Urteil vom Finanzgericht Hamburg (4. Senat) - 4 K 9/16

Tatbestand

1

Der Kläger wendet sich gegen einen Haftungsbescheid für Einfuhrumsatzsteuern.

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Der Kläger war seit dem 14.01.2013 - neben den gesondert in Haftung genommenen A und B - Geschäftsführer der C Verwaltungs GmbH. Hierbei handelt es sich um die persönlich haftendende Gesellschafterin (Komplementär-GmbH) der zuletzt unter D GmbH und Co. KG (bis ...07.2013: E GmbH & Co. KG) firmierenden Gesellschaft (im Folgenden: Steuerschuldnerin), die im ... tätig war.

3

Der Steuerschuldnerin wurde mit Bescheid vom 24.01.2000 bis zum Widerruf am 01.08.2013 die Bewilligung eines laufenden Zahlungsaufschubs für die Einfuhrumsatzsteuer in unbegrenzter Höhe ohne Sicherheitsleistung erteilt (BewilligungZA). Danach waren die während eines Kalendermonats von der Zollstelle buchmäßig erfassten und auf dem Aufschubkonto Nr. XX aufgeschobenen Abgabenbeträge spätestens am 16. Tag des Folgemonats zu entrichten. Die BewilligungZA enthält die folgenden als "Auflagen" bezeichneten Zusätze:
"14. Sie haben unverzüglich jede Änderung der in Ihrem Antrag angegebenen oder sonst für die Bewilligung maßgebenden Verhältnisse schriftlich anzuzeigen.
15. Es bleibt vorbehalten, Auflagen nachträglich aufzunehmen, zu ändern oder zu ergänzen."

4

Unter "Hinweise" heißt es:
"18. Bei Nichteinhaltung von Bedingungen und Auflagen sowie bei Wegfall der allgemein für die Bewilligung des Zahlungsaufschubs erforderlichen Voraussetzungen, kann diese Bewilligung widerrufen werden.
19. Sonstiges:
Hinweis: Die Bewilligung wurde vorbehaltlich der Ergebnisse der Prüfung der Vertrauenswürdigkeit und steuerlichen Zuverlässigkeit erteilt. Evtl. negative Erkenntnisse können zum Widerruf der Bewilligung führen."

5

Zum Ausgleich des eingerichteten Aufschubkontos erteilte die Steuerschuldnerin einen Abbuchungsauftrag für Lastschriften bzw. ein SEPA-Firmenlastschriftmandat für ihr Konto Nr. YY bei der F Bank.

6

Seit dem 21.08.2009 finanzierte sich die Steuerschuldnerin auch über das Factoring ihrer Kundenforderungen. Nachdem die Steuerschuldnerin ab 2010 erhebliche Verluste erwirtschaftet hatte, wurde das Verhältnis zwischen ihr und dem Bankenpool, über den sie sich finanzierte, mit dem Sicherheiten-Poolvertrag vom ... 2012 neu geregelt. Hierin trat sie ihre Forderungen aus Lieferungen und Leistungen - soweit sie nicht an den Factor verkauft werden - zur Sicherheit an den Bankenpool ab. Außerdem übereignete sie zur Sicherheit ihr Warenlager mit wechselndem Bestand und verpfändete - neben Geschäftsanteilen und Markenrechten - mehrere Konten, darunter das bei der F Bank geführte Konto, über das das Aufschubkonto Nr. XX ausgeglichen wurde.

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Nachdem die im Januar 2013 bei der Steuerschuldnerin bestehende bzw. zu erwartende Liquiditätslücke nur i. H. v. € ... aus Mitteln der Gesellschafterin und der Gesellschafter gedeckt werden konnte, begab sie sich auf die Suche nach einem Investor, an den bis zu 75,1 % der Kommanditanteile veräußert werden sollten. Mit Lieferanten führte die Geschäftsleitung der Steuerschuldnerin im Wesentlichen erfolgreiche Stundungsverhandlungen (Insolvenzgutachten vom 03.12.2013, S. 17). Ein potentieller Unternehmenskäufer unterzeichnete am ... 2013 einen "Letter of Intent" (LOI; Anlage K 3), in dem er seine Absicht bekundete, bis spätestens zum 26.07.2013 € ... in die Steuerschuldnerin zu investieren. Das mit den Banken ausverhandelte Erwerberkonzept sah einen Verzicht auf ca. 75 % der Kreditverbindlichkeiten, die sich auf ca. € ... beliefen, vor (Insolvenzgutachten vom 03.12.2013, S. 17).

8

In der Zeit vom 19.-26.07.2013 ließ die Steuerschuldnerin zehn Warensendungen über die Zollämter G und H unter Inanspruchnahme ihrer BewilligungZA zum zoll- und steuerrechtlich freien Verkehr abfertigen. Hierzu ergingen die folgenden Einfuhrabgabenbescheide über Einfuhrumsatzsteuer in Höhe von insgesamt € ...

9

Einfuhrabgabenbescheid

Datum 

EUSt/€

AT/C/40/...-1

 19.07.2013

      ...

AT/C/40/...-2

22.07.2013

      ...

AT/C/40/...-3

 22.07.2013

      ...

AT/C/40/...-4

22.07.2013

      ...

AT/C/40/...-5

 24.07.2013

      ...

AT/C/40/...-6

 26.07.2013

      ...

AT/C/40/...-7

 26.07.2013

      ...

AT/C/40/...-8

 26.07.2013

      ...

AT/C/40/...-9

 26.07.2013

      ...

AT/C/40/...-10

 26.07.2013

      ...

10

Am 22.07.2013 sagte der Investor die geplante Unterzeichnung des ausverhandelten Unternehmenskaufvertrags ab. Nachverhandlungen scheiterten am Abend des 24.07.2013 endgültig, worüber die Geschäftsführer der Steuerschuldnerin gegen 23:00 Uhr dieses Tages informiert wurden. Nachdem auch die finanzierenden Banken am 24.07.2013 vom Scheitern der Verhandlungen Kenntnis erhalten hatten, kündigten sie mit Schreiben vom 25. bzw. 26.07.2013 sämtliche laufenden Kredite der Steuerschuldnerin im Umfang von rund € ... und stellten sie zur sofortigen Zahlung fällig. Da die Steuerschuldnerin damit nicht mehr in der Lage war, fällige Verbindlichkeiten zu erfüllen, stellte sie am 25.07.2013 einen Insolvenzantrag. Am 26.07.2013 ordnete das Amtsgericht ... die vorläufige Insolvenzverwaltung der Steuerschuldnerin und der Komplementär-GmbH an, bestellte einen vorläufigen Insolvenzverwalter und ordnete an, dass Verfügungen nur noch mit dessen Zustimmung erfolgen dürften.

11

Vor diesem Hintergrund wurde das mit der Einfuhrumsatzsteuer aus den oben genannten Einfuhren belastete Aufschubkonto bei Fälligkeit am 16.08.2013 nicht ausgeglichen. Der Beklagte konnte sich lediglich durch Inanspruchnahme einer Bürgschaft i. H. v. € ... befriedigen.

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Zu dem angekündigten Erlass eines Haftungsbescheides nahm der Kläger mit Schreiben vom 12.11.2014 Stellung. Er wies insbesondere darauf hin, dass es keine schriftliche Aufgabenverteilung zwischen den Geschäftsführern gegeben habe und die Kaufverträge bezüglich der hier in Rede stehenden Einfuhren bereits im April und Mai 2013 geschlossen worden seien.

13

Mit Haftungsbescheid vom 13.02.2015 nahm der Beklagte den Kläger gemäß § 191 Abs. 1 i. V. m. § 69 AO gesamtschuldnerisch mit den beiden anderen Geschäftsführern auf Zahlung der nach Abzug der Bürgschaft verbleibenden Einfuhrumsatzsteuer der Steuerschuldnerin i. H. v. € ... in Anspruch. Die Voraussetzungen für seine Inhaftungnahme nach §§ 69, 34 AO lägen vor, weil er zumindest grob fahrlässig steuerliche Pflichten verletzt habe und deshalb Ansprüche aus dem Steuerschuldverhältnis nicht erfüllt worden seien. Er habe als Geschäftsführer der Komplementär-GmbH dafür zu sorgen, dass die Steuern aus den verwalteten Mitteln entrichtet würden (Zahlungspflichten, § 224 AO), sowie steuerliche Anzeige-, Erklärungs-, Anmeldungs-, Auskunfts-, Mitwirkungs-, Nachweis-, Berichtigungs-, Buchführungs- und Auszeichnungspflichten einzuhalten. Hierzu gehöre die Pflicht, dafür Sorge zu tragen, dass die zum Ausgleich der Steuerschulden erforderlichen Handlungen vorgenommen würden und die Steuerschulden tatsächlich getilgt werden könnten. Ein Geschäftsführer könne diese Pflichten bereits verletzen, wenn er zulasse, dass sich die vertretene Gesellschaft durch Vorwegbefriedigung anderer Gläubiger oder in sonstiger Weise vorsätzlich oder fahrlässig außerstande setze, eine bereits entstandene, aber erst künftig fällig werdende Steuerforderung im Zeitpunkt der Fälligkeit zu tilgen (Verletzung der Mittelvorsorgepflicht).

14

Der Steuerschuldnerin seien Waren unbesichert anvertraut worden. Als Gegenleistung übernehme sie die Verantwortung für die ordnungsgemäße Durchführung der gewährten Vergünstigung. Der Haftungsschuldner müsse herangezogen werden, weil die zur Insolvenztabelle angemeldete Forderung erfahrungsgemäß nicht vollständig aus der Insolvenzmasse befriedigt werden könne. Eine unverzügliche Mitteilung über Änderungen der für die BewilligungZA maßgebenden Verhältnisse gem. Nr. 14 der BewilligungZA hätte erfolgen müssen, sobald der Beklagte unter den objektiv gegebenen Verhältnissen den Verwaltungsakt nicht oder nicht so hätte erlassen dürfen. Der wirtschaftliche Niedergang der Steuerschuldnerin habe sich abgezeichnet. Nach dem Insolvenzgutachten habe sie in den Geschäftsjahren 2010 bis 2012 Verluste von insgesamt € ... erwirtschaftet. Ab Januar 2013 sei die finanzielle Situation äußerst prekär gewesen, so dass ein Investor gesucht worden sei. Seit Juni 2013 habe die Steuerschuldnerin die Nettokaltmiete in Höhe von rund € ... für ihren Geschäftssitz nicht mehr bezahlt. Spätestens mit Fälligkeit dieser Forderung seien Anzeichen für ein massives Zahlungsproblem und eine Gefährdung des Steueranspruchs vorhanden gewesen und hätten eine Anzeigepflicht gegenüber dem Beklagten ausgelöst. Durch dessen Missachtung habe der Beklagte vor dem Insolvenzantrag keine Maßnahmen zur Sicherung der fällig werdenden Forderungen treffen können. Dass dies grob fahrlässig geschehen sei, bedürfe angesichts der Einbindung und Unterrichtung der Kreditgeber keiner weiteren Erörterungen. Es sei nicht einzusehen, warum der Fiskus bewusst schlechter gestellt werde als private Gläubiger. Durch das Unterlassen der Mitteilung über die wirtschaftlichen Schwierigkeiten der Steuerschuldnerin habe der Kläger es vereitelt, dass der Beklagte sich durch Zugriff auf die Ware befriedigen könne. Daher komme auch eine Haftungsbeschränkung nicht in Betracht. Da ein Steuerausfall bei entsprechender Mitteilung der Steuerschuldnerin nicht eingetreten wäre, bestehe auch ein adäquat kausaler Zusammenhang. Ob der Kläger die Anzeigepflicht gekannt habe, könne dahinstehen. Im Übrigen indiziere die Pflichtwidrigkeit im Allgemeinen grobe Fahrlässigkeit.

15

Darüber hinaus bestehe eine Pflichtwidrigkeit darin, dass sich die Steuerschuldnerin schon vor den hier in Rede stehenden Einfuhren schuldhaft außerstande gesetzt habe, die vorhersehbare Steuerschuld zu tilgen. Dies sei durch die Globalzession aller Forderungen an den Bankenpool geschehen, weil der Zessionar bei Einziehung der abgetretenen Forderungen nicht verpflichtet sei, die Einfuhrabgaben abzuführen. Die Globalzession stelle dann eine Pflichtverletzung dar, wenn der Kläger damit hätte rechnen müssen, dass durch die Zession die liquiden Mittel zur Begleichung anderer Schulden geschmälert würden. Die Sicherungsübereignung des Warenlagers stelle zudem eine Gläubigerbenachteiligung dar, weil die Schuldenmasse vermehrt und dadurch der Zugriff auf das Vermögen der Steuerschuldnerin vereitelt werde. Die zwangsweise Befriedigung der Steuerschulden hätte sich ohne die Sicherungsübereignung günstiger gestaltet. Zwar seien Sicherungsübereignungen und Globalzessionen im Geschäftsverkehr üblich. Dadurch, dass die Steuerschuldnerin dies dem Beklagten nicht offengelegt habe, sei er über eine maßgebliche Verschlechterung seiner Rechtsposition getäuscht worden. Unerheblich sei, ob der Beklagte im Falle einer Begleichung der Einfuhrabgaben insolvenzrechtlich verpflichtet gewesen wäre, diese zurückzuzahlen. Die Inanspruchnahme sei auch nicht ermessensfehlerhaft, weil die Einfuhrumsatzsteuer als Vorsteuer hätte abgezogen werden können. Die Erhebung dieser Steuer auf jeder Wirtschaftsstufe sichere den tatsächlichen Eingang der Steuern und ein gleichmäßiges Steueraufkommen. Es sei auch erforderlich, alle Haftungsschuldner gesamtschuldnerisch in Anspruch zu nehmen, um die Chancen zu erhöhen, den Steueranspruch realisieren zu können. Ein Haftungsausgleich habe im Innenverhältnis zu erfolgen. Der Beklagte habe nicht übersehen, dass J Einzelprokura für die Steuerschuldnerin erteilt worden sei. Ob auch er in Haftung genommen werden könne, müsse noch abschließend geklärt werden.

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Mit Schreiben vom 17.03.2015 legte der Kläger Einspruch gegen den Haftungsbescheid ein, den er wie folgt begründete: Er habe keine Pflicht verletzt, insbesondere nicht gegen die in der BewilligungZA enthaltenen Nebenbestimmungen verstoßen. Die für die Erteilung der Bewilligung maßgebenden Verhältnisse hätten sich nämlich bis zum überraschenden Rückzug des Investors nicht geändert. Der Bewilligung sei nicht zu entnehmen, welche Verhältnisse genau gemeint seien. In der Liquiditätsplanung der Steuerschuldnerin für Juli 2013 seien alle Steuerverbindlichkeiten tagesaktuell berücksichtigt worden. Wäre der Investor nicht unvorhergesehen abgesprungen, hätten die Steuerforderungen erfüllt werden können. Die in den Jahren 2010 bis 2012 erzielten Verluste hätten nicht zu Zahlungsschwierigkeiten, Zahlungsstockungen, einer Tendenz zum Vermögensverfall, einer Überschuldung oder drohender Zahlungsunfähigkeit geführt. Der Insolvenzantrag sei erst erforderlich geworden, nachdem die Banken die Darlehen gekündigt hätten. Zahlungsschwierigkeiten habe es nie gegeben, weil die Gesellschafter der Steuerschuldnerin diese durch weitere Einlagen vermieden hätten. Das Insolvenzgutachten habe keine Verletzung der Insolvenzantragspflicht festgestellt. Wenn eine solche Pflichtverletzung ein Indiz für eine Inanspruchnahme nach § 69 AO sei, liege im Umkehrschluss eine Haftung fern, wenn die Geschäftsführer die Insolvenzantragspflicht nicht verletzt hätten. Der vom Beklagten genannte Liquiditätsbedarf in Höhe von € ... habe zwar nur zum Teil (in Höhe von € ...) aus Mitteln des Hauptgesellschafters der Steuerschuldnerin gedeckt werden können. Allerdings sei der Investor bereit gewesen, eine Einlage von € ... zu leisten und weitere Liquidität zur Verfügung zu stellen. Der Hauptgesellschafter habe außerdem die monatlichen Mietzinsen für das Mietobjekt der Steuerschuldnerin in Höhe von rund € ... nicht ernsthaft eingefordert. Selbst wenn der Kläger gegen die Auflagen zur BewilligungZA verstoßen hätte, würde es sich dabei nicht um einen Pflichtverstoß im Sinne von § 69 AO, sondern lediglich um eine Nebenpflichtverletzung handeln. Er habe auch nicht grob fahrlässig im Sinne von § 69 AO gehandelt. Im Übrigen könne der Beklagte nur den Quotenschaden geltend machen. Dies folge aus dem Grundsatz der Gleichbehandlung aller Gläubiger. Es gebe keine Norm, die vorschreibe, dass der Fiskus bei Insolvenz des Steuerschuldners vorab zu befriedigen sei.

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Nachdem das erkennende Gericht mit Beschluss vom 07.08.2015 (4 V 80/15) den Antrag auf Aussetzung der Vollziehung des Haftungsbescheids abgelehnt hatte, wies der Beklagte mit Einspruchsentscheidung vom 02.12.2015 den Einspruch als unbegründet zurück. Der Kläger sei zu recht in Haftung genommen worden. Nr. 14 der BewilligungZA sei eine bestandskräftige Auflage, aus der sich eine eigenständige Verpflichtung ergebe. Diese Auflage sei auch ausreichend bestimmt. Es hätte dem Kläger klar sein müssen, dass die schon seit längerer Zeit bestehende wirtschaftliche Schieflage der Steuerschuldnerin nach Abschluss des Sicherheiten-Poolvertrags hätte angezeigt werden müssen, zumal aufgrund der darin vereinbarten Globalzession der Beklagte hinsichtlich der Einfuhrabgaben gegenüber anderen Gläubigern benachteiligt worden sei. Die Anzeigepflicht ergebe sich auch aus § 153 Abs. 2 AO. Eine Steuervergünstigung in diesem Sinne sei auch der Zahlungsaufschub.

18

Mit der am 07.01.2016 erhobenen Klage verfolgt der Kläger sein Begehren weiter. Er habe keine Informationspflicht verletzt. Aus der Auflage Nr. 14 zur BewilligungZA ergebe sich keine Pflicht der Steuerschuldnerin, sämtliche für eine Kreditentscheidung grundsätzlich maßgeblichen Faktoren mitzuteilen. Das Formular zur Bewilligung des laufenden Zahlungsaufschubs sehe keine Angaben zu den wirtschaftlichen Verhältnissen oder den freien Sicherheiten vor. Auch das Merkblatt "laufender Zahlungsaufschub" enthalte keinen Hinweis darauf. Dadurch, dass der Beklagte den Zahlungsaufschub nicht gegen Gewährung von Sicherheiten bewilligt habe, habe er deutlich gemacht, dass die Dritten gewährten Sicherheiten für die Bewilligung des Zahlungsaufschubs gerade nicht maßgeblich sein sollten. Grundlage für die Bewilligung des Zahlungsaufschubs sei gemäß der Auflage Nr. 19 zur BewilligungZA die Vertrauenswürdigkeit und die steuerliche Zuverlässigkeit der Steuerschuldnerin. Sie habe bis zur Kündigung der Kredite stets ihre Steuerschulden beglichen. Der hilfsweise erstellte Liquiditätsplan habe den Ausgleich der am 16.08.2013 fälligen Einfuhrumsatzsteuer ausdrücklich vorgesehen. Mit der Kündigung der Kredite nach dem Rückzug des Investors habe der Kläger nicht rechnen müssen. Auch sei die Auflage Nr. 14 zur BewilligungZA wegen fehlender Bestimmtheit nichtig. Aus der Auflage sei nicht erkennbar, wann eine meldepflichtige Verschlechterung der wirtschaftlichen Lage vorliege. Der Beklagte hätte eine Berichterstattungspflicht der Steuerschuldnerin in die BewilligungZA aufnehmen können, was er jedoch nicht getan habe.

19

Es habe keine Pflicht bestanden, den Abschluss des Sicherheiten-Poolvertrages mitzuteilen. Die GmbH habe nämlich frei über ihre Forderungen verfügen können. Der Geschäftsführer einer GmbH, die ein Zolllager unterhalte, sei nach der Entscheidung des BFH BStBl. 1989, 419, nicht verpflichtet, von den Erlösen aus dem Weiterverkauf jeweils den Steueranteil abzuzweigen. Im Übrigen sei es bei Handelsunternehmen wie der Steuerschuldnerin üblich, das Warenlager zur Sicherung zu übereignen und Forderungen abzutreten. Ohne weitere Prüfung habe der Beklagte daher vom Normalfall ausgehen müssen. Selbst wenn eine Informationspflicht bestanden hätte, hätte sich die Situation der Steuerschuldnerin in den Jahren 2010-2012 nicht derart verschlechtert, dass es zu Zahlungsschwierigkeiten gekommen sei. Bis zuletzt hätten auch keine anderen Insolvenzgründe vorgelegen. Die von allen Seiten erwartete Zusage des Investors habe bei der Prüfung der Überschuldung gemäß § 19 Abs. 2 InsO und der Liquiditätsprüfung gemäß § 18 InsO berücksichtigt werden dürfen.

20

Der Kläger habe auch nicht die Mittelvorsorgepflicht verletzt. Mit dem Rückzug des Investors habe er nicht rechnen können. Bevor der Insolvenzantrag am 25.07.2013 gestellt worden sei, habe er keine Veranlassung gehabt, die Zahlung der Einfuhrumsatzsteuer zu veranlassen. Danach habe ihm die Verfügungsmacht gefehlt. Selbst ein unverzüglicher Verzicht des Klägers auf die Inanspruchnahme des Zahlungsaufschubs hätte das Entstehen der streitgegenständlichen Einfuhrumsatzsteuer nicht verhindern können. Am 25.07.2013 seien bereits € ... Einfuhrumsatzsteuer entstanden. Die weiteren vom Beklagten geltend gemachten ... € Einfuhrumsatzsteuer beruhten auf Einfuhren am 26.07.2013 zwischen 8:03 Uhr und 9:18 Uhr. Bis zu diesem Zeitpunkt hätte selbst ein vom Kläger unverzüglich ausgesprochener Verzicht nicht umgesetzt und damit die Einfuhr der Ware nicht verhindert werden können. Ein Verstoß gegen die Mittelvorsorgepflicht komme auch deshalb nicht in Betracht, weil der Kläger erst am 14.01.2013 und damit nach der Aktualisierung im Juni 2012 des bereits im März 2008 geschlossenen Sicherheiten-Poolvertrags zum Geschäftsführer der Komplementärin der Steuerschuldnerin bestellt worden sei. Der Kläger habe nicht - wie es § 69 AO verlange - grob fahrlässig gehandelt. Nach herrschender Dogmatik verletze der Geschäftsführer seine steuerrechtlichen Pflichten dann schuldhaft, wenn er Steuerschulden schlechter behandele als andere Verbindlichkeiten der Gesellschaft. Bis zum Rückzug des Investors sei der Fiskus nicht schlechter gestellt worden als andere Gläubiger.

21

Durch die Eröffnung des Insolvenzverfahrens sei es dem Kläger rechtlich unmöglich gewesen, die im August 2013 fällig werdende Umsatzsteuer zu zahlen, weil Verfügungen über das Vermögen der Steuerschuldnerin nur noch mit Zustimmung des vorläufigen Insolvenzverwalters möglich gewesen seien. Eine vermeintliche Pflichtverletzung sei für den Schaden nicht adäquat kausal gewesen. Es könne nicht unterstellt werden, dass der Beklagte die BewilligungZA bei Kenntnis des Sicherheiten-Poolvertrages oder der aktuellen wirtschaftlichen Situation sofort widerrufen hätte. Außerdem habe der Beklagte aufgrund der ihm vorliegenden Jahresabschlüsse seit Ende 2012 Kenntnis von der vermeintlich schlechten wirtschaftlichen Situation der Steuerschuldnerin gehabt. Im Übrigen könne der Schaden nur als Quotenschaden geltend gemacht werden.

22

Der Kläger beantragt,
den Haftungsbescheid vom 13.02.2015 (HB ...) in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 02.12.2015 (RL ...) aufzuheben.

23

Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.

24

Er verweist auf den Haftungsbescheid und trägt ergänzend vor: Bei Abschluss des Sicherheiten-Poolvertrags hätte dem Kläger klar sein müssen, dass er dadurch nicht von seiner Verpflichtung entbunden werde, für die Begleichung zukünftiger Steuerschulden Sorge zu tragen. Neben der in der BewilligungZA enthaltenen Auflage bestehe nach § 153 Abs. 2 AO eine Anzeigepflicht. Es habe eine Zahlungsgefährdung vorgelegen. Die Auflage Nr. 14 zur BewilligungZA sei nicht nichtig. Der Kläger habe erkennen können, wann und in welchem Umfang er den Beklagten habe unterrichten müssen. Eine schuldhafte Pflichtverletzung des Klägers werde nicht dadurch ausgeschlossen, dass die Steuerschuldnerin vor Fälligkeit der Forderung einen Insolvenzantrag gestellt habe, und der Zeitpunkt der Fälligkeit der Einfuhrumsatzsteuer in die dreimonatige Anfechtungsfrist gemäß § 130 InsO gefallen sei. Die hypothetische Anfechtungsmöglichkeit von Steuerzahlungen sei kein Entschuldigungsgrund.

25

Als der Kläger am 14.01.2013 Geschäftsführer geworden sei, habe er sich Kenntnis über die steuerlichen Pflichten der Steuerschuldnerin verschaffen und für ihre Erfüllung sorgen müssen. Dies gelte insbesondere, weil sich die Gesellschaft in einer wirtschaftlichen Krise befunden habe. Im Übrigen sei die Mittelvorsorgepflicht für die in Rede stehenden Forderungen nach seiner Bestellung zum Geschäftsführer entstanden.

26

Aus dem Kündigungsschreiben der Poolführerin ergebe sich, dass die angekündigte Insolvenzantragstellung der Steuerschuldnerin Anlass für die Kündigung der Kredite gewesen sei.

27

Der Beklagte sei auch, nachdem er bei der Gefährdungskontrolle anhand einer Kurzauswertung der Jahresabschlüsse 2010 und 2011 festgestellt habe, dass eine Gefährdung der Abgaben möglich sei, nicht verpflichtet gewesen, eine vollständige Sicherheit für die Einfuhrumsatzsteuer zu verlangen.

28

Bei der Entscheidung haben die Einspruchsakte (RL ...) sowie vier Nebenakten (Ordner 1, 1a, 2, 3) vorgelegen.

Entscheidungsgründe

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Die zulässige Anfechtungsklage ist unbegründet.

I.

30

Der angefochtene Verwaltungsakt ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten (§ 100 Abs. 1 S. 1 FGO).

31

Die Ermächtigungsgrundlage für den Erlass des Haftungsbescheids ist § 191 Abs. 1 S. 1 AO. Danach kann durch Haftungsbescheid in Anspruch genommen werden, wer kraft Gesetzes für eine Steuer haftet (Haftungsschuldner). Nach § 69 S. 1 AO haften u. a. die in § 34 AO bezeichneten Personen, soweit Ansprüche aus dem Steuerschuldverhältnis (§ 37 Abs. 1 AO) in Folge vorsätzlicher oder grob fahrlässiger Verletzung der ihnen auferlegten Pflichten nicht oder nicht rechtzeitig festgesetzt oder erfüllt werden. Nach § 34 Abs. 1 S. 1 AO haben u. a. die Geschäftsführer von nicht rechtsfähigen Personenvereinigungen deren steuerliche Pflichten zu erfüllen. Nach § 34 Abs. 1 S. 2 AO haben sie insbesondere dafür zu sorgen, dass die Steuern aus den verwalteten Mitteln entrichtet werden.

32

Die Voraussetzungen der §§ 191 Abs. 1 S. 1, 69 S. 1, 34 Abs. 1 S. 1 AO liegen vor. Die Steuerverbindlichkeit, für die der Kläger in Anspruch genommen wird, besteht (dazu 1.1). Der Kläger war im maßgeblichen Zeitraum eine in § 34 Abs. 1 S. 1 AO genannte Person (dazu 1.2). Er hat Pflichten im Sinne des § 69 AO schuldhaft verletzt und diese Pflichtverletzungen waren kausal für die Nichterfüllung der Steuerschuld der Steuerschuldnerin (dazu 1.3). Die Höhe der Inhaftungnahme ist nicht zu beanstanden (dazu 1.4). Ermessensfehler sind nicht ersichtlich (dazu 1.5). Im Einzelnen:

33

1.1 Die mit den oben genannten zehn Einfuhrabgabenbescheiden festgesetzte Einfuhrumsatzsteuerschuld der Steuerschuldnerin i. H. v. € ... ist gemäß Art. 201 Abs. 1 Buchst. a), Abs. 2, Abs. 3 UAbs. 1 S. 1 ZK, § 21 Abs. 2 UStG entstanden.

34

1.2 Der Kläger war ab dem 14.01.2013 und damit während der Entstehung und der Fälligkeit der hier in Rede stehenden Einfuhrumsatzsteuerschuld Geschäftsführer einer nicht rechtsfähigen Personenvereinigung im Sinne von § 34 Abs. 1 S. 1 AO. Als Kommanditgesellschaft ist die Steuerschuldnerin eine nicht rechtsfähige Personenvereinigung im Sinne dieser Vorschrift (Loose in Tipke/Kruse, AO/FGO, 122. EL, Januar 2010, § 34 AO Rn. 10). Zwar war unmittelbarer Geschäftsführer der Steuerschuldnerin die Komplementär-GmbH (§§ 114, 161 Abs. 2 HGB). Als (Mit-)Geschäftsführer der Komplementär-GmbH war der Kläger jedoch ihr gesetzlicher Vertreter (§§ 6, 35 Abs. 1 S. 1 GmbHG) und damit mittelbarer Geschäftsführer der Steuerschuldnerin (siehe auch FG Hamburg, Urt. v. 25.10.1993, I 8/89, juris Rn. 14).

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1.3 Der Kläger hat steuerliche Pflichten der Steuerschuldnerin im Sinne von § 69 S. 1 AO, die er als ihr Vertreter zu erfüllen hatte (Loose in Tipke/Kruse, AO/FGO, 138. EL, Nov. 2014, § 34 AO Rn. 19 und § 69 AO Rn. 12), im Zusammenhang mit der Inanspruchnahme des der Steuerschuldnerin bewilligten laufenden sicherheitslosen Zahlungsaufschubs (Art. 224 ff. ZK, § 21 Abs. 3 UStG) im maßgeblichen Zeitraum zumindest grob fahrlässig nicht erfüllt. Hierdurch konnte die entstandene Einfuhrumsatzsteuer nicht geltend gemacht werden. Im Einzelnen hat der Kläger gegen die Mitteilungspflicht aus der Auflage Nr. 14 zur BewilligungZA (dazu 1.3.1) und gegen die Mittelvorsorgepflicht (dazu 1.3.2) verstoßen.

36

1.3.1 Der Kläger hat die sich aus der Auflage Nr. 14 der BewilligungZA ergebende steuerliche Pflicht (dazu 1.3.1.1) der Steuerschuldnerin verletzt, unverzüglich jede Änderung der im Antrag angegebenen oder sonst für die Bewilligung maßgebenden Verhältnisse schriftlich anzuzeigen (dazu 1.3.1.2). Die Pflichtverletzung war schuldhaft (dazu 1.3.1.3) und kausal für den Steuerausfall (dazu 1.3.1.4).

37

1.3.1.1 Die in der Auflage Nr. 14 der BewilligungZA niedergelegte Informationspflicht ist eine verbindliche steuerliche Pflicht im Sinne von § 69 AO.

38

Die BewilligungZA ist ein Verwaltungsakt im Sinne von § 118 S. 1 AO. Sie stellt eine einfuhrumsatzsteuerliche Vergünstigung in Form der "fiskalischen Kreditgewährung" (FG Bremen, Urt. v. 17.03.1992, II 135/86 K, juris Rn. 42 m. w. N.) dar. Grundsätzlich darf nämlich gemäß Art. 74 Abs. 1 S. 1 ZK i. V. m. § 21 Abs. 2 Halbs. 1 UStG beim Entstehen einer Abgabenschuld die Ware, die Gegenstand der Anmeldung ist, dem Anmelder erst übergeben werden, wenn die Abgabe in der festgesetzten Frist entrichtet (Art. 222 Abs. 1 Buchst. a) UAbs. 1 ZK, § 21 Abs. 2 Halbs. 1 UStG) oder eine Sicherheit geleistet wurde. Diese Bedingungen werden bei der Bewilligung eines Zahlungsaufschubs dahingehend modifiziert, dass die Ware sofort übergeben wird und die während eines Kalendermonats von der Zollstelle buchmäßig erfassten und aufgeschobenen Abgabenbeträge erst spätestens am 16. Tag des Folgemonats zu entrichten sind (Nr. 5 der BewilligungZA i. V. m. Art. 227 Abs. 1 Buchst. b), Art. 226 Buchst. b) ZK). Ob und unter welchen Bedingungen eine solche Vergünstigung gewährt wird, steht gemäß 224 ff. ZK im Ermessen der Zollbehörden. Durch die BewilligungZA haben sie im Einzelfall verbindlich geregelt, unter welchen Bedingungen die Steuerschuldnerin vom Zahlungsaufschub Gebrauch machen darf.

39

Die Auflage Nr. 14 ist ein ebenfalls für die Steuerschuldnerin rechtsverbindlicher Teil der BewilligungZA. Es handelt sich um eine Auflage im Sinne von § 120 Abs. 2 Nr. 4 AO. Danach darf ein Verwaltungsakt nach pflichtgemäßem Ermessen verbunden werden mit einer Bestimmung, durch die dem Begünstigten ein Tun, Dulden oder Unterlassen vorgeschrieben wird (Auflage). Eine solche Auflage ist nur bei einem begünstigenden Verwaltungsakt zulässig (Seer in Tipke/Kruse, AO/FGO, 124. EL, Okt. 2015, § 120 AO Rn. 18). Die BewilligungZA ist - wie oben dargelegt - ein solcher Verwaltungsakt. Mit der Auflage soll die Steuerschuldnerin dazu angehalten werden, die Änderung von Umständen, die für die Erteilung der Begünstigung wichtig sind, mitzuteilen. Dass es sich hierbei nicht nur um eine unverbindliche Anregung der Zollbehörden handelt, ergibt sich aus ihrem Regelungskontext. Durch den Zahlungsaufschub wird das Insolvenzrisiko des Zollanmelders für den Aufschubzeitraum auf die Zollbehörde übertragen. Die Vertrauenswürdigkeit und steuerliche Zuverlässigkeit stellen Erteilungsvoraussetzungen dar (Nr. 19 der BewilligungZA). Es ist für den Fortbestand der Bewilligung daher von entscheidender Bedeutung, dass die tatsächlichen Umstände, die zur Bewilligung des Zahlungsaufschubs geführt haben, im Wesentlichen unverändert bleiben. Daher wurde in die BewilligungZA (Nr. 18) insbesondere für den Wegfall der allgemein für die Bewilligung erforderlichen Voraussetzungen ein ausdrücklicher Widerrufsvorbehalt aufgenommen.

40

Unbeachtlich ist, dass sich die Informationspflicht nicht unmittelbar aus dem Gesetz ergibt. Der Wortlaut von § 69 S. 1 AO verlangt lediglich eine "Verletzung der ihnen [d.h., den in den §§ 34 f. AO genannten Personen] auferlegten Pflichten". Aus welcher Rechtsquelle diese Verpflichtung fließt, ist danach nicht relevant, solange es sich um eine steuerrechtliche - und nicht etwa um eine handelsrechtliche - Pflicht (zu dieser Abgrenzung BFH, Urt. v. 25.04.1995, VII R 99-100/94, BFH/NV 1996, 97 [100] = juris Rn. 44; Urt. v. 07.10.1977, III R 131/73, BFHE 123, 398 [402] = juris Rn. 32) handelt, die auf ein steuerrechtliches Gesetz rückführbar ist. Einen solchen steuerrechtlichen Bezugspunkt hat die Auflage Nr. 14. Sie ist eine Nebenbestimmung zu der nach Art. 227 Abs. 1 Buchst. b) ZK i. V. m. § 21 Abs. 2 Halbs. 1 UStG gewährten einfuhrumsatzsteuerlichen Zahlungserleichterung. Die Auflage Nr. 14 wurde durch Bekanntgabe der BewilligungZA, die am 25.01.2000 abgesandt wurde, gegenüber der Steuerschuldnerin gemäß § 124 Abs. 1 S. 1 AO wirksam. Der Widerruf der Bewilligung gemäß § 131 Abs. 2 AO erfolgte erst am 01.08.2013, also nach dem hier maßgeblichen Zeitraum.

41

Die Auflage Nr. 14 ist nicht wegen fehlender hinreichender Bestimmtheit nichtig (§ 125 Abs. 1 AO). Zwar heißt es in der Auflage lediglich, dass jede Änderung der "sonst für die Bewilligung maßgebenden Verhältnisse schriftlich anzuzeigen" sei. Diese Formulierung macht die Auflage Nr. 14 indes nicht inhaltlich nicht hinreichend bestimmt im Sinne von § 119 Abs. 1 AO. Der Auflage lässt sich vielmehr ein ausreichend klarer Bedeutungskern entnehmen. Im Lichte der Funktion des Zahlungsaufschubs als fiskalische Kreditgewährung, bei der sich der kreditgewährende Abgabengläubiger jeder Sicherheit begibt, sind alle Umstände mitzuteilen, aus denen sich Veränderungen der Bonität der Steuerschuldnerin ergeben könnten. Dies war auch der Steuerschuldnerin bewusst, die seit vielen Jahren unter Inanspruchnahme des Zahlungsaufschubs im Außenhandel tätig war. Eine Informationspflicht bestand somit jedenfalls, als nicht mehr sicher prognostiziert werden konnte, ob Einfuhrabgaben bei Fälligkeit gezahlt werden könnten.

42

Anders als der Kläger meint, kann eine Meldepflicht nicht erst dann bestehen, wenn Insolvenzgründe (Überschuldung, Zahlungsunfähigkeit oder drohender Zahlungsunfähigkeit, §§ 17-19 InsO) vorliegen. Da in einem solchen Fall - ordnungsgemäßes Handeln der Geschäftsführung vorausgesetzt - sogleich Insolvenzantrag gestellt werden müsste, könnte der Ausfall von vorher entstandenen, aber nach Insolvenzantragstellung fällig werdenden Forderungen nicht mehr verhindert werden. In persönlicher Hinsicht bestand die Pflicht zur Mitteilung für den Kläger mit der Übernahme der Geschäftsführertätigkeit am 14.01.2013. Der Geschäftsführer muss nämlich die steuerlichen Pflichten kennen, die er bei Amtsantritt übernimmt (BFH, Beschl. v. 20.10.2005, VII B 17/05, juris Rn. 10). Hierzu gehören auch die aus der BewilligungZL folgenden Informationspflichten.

43

1.3.1.2 Die in der Auflage Nr. 14 zur BewilligungZA niedergelegte Informationspflicht hat der Kläger verletzt, indem er den sich im Januar 2013 abzeichnenden Liquiditätsbedarfs der Steuerschuldnerin nicht dem Beklagten meldete.

44

Zu diesem Zeitpunkt war klar, dass bis Sommer 2013 weitere Liquidität nötig sein würde, die nicht allein aus Mitteln der Steuerschuldnerin oder ihrer Gesellschafter gedeckt werden könnte. Die Steuerschuldnerin musste daher Stundungsverhandlungen mit Lieferanten führen. Die Zahlungsunfähigkeit konnte nur dadurch abgewendet werden, dass sich die Lieferanten zu einer Stundung ihrer Forderungen bereit erklären würden und ab Sommer 2013 ein Investor gefunden werden würde. Die Abwendung der Zahlungsunfähigkeit war somit von zwei Bedingungen - Stundungsvereinbarung mit einer kritischen Masse von Lieferanten und Einstieg eines Investors - abhängig, deren Eintritt von der Steuerschuldnerin allein nicht garantiert werden konnte. Dies sind tatsächliche Änderungen der für die Bewilligung maßgebenden Verhältnisse, da sich die Gefahr der Zahlungsunfähigkeit der Steuerschuldnerin durch diese Umstände erhöhte und somit die reale Gefahr bestand, dass Einfuhrabgaben bei Fälligkeit nicht entrichtet werden würden.

45

Vor diesem Hintergrund kann dahinstehen, ob angesichts der Kenntnis des Beklagten von der angespannten Ertrags- und Liquiditätslage der Steuerschuldnerin in den Geschäftsjahren 2010-2012 und der Branchenüblichkeit von Sicherungsübereignungen von Warenlagern und Sicherungsabtretungen von Kundenforderungen eine Informationspflicht hinsichtlich des Abschlusses des Sicherheiten-Poolvertrags bestand. Da die Informationspflicht bereits im Vorfeld des Vorliegens von Insolvenzgründen angesiedelt ist, ist ebenfalls nicht von Belang, ob der im Haftungsbescheid angeführte Zahlungsausfall hinsichtlich der Miete für die Hauptniederlassung der Steuerschuldnerin, den der Kläger bestreitet, vorgelegen hat.

46

1.3.1.3 Der Kläger hat diese Informationspflicht schuldhaft verletzt. Grob fahrlässig im Sinne des § 69 AO handelt, wer die Sorgfalt, zu der er nach den Umständen und seinen persönlichen Kenntnissen und Fähigkeiten verpflichtet und imstande ist, in ungewöhnlich hohem Maße außer Acht lässt (BFH, Beschl. v. 07.03.1995, VII B 172/94, juris Rn. 13 m. w. N.; Beschl. v. 04.05.1998, I B 116/96, juris Rn. 17). Es gehört zu den Pflichten des Geschäftsführers einer GmbH, sich mit den handelsrechtlichen und steuerlichen Anforderungen, die an die Ausübung dieser Tätigkeit gestellt werden, vertraut zu machen und, falls dies in Krisensituationen erforderlich erscheint, fachliche Beratung in Anspruch zu nehmen. Die ordnungsgemäße Beachtung der gesetzlichen Vorschriften- auch steuerlicher Art - muss von jedem kaufmännischen Leiter eines Gewerbebetriebes verlangt werden (BFH, Beschl. v. 09.01.1996, VII B 189/95, juris Rn. 12; FG Düsseldorf, Urt. v. 22.11.2016, 4 K 1746/16, juris Rn. 27). Die Pflichtwidrigkeit des aufgezeigten Verhaltens des Klägers indiziert im Allgemeinen wie auch im Streitfall zumindest die grobe Fahrlässigkeit (vgl. hierzu nur BFH, Urt. v. 13.03.2003, VII R 46/02, juris Rn. 33).

47

Es sind keine Gründe ersichtlich, die den Kläger exkulpieren könnten. Die grobe Fahrlässigkeit hinsichtlich des Unterlassens, den Beklagten über den Liquiditätsbedarf zu informieren, ist insbesondere nicht dadurch weggefallen, dass die Steuerschuldnerin einen Investor gesucht und dieser in einem LOI die Absicht erklärt hat, bis zum 26.07.2013 € ... neues Kapital zu investieren (§ 1 Abs. 5 des LOI). Der LOI war nämlich im Hinblick auf diese Verpflichtungen ausdrücklich nicht verbindlich (§ 8 Abs. 1 des LOI). Bis zum Abschluss eines rechtsverbindlichen Vertrages - zu dem es nicht kam - konnte sich somit niemand darauf verlassen, dass der Geldgeber tatsächlich die in Aussicht gestellte Einlage leisten würde. Dies musste auch dem Kläger als einem erfahrenen Geschäftsmann bewusst gewesen sein. Nach Kenntnis des Senats kommt es bei Unternehmenskäufen nicht selten vor, dass potenzielle Käufer kurz vor der geplanten Vertragsunterzeichnung die Verhandlungen noch einmal eröffnen. Eine solche Verhandlungsstrategie liegt insbesondere dann nahe, wenn - wie hier - eine Vertragspartei dringend auf die Zuführung neuen Kapitals angewiesen ist.

48

Aus dem Umstand, dass der Insolvenzverwalter einen Verstoß gegen die Insolvenzantragspflicht nicht festgestellt hat, kann nicht auf eine fehlende Verletzung der Informationspflicht geschlossen werden. Da Letztere bereits im Vorfeld des Vorliegens von Insolvenzgründen greift (siehe oben 1.3.1.1), trifft das Insolvenzgutachten keine Aussagen über die Erfüllung einer steuerrechtlichen Informationspflicht. Überdies sind die Informationspflichten nach der Auflage Nr. 14 und die Insolvenzantragspflichten weder inhaltlich noch zeitlich deckungsgleich. Erstere greifen - wie bereits ausgeführt - nicht nur zu einem deutlich früheren Zeitpunkt, sondern auch auf einer niedrigeren Stufe als die Insolvenzantragspflichten, sollen sie doch gerade sicherstellen, dass Einfuhrabgaben bei Fälligkeit tatsächlich gezahlt werden können.

49

1.3.1.4 Die Pflichtverletzung war kausal dafür, dass ein Steueranspruch (§ 37 Abs. 1 AO) in Form eines Anspruches auf Einfuhrumsatzsteuer i. H. v. € ... nicht erfüllt wurde. Aus dem Schadensersatzcharakter der Haftung ergibt sich, dass zwischen der Pflichtverletzung und dem mit dem Haftungsanspruch geltend gemachten Steuerausfall ein adäquater Kausalzusammenhang bestehen muss (BFH, Urt. v. 25.04.1995, VII R 99-100/94, juris Rn. 27; Urt. v. 26.08.1992, VII R 50/91, juris Rn. 15). Die Kausalität richtet sich wie bei zivilrechtlichen Schadensersatzansprüchen nach der Adäquanztheorie. Danach sind solche Pflichtverletzungen für den Erfolg ursächlich, die allgemein oder erfahrungsgemäß geeignet sind, diesen Erfolg zu verursachen. Geht es - wie bei der Verletzung der Mitteilungspflicht - um ein Unterlassen, muss ein Hinzudenken der unterbliebenen Handlung zu dem Ergebnis führen, dass der Schaden ohne das Unterlassen nicht eingetreten wäre; die bloße Möglichkeit oder eine gewisse Wahrscheinlichkeit des Nichteintritts des Erfolgs genügen dagegen nicht (BFH, Urt. v. 25.04.1995, VII R 99-100/94, juris, Rn. 29 m. w. N.).

50

Nach diesen Grundsätzen ist hier der Kausalzusammenhang zu bejahen. Der Beklagte hätte nämlich mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit bei Kenntnis der schwierigen wirtschaftlichen Lage der Steuerschuldnerin entweder die BewilligungZA widerrufen oder ihre Nutzung auch im Hinblick auf die Einfuhrumsatzsteuer von einer Sicherheit abhängig gemacht. Dem steht nicht entgegen, dass nach dem "Vermerk zur Gefährdungskontrolle nach der WiLADV" vom 10.12.2012 (Nebenakte Bd. 1 zu RL ..., Bl. 144) keine weiteren Maßnahmen ergriffen wurden. Hierdurch konnte der Kausalzusammenhang zwischen der Verletzung der Informationspflicht und dem Steuerausfall schon deshalb nicht unterbrochen werden, weil der Liquiditätsbedarf, dessen Nichtbefriedigung schließlich zur Insolvenz der Steuerschuldnerin geführt hat, erst im Januar 2013 offenbar wurde. Die Risikobewertung konnte sich daher mit der Situation der Steuerschuldnerin, wie sie sich in der ersten Jahreshälfte 2013 darstellte, nicht befassen.

51

Weil die Gefährdungskontrolle die Ereignisse im Jahr 2013 nicht berücksichtigen konnte, scheidet auch ein Mitverschulden des Beklagten aus.

52

1.3.2 Der Kläger hat außerdem die Mittelvorsorgepflicht verletzt.

53

1.3.2.1 Nach § 34 Abs. 1 S. 2 AO hat der Geschäftsführer insbesondere dafür zu sorgen, dass die Steuern aus den verwalteten Mitteln entrichtet werden. Hierauf sind die Geschäftsführerpflichten jedoch nicht beschränkt. Der gesetzliche Vertreter ist weiter verpflichtet, die Mittel so zu verwalten, dass er zur pünktlichen Tilgung auch der erst künftig fällig werdenden Steuerschulden in der Lage ist (Mittelvorsorgepflicht). Dabei kann je nach den Umständen des Einzelfalls ein bestimmtes pflichtgemäßes Verhalten auch schon vor der Entstehung der Steuerforderung geboten sein, wenn die Entstehung der Steuer absehbar war (st. Rspr.; siehe nur BFH, Beschl. v. 25.04.2013, VII B 245/12, juris Rn. 17; Urt. v. 11.03.2004, VII R 19/02, juris Rn. 14; Urt. v. 09.01.1997, VII R 51/96, juris Rn. 18; FG Düsseldorf, Urt. v. 22.11.2016, 4 K 1746/16, juris Rn. 22). Dies gilt insbesondere für die Bewilligung eines fortlaufenden Zahlungsaufschubs. Dabei haben alle Steuerpflichtigen, ohne dass es einer besonderen Auflage bedarf, insbesondere darauf zu achten, dass die aufgeschobenen Zahlungsbeträge bei Fälligkeit entrichtet werden können (BFH, Urt. v. 12.03.1974, VII R 136/71, juris Rn. 20; FG Bremen, Urt. v. 17.03.1992, II 135/86 K, juris Rn. 44; siehe auch BFH, Urt. v. 04.03.1986, VII R 38/81, juris Rn. 15).

54

1.3.2.2 Nach diesen Maßstäben hat der Kläger gegen die Mittelvorsorgepflicht verstoßen.

55

Für die fünf Einfuhren, die am 26.07.2013 abgefertigt wurden, liegt ein Verstoß gegen die Mittelvorsorgepflicht auf der Hand. Sie erfolgten nämlich, nachdem der Kläger am 24.07.2013 Kenntnis davon erlangt hatte, dass der potentielle Investor den vorbereiteten Vertrag nicht unterschreiben würde. Da die mit den Lieferanten vereinbarten Stundungen nur bis zum Sommer 2013 reichten und sich die finanzierenden Banken mit dem potenziellen Investor auf einen Forderungsverzicht i. H. v. 75 % geeinigt hatten (§ 1 Abs. 4 des LOI), musste dem Kläger klar gewesen sein, dass mit dem Scheitern des Unternehmensverkaufs die Kündigung der Bankkredite wahrscheinlich sein würde und damit die Zahlungsfähigkeit des Unternehmens bevorstand. Gleichwohl hat der Kläger nichts unternommen, um die Entstehung der Einfuhrumsatzsteuer zu verhindern. Einer Pflichtverletzung steht nicht entgegen, dass die Zollanmeldungen bereits am 24.07.2013 abgegeben wurden. Bis zur Annahme der Zollanmeldung (vgl. Art. 67 ZK) am 26.07.2013 hätte der Kläger seine Zollabteilung bzw. den Logistikdienstleister nämlich anweisen können, die Zollanmeldungen hinsichtlich des gewählten Zollverfahrens oder der Inanspruchnahme des Aufschubkontos zu ändern.

56

Auch hinsichtlich der fünf Abfertigungen zum freien Verkehr vom 19., 22. und 24.07.2013 liegt eine Pflichtverletzung vor. Aus dem Gesagten wird deutlich, dass die Fähigkeit der Steuerschuldnerin, die Einfuhrumsatzsteuer zu begleichen, davon abhing, dass der Unternehmenskaufvertrag zu Stande kommen würde. Da der Kläger an den Vertragsverhandlungen nicht beteiligt war, hat er die Erfüllung der Steuerschuld von einem Umstand abhängig gemacht, den er selbst nicht kontrollieren konnte. Damit verletzte er die Pflichten der ordnungsgemäßen Geschäftsführung, weil er ein Risiko eingegangen ist, dessen Größe er nicht abschätzen und auf dessen Realisierung er keinen Einfluss nehmen konnte. Es wäre auch möglich und zumutbar gewesen, die Abfertigungen zum freien Verkehr um wenige Tage bis zum erfolgreichen Abschluss des Unternehmenskaufvertrages zu verschieben, etwa durch Eröffnung eines Versandverfahrens oder durch Überführung der Waren in das Zolllager der Steuerschuldnerin.

57

Anders als der Kläger meint, ist der vorliegende Fall nicht mit dem vergleichbar, der der Entscheidung des Bundesfinanzhofs vom 05.06.2007 (VII R 19/06) zugrunde lag. In jenem Verfahren hatte der Geschäftsführer gerade nicht gegen die Mittelvorsorgepflicht verstoßen. Als der vorläufige Insolvenzverwalter in jenem Verfahren das Konto sperrte, waren noch ausreichend Mittel vorhanden, um die Steuerschulden zu begleichen. Vorliegend war dies gerade nicht der Fall, weil die Darlehen gekündigt worden waren.

58

1.3.2.3 Der Kläger hat die Mittelvorsorgepflicht schuldhaft verletzt. Die Indizwirkung der Pflichtverletzung für dessen schuldhafte Begehung (siehe oben 1.3.1.3) greift auch hier. Für die fünf Abfertigungen vom 26.07.2013 sind entlastende Umstände nicht ersichtlich. Auf die Übernahme des Unternehmens und die damit verbundene Zuführung neuer Liquidität konnte der Kläger schon deshalb nicht mehr bauen, weil er bereits vorher erfahren hatte, dass es hierzu nicht kommen würde.

59

Auch in Bezug auf die fünf Abfertigungen zum freien Verkehr vom 19., 22. und 24.07.2013 lässt die Erwartung der für den 22.07.2013 vorbereiteten Vertragsunterzeichnung die grobe Fahrlässigkeit hinsichtlich der fehlenden Vorsorge für die Begleichung der durch diese Einfuhren entstandenen Steuerschulden nicht entfallen. Zwar erhielt der Kläger erst am 24.07.2013 gegen 23:00 Uhr Kenntnis davon, dass die für den Vortag geplante Vertragsunterzeichnung endgültig nicht zu Stande kommen würde. Zu diesem Zeitpunkt waren die eingeführten Waren bereits überlassen worden. Wie soeben dargelegt, konnte der Kläger jedoch vor der Unterzeichnung des Übernahmevertrages nicht darauf vertrauen, dass die dringend benötigte Liquidität der Steuerschuldnerin tatsächlich zugeführt werden würde. Vorsorge für die Begleichung der Steuerschulden für den Fall, dass der Übernahmevertrag nicht zu Stande kommen würde, hat er nicht getroffen. Die alternative Liquiditätsplanung (Anlage K 4) sah zwar geringere Liquiditätsabflüsse insbesondere durch einen geringeren Wareneinkauf vor, ging jedoch gleichfalls von einer Fortführung der Stundungen aus. Angesichts der extrem angespannten Finanzlage musste der Kläger damit rechnen, dass die finanzierenden Banken nach dem Scheitern einer Übernahme die bestehenden Kreditlinien kündigen und die Steuerschuldnerin damit zahlungsunfähig werden würde.

60

1.3.2.4 Die fehlende Mittelvorsorge war adäquat kausal für das Entstehen der Einfuhrumsatzsteuerschuld. Zwar wurde die Unmöglichkeit der Begleichung der Steuerschulden durch das Scheitern der Unternehmensübernahme mitverursacht. Die Abfertigung der Waren zum freien Verkehr, ohne dass der Kläger sicher sein konnte, dass es zur Unternehmensübernahme kommen würde, war gleichwohl adäquat kausal. Da ein Scheitern von Unternehmensübernahmen im letzten Moment nicht unüblich ist, war die Abfertigung vor Vertragsunterzeichnung geeignet, den späteren Zahlungsausfall herbeizuführen. Erst recht gilt dies für die Abfertigung der Waren nach Kenntnis des Klägers vom Scheitern der Vertragsverhandlungen.

61

1.4 Der Höhe nach ist der angefochtene Bescheid nicht zu beanstanden. Die Haftung nach § 69 Satz 1 AO beschränkt sich dem Umfang nach auf den Betrag, der infolge der vorsätzlichen oder grob fahrlässigen Pflichtverletzung nicht oder nicht rechtzeitig festgesetzt oder entrichtet wurde (BFH, Urt. v. 26.07.1988, VII R 83/87, juris Rn. 7; Urt. v. 12.05.1992, VII R 52/91, juris Rn. 10). Dies ist hier der vollständige Betrag der entstandenen Einfuhrumsatzsteuer. Die Haftung des Klägers ist der Höhe nach nämlich nicht auf einen bestimmten Anteil an der für die Befriedigung aller Gläubiger bei der Steuerschuldnerin vorhandenen Summe begrenzt. Bei der Haftung für Umsatzsteuerrückstände hat der Bundesfinanzhof zwar den Grundsatz der anteiligen Tilgung der Umsatzsteuer entwickelt, wonach die Berechnung der Haftungssumme im Fall der Geschäftsführerhaftung bei Nichtvorhandensein ausreichender Zahlungsmittel zur Tilgung sämtlicher Verbindlichkeiten zeitraumbezogen und überschlägig vorzunehmen ist (siehe nur BFH, Beschl. v. 31.03.2000, VII B 187/99, juris Rn. 17, 20; Loose in Tipke/Kruse, AO/FGO, 140. EL Mai 2015, § 69 AO Rn. 34). Dieser Grundsatz ist jedoch bei Pflichtverletzungen im Zusammenhang mit der Inanspruchnahme des Zahlungsaufschubs für Einfuhrabgaben, namentlich für die im vorliegenden Fall maßgebliche Nichteinhaltung des Fälligkeitstermins bei aufgeschobenen Einfuhrabgaben, nicht anwendbar. Der Grundsatz der anteiligen Tilgung gilt nicht, weil der Abgabenschuldner durch die Freigabe der Ware vor Begleichung der Abgabenschuld ungesicherten Kredit erhält. Die Zollbehörde verzichtet durch den Zahlungsaufschub auf die Sachhaftung an den einfuhrabgabenpflichtigen Waren, die ohne Rücksicht auf die Rechte Dritter gilt (§ 76 Abs. 1 AO). Im Gegenzug erwirbt die Zollverwaltung auf der (persönlichen) Haftungsebene ein Recht auf vorrangige Befriedigung (BFH, Urt. v. 21.02.1989, VII R 165/85 juris Rn. 3; FG Bremen, Urt. v. 17.03.1992, II 135/86 K, juris Rn. 48; hieran anschließend FG Hamburg, Beschl. v. 27.03.2015, 4 V 210/14, S. 19 BA; Urt. v. 22.05.2015, 4 K 208/14, S. 19; FG Düsseldorf, Urt. v. 22.11.2016, 4 K 1746/16, juris Rn. 24).

62

Für die Ermittlung der Haftungshöhe ist ebenfalls nicht von Belang, ob und gegebenenfalls in welchem Umfang die Steuerschuldnerin die Einfuhrumsatzsteuer als Vorsteuer geltend gemacht hat oder geltend machen könnte. Zwar wäre dies gemäß § 15 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 UStG in der ab dem 30.06.2013 geltenden Fassung (Gesetz vom 26.06.2013, BGBl. I 1809) bereits mit der Entstehung der (Einfuhr-)Umsatzsteuer (Stadie, UStG-Kommentar, 3. Aufl. 2015, § 15 UStG Rn. 313) möglich. Es ist jedoch keine Gesamtbetrachtung aller steuerlichen Verhältnisse anzustellen; vielmehr kommt es nur auf den Ausfall der konkreten Steuer an (FG Hamburg, Urt. v. 22.05.2015, 4 K 208/14, S. 25 f.; BFH, Urt. v. 26.09.2012, VII R 3/11, juris Rn. 25 f. zu § 71 AO; FG Düsseldorf, Beschl. v. 05.07.2002, 4 V 7185/01 A (H), juris Rn. 77; siehe auch die Nachweise bei Boeker in Hübschmann/Hepp/Spitaler, AO/FGO, 232. EL, April 2015, § 69 AO Rn. 32b). Es besteht kein Grund für die Annahme, der Gesetzgeber habe der Steuerverwaltung in Bezug auf die Inhaftungnahme die Pflicht auferlegen wollen, zu berechnen, was der Fiskus hinsichtlich der die Einfuhrumsatzsteuer auslösenden Einfuhren insgesamt an (Einfuhr-)Umsatzsteuer eingenommen hat und, falls dieser Betrag die Summe übersteigt, die dem Fiskus nach dem finanzwirtschaftlichen Ziel der Umsatzsteuer an sich hätte zufließen sollen, diesen Mehrbetrag dem Haftenden gutzuschreiben (BFH, Urt. v. 21.02.1989, VII R 165/85, juris Rn. 27; siehe auch Urt. v. 05.06.1982, VII R 57/82, juris Rn. 14 f.). Anderenfalls hinge die Inanspruchnahme des Haftungsschuldners davon ab, ob die Steuerschuldnerin die entstandene Einfuhrumsatzsteuer beim Vorsteuerabzug geltend macht oder - bei Nichtzahlung der Steuer - die Umsatzsteuervoranmeldung gemäß § 17 Abs. 3 UStG analog (Stadie, UStG-Kommentar, 3. Aufl. 2015, § 15 UStG Rn. 313) berichtigt.

63

1.5 Es bestehen schließlich auch keine Zweifel an der rechtmäßigen Ausübung des Entschließungs- und Auswahlermessens. Der Beklagte hat das ihm gemäß § 191 Abs. 1 S. 1 AO eingeräumte Ermessen fehlerfrei ausgeübt. Der Senat hat insoweit nach § 102 S. 1 FGO nur zu prüfen, ob die in § 5 AO festgelegten Grenzen des Ermessens über- oder unterschritten sind oder von dem Ermessen in einer dem Zweck der Ermächtigung nicht entsprechenden Weise Gebrauch gemacht worden ist.

64

1.5.1 Der Beklagte hat das Entschließungsermessen ermessensfehlerfrei ausgeübt. Wegen der dem Steuergläubiger im öffentlichen Interesse obliegenden Aufgabe, die geschuldeten Abgaben nach Möglichkeit zu erheben, kann der Erlass eines Haftungsbescheids bei Uneinbringbarkeit der Steuerschuld nur unter ganz außergewöhnlichen Umständen ermessensfehlerhaft sein. Deshalb ist das Entschließungsermessen - wie auch im Streitfall - mit dem Hinweis auf die Eröffnung des Insolvenzverfahrens gegen die Steuerschuldnerin und die damit verbundene Unmöglichkeit einer Einziehung der rückständigen Steuer durch Vollstreckungsmaßnahmen gegen die Steuerschuldnerin jedenfalls bei Nichtvorliegen außergewöhnlicher Umstände - die hier nicht ersichtlich sind - regelmäßig ausreichend begründet (vgl. BFH, Urt. v. 13.06.1997, VII R 96/96, juris Rn. 15; Urt. v. 29.09.1987, VII R 54/84, juris Rn. 14).

65

1.5.2 Es bestehen auch keine Zweifel an der ordnungsgemäßen Ausübung des Auswahlermessens, d. h. der Entscheidung, warum der Haftungsschuldner anstatt des Steuerschuldners oder anstelle anderer ebenfalls für die Haftung in Betracht kommender Personen in Anspruch genommen wird (vgl. BFH, Urt. v. 11.03.2004, VII R 52/02, juris Rn. 16). Hinsichtlich der Inanspruchnahme der Steuerschuldnerin kann auf die obigen (1.5.1) Ausführungen verwiesen werden, nach denen die geringen Aussichten, die Steuerschulden gegenüber der Steuerschuldnerin zu realisieren, es rechtfertigen, vorrangig den (oder die) Haftungsschuldner in Anspruch zu nehmen. Bezüglich der Auswahl der Haftungsschuldner sind keine Ermessenfehler ersichtlich. Der Beklagte hat alle drei Geschäftsführer der Komplementär-GmbH als Gesamtschuldner in Anspruch genommen. Dass der Prokurist der Steuerschuldnerin nicht in Anspruch genommen wurde, erklärt sich rechtsfehlerfrei daraus, dass er ausweislich seines Anstellungsvertrags keine steuerlichen Pflichten für die Steuerschuldnerin wahrgenommen hat (siehe Bl. 455 f. der Nebenakte Ordner 1).

66

Inwieweit Aussichten bestehen, dass der Beklagte im Rahmen des Insolvenzverfahrens wenigstens eine quotenmäßige Befriedigung der Einfuhrumsatzsteuerschulden erlangen wird, kann dahinstehen. Diese Möglichkeit hindert nicht den Erlass eines Haftungsbescheids, sondern verpflichtet das Finanzamt lediglich dazu, im Zeitpunkt des Eingangs der Quote den Haftungsanspruch entsprechend zu ermäßigen (vgl. FG Hamburg, Urt. v. 25.10.1993, I 8/89, juris Rn. 18).

II.

67

Die Kostenentscheidung folgt aus § 135 Abs. 1 FGO.

68

Die Revision wird im Hinblick auf das anhängige Revisionsverfahren VII R 40/16, in dem es ebenfalls um die Haftung eines GmbH-Geschäftsführers für Einfuhrumsatzsteuer auf Einfuhren vor Insolvenzantrag geht, wegen grundsätzlicher Bedeutung gemäß § 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO zuzulassen.

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