Weise von ihr betroffen sei, bekräftigten die Klägervertreter, dass sie die Klage namens und im Auftrag der Klägerin erhoben hätten. Es sei nicht nachvollziehbar, dass der Beklagte davon ausgegangen sei, dass der Einspruch im Namen von A erhoben worden sei, weil er ausdrücklich im Namen der Klägerin eingelegt worden sei. Die ursprüngliche Zollanmeldung habe die Klägerin für Rechnung der A abgegeben. Der Erstattungsantrag sei auch von der Klägerin gestellt worden. Auch der Ablehnungsbescheid vom 28.01.2014 sei an die Klägerin adressiert worden. Die Klägerin sei als indirekte Stellvertreterin der A selbst Zollschuldnerin. Daher sei sie gemäß Art. 878 ZKDVO berechtigt, Erstattungsanträge zu stellen. Die Einspruchsentscheidung habe daher nur gegenüber der Klägerin ergehen dürfen.

10

Der Erstattungsantrag müsse nach dem Grundsatz der rechtsschutzgewährenden Auslegung von Verfahrensvorschriften nach dem wirklichen Willen der Erklärenden ausgelegt bzw. umgedeutet werden. Es lägen mehrere Anhaltspunkte vor, die dafür sprächen, dass der Erstattungsantrag im Namen der Klägerin gestellt werden sollte. Der ablehnende Bescheid vom 28.01.2014 und die weiteren stattgebenden Erstattungsbescheide aus Mai und Juni 2013 seien unklar hinsichtlich der Bezeichnung von A als "Vertretenen". Hilfsweise macht die Klägerin geltend, dass sie einspruchsbefugt gewesen sei, weil sie neben A ebenfalls Zollschuldnerin geworden sei.

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Die Klägerin beantragt,
den Beklagten unter Aufhebung des Bescheids vom 28.01.2014 (XXX-4) in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 06.02.2015 (...) zu verpflichten, ihr Zoll in Höhe von € ... zuzüglich Zinsen in Höhe von 0,5 % pro Monat ab Rechtshängigkeit zu erstatten.

12

Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.

13

Er verweist auf seinen bisherigen Vortrag und führt zur Zulässigkeit der Klage aus: Es sei zweifelhaft, wer als Klägerin anzusehen sei. Da der Erstattungsantrag von A gestellt worden sei, sei der Beklagte davon ausgegangen, dass auch der Einspruch von A erhoben worden sei. Die Einspruchsentscheidung sei auch gegenüber A ergangen. Eine von der Klägerin erhobene Klage wäre unzulässig, weil die Einspruchsentscheidung nicht ihr gegenüber ergangen sei.

14

Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung im schriftlichen Verfahren einverstanden erklärt, sofern über die Tarifierung der Set-Top-Boxen nicht entschieden wird (...).

15

Bei der Entscheidung haben die Sachakten des Beklagten (...) vorgelegen; auf ihren Inhalt wird ergänzend Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

I.

16

Im Einverständnis der Beteiligten ergeht die Entscheidung im schriftlichen Verfahren (§ 90 Abs. 2 FGO). Die Bedingung, unter der das Einverständnis erteilt wurde, ist eingetreten. Ein Urteil kann ergehen, ohne dass über die streitige Tarifierungsfrage entschieden werden muss. Eine solche gegenständliche Beschränkung des Einverständnisses mit einer Entscheidung im schriftlichen Verfahren ist zulässig (vgl. Brandis in Tipke/Kruse, AO/FGO, 141. EL Juli 2015, § 90 FGO Rn. 10).

II.

17

Die Klage ist unzulässig, weil die Klägerin kein Vorverfahren durchgeführt hat (dazu 1.). Das Vorverfahren ist auch nicht gemäß § 46 FGO entbehrlich (dazu 2.).

18

1. Die Klage ist unzulässig, weil die Voraussetzungen von § 44 Abs. 1 FGO nicht erfüllt sind. Nach dieser Vorschrift, die auf die von der Klägerin erhobene Verpflichtungsklage (§ 101 FGO) anwendbar ist, ist die Klage in den Fällen, in denen ein außergerichtlicher Rechtsbehelf gegeben ist, nur zulässig, wenn das Vorverfahren über diesen Rechtsbehelf ganz oder zum Teil erfolglos geblieben ist. Ob der Einspruch ganz oder zum Teil erfolglos war, kann nur der Einspruchsentscheidung entnommen werden (Seer in Tipke/Kruse, AO/FGO, 138. EL Okt. 2014, § 44 FGO Rn. 5).

19

1.1 Gegen die Ablehnung des Erstattungsantrags mit Bescheid vom 28.01.2014 nach Art. 236 ZK ist der Rechtsbehelf des Einspruchs gegeben. Gemäß § 347 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 AO ist der außergerichtliche Rechtsbehelf des Einspruchs gegen Verwaltungsakte in Abgabenangelegenheiten, auf die die Abgabenordnung Anwendung findet, statthaft. Die Entscheidung über einen Erstattungsantrag gemäß Art. 236 ZK ist ein Verwaltungsakt in einer Abgabenangelegenheit, weil sie eine verbindliche Entscheidung über die Rückgewähr von Zöllen trifft. Hierauf ist die Abgabenordnung anzuwenden, weil Zölle Einfuhrabgaben nach Art. 4 Nr. 10 ZK und als solche Steuern im Sinne von § 1 Abs. 1 S. 1 AO (§ 3 Abs. 3 AO) sind.

20

Die Anwendbarkeit von § 347 AO ist nicht durch Unionsrecht ausgeschlossen. Gemäß Art. 245 ZK, der im Einspruchsverfahren noch anwendbar war, werden die Einzelheiten des Rechtsbehelfsverfahrens gegen Entscheidungen der Zollbehörden auf dem Gebiet des Zollrechts von den Mitgliedstaaten erlassen.

21

1.2 Die Klägerin hat ein solches Vorverfahren nicht erfolglos durchgeführt. Die Einspruchsentscheidung muss insbesondere hinsichtlich des Steuerschuldners den Verwaltungsakt betreffen, durch den der Kläger in seinen Rechten verletzt wurde (Seer in Tipke/Kruse, AO/FGO, 138. EL Okt. 2014, § 44 FGO Rn. 9). Dies ist hier nicht der Fall, weil die Entscheidung gegenüber A und nicht gegenüber der Klägerin erlassen wurde. Zwar hat ausdrücklich die Klägerin Einspruch eingelegt. Die Einspruchsentscheidung erging jedoch eindeutig gegenüber A. Dies ergibt sich aus der Eintragung von A im Feld "Einspruchsführer" und der gleichzeitigen Benennung der Klägerin als Vertreterin, diese wiederum vertreten durch ihre jetzigen Verfahrensbevollmächtigten.

22

Anders als die Klägerin meint, war sie durch die gegenüber A ergangene abschlägige Einspruchsentscheidung rechtlich nicht beschwert. Art. 878 ZKDVO nennt ausdrücklich die Personen, die einen Erstattungsantrag stellen dürfen. Es würde gegen den Grundsatz der Relativität der (Zoll-)Schuldverhältnisse verstoßen, wenn eine antragsberechtigte Person, die keinen Erstattungsantrag gestellt hat, gegen die Ablehnung eines Erstattungsantrags, den eine andere antragsberechtigte Person gestellt hat, Rechtsbehelfe geltend machen könnte. Dies käme im Übrigen einer gesetzlichen Verfahrens- bzw. Prozessstandschaft gleich, die weder das deutsche Recht noch das EU-Zollrecht vorsehen.

23

2. Das Vorverfahren ist auch nicht gemäß § 46 Abs. 1 S. 1 FGO entbehrlich. Nach dieser Vorschrift ist eine Klage abweichend von § 44 FGO ohne vorherigen Abschluss des Vorverfahrens zulässig, wenn über einen außergerichtlichen Rechtsbehelf ohne Mitteilung eines zureichenden Grundes in angemessener Frist sachlich nicht entschieden worden ist. Vorliegend hat ausdrücklich die Klägerin Einspruch eingelegt. Es kann dahinstehen, ob der Beklagte zu Recht diesen Einspruch als Einspruch von A werten durfte. Voraussetzung für die Erhebung der Untätigkeitsklage ist nämlich weiter, dass der Kläger vor Klageerhebung bei der Behörde einen Antrag gestellt hat (BFH, Beschl. v. 05.02.2003, VII B 268/02, juris Rn. 5; Rennert in Eyermann, VwGO, 13. Aufl. 2010, § 75 Rn. 5). Dies ist hier nicht der Fall, weil der Erstattungsantrag vom 27.03.2013 nicht von der Klägerin, sondern von A gestellt wurde.

24

Ein (Erstattungs-)Antrag ist eine einseitige öffentlich-rechtliche Willenserklärung. Ihr Inhalt ist durch Auslegung zu ermitteln. Für die Auslegung von Willenserklärungen des öffentlichen Rechts sind die Vorschriften des BGB ergänzend heranzuziehen (BFH, Urt. v. 14.01.2004, X R 19/02, BFHE 205, 87, juris Rn. 34). Hierbei gilt der Grundsatz, dass empfangsbedürftige Willenserklärungen nach dem Empfängerhorizont auszulegen sind, d. h. so, wie sie der Erklärungsempfänger nach Treu und Glauben unter Berücksichtigung aller ihm bekannten Umstände verstehen musste (BFH, Urt. v. 10.10.2002, VI R 13/01, BFHE 200, 363, juris Rn. 18). Es ist der wirkliche Wille des Erklärenden zu erforschen (§ 133 BGB analog). Maßgebend ist nicht nur die Wortwahl des Steuerpflichtigen, sondern der gesamte Inhalt seiner Willenserklärung (BFH, Urt. v. 18.09.2014, VI R 80/13, BFHE 247, 111, juris Rn. 19).

25

Die Auslegung des Erstattungsantrags vom 27.03.2013 nach diesen Grundsätzen ergibt hier, dass A Antragstellerin ist und hierbei von der Klägerin als (direkte) Vertreterin gemäß Art. 5 Abs. 2 Unterabs. 1, 1. Anstrich ZK vertreten wurde. Diese Vorschrift ist anwendbar, weil ein Erstattungsantrag nach Art. 236 ZK eine zollrechtliche Verfahrenshandlung im Sinne von Art. 5 Abs. 1 ZK ist. Im Einzelnen:
Schon wenn man den Erstattungsantrag vom 27.03.2013 isoliert betrachtet, deutet viel darauf hin, dass der Beklagte diesen als Antrag der A betrachten musste, bei dem die Klägerin als direkte Vertreterin auftritt. Hierfür spricht die Formulierung, nach der die Klägerin "[i]m Namen der" A handelt. Dies ist eine rechtlich eindeutige Wortwahl. Sowohl im deutschen Recht (§ 164 Abs. 1 S. 1 BGB: "im Namen des Vertretenen") wie auch im Unionsrecht (Art. 5 Abs. 2 Unterabs. 1 ZK: "in Namen [...] eines anderen") ist das Handeln im fremden Namen - also als (direkter) Stellvertreter - der Gegenbegriff zum Handeln im eigenen Namen (so ausdrücklich Art. 5 Abs. 2 Unterabs. 1 ZK). Wenn jemand im Namen eines anderen an die Zollbehörde herantritt, bringt er damit zum Ausdruck, dass er gerade nicht im eigenen Namen handeln will. Der Beklagte musste diese Formulierung auch deshalb im dargestellten Sinne verstehen, weil es sich bei der Klägerin um eine Zollagentur handelt, die nach ihrer Selbstdarstellung im Internet seit über 30 Jahren in der Zollabfertigung tätig ist und sich daher der Bedeutung der Formulierung "Handeln im Namen von" bewusst gewesen sein muss. Anders als die Klägerin meint, musste der Beklagte nicht die Formulierung "namens und im Auftrag" erwarten; sie mag bei Anwälten gebräuchlich sein. Ihr Fehlen allein macht einen Antrag nicht mehrdeutig. Auch der Umstand, dass die Klägerin den Antrag in der ersten Person Plural ("wir beantragen") stellt, spricht nicht gegen die (direkte) Stellvertretung. Es ist gerade das Wesen der Stellvertretung, dass jemand eine eigene Willenserklärung abgibt, die rechtlich jedoch einer anderen Person zugerechnet wird.

26

Der einzige Aspekt in dem Erstattungsantrag, der der Annahme, dass die Klägerin im fremden Namen handeln wollte, entgegenstehen könnte, ist der Hinweis im Absenderfeld "Fiskalvertretung durch C GmbH". Ohne weitere Anhaltspunkte musste der Beklagte jedoch davon ausgehen, dass es sich hierbei lediglich um einen Hinweis auf die frühere Tätigkeit der Klägerin als Fiskalvertreterin handelt und hierin nicht der Wille der Klägerin zum Ausdruck kommt, sie wolle gleichsam wie eine Fiskalvertreterin, also als indirekte Vertreterin, tätig werden. Hierfür spricht schon, dass die Fiskalvertretung (§§ 22a ff. UStG) eine umsatzsteuerliche Rechtsfigur darstellt, die auf die beantragte Erstattung von Zöllen nicht anwendbar ist. Außerdem weist die Klägerin auf S. 2 des Antrags darauf hin, dass die Zollanmeldungen, um dieses hier geht, durch die Klägerin als den "ehemaligen Zollvertreter von A" eingereicht worden seien.

27

Eindeutig wird das Auslegungsergebnis jedenfalls durch den spezifischen Kontext, in dem der Erstattungsantrag zu sehen ist. Es handelt sich hierbei um "außerhalb der Erklärung liegende weitere Umstände", die - worauf die Klägerin zu Recht hingewiesen hat - bei der Auslegung zu berücksichtigen sind. Der (deutschsprachige) Antrag vom 27.03.2013 wurde in Reaktion auf das Hinweisschreiben des Beklagten vom 08.04.2013 am 23.04.2013 eingereicht. In jenem Schreiben hatte der Beklagte ausdrücklich moniert, dass der auf dem Briefkopf von A eingereichte englischsprachige Erstattungsantrag vom 27.03.2013 nicht erkennen lasse, "wer in diesen Fällen Antragsteller für die gewünschten Erstattungen" sei. Es wird weiter darauf hingewiesen, dass als antragsberechtigter Zollschuldner sowohl die Klägerin als auch A in Betracht kämen. Die Klägerin sei darüber hinaus als die Person, die die Zollschuld tatsächlich entrichtet habe, antragsberechtigt. Da das Schreiben auf dem Briefkopf von A verfasst sei, aber die Unterschrift eines Mitarbeiters der Klägerin trage, könnten sowohl A als auch die Klägerin Antragsteller sein. Der Antrag solle in deutscher Sprache so gestellt werden, dass der Antragsteller zweifelsfrei feststehe.

28

Wenn auf ein derartiges Schreiben, das die Rechtslage auf den Fall bezogen wiedergibt und die alternativ in Betracht kommenden Antragsteller nennt, die Klägerin unter Nennung ihrer Firma "[i]m Namen der" A einen Erstattungsantrag stellt und auf einen Briefkopf von A verzichtet, muss ein Erklärungsempfänger wie der Beklagte den Antrag ohne vernünftige Zweifel so verstehen, dass die Klägerin als (direkte) Stellvertreterin tätig wird. Die von der Klägerin herangeführten Zweifelsregeln sind nicht anwendbar, weil vor diesem tatsächlichen Hintergrund keine Zweifel am Inhalt der Erklärung bestehen.

29

An dieser Auslegung ändert der Hinweis der Klägerin auf den Grundsatz der rechtsschutzgewährenden Auslegung von Verfahrensvorschriften nichts. Selbst wenn diese Maxime einen anderen Inhalt haben sollte als die oben dargestellten Auslegungsgrundsätze für öffentlich-rechtliche Willenserklärungen, würde ihre Anwendung schon deshalb nicht zu einem anderen Ergebnis führen, weil sie- anders als der hier in Rede stehende Antrag - nur für Erklärungen gilt, die ein gerichtliches Verfahren einleiten sollen (vgl. BFH, Urt. v. 18.09.2014, VI R 80/13, juris Rn. 19; Urt. v. 19.04.2007, IV R 28/05, BFHE 218, 75, juris Rn. 18). Im Übrigen ist es auch nicht so, dass die Antragstellerin ihr materielles Ziel, nämlich die Erstattung der gezahlten Zölle, nur hätte erreichen können, wenn sie im eigenen Namen einen Erstattungsantrag gestellt hätte. Antragsberechtigt waren, worauf der Beklagte mit seinem Anhörungsschreiben vom 08.04.2013 ebenfalls hingewiesen hat, sowohl die Klägerin als auch A.

30

Zwar trifft der Hinweis der Klägerin zu, dass der englische Begriff "on behalf of", der in der englischsprachigen Vollmacht vom 12.02.2013 von A verwendet wird, sowohl mit "im Auftrag von" als auch "im Namen von" übersetzt werden kann. Dies ist jedoch für die Auslegung nicht entscheidend, weil genau wegen dieser Mehrdeutigkeit der Beklagte in seinen Schreiben vom 08.04.2013 nachgefragt hat, wer Antragsteller sein solle, und hierauf eine - wie dargestellt - eindeutige Antwort erhalten hat.

31

Keinen Einfluss auf die vom Senat für richtig gehaltene Auslegung des Erstattungsantrags hat der Einwand der Klägerin, dass im ablehnenden Bescheid A lediglich als "Vertretener" bezeichnet wird, ohne zwischen direkter und indirekter Stellvertretung zu unterscheiden. Es handelt sich nämlich bei diesem Bescheid um ein zeitlich nach dem Zugang des Erstattungsantrags liegendes Ereignis, das auf die Auslegung des Antrags keinen Einfluss hat. Die übrigen, zeitlich früheren Bescheide, mit denen anderen Erstattungsanträgen entsprochen wurde, sind bei der Auslegung des hier in Rede stehenden Antrags nicht zu berücksichtigen, weil ihnen kein mit der Nachfrage des Beklagten vom 08.04.2013 vergleichbares Behördenschreiben vorausgegangen ist.

32

Nicht ausschlaggebend ist schließlich das hilfsweise vorgebrachte Argument, dass die Klägerin einspruchsbefugt gewesen sei. Entscheidend für die Unzulässigkeit der Klage ist nämlich, dass die Klägerin keinen eigenen Antrag gestellt hat. Im Übrigen hält der Senat die Klägerin nicht für rechtlich beschwert (§ 350 AO). Mit dem ablehnenden Bescheid vom 28.01.2014 hat der Beklagte den Antrag von A abgelehnt. Nur ihre Interessen an einer rechtmäßigen Entscheidung wurden durch den negativen Bescheid betroffen, nicht jedoch die der Klägerin, weil sie - wie dargelegt - keinen Antrag gestellt hat. Eine andere Sichtweise würde gegen den Grundsatz der Relativität der (Zoll-)Schuldverhältnisse verstoßen und zu einer dem deutschen Recht und dem EU-Recht fremden gesetzlichen Verfahrensstandschaft führen (siehe oben). Daran ändert auch der Hinweis auf die Zollschuldnerschaft der Klägerin nichts. Es geht vorliegend nämlich nicht um die Rechtsstellung als Zollschuldnerin, sondern um die Frage der Bescheidung eines Erstattungsantrags.

III.

33

Selbst wenn man die Klage für zulässig halten sollte, wäre sie unbegründet.

34

Die Klägerin hätte schon deshalb keinen Anspruch auf die begehrte Erstattung, weil die für den Erstattungsanspruch nötige formelle Voraussetzung, dass ein Erstattungsantrag vorliegt (Art. 236 Abs. 2, 1. Hs. ZK), nicht gegeben ist. Wie oben (II.2.) dargelegt, ergibt nämlich die Auslegung des Erstattungsantrags, dass die Klägerin diesen Antrag nicht für sich, sondern mit Wirkung für A gestellt hat.

IV.

35

Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO. Gründe, die Revision zuzulassen (§ 115 Abs. 2 FGO), sind nicht gegeben.

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