Urteil vom Finanzgericht Hamburg (1. Senat) - 1 K 141/16

Tatbestand

1

Die Beteiligten streiten über die einkommensteuerrechtliche Berücksichtigung des klägerischen Weinhandels in den Jahren 2010 bis 2013.

2

1. Der Kläger ist ... geboren und von Beruf Versicherungsmakler. Bis 1996 war er selbstständig tätig. Seitdem übt er diese Tätigkeit als Geschäftsführer einer GmbH aus, deren Alleingesellschafter er ist. Die GmbH wird in dem Wohnhaus des Klägers betrieben.

3

Jedenfalls seit 1978 - möglicherweise bereits zwei oder drei Jahre zuvor - handelt der Kläger mit Wein, den er von einem ehemaligen Schulfreund bezieht, der ein Weingut betreibt. Den Weinhandel betreibt der Kläger ebenfalls in seinem Wohnhaus. Sein Kundenkreis sind Verwandte und Bekannte, vor allem aus dem Bereich seiner Versicherungstätigkeit. Der Kläger hat Weinproben durchgeführt und Wein verschenkt, um Kunden für das Versicherungsgeschäft zu akquirieren und Kontakte aus dem Versicherungsgeschäft zu binden.

4

In den Jahren von 1996 bis 2013 schlossen 6 Jahre mit einem positiven Ergebnis ab und 12 Jahre mit einem negativen Ergebnis. Die vom Kläger im Besteuerungsverfahren erklärten Ergebnisse schwankten zwischen + ... € und - ... € und betrugen im Durchschnitt - ... €, in der Summe - ... €.

5

Während des Klageverfahrens hat der Kläger korrigierend vorgetragen, in seinen Einnahme-Überschussrechnungen habe er (nur) für die Jahre 2010 bis 2012 Raumkosten angesetzt und zwar in Höhe von jeweils ... €. Allerdings seien für die GmbH Büro-Raumkosten mit etwa gleichen Beträgen abgerechnet worden. Für den Betrieb des Weinhandels seien Raumkosten daher nur für das Weinlager anzusetzen, das sich in einem Kellerraum von 10 m² befinde. Die Kosten beliefen sich auf ... € pro Quadratmeter und Monat und damit auf nur ... € jährlich. Bei der Ergebnisermittlung seien nunmehr die geringeren Raumkosten zu berücksichtigen. Wegen der Einnahmen und Ausgaben des Weinhandels wird Bezug genommen auf die vom Kläger als Anlagen 5 bis 7 eingereichten Zusammenstellungen für die Jahre ab 2013 mit folgenden Ergebnissen:

   

6
Jahr Ergebnis     im Klageverfahren korrigiert
1993

- ... €

1994

 ... €

1995

 ... €

1996

 - ... €

1997

- ... €

1998

... €

1999

- ... €

2000

... €

2001

- ... €

2002

 ... €

2003

- ... €

2004

 - ... €

2005

 ... €

2006

 - ... €

2007

- ... €

2008

... €

2009

- ... €

2010

- ... €

 - ... €

2011

 - ... €

- ... €

2012

- ... €

 - ... €

2013

... €

Summe

ab 1993

  - ... €

ab 1996

 - ... €

7

2. Der Kläger erklärte in seinen Einkommensteuererklärungen für die Streitjahre jeweils Einkünfte aus nichtselbstständiger Arbeit i. H. v. ... €, Rentenbezüge von rund ... € sowie die Ergebnisse aus seinem Weinhandel, wie sie in der zweiten Spalte der obigen Tabelle wiedergegeben sind. Die Jahre 2010 und 2011 sind erklärungsgemäß veranlagt worden.

8

In der Vorbereitung der Veranlagung des Jahres 2012 fragte der Beklagte beim Kläger mit Schreiben vom 07.10.2013 unter anderem nach, von welcher Einschätzung der Ertragsaussichten er zu Beginn des Weinhandels ausgegangen sei, aus welchen Gründen der Betrieb trotz laufender Verluste weitergeführt werde und welche konkreten Maßnahmen ergriffen würden, um die Ertragslage zu verbessern. Der Beklagte forderte den Kläger auf, eine langfristige, in die Zukunft gerichtete Prognoserechnung auf der Grundlage der bisherigen Betriebsführung vorzulegen. Der Kläger antwortete dem Beklagten, die Kosten seien gesenkt worden und durch weitere Werbemaßnahmen habe der Umsatz gesteigert werden können. Das Jahr 2013 und die Folgejahre würden mit Gewinn abgeschlossen werden.

9

Der Beklagte führte aufgrund einer Prüfungsanordnung vom 09.06.2015 eine Außenprüfung der Jahre 2009 bis 2011 durch. Der Prüfer kam in seinem Bericht vom 10.11.2015 zu dem Ergebnis, der Weinhandel sei keine einkommensteuerrechtlich relevante Tätigkeit. Vor dem Hintergrund der seit 1996 bis zum Veranlagungszeitraum 2013 aufgelaufenen Verluste, des Alters des Klägers (...), des Fehlens einer Eintragung des Weinhandels in einem Branchenbuch und eines Internetauftritts und von Umstrukturierungsmaßnahmen, sowie des Umstandes, dass der Weinhandel im privaten Wohnhaus des Klägers betrieben werde, sei es offensichtlich, dass mit dem nebenberuflichen Weinhandel kein Totalgewinn erzielt werden könne. Der Kläger habe auch nach Aufforderung keine Totalgewinnprognose eingereicht. Zu berücksichtigen seien auch die persönlichen Motive des Klägers, dass er den Weinhandel nebenberuflich betreibe, es sich nicht um eine existenznotwendige Tätigkeit handele und sich für ihn durch die Verluste eine enorme Steuerersparnis ergäbe.

10

Infolge der Betriebsprüfung änderte der Beklagte am 08.12.2015 die Einkommensteuerbescheide für 2010 und 2011 bzw. erließ die Einkommensteuerbescheide für 2012 und 2013 dahingehend, dass die erklärten Verluste aus dem Weinhandel nicht mehr berücksichtigt wurden.

11

3. Der Kläger legte am 08.01.2016 Einspruch ein. Seit 40 Jahren betreibe er seinen Weinhandel mit großem Engagement. Eine Eintragung im Branchenbuch und ein Internetauftritt seien nicht erforderlich, weil er seine Kunden überwiegend im Kreise seiner Verwandten und Bekannten sowie seiner Geschäftsfreunde gefunden habe. Da seine Rente niedrig sei und sein Gehalt aus der Versicherungstätigkeit auch im Hinblick auf sein Alter nicht gesichert sei - die Provisionseinnahmen der GmbH seien rückläufig -, wolle er den Weinhandel nicht aufgeben, sondern erweitern.

12

Der Beklagte wies die Einsprüche mit Einspruchsentscheidung vom 23.03.2016 als unbegründet zurück. Es handele sich bei dem Weinhandel um eine steuerlich unbeachtliche Liebhaberei. Es seien mehrjährige, weit über die Anlaufphase hinausgehende Verluste entstanden und der Betrieb sei objektiv nach der Betriebsführung des Klägers nicht geeignet, nachhaltig Gewinne zu erzielen. Es liege nahe, dass die Ausübung trotz der Verluste der Verwirklichung persönlicher Interessen und privater Neigung des Klägers diene. Wegen der Einzelheiten der Einspruchsentscheidung wird auf ihren Inhalt Bezug genommen.

13

4. Der Kläger hat am 25.04.2016 Klage erhoben.

14

Der Kläger wies zunächst darauf hin, dass der Beklagte für die Ergebnisse der Jahre bis 2001 die D-Mark-Beträge als Euro-Beträge angesetzt habe. (Dieser Fehler ist vom Beklagten eingeräumt und in die obige Tabelle sind entsprechend berichtigte Beträge aufgenommen worden.)

15

Der Kläger meint, der Beklagte berücksichtige für die Prognose des Totalgewinns zu Unrecht nur die Zeit ab 1996. Es sei die gesamte Zeit seit Beginn des Weinhandels in 1978 zu betrachten. Es sei davon auszugehen, dass bis zu einer Einstellung des Weinhandels ein Totalgewinn erzielt, jedenfalls aber beabsichtigt werde. Er, der Kläger, verfüge zwar nicht mehr über Abrechnungsunterlagen für den Zeitraum 1978 bis 1992. Seiner Erinnerung nach habe er in diesen Zeiten mit dem Weinhandel Gewinne erzielt. Für das Jahr 1987 legt der Kläger eine Gewinnberechnung mit einem Überschuss von ... DM vor. Der Kläger trägt vor, da offenbar der Beklagte über keine Unterlagen für den Zeitraum vor 1996 verfüge, könne weder ein Totalgewinn bzw. Totalverlust belegt noch widerlegt werden. Vor diesem Hintergrund sei die Unterstellung eines Totalverlustes durch den Beklagten rechtlich unzulässig.

16

Der Kläger macht geltend, dass der Warenverbrauch für Werbegeschenke und Weinproben in den Abrechnungen bisher nicht berücksichtigt worden sei. Die von ihm vorgelegten Unterlagen belegten, dass er Weinverkostungen für Versicherungskunden veranstaltet habe. Die GmbH habe Überschüsse erwirtschaftet; in der Zeit von 1998 bis 2004 in Höhe von insgesamt über ... €.

17

Im Übrigen habe er erhebliche Anstrengung unternommen, um den Umsatz des Weinhandels zu steigern und die Kosten zu senken.

18

Der Kläger beantragt sinngemäß,
die Einkommensteuerbescheide für die Jahre 2010 bis 2013 vom 08.12.2015 in der Fassung der Einspruchsentscheidung vom 23.03.2016 dahingehend zu ändern, dass folgende Ergebnisse aus seinem Weinhandel berücksichtigt werden: 2010 - ... €, 2011 - ... €, 2012 - ... € und 2013 + ... € berücksichtigt werden.

19

Der Beklagte beantragt,
die Klage zuweisen.

20

Der Beklagte nimmt Bezug auf seine Einspruchsentscheidung und vertieft seine dortigen Ausführungen. Für die maßgebliche Frage der Gewinnerzielungsabsicht sei es unerheblich, ob der Kläger den Weinhandel schon ab 1978 betrieben habe. Der Kläger habe die behaupteten Anstrengungen zur Umsatzsteigerung und Kostensenkung nicht substantiiert und konkrete Reaktionen auf anhaltende wirtschaftliche Erfolglosigkeit nicht dargetan.

21

5. Dem Gericht lagen außer den Schriftsätzen der Beteiligten nebst Anlagen folgende Akten des Beklagten vor: Rechtsbehelfsakte ESt 09-13 Bd. I, Bilanz-und Bilanzberichtsakte 2008 bis ...  Bd. II, Einkommensteuerakten Bd. V, Umsatzsteuerakten Bd. IV, Betriebsprüfungsakten Bd. I angelegt 2015.

22

Ergänzend wird Bezug genommen auf das Protokoll des Erörterungstermins am 16.02.2016. Beide Beteiligten haben zu Protokoll erklärt, auf die mündliche Verhandlung zu verzichten und mit einer Entscheidung des Berichterstatters anstelle des Senats einverstanden zu sein.

Entscheidungsgründe

23

Das Urteil ergeht gemäß § 90 Abs. 2 FGO ohne mündliche Verhandlung durch den Berichterstatter, § 79a Abs. 3, 4 FGO.

24

Die Anfechtungsklage ist hinsichtlich des Einkommensteuerbescheides 2013 mangels Beschwer unzulässig. Der Kläger macht geltend, die Einkommensteuerbescheide der Jahre 2010 bis 2013 seien rechtswidrig, weil die Ergebnisse aus seinem Weinhandel nicht der steuerbaren, sondern seiner Privatsphäre zugeordnet und deswegen bei der Steuerfestsetzung unberücksichtigt geblieben seien.

25

Für das Jahr 2013 hat der Kläger einen Gewinn aus seinem Weinhandel in Höhe von ... € erklärt. Durch die gerügte Nichtberücksichtigung dieses Jahresergebnisses ist der Kläger nicht beschwert, denn sie führt dazu, dass eine niedrigere Steuer festgesetzt worden ist als bei der begehrten Berücksichtigung des Gewinns. Daher fehlt es dem Kläger insoweit an dem für die Zulässigkeit einer Klage vorausgesetzten Rechtsschutzbedürfnis.

26

Im Übrigen ist die Klage gegen den Einkommensteuerbescheid 2013 ebenso wie die zulässigen Anfechtungsklagen gegen die Einkommensteuerbescheide 2010 bis 2012 unbegründet.

27

Anfechtungsklagen sind begründet, sofern der angefochtene Verwaltungsakt rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, § 100 Abs. 1 Satz 1 FGO.

28

1. Für die Entscheidung dieses Rechtsstreits wird zugunsten des Klägers unterstellt, dass er die Ergebnisse des Weinhandels in zutreffender Höhe dargestellt und erklärt hat (s. insoweit unter Ziffer 2). Unter dieser Prämisse ist die Nichtberücksichtigung rechtmäßig, weil eine für die steuerliche Berücksichtigung maßgebliche Gewinnerzielungsabsicht des Klägers hinsichtlich des Weinhandels nicht festgestellt werden kann. Bei der Feststellung, ob eine Gewinnerzielungsabsicht vorliegt, kommt es weder auf die Ergebnisse der GmbH noch auf die Ergebnisse des Weinhandels vor dem Jahr 1996 an.

29

a) Nach § 15 Abs. 2 EStG ist eine selbständige nachhaltige Betätigung, die mit der Absicht, Gewinn zu erzielen, unternommen wird und sich als Beteiligung am allgemeinen wirtschaftlichen Verkehr darstellt, Gewerbebetrieb, wenn die Betätigung weder als Ausübung von Land- und Forstwirtschaft noch als Ausübung eines freien Berufs noch als eine andere selbständige Arbeit anzusehen ist.

30

Bei Einkünften aus gewerblicher Tätigkeit ist allerdings - wie bei allen Einkunftsarten - Voraussetzung für die steuerliche Berücksichtigung positiver als auch negativer Einkünfte das Bestehen einer Gewinnerzielungsabsicht. Gewinnerzielungsabsicht ist das Bestreben, das Betriebsvermögen zu mehren und auf Dauer einen Totalgewinn zu erzielen (grundlegend: BFH-Beschluss des Großen Senats vom 25.06.1984 GrS 4/82, BFHE 141, 405, BStBl II 1984, 751, unter C.IV.3.c der Gründe). Angestrebt werden muss ein positives Ergebnis zwischen Betriebsgründung und Betriebsbeendigung, und zwar auf Grund einer Betätigung, die, über eine größere Zahl von Jahren gesehen, auf die Erzielung positiver Ergebnisse hin angelegt (ständige Rechtsprechung, vgl. BFH-Urteil vom 20.09.2012 IV R 43/10, BFH/NV 2013, 408, m. w. N.).

31

Als innere Tatsache lässt sich die Gewinnerzielungsabsicht nur anhand äußerer Umstände feststellen. In objektiver Hinsicht ist eine Prognose darüber anzustellen, ob der Betrieb nach seiner Wesensart und der Art seiner Bewirtschaftung auf Dauer geeignet ist, einen Gewinn zu erwirtschaften. Dass der Steuerpflichtige auch subjektiv die Erzielung eines Totalgewinns nicht beabsichtigte, kann aus einer objektiv negativen Gewinnprognose nicht ohne weiteres gefolgert werden. Ein solcher - widerlegbarer - Schluss ist nur dann gerechtfertigt, wenn die verlustbringende Tätigkeit typischerweise dazu bestimmt und geeignet ist, der Befriedigung persönlicher Neigungen oder der Erlangung wirtschaftlicher Vorteile außerhalb der steuerrelevanten Einkunftssphäre zu dienen. Bei anderen Tätigkeiten müssen zusätzliche Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass die Verluste aus persönlichen Gründen oder Neigungen hingenommen werden (ständige Rechtsprechung, vgl. BFH-Urteil vom 20.09.2012 IV R 43/10, BFH/NV 2013, 408 m. w. N.).

32

Verschiedene Aktivitäten des Steuerpflichtigen sind je nach den besonderen Umständen einheitlich oder getrennt ("segmentiert") zu beurteilen. Ob eine wirtschaftlich eigenständige Betätigung anzunehmen ist, richtet sich danach, ob ein selbständiger Tätigkeitsbereich oder bloß eine Hilfs- oder Nebentätigkeit zur Haupttätigkeit gegeben ist (BFH-Urteil vom 15.11.2006 XI R 58/04, BFH/NV 2007, 43; Schleswig-Holsteinisches Finanzgericht, Urteil vom 09.03.2016 2 K 180/12, juris; vgl. FG München, Urteil vom 12.09.2013, 10 K 2273/10, juris, m. w. N.; Wacker in Schmidt, EStG, § 15, Rdnr. 29).

33

Bei einem Einzelhandelsunternehmen, kann der Beweis des ersten Anscheins zunächst dafür sprechen, dass es in der Absicht der Gewinnerzielung betrieben wird, wenn die hauptsächliche Handelsware nach der Lebenserfahrung nicht typischerweise dazu bestimmt und geeignet ist, der Befriedigung persönlicher Neigungen des Steuerpflichtigen oder der Erlangung wirtschaftlicher Vorteile außerhalb der Einkommenssphäre zu dienen (BFH-Urteil vom 22.03.1996 III R 49/95, BFH/NV 1996, 812). Übt der Steuerpflichtige eine Tätigkeit aus, die nicht typischerweise in der Nähe des Hobbybereichs anzusiedeln ist, können im Falle einer längeren Verlustperiode die Reaktionen des Steuerpflichtigen auf die Verluste die Bedeutung wichtiger äußerer Beweisanzeichen erlangen. So spricht vor allem das fehlende Bemühen, die Verlustursachen zu ermitteln und ihnen mit geeigneten Maßnahmen zu begegnen, für sich genommen schon dafür, dass langjährige Verluste aus im persönlichen Bereich liegenden Neigungen und Motiven hingenommen werden. An die Feststellung persönlicher Gründe und Motive, die den Steuerpflichtigen trotz der Verluste zur Weiterführung seines Unternehmens bewogen haben könnten, sind in einem solchen Fall keine hohen Anforderungen zu stellen (ständige Rechtsprechung, vgl. BFH-Urteil vom 20.09.2012 IV R 43/10, BFH/NV 2013, 408 m. w. N.).

34

Bei einem Weinvertrieb (mit Weinproben) im geringen Umfang und für einen kleinen Kreis von Interessenten besteht die Möglichkeit, dass die Tätigkeit mehr dem Bereich der Lebensführung als dem des "Broterwerbs" zuzurechnen ist (vgl. BFH-Urteil vom 27.05.2009 X R 62/06, juris; FG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 29.04.2008 6 K 4071/04, juris; FG Münster, Urteil vom 09.02.2006 5 K 1841/04 E, juris; FG München, Urteil vom 12.12.2000 13 K 4866/97, juris).

35

b) Auf dieser Grundlage kann eine Gewinnerzielungsabsicht des Klägers im Hinblick auf die von ihm dargelegten und erklärten Ergebnissen seines Weinhandels nicht festgestellt werden.

36

aa) Zunächst ist festzustellen, dass die Ergebnisse des Weinhandels gesondert, unabhängig von dem Versicherungsgeschäft der GmbH bzw. der Geschäftsführertätigkeit des Klägers für die GmbH, zu betrachten sind. Der Kläger hat zwar darauf hingewiesen, dass der Weinhandel eng mit dem Versicherungsgeschäft verbunden gewesen war und ist und dieses förderte und fördert. Gleichwohl handelt es sich nicht um untrennbaren Bestandteile einer einheitlichen geschäftlichen Betätigung, die sich gegenseitig bedingen (vgl. zu dem Kriterium des gegenseitigen Bedingens BFH-Urteil vom 28.10.2008 VIII R 73/06, BFHE 223, 218, BStBl II 2009, 647, Rn. 27).

37

aaa) Die GmbH ist eine eigenständiges Steuerrechtssubjekt, so dass die in ihrer Person ausgeübte Versicherungstätigkeit und ein in der Person des Klägers ausgeübter Weinhandel schon wegen der Personenverschiedenheit keine Beurteilungseinheit bilden können, selbst wenn der Kläger durch Einsatz der Ware Wein das Versicherungsgeschäft der GmbH subjektiv und / oder objektiv gefördert haben sollte, wie er vorträgt.

38

bbb) Aufwendungen, die dem Kläger im Zusammenhang mit dem Wein entstanden sind - also die geltend gemachten Verluste oder aber Kosten im Zusammenhang mit unentgeltlich als Präsent oder im Rahmen von Weinproben abgegebenem Wein - stehen auch nicht in einer Beurteilungseinheit mit seiner Tätigkeit als Geschäftsführer der GmbH. Dabei kann dahinstehen, ob es sich bei den Einkünften des Klägers als Geschäftsführer um solche aus nichtselbständiger Arbeit (§ 19 EStG) - wie von ihm erklärt - oder aus selbständiger Arbeit (§ 18 EStG) handelt.

39

Ob eine Beurteilungseinheit auch zwischen verschiedenen Einkunftsarten möglich ist mit der Folge, dass Verluste aus einer gewerblichen Tätigkeit als Werbungskosten (bei den Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit) oder Betriebsausgaben (bei den Einkünften aus selbständiger Arbeit) berücksichtigt werden, kann dahinstehen, weil eine derartige Verknüpfung im vorliegenden Fall nicht in Betracht kommt.

40

Nach § 9 Abs. 1 Satz 2 EStG sind Werbungskosten bei der Einkunftsart abzuziehen, bei der sie erwachsen sind. Das Einkommensteuergesetz enthält allerdings keine ausdrückliche Regelung dazu, nach welchen Grundsätzen Werbungskosten einer Einkunftsart zuzuordnen sind, wenn - wie etwa bei einem Darlehen durch einen Gesellschafter-Geschäftsführer - neben anderen Einkunftsarten auch Lohneinkünfte (§ 19 Abs. 1 EStG) in Betracht kommen (vgl. BFH-Urteil vom 07.02.2008 VI R 75/06, BFHE 220, 407, BStBl II 2010, 48, m. w. N.). Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs entscheidet der engere und wirtschaftlich vorrangige Veranlassungszusammenhang. Danach sind die Aufwendungen der Einkunftsart zuzuordnen, die im Vordergrund steht und die Beziehungen zu den anderen Einkünften verdrängt. Insoweit gelten die Rechtsgrundsätze, die auch für die Frage heranzuziehen sind, ob eine Zuwendung des Arbeitgebers auf dem Arbeitsverhältnis oder auf anderen Rechtsbeziehungen gründet (BFH-Urteil vom 25.11.2010 VI R 34/08, BFHE 232, 86, BStBl II 2012, 24, m. w. N.). Entsprechendes würde gelten, wenn die Geschäftsführer-Tätigkeit des Klägers als selbständig zu qualifizieren wäre, da nach § 4 Abs. 4 EStG Betriebsausgaben Aufwendungen sind, die durch den Betrieb veranlasst sind.

41

Vor diesem Hintergrund ist eine Berücksichtigung von Kosten aus dem Weinbereich für die Bestimmung der Einkünfte als Geschäftsführer zu verneinen.

42

Leistungen eines Alleingesellschafter-Geschäftsführers, die der Anbahnung von Geschäften zugunsten der Gesellschaft und der Bindung von Kunden und Geschäftspartnern an die Gesellschaft dienen, sind vorrangig durch das Gesellschafterverhältnis, nicht aber durch ein Arbeitsverhältnis bzw. die Geschäftsführertätigkeit veranlasst. Denn bei diesen Aufwendungen handelt es sich um typische Betriebsausgaben eines werbenden Unternehmens, die auch im Verhältnis zu den für das Unternehmen - nichtselbständig oder selbständig - Tätigen von dem Unternehmen zu tragen sind. Dafür dass der Kläger hier ausnahmsweise in seiner Eigenschaft als Geschäftsführer und nicht in seiner Eigenschaft als Gesellschafter Aufwendungen getragen hat, gibt es keinen Anhaltspunkt. Dass seine Geschäftsführer-Bezüge offenbar fest vereinbart sind und keine erfolgsabhängige Komponente enthalten, denn er hat in jedem der Streitjahre Vergütung in unveränderter Höhe erklärt, spricht zusätzlich dagegen.

43

ccc) Ob der Weinhandel als Hilfsgeschäft in einer Beurteilungseinheit mit der seinerzeit, vor Ausgründung der GmbH im Jahr 1996, gewerblichen Tätigkeit des Klägers als Versicherungsmakler stand, kann dahinstehen, auch wenn der Vortrag des Klägers dies nahelegt. Denn diese Zeiträume sind nicht Gegenstand des Streites und die Einheit ist jedenfalls mit der Ausgründung beendet worden.

44

ddd) Kapitaleinkünfte hat der Kläger in den Streitjahren nicht erklärt. Schon deswegen kann eine Beurteilungseinheit des Weinhandels mit Kapitaleinkünften aus seiner Stellung als Gesellschafter der GmbH nicht in Betracht kommen.

45

bb) Gegen das Vorliegen einer Gewinnerzielungsabsicht sprechen jedenfalls die Ergebnisse der Jahre seit 1996.

46

Der Weinhandel hat in der maßgeblichen Zeit seit 1996 in zwei Drittel der Jahre jeweils Verluste und insgesamt einen Verlust in Höhe von mindestens ... € erwirtschaftet. Soweit in einzelnen Jahren Gewinne angefallen waren, lagen sie im Durchschnitt und in der Summe unter den Jahresverlusten.

47

Es ist festzustellen, dass der Kläger in den Jahren von 1996 bis zum letzten Streitjahr 2013 mit einem Wareneinsatz von ... € einen Umsatzerlös von ... € erzielt hat. Der Rohgewinn der 18 Jahre betrug damit insgesamt nur ... €, pro Jahr also durchschnittlich ... €. Damit können selbst die relativ niedrigen Betriebskosten, die der Kläger nunmehr ansetzt, nicht gedeckt werden. Nicht einmal die Rechts- und Beratungskosten, die im Gesamtdurchschnitt der 18 Jahre ... € pro Jahr betrugen, werden davon gedeckt. Raumkosten, die nach dem aktuellen Vortrag des Klägers jährlich (nur) ... € betragen sollen, aber in den meisten Jahren vom Kläger nicht in Ansatz gebracht wurden, können mit dem Rohgewinn nicht abgedeckt werden.

48

Unter Berücksichtigung von weiteren, in gewissem Umfang unvermeidbaren Betriebsausgaben ist auf der Basis der vom Kläger erklärten Zahlen ein Gewinn kaum möglich und tatsächlich auch nicht erzielt worden. Entweder hat der Kläger jahrelang bei den Verkäufen auf eine gewinnermöglichende Gewinnmarge verzichtet oder er hat in einem Maße Ware unentgeltlich abgegeben, das im Verhältnis zu den Verkäufen eine Gewinnerzielung ausschloss.

49

cc) Gegen das Vorliegen einer Gewinnerzielungsabsicht spricht es, dass der Kläger es trotz ständiger und nachhaltiger Verluste unterlassen hat, Maßnahmen zur Herstellung und Steigerung der Rentabilität des Betriebs zu ergreifen (vgl. BFH-Urteile vom 23.05.2007 X R 33/04, BFHE 218, 163, BStBl II 2007, 874). Auch wenn die Gewinnerzielungsabsicht nicht allein wegen der Tatsache langjähriger Erwirtschaftung von Verlusten und fehlender Reaktion auf bereits eingetretene hohe Verluste verneint werden kann, ist das Unterlassen geeigneter Umstrukturierungsmaßnahmen im Hinblick auf das darin liegende nicht marktgerechte Verhalten doch als ein gewichtiges Beweisanzeichen für eine fehlende Gewinnerzielungsabsicht zu werten. Denn es lässt den Schluss zu, dass die Betriebsführung nicht ernstlich auf eine am Markt erfolgreiche Tätigkeit gerichtet. Der Kläger hat zwar behauptet, er habe Maßnahmen ergriffen. Er hat diese Maßnahmen allerdings nicht näher dargelegt. Die nicht substantiierte und nicht belegt Anmerkung, er habe die Preise erhöht, reicht nicht aus, zumal sich in den vorgelegten Zahlen des Klägers die angeblichen Maßnahmen nicht abbilden. Der Kläger hat weder im Verwaltungs- noch im Gerichtsverfahren ein schlüssiges Geschäftskonzept vorgelegt.

50

dd) Das fehlende Bemühen, die Verlustursachen zu ermitteln und ihnen mit geeigneten Maßnahmen zu begegnen, sowie die weiteren Umstände - insbesondere der Verzicht auf Werbung gegenüber der Öffentlichkeit, die Beschränkung seiner Vertriebswege auf Verwandte, Bekannte und Geschäftskontakte der Versicherungs-GmbH unter Verzicht auf Laufkundschaft (vgl. BFH-Urteil vom 27.05.2009 X R 62/06, Rn. 30, juris; FG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 29.04.2008 6 K 4071/04, juris; FG Münster, Urteil vom 09.02.2006 5 K 1841/04 E, juris; FG München, Urteil vom 12.12.2000 13 K 4866/97, juris) - sprechen im Zusammenhang mit den negativen Ergebnissen gegen das Vorliegen einer Gewinnerzielung und für anderweitige Gründe für den Betrieb eines Weinhandels.

51

Diese anderweitigen Gründe ergeben sich aus der Kundenstruktur. Als den einen Teil der Kundschaft benennt der Kläger Verwandte und Bekannte. Werden Verwandte und Bekannte nicht mit Gewinn, sondern mit Verlust für den Lieferanten versorgt, liegt die private Motivation offensichtlich in der persönlichen Verbundenheit. Als anderen Teil der Kundschaft benennt der Kläger nur Personen, die im geschäftlichen Kontakt mit der Versicherungs-GmbH stehen und denen Wein verkauft und geschenkt worden ist. Soweit dem Kläger Aufwendungen zur Förderung des Geschäfts der GmbH erwachsen sein sollten, wären diese gegebenenfalls durch seine Gesellschafterstellung und damit außersteuerlich veranlasst. Es bedarf daher keiner näheren Aufklärung, ob und in welchem Maß die Aufwendungen bzw. Verluste des Klägers tatsächlich in einem beachtlichen Zusammenhang mit der Förderung des Versicherungsgeschäfts gestanden haben.

52

ee) Vor diesem Hintergrund kommt es für die Beurteilung, ob eine Gewinnerzielungsabsicht vorliegt, nicht auf die Ergebnisse des Weinhandels in der Zeit vor 1996 an.

53

Der Kläger meint aus der Rechtsprechung zur Gewinnerzielungsabsicht sei der Schluss zu ziehen, dass Verluste unbedingt steuerlich zu berücksichtigen seien, sofern nur die nicht zu widerlegende Möglichkeit eines Totalgewinns in dem Sinne bestehe, dass in früheren Zeiten höhere Gewinne als die seitdem entstandenen Verluste erwirtschaftet worden sind.

54

Diese Meinung ist unzutreffend. Für die zur Annahme einer Liebhaberei erforderliche Feststellung einer objektiv negativen Gewinnprognose sind die in der Vergangenheit erzielten Gewinne ohne Bedeutung. Am Ende einer Berufstätigkeit umfasst der anzustrebende Totalgewinn daher nur die verbleibenden Jahre (BFH-Urteil vom 26.02.2004 IV R 43/02, BFHE 205, 243, BStBl II 2004, 455). So wie einem Steuerpflichtiger, der Verluste erwirtschaftet hat, die Gewinnerzielungsabsicht nicht abgesprochen werden kann, wenn er Maßnahmen ergreift, um zukünftig Gewinne zu erzielen, so kann eine zunächst bestehende Gewinnerzielungsabsicht auch verloren gehen, wenn nach Gewinnjahren eine anhaltende jährliche Verlustsituation eintritt - gleichgültig ob durch Veränderung des Geschäftsmodells durch den Steuerpflichtigen selbst oder durch externe Ursachen - und der Steuerpflichtige dies über Jahre ohne erkennbare Gegenmaßnahmen geschehen lässt und die jährlichen Verluste also akzeptiert.

55

Außerdem hat der Kläger schon nicht hinreichend dargetan, dass ein positiver Totalgewinn in der von ihm zugrunde gelegten Zeit seit 1978 gegeben ist oder gegeben sein könnte. Ergebnisse für den Vorzeitraum liegen nicht vor. Der Kläger trägt vor, seiner Erinnerung nach sei in den Jahren vor 1996 insgesamt ein Gewinn mit dem Weinhandel erzielt worden. Belegen konnte der Kläger diesen Vortrag nicht. Sein Vortrag dürfte im Übrigen nur dann zutreffend sein, wenn der Weinhandel vor 1996 in wesentlich anderer Art und Weise, nämlich mit einem auskömmlichen Gewinnaufschlag und / oder weniger unentgeltlichen Warenabgaben betrieben worden sein sollte, denn ansonsten konnte kein nachhaltiger Gewinn erzielt werden. In diesem Fall spräche vieles dafür, dass der Kläger den Betrieb des Weinhandels mit der Ausgründung der GmbH wesentlich verändert hat - denn seitdem sind erhebliche Verluste entstanden - und die Gewinnerzielungsabsicht in dieser Zeit aufgegeben hat. Andernfalls, wenn also auch in dem Zeitraum vor 1996 Verluste erwirtschaftet worden sein sollten, wäre ohnehin die gesamte Tätigkeit seit den 70er Jahren defizitär und eine Gewinnerzielungsabsicht gewesen.

56

Zusammenfassend ist festzuhalten, dass dem Weinhandel des Klägers in den Streitjahren die Gewinnerzielungsabsicht abzusprechen ist, sofern von den Ergebnissen ausgegangen wird, die der Kläger dargelegt und erklärt hat und die für die letzten zwanzig Jahre einen deutlichen Verlust ergeben.

57

2. Die Klage hätte auch keinen Erfolg, wenn die vom Kläger erklärten Ergebnisse deswegen unzutreffend sein sollten, weil sie Aufwendungen enthalten, die nicht durch den Weinhandel, sondern durch das Versicherungsgeschäft der GmbH veranlasst worden waren. Würden Warenabgaben, die unentgeltlich oder unterhalb des Einkaufspreises zugunsten des Versicherungsgeschäfts erfolgten, bei der Ermittlung des Ergebnisses des Weinhandels unberücksichtigt bleiben oder neutralisiert werden, hätte der Weinhandel möglicherweise keine Verluste erwirtschaftet, sondern wäre profitabel gewesen. Wäre deswegen eine Gewinnerzielungsabsicht zu bejahen, wären diese positiven Ergebnisse allerdings zu versteuern gewesen. Der Kläger hätte zu Unrecht Verluste erklärt und damit möglicherweise Steuern verkürzt oder hinterzogen. Für die Streitjahre müssten positive Ergebnisse des Weinhandels zu einer höheren Steuerfestsetzung führen. Da jedoch eine Verböserung der Steuerfestsetzung im Klageverfahren nicht zulässig ist, müsste es auch in diesem Fall im gerichtlichen Verfahren bei unveränderten Einkommensteuerbescheiden bleiben und die Klage wäre abzuweisen.

58

3. Die Kostenentscheidung folgt aus § 135 Abs. 1 FGO. Gründe für die Zulassung der Revision, § 115 Abs. 2 FGO, liegen nicht vor. Die Entscheidung basiert auf der zitierten, überwiegend höchstrichterlichen Rechtsprechung. Die Entscheidung weicht nicht von Entscheidungen anderer Gerichte oder des Bundesfinanzhofs ab.

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