Beschluss vom Finanzgericht Hamburg (2. Senat) - 2 V 110/18

Tatbestand

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I. Die Beteiligten streiten über die Rechtmäßigkeit eines Verspätungszuschlages zur Einkommensteuer 2016 i. H. v. ... €.

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Der Antragsteller reichte über den Prozessbevollmächtigten am 6. März 2018 seine Steuererklärungen für die Einkommensteuer 2016 ein. Am 25. April 2018 leistete er eine freiwillige Zahlung in Höhe der erwarteten Nachzahlung von ... €. Mit Bescheid vom 17. Mai 2018 setzte der Antragsgegner die Einkommensteuer für das Jahr 2016 auf ... € fest. Die Nachzahlung betrug 0,- € aufgrund der geleisteten freiwilligen Zahlung vom 25. April 2018. Gleichzeitig setzte das Finanzamt einen Verspätungszuschlag i. H. v. ... € fest. In den Erläuterungen zu dem Bescheid führte das Finanzamt aus, dass ein Verspätungszuschlag festgesetzt worden sei, weil die Steuererklärung erst am 6. März 2018 eingegangen sei.

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Mit gegen die Festsetzung des Verspätungszuschlages fristgerecht eingelegtem Einspruch machte der Antragsteller geltend, dass die Festsetzung des Verspätungszuschlages der Höhe nach ermessensfehlerhaft sei, weil die Überschreitung der Abgabefrist nur wenige Tage umfasst habe, er, der Antragsteller, seiner Zahlungsverpflichtung freiwillig ohne Leistungsgebot nachgekommen und zwei Monate Bearbeitungszeit auch kein Indiz für eine besondere Arbeitslage sei. Zudem sei die Verspätung entschuldbar, da die zuständige Mitarbeiterin seines Bevollmächtigten seit Anfang Februar 2018 überraschend und schwer erkrankt sei. Daher hätten die Arbeiten auf andere Mitarbeiter und den Prozessbevollmächtigten selber delegiert werden müssen und dies in einer Phase, in der die restlichen Steuererklärungen des Vorvorjahres bereits mit den ersten Jahresschlussarbeiten des Vorjahres kollidierten. Er, der Antragsteller, habe am 29. Dezember 2017 einen Antrag auf Fristverlängerung für die Abgabe der Steuererklärung 2016 gestellt, vorsorglich bis zum 28. Februar 2018. Ein entsprechend elektronisch abgespeichertes Exemplar des Antrages befinde sich in der EDV. Nach Aktenlage seien Ende Dezember ca. 80-90 solcher Anträge auf Fristverlängerung gestellt worden. Hiervon seien nur wenige zurückgewiesen worden. Da regelmäßig das Einverständnis mit einer stillschweigenden Genehmigung gegeben werde, seien auch kaum Antworten bei Genehmigungen erfolgt, man fasse auch nicht nach. Im Übrigen seien auch bei Fristüberschreitungen, auch in Fällen, die in den Vorjahren deutlich später eingereicht worden seien, keine Verspätungszuschläge festgesetzt worden. Zusammen mit dem Einspruch - über den der Antragsgegner noch nicht entschieden hat - beantragte der Antragsteller die Aussetzung der Vollziehung (AdV) des festgesetzten Verspätungszuschlags.

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Mit Schreiben vom 18. Juni 2018 erklärte der Antragsgegner, dass der festgesetzte Verspätungszuschlag in Höhe von ... € für das Jahr 2016 bei einer Einkommensteuer i. H. v. ... € betrage, so dass er den Vorschriften über die Obergrenze von Verspätungszuschlägen entspräche. Bei der Bemessung des Verspätungszuschlages seien neben dem Zweck, den Steuerpflichtigen zur rechtzeitigen Abgabe der Steuererklärung anzuhalten, die Dauer der Fristüberschreitung, die Höhe des sich aus der Steuerfestsetzung ergebenden Zahlungsanspruchs, die aus der verspäteten Abgabe der Steuererklärung gezogenen Vorteile sowie das Verschulden und die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit der Steuerpflichtigen zu berücksichtigen. Unter Beachtung aller Ermessenskriterien, die grundsätzlich gleichwertig nebeneinander stünden, sei die Festsetzung des Verspätungszuschlags aufgrund der verspätet abgegebenen Steuererklärung für das Jahr 2016 in Höhe von ... € gerechtfertigt und nicht zu beanstanden. Im vorliegenden Fall spreche zum einen die Dauer der konkreten Fristüberschreitung, zum anderen die Tatsache, dass die Steuererklärungen in der Vergangenheit ebenfalls verspätet eingereicht wurden, für die Festsetzung eines Verspätungszuschlags. Die Steuererklärung für den Veranlagungszeitraum 2016 hätte gemäß § 149 Abs. 2 der Abgabenordnung (AO) bis zum 31. Dezember 2017 abgegeben werden müssen. Die Erklärung sei jedoch erst am 6. März 2018 übermittelt worden. Die Fristüberschreitung beliefe sich somit auf zwei Monate. Ein Antrag auf Fristverlängerung sei nach Aktenlage nicht gestellt worden.

5

Das Finanzamt übe das ihm zustehende Ermessen bei der Festsetzung von Verspätungszuschlägen regelmäßig dann fehlerfrei aus, wenn erkennbar der Steuerpflichtige dazu angehalten werden solle, in Zukunft die Steuererklärungen rechtzeitig abzugeben. Zudem spreche die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit des Antragstellers nicht gegen die Festsetzung eines Verspätungszuschlags, da sich aus den vorliegenden Daten ergebe, dass dieser wirtschaftlich leistungsfähig sei. Die Festsetzung entspreche mithin dem gesetzlichen Regelfall, um zukünftig der verspäteten Abgabe von Steuererklärungen entgegenzuwirken.

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Am 19. Juni 2018 lehnte der Antragsgegner unter Hinweis auf das Schreiben vom 18. Juni 2018 sodann den Antrag auf AdV ab.

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Am 23. Juni 2018 stellte der Antragsteller einen Antrag auf AdV beim Gericht, den er im Wesentlichen wie folgt begründet:

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Ohne vorherige Ankündigung und Sachverhaltserforschung sei im Zusammenhang mit dem Einkommensteuerbescheid 2016 vom 17. Mai 2018 ein Verspätungszuschlag i. H. v. ... € festgesetzt worden. Gegen die Festsetzung des Verspätungszuschlags sei Einspruch eingelegt und das Versäumnis als entschuldbar dargestellt worden. Der Verspätungszuschlag sei sowohl dem Grunde nach (Entschließungsermessen) als auch der Höhe nach (Auswahlermessen) unangemessen, da die verspätete Abgabe nur sechs Tage betragen habe und zudem die verspätete Abgabe entschuldbar gewesen sei.

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Der Antragsteller beantragt sinngemäß,
die Vollziehung der Festsetzung des Verspätungszuschlages im Bescheid für 2016 über Einkommensteuer vom 17. Mai 2018 auszusetzen.

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Der Antragsgegner beantragt,
den Antrag abzuweisen.

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Zur Begründung trägt er unter Berufung auf die Ausführungen des Schreibens vom 18. Juni 2018 ergänzend vor:

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Bei summarischer Prüfung seien ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit der Festsetzung sowohl dem Grunde als auch der Höhe nach nicht erkennbar. Der Antragsteller habe bereits in der Vergangenheit seine Steuererklärungen verspätet eingereicht. Für den Veranlagungszeitraum 2013 sei am 5. Januar 2015 der Antrag auf Fristverlängerung abgelehnt worden und die Steuererklärung am 18. Februar 2015 eingegangen. Für den Veranlagungszeitraum 2014 sei kein Antrag auf Fristverlängerung gestellt worden und die Steuererklärung nach maschineller Erinnerung vom 15. Januar 2016 am 11. April 2016 eingereicht worden. Und schließlich sei für den Vergleichszeitraum 2015 der Antrag auf Fristverlängerung am 28. Dezember 2016 abgelehnt worden und die Steuererklärung am 14. Juli 2017 eingegangen.

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Ein Antrag auf Fristverlängerung vom 29. Dezember 2017 des Antragstellers liege dem Antragsgegner nicht vor. Zudem verwundere es in diesem Zusammenhang, dass der Antragsteller, sofern er von einer antragsgemäßen Fristverlängerung ausgegangen sei, nicht auf die Erinnerung durch den Antragsgegner zur Abgabe der Steuererklärung, die am 31. Januar 2018 versandt worden sei, reagiert habe. Im Übrigen habe es seitens des Antragstellers ohnehin nahegelegen, sich hinsichtlich der Stattgabe des (gegebenenfalls gestellten) Antrages durch den Antragsgegner zu vergewissern. Angesichts des Abgabeverhaltens in den Vorjahren habe der Antragsteller nicht ohne weiteres damit rechnen können, dass der Antragsgegner diesem Antrag stillschweigend zustimmen werde.

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Hinsichtlich der Höhe des Verspätungszuschlags werde ergänzend darauf hingewiesen, dass sich aufgrund der eingereichten Steuererklärung bei antragsgemäßer Veranlagung eine Nachzahlung in Höhe von ... € Einkommensteuer und ... € Solidaritätszuschlag ergeben hätte.

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Das Vorliegen einer durch die Vollziehung entstehenden unbilligen Härte sei weder geltend gemacht worden noch nach Aktenlage erkennbar.

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Dem Gericht haben jeweils ein Band Einkommensteuer-, Umsatzsteuer-, Bilanz- und Rechtsbehelfsakte sowie ein Band Akte Allgemeines zur Steuernummer ... vorgelegen.

Entscheidungsgründe

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II. Der zulässige Antrag ist unbegründet. Die Festsetzung des Verspätungszuschlags ist weder dem Grunde noch der Höhe nach zu beanstanden.

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1. Nach § 69 Abs. 3 in Verbindung mit Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung (FGO) kann das Gericht der Hauptsache die Vollziehung eines angefochtenen Verwaltungsaktes ganz oder teilweise aussetzen, wenn ernstliche Zweifel an dessen Rechtmäßigkeit bestehen oder wenn die Vollziehung für den Betroffenen eine unbillige, nicht durch überwiegende öffentliche Interessen gebotene Härte zur Folge hätte. Danach soll seitens des Gerichts eine Aussetzung erfolgen, wenn ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angefochtenen Verwaltungsakts bestehen. Solche sind gegeben, wenn bei summarischer Prüfung neben für die Rechtmäßigkeit sprechenden Umständen gewichtige gegen die Rechtmäßigkeit sprechende Gründe zu Tage treten, die Unentschiedenheit oder Unsicherheit in der Beurteilung der Rechtsfragen und/oder Unklarheiten in der Beurteilung einer Tatfrage bewirken (st. Rspr., vergleiche Bundesfinanzhof (BFH)-Beschlüsse vom 3. Februar 2005 I B 208/ 04, BStBl. II 2005, 351; vom 3. Februar 1993 I B 90/92, BStBl. II 1993, 426). Die Entscheidung ergeht bei der im Aussetzungsverfahren gebotenen summarischen Prüfung aufgrund des Sachverhalts, der sich aus dem Vortrag der Beteiligten und der Aktenlage sowie aufgrund von präsenten Beweismitteln (§ 155 FGO i. V. m. § 294 Abs. 2 der Zivilprozessordnung) ergibt. Es ist Sache der Beteiligten, die entscheidungserheblichen Tatsachen darzulegen und glaubhaft zu machen, soweit ihre Mitwirkungspflicht reicht (BFH-Beschluss vom 20. März 2002 IX S 27/00, BFH/NV 2002, 809 m. w. N.). Die im Hauptsacheverfahren geltenden Regeln zur Feststellungslast gelten auch im Aussetzungsverfahren.

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a) Ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des festgesetzten Verspätungszuschlags bestehen daran gemessen nicht. Nach Würdigung der präsenten Beweismittel und der Aktenlage dürfte die Festsetzung des Verspätungszuschlags in der vorgenommen Höhe rechtmäßig sein.

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aa) Nach § 152 Abs. 1 der AO kann gegen denjenigen, der seiner Verpflichtung zur Abgabe einer Steuererklärung nicht oder nicht fristgemäß nachkommt, ein Verspätungszuschlag festgesetzt werden (Satz 1). Von einer solchen Festsetzung ist abzusehen, wenn die Versäumnis entschuldbar erscheint (Satz 2). Das Verschulden eines gesetzlichen Vertreters oder eines Erfüllungsgehilfen steht dem eigenen Verschulden gleich (Satz 3). Die Höhe des Verspätungszuschlages darf 10 v. H. der festgesetzten Steuer und den Betrag von 25.000,- € nicht überschreiten.

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Der Sinn und Zweck des Verspätungszuschlages besteht als Druckmittel eigener Art in einem zugleich repressiven und präventiven (erzieherischen) Charakter (BFH-Urteil vom 18. November 1986 VIII R 183/84, BFH/NV 1987, 416). Es soll die Störung der Veranlagungsarbeit durch den verzögerten oder unterbliebenen Eingang der Steuererklärung sanktioniert und der Steuerpflichtige für die Zukunft zur pünktlichen Abgabe der Steuererklärung angehalten werden. Diesem Zweck entsprechend sind bei der Bemessung der Höhe des Verspätungszuschlages neben seinem Zweck, den Steuerpflichtigen zur rechtzeitigen Erklärungsabgabe zu veranlassen, die Dauer der Fristüberschreitung, die Höhe des sich aus der Steuerfestsetzung ergebenden Zahlungsanspruchs, die aus der verspäteten Abgabe gezogenen Vorteile sowie das Verschulden und die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit zu berücksichtigen.

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Ob die in § 152 AO genannten Voraussetzungen vorliegen, ist von den Gerichten uneingeschränkt nachprüfbar (BFH-Urteil vom 14. Juni 2000 X R 56/98, BStBl. II 2001, 60). Dasselbe gilt für die in § 152 Abs. 2 Satz 1 AO vorgesehenen Beschränkungen, wonach der Verspätungszuschlag 10 v. H. der festgesetzten Steuer oder des festgesetzten Messbetrages nicht übersteigen und höchstens 25.000,- € betragen darf. Ob und inwieweit dagegen bei Erfüllung dieser Voraussetzungen und im Rahmen der gesetzlichen Grenzen im Einzelfall ein Verspätungszuschlag festgesetzt wird, hat die zuständige Finanzbehörde nach pflichtgemäßem Ermessen zu entscheiden (BFH-Urteil vom 14. Juni 2000 X R 56/98, BStBl. II 2001, 60 m. w. N.). Dieser Teil der Entscheidung unterliegt gemäß § 102 FGO nur der eingeschränkten gerichtlichen Nachprüfung dahingehend, dass die Ermessensentscheidung des Finanzamtes gerichtlich lediglich auf Ermessensfehler zu überprüfen ist also dahingehend, ob die Behörde den entscheidungserheblichen Sachverhalt nicht einwandfrei und erschöpfend ermittelt, die gesetzlichen Grenzen des Ermessens überschritten oder von dem Ermessen in einer dem Zweck der Ermächtigung nicht entsprechenden Weise Gebrauch gemacht hat (BFH-Urteil vom 29. März 2007 IX R 9/05, BFH/NV 2007, 1617). Hierbei darf das Gericht vor allem die für die Ausübung des Ermessens maßgeblichen Erwägungen nicht durch eigene ersetzen. Für die Ermessensprüfung kommt es auf die tatsächlichen Verhältnisse an, die zum Zeitpunkt der letzten Verwaltungsentscheidung gegeben bzw. erkennbar waren.

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bb) Die angefochtene Festsetzung eines Verspätungszuschlags in Höhe von ... € entspricht im Rahmen der gebotenen summarischen Prüfung diesen Maßstäben.

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(1) Bei summarischer Prüfung geht der Antragsgegner zutreffend davon aus, dass die Festsetzung eines Verspätungszuschlags dem Grunde nach rechtmäßig war.

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Die gerichtlich uneingeschränkt nachprüfbaren Voraussetzungen des § 152 Abs. 1 AO haben nach summarischer Prüfung vorgelegen.

26

Der Antragsteller hat die Frist zur Abgabe der Einkommensteuererklärung 2016, die für ihn bereits abweichend von der gesetzlichen Abgabefrist des 31. Mai 2017 (vgl. Gleich lautende Erlasse der obersten Finanzbehörden der Länder vom 2. Januar 2018 über Steuererklärungsfristen, juris) bis zum 31. Dezember 2017 verlängert worden ist, nicht eingehalten, da er die Erklärung erst am 6. März 2018 elektronisch beim Antragsgegner abgegeben hat. Dabei kommt es in diesem Zusammenhang noch nicht darauf an, ob der Antragsteller am 29. Dezember 2017 Fristverlängerung bis zum 28. Februar 2018 beantragt hat, da auch in diesem Fall die Abgabe der Steuererklärung zur Einkommensteuer 2016 am 6. März 2018 verspätet gewesen wäre.

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Die nicht fristgemäße Abgabe der Steuererklärung war - zumindest bei summarischer Prüfung - auch nicht entschuldbar. Zur Vermeidung eines Verspätungszuschlags muss der Steuerpflichtige der Finanzbehörde die nicht aus den Akten ersichtlichen Gründe darlegen, aus denen sich ergibt, dass das Versäumnis entschuldbar erscheint (BFH-Urteil vom 18. August 1988 V R 19/83, BStBl. II 1988, 929). Gründe, die das Versäumnis entschuldbar erscheinen ließen, hat der Antragsteller weder genauer dargelegt noch glaubhaft gemacht. Der pauschale Hinweis auf eine ausgefallene Mitarbeiterin seines Beraters ohne weitere Nachweise reicht jedenfalls nicht aus, um von einer entschuldbaren Fristversäumnis auszugehen. Der Antragsteller hat weder konkret dargelegt, warum der Ausfall dieser einen Mitarbeiterin des Prozessbevollmächtigten dafür ursächlich ist, dass die Steuererklärung 2016 für den Antragsteller nicht fristgemäß abgegeben werden konnte. Allgemeine Arbeitsüberlastung - wie sie der Prozessbevollmächtigte mit dem Hinweis auf die Kollision des Ausfalls der Mitarbeiterin mit restlichen Steuererklärungen des Vorvorjahres und sowie ersten Abschlussarbeiten des Vorjahres anführt - stellt keinen ausreichenden Grund für eine nicht fristgemäße Abgabe der Steuererklärung dar (BFH-Urteil vom 29. März 2007 IX R 9/05, BFH/NV 2007, 1617). Arbeitsüberlastung und Personalengpässe bei einem Steuerberater entschuldigen grundsätzlich die verspätete Abgabe von Steuererklärungen nicht (BFH-Beschluss vom 11. August 2003, XI B 227/02, juris). Der besonderen Arbeitsbelastung eines Steuerberaters kann insofern nur durch allgemeine oder individuelle Fristverlängerungen Rechnung getragen werden (Heuermann in Hübschmann/Hepp/Spitaler, § 152 AO Rn. 21 a.E.). Daher hätte der Prozessbevollmächtigte des Antragstellers, sobald für ihn erkennbar war, dass er selbst die - vermeintliche - Fristverlängerung bis Ende Februar 2018 nicht würde einhalten können, sich beim Antragsgegner unter Darlegung des Sachverhalts vor Fristablauf melden müssen. Zudem durfte sich der Antragsteller angesichts dessen, dass die Anträge auf Fristverlängerung für die Jahre 2013 und 2015 abgelehnt worden waren, nicht auf eine stillschweigende Gewährung der Fristverlängerung verlassen.

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Die Ermessensausübung des Antragsgegners bezüglich der Frage, ob ein Verspätungszuschlag erhoben wird (Entschließungsermessen), die gem. § 102 FGO nur eingeschränkt gerichtlich überprüfbar ist, ist nach summarischer Prüfung nicht deswegen rechtswidrig, weil ab dem Einreichen der Erklärung am 6. März 2018 bis zur Bearbeitung der Erklärung am 8. Mai 2018 bzw. der Bekanntgabe am 22. Mai 2018 mehr als zwei Monate verstrichen sind.

29

Die Vorschriften über Erklärungsfristen haben keinen Selbstzweck, sondern sollen vielmehr ein ordnungsgemäßes Veranlagungsgeschäft ermöglichen. Daher kann von der Festsetzung eines Verspätungszuschlags abzusehen sein, wenn das Veranlagungsgeschäft durch den verspäteten Eingang der Steuererklärung nicht gestört wird. Da der Verspätungszuschlag nach dem Willen des Gesetzgebers aber auch präventiven Charakter hat, der Steuerpflichtige also zur künftigen fristgerechten Abgabe der Steuererklärungen angehalten werden soll, ist nicht nur auf das laufende "Veranlagungsgeschäft" abzustellen (BFH-Urteil vom 19. Juni 2001 X R 83/98, BStBl. II 2001, 618). Zwar sind Fälle denkbar, in denen die Präventivwirkung des Verspätungszuschlags nur von untergeordneter Bedeutung ist. Im Streitfall ist dafür aber nichts ersichtlich.

30

Das Finanzamt ist grundsätzlich berechtigt und unter Umständen verpflichtet, die Reihenfolge der Bearbeitung nicht angeforderter Steuererklärungen unter dem Gesichtspunkt der Effizienz der Steuererhebung einschließlich der Steuererstattung zu bestimmen. Es kann die Bearbeitung bedeutsamer Steuerfälle, bei denen hohe Nachzahlungen/Erstattungen zu gewärtigen sind, vorziehen und Veranlagungen, die zur Festsetzung einer Steuer in geringer Höhe führen, zurückstellen. Dies kann im Einzelfall innerhalb eines Zeitrahmens, der vorliegend als angemessen bezeichnet werden kann, zu Verzögerungen der Bearbeitung führen, deren Ursachen letztlich nicht aufgeklärt werden können und die der betroffene Steuerpflichtige hinnehmen muss (BFH-Urteil vom 19. Juni 2001 X R 83/98, BStBl. II 2001, 618). Die Dauer der Fristüberschreitung von gut zwei Monaten entspricht in etwa der Zeit zwischen Einreichung der Erklärung und Bearbeitung der Erklärung am 8. Mai 2018, so dass schon dem Grunde nach nicht von einer unverhältnismäßig späten Bearbeitung ausgegangen werden kann.

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(2) Auch der Höhe nach ist die Festsetzung nicht zu beanstanden.

32

Der festgesetzte Verspätungszuschlag in Höhe von ... € überschreitet weder die in § 152 Abs. 2 Satz 1 AO festgelegte 10 v. H.-Grenze noch den dort bezeichneten absoluten Betrag. Vielmehr beträgt der Verspätungszuschlag ca. 0,87 % der festgesetzten Steuer in Höhe von ... €.

33

Die Ermessensausübung des Antragsgegners bezüglich der Frage, in welcher Höhe ein Verspätungszuschlag erhoben wird (Auswahlermessen), die gem. § 102 FGO nur eingeschränkt gerichtlich überprüfbar ist, ist nach summarischer Prüfung ebenfalls nicht rechtswidrig.

34

Bei der Bemessung des Verspätungszuschlags hat das Finanzamt dem Umstand Rechnung getragen, dass der Steuerpflichtige zur rechtzeitigen Abgabe der Steuererklärung angehalten werden soll, und die in § 152 Abs. 2 Satz 2 AO aufgeführten Kriterien beachtet und gegeneinander abgewogen. Das Gericht darf sein Ermessen nicht an die Stelle des Ermessens des Finanzamtes setzen. Entscheidend ist allein, dass sich der Zuschlag im Rahmen des Zulässigen bewegt. Das ist hier der Fall.

35

Der Antragsgegner durfte von einer Fristversäumnis von mehr als zwei Monaten bei der Bemessung des Verspätungszuschlags ausgehen. Ein Antrag auf Fristverlängerung für die Abgabe der Einkommensteuererklärung 2016 vom 29. Dezember 2017, den der Antragsteller an diesem Tag gestellt haben will, ist in den vorliegenden Akten nicht enthalten. Der bloße Hinweis des Antragstellers, dass sich ein elektronisch abgespeichertes Exemplar des Antrages in der EDV befinde, ohne einen Nachweis, dass diese Anträge beim Antragsgegner eingegangen sind, ist im Rahmen der summarischen Prüfung dieses Verfahrens nicht ausreichend. Eine weitere Ermittlung zu einem Fristverlängerungsantrag kommt im vorliegenden Verfahren nicht in Betracht, da nur präsente Beweismittel zugelassen sind (vgl. § 155 FGO i. V. m. § 294 Abs. 2 ZPO).

36

Bei der Bemessung der Höhe des Verspätungszuschlags hat das Finanzamt einerseits die Dauer der Fristüberschreitung berücksichtigt. Ob eine geringfügige oder erhebliche Fristüberschreitung vorliegt, hängt von den Umständen des Einzelfalles ab. Der Antragsgegner hat die Dauer der Fristüberschreitung von mehr als zwei Monaten im Streit zu Recht für erheblich gehalten.

37

Zudem hat der Antragsgegner die Tatsache berücksichtigt, dass schon zum wiederholten Mal - auch in den Jahren 2013 bis 2015 - Steuererklärungen unentschuldigt teilweise mehrere Monate verspätet eingereicht wurden. Wiederholte Verspätungen bei der Abgabe der Steuererklärungen sprechen für die Pflichtvergessenheit der Steuerpflichtigen, und mit dem Grad des Verschuldens darf auch die Höhe des Verspätungszuschlages wachsen (vgl. BFH-Beschluss vom 16. Oktober 2008 III B 160/07, BFH/NV 2009, 116 m. w. N.).

38

Es ist auch nicht zu beanstanden, dass das Finanzamt bei der Höhe der erzielten Einkünfte von ... € von der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit des Antragstellers ausgegangen ist, die durch die Höhe des Verspätungszuschlages in Höhe von ... € nicht beeinträchtigt wird, der Steuerpflichtige also nicht übermäßig belastet wird.

39

Weiterhin hat der Antragsgegner bezüglich der Höhe des Verspätungszuschlages berücksichtigt, dass sich aufgrund der eingereichten Steuererklärung bei antragsgemäßer Veranlagung eine Nachzahlung in Höhe von ... € zuzüglich ... € Solidaritätszuschlag ergeben hätte. Zwar hat der Antragsteller am 25. April 2018 - und damit vor Veranlagung der am 6. März eingereichten Steuererklärung - eine freiwillige Zahlung in Höhe der erwarteten Nachzahlung geleistet, allerdings wäre der Antragsteller bei fristgemäßer Abgabe der Steuererklärung zum 31. Dezember 2017 möglicherweise früher zur Zahlung der Nachzahlung verpflichtet gewesen.

40

Das Finanzamt handelte somit bei der Festsetzung des konkreten Betrages im Rahmen seines Ermessens.

41

Der Antragsgegner hat die Kriterien wie die wiederholte verspätete Abgabe, die Höhe der Nachzahlung, den Zinsvorteil und die dem Steuerpflichtigen bzw. seinem Berater zuzumutende Sorgfalt auf den Streitfall bezogen angewandt. Dies ist nicht zu beanstanden. Mit den Ausführungen in den Schreiben vom 18. Juni 2018 sowie der Antragserwiderung vom 4. Juli 2018 hat der Antragsgegner - zumindest im Rahmen der gebotenen summarischen Prüfung - nach Ansicht des Senats die Anforderungen an eine Abwägung in ausreichendem Maße erfüllt.

42

Da somit keine Ermessensfehler erkennbar sind, die das Finanzamt bei der Festsetzung des Verspätungszuschlages begangen hätte, war der Antrag auf AdV zurückzuweisen.

43

b) Die Vollziehung des angefochtenen Verwaltungsaktes ist auch nicht wegen unbilliger Härte gemäß § 69 Abs. 3 Satz 1 Halbs. 2 i. V. m. Abs. 2 Satz 2 FGO auszusetzen.

44

Eine unbillige, nicht durch überwiegende öffentliche Interessen gebotene Härte im Sinne dieser Vorschriften liegt vor, wenn dem Steuerpflichtigen durch die Vollziehung des angefochtenen Verwaltungsaktes Nachteile drohen, die durch eine etwaige spätere Rückzahlung des eingezogenen Betrages nicht ausgeglichen werden oder nur schwer gutzumachen sind, oder wenn die Vollziehung zu einer Gefährdung seiner wirtschaftlichen Existenz führen würde (BFH Beschlüsse vom 21. Februar 1990 II B 98/89, BStBl. II 1990, 510; vom 5. März 1998 VII B 36/97, BFH/NV 1998, 1825).

45

Tatsachen, die die Annahme einer derartigen Unbilligkeit begründen würden, hat der Antragsteller nicht vorgetragen und sind auch nicht aus der Akte ersichtlich.

46

2. Die Kostenentscheidung folgt aus § 135 Abs. 1 FGO. Die Beschwerde ist gem. § 128 Abs. 3 i. V. m. § 115 Abs. 2 FGO nicht zuzulassen.

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