Urteil vom Finanzgericht Hamburg (6. Senat) - 6 K 203/17

Tatbestand

1

Die Beteiligten streiten über die Kindergeldberechtigung des Klägers. Insbesondere ist streitig, ob der Kläger seinen Wohnsitz im streitigen Zeitraum Juni 2011 bis Januar 2013 in Deutschland hatte bzw., ob er in den streitigen Monaten in Deutschland Einkünfte erzielte.

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Der Kläger hat ... Kinder. Die fünf Jüngsten wurden am ... 1986, am ... 1989, am ... 1993, am ... 2000 und am ... 2005 geboren. Für diese fünf Kinder begehrt der Kläger die Festsetzung von Kindergeld. Zwei dieser Kinder hatten im streitigen Zeitraum noch nicht ihr achtzehntes Lebensjahr vollendet. Drei weitere befanden sich zum Teil noch in der Ausbildung. Der Sohn A beendete seine Ausbildung im Juli 2012, der Sohn B im Juni 2012 und die Tochter C im Juni 2011.

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Am 27. Mai 2010 meldete der Kläger beim Bezirksamt Hamburg-1 ein Gewerbe an. Als Anschrift gab er X-Weg .../bei D in ... Hamburg an.

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In den Streitjahren 2011 bis 2013 war der Kläger nach einer Mitteilung des Finanzamts Hamburg-2 vom 30. April 2016 unbeschränkt bzw. erweitert unbeschränkt steuerpflichtig, weil der Kläger für diese Jahre jeweils eine Veranlagung gem. § 1 Abs. 3 Einkommensteuergesetz (EStG) beantragt hatte und entsprechend veranlagt wurde. Mit Einkommensteuerbescheid 2011 vom 17. Februar 2014 setzte das Finanzamt 179 € Einkommensteuer fest und ging hierbei von Einkünften des Klägers aus Gewerbebetrieb in Höhe von 9.398 € aus. Auf Grund der für das Jahr 2012 erklärten Einkünfte aus Gewerbebetrieb in Höhe von 5.320 € setzte das Finanzamt mit Einkommensteuerbescheid 2012 vom 17. Februar 2014 Einkommensteuer in Höhe von 0,00 € fest. Für das Jahr 2013 ging das Finanzamt im Einkommensteuerbescheid 2013 vom 11. November 2014 von Einkünften des Klägers aus Gewerbebetrieb in Höhe von 22.440 € aus und setzte Einkommen-steuer in Höhe von 996 € fest.

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Der Kläger beantragte am 16. Januar 2011 die Festsetzung des Kindergeldes für fünf seiner Kinder. Die Familienkasse lehnte diesen Antrag mit Bescheid vom 19. Mai 2011 mit der Begründung ab, dass der Kläger die angeforderten Unterlagen nicht eingereicht habe.

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Am 12. Januar 2013 und am 15. März 2014 beantragte der Kläger erneut die Festsetzung des Kindergeldes. Dieses lehnte die Familienkasse mit Bescheid vom 15. Mai 2014 ab Juni 2011 ab.

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Hiergegen legte der Kläger am 11. Juni 2014 Einspruch ein. In diesem Zusammenhang reichte der Kläger u. a. seine Einkommensteuerbescheide für 2011 bis 2013, seine Gewerbeanmeldung aus 2010, seine Mitgliedsbescheinigung nach § 175 SGB V vom 17. November 2014 und die Meldebestätigung für sich, seine Ehefrau und die zwei minderjährigen Kinder vom 31. Oktober 2014 ein. Außerdem legt er seine Einkommensteuererklärung 2014 vor, mit der er Einnahmen in Höhe von 59.303,63 € und gewerbliche Einkünfte aus Trockenbau in Höhe von 18.433 € erklärte und einen am ... 2014 unterschriebenen Arbeitsvertrag, der ab 1. Dezember 2014 gelten sollte.

8

Die beklagte Familienkasse lehnte mit Einspruchsentscheidung vom 17. Oktober 2017 den Einspruch mit der Begründung als unbegründet ab, dass der Kläger weder seinen Wohnsitz noch seinen gewöhnlichen Aufenthalt in Deutschland gehabt habe. Diese Einspruchsentscheidung betraf den Zeitraum Juni 2011 bis März 2013.

9

Hiergegen hat der Kläger am 20. November 2017 Klage erhoben. Zur Begründung trägt er vor, dass er seinen Wohnsitz im streitigen Zeitraum in Deutschland gehabt und auch steuerpflichtige Einkünfte erzielt habe. Er könne jedoch nur noch Kontoauszüge für diese Zeit vorlegen. Auf diese wird wegen weiterer Einzelheiten verwiesen. Rechnungen habe er keine mehr, diese seien verloren gegangen. Ebenfalls könne er keinen Mietvertrag vorlegen. Allerdings könne seine ehemalige Vermieterin D bezeugen, dass er von Mai 2010 bis Oktober 2012 bei ihr gewohnt und sich mit 80 € monatlich an den Unkosten beteiligt habe.

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Frau E könne bescheinigen, dass er, der Kläger, in der Zeit vom 1. Oktober 2012 bis zum 31. Januar 2013 bei ihr beschäftigt gewesen sei.

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Als weitere Zeugen könnten F und G bezeugen, dass er, der Kläger, im streitigen Zeitraum inländische Einkünfte erzielt habe.

12

Durch die vom Gericht durchgeführten Zeugenvernehmungen sei bestätigt worden, dass er, der Kläger, während des gesamten streitigen Zeitraums seinen Wohnsitz im Inland gehabt habe. Die Zeugenaussagen seien glaubhaft und authentisch gewesen.

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Der Kläger beantragt,
den Bescheid vom 15. Mai 2014 in der Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 17. Oktober 2017 aufzuheben und die Beklagte zu verpflichten das Kindergeld für H und J für den Zeitraum Juni 2011 bis Januar 2013, für A von Juni 2011 bis einschließlich Juli 2012, für B von Juni 2011 bis einschließlich Juni 2012 und für seine Tochter C für Juni 2011 festzusetzen.

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Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.

15

Zur Begründung trägt die Beklagte vor, dass die Klage unbegründet sei. Der Kläger habe nicht nachgewiesen, dass der Kläger im streitigen Zeitraum in Deutschland seinen Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt gehabt habe.

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Selbst wenn davon ausgegangen werden könnte, dass ein inländischer Wohnsitz bestanden habe, hätte der Kläger immer noch keine inländischen Einkünfte nachgewiesen, so dass nach Art. 11 Abs. 3 Buchstabe e der Verordnung (EG) Nummer 883/2004 die Mutter vorrangig anspruchsberechtigt bzw. nur Polen zahlungsverpflichtet sei, da dann der Grund nur im Wohnsitz des Klägers begründet sei. Auf Art. 68 Abs. 1 Buchstabe b Ziff. iii der Verordnung (EG) Nummer 883/2004 wird verwiesen.

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Der Kläger habe keinen Zufluss steuerpflichtiger Einkünfte nachweisen können, obwohl ihm die Beweislast obliege. Die Aussage des einen Zeugen genüge auch für die Monate Juli und August 2012 nicht, denn der Zeuge habe insbesondere keine Unterlagen vorgelegt, aus denen sich Einkünfte des Klägers hätten ergeben können. Nur bei Vorlage von entsprechenden Unterlagen könne festgestellt werden, ob und in welchem Monat gewerbliche Tätigkeiten vorgelegen haben.

18

Der Senat hat mit Beschluss vom 25. Juni 2018 den Rechtsstreit der Einzelrichterin übertragen.

19

Mit richterlicher Verfügung vom 17. Juli 2018 wurde dem Kläger bis zum 8. August 2018 eine Ausschlussfrist gesetzt, um die Tatsachen und Beweismittel zu der Behauptung anzugeben, dass der Kläger im streitigen Zeitraum seinen Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt im Inland gehabt hat und Einkünfte im Sinne des § 49 EStG erzielt habe. Wegen weiterer Einzelheiten wird auf die Verfügung verwiesen.

20

Auf die Sitzungsprotokolle des Erörterungstermins vom 27. März 2018, der mündlichen Verhandlungen und Beweisaufnahmen vom 17. Juli 2018, 24. August 2018 und vom 6. November 2018 wird verwiesen. Dem Gericht hat die Kindergeldakte der Familienkasse vorgelegen.

Entscheidungsgründe

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Die Entscheidung ergeht gem. § 6 der Finanzgerichtsordnung (FGO) durch die Einzelrichterin.

22

I. Die zulässige Klage ist unbegründet. Der angefochtene Ablehnungsbescheid vom 15. Mai 2014 in der Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 17. Oktober 2017 ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten (§ 100 Abs. 2 Satz 1 FGO), so dass der Kläger keinen Anspruch auf die begehrte Festsetzung des Kindergeldes hat.

23

Dem Kläger steht das Kindergeld für seine Kinder für den streitigen Zeitraum nicht zu. Die Voraussetzungen des § 62 Einkommensteuergesetz (EStG) liegen nicht vor. Kindergeldberechtigt sind gemäß § 62 Abs. 1 Nr. 1 EStG nur solche Personen, die über einen Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt im Inland verfügen (1.). Der Kläger hat auch keinen Anspruch gem. § 62 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. b i. V. m. § 1 Abs. 3 EStG, da nicht festgestellt werden konnte, dass er in den streitigen Monaten inländische Einkünfte i. S. des § 49 EStG erzielt hat (2.).

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1. Das Gericht ist nicht davon überzeugt, dass der Kläger in dem streitigen Zeitraum seinen Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt im Inland gehabt hat.

25

a) Die Frage, ob eine natürliche Person im Inland einen Wohnsitz hat, beurteilt sich nach § 8 AO. Danach kommt es darauf an, ob die betreffende Person im Inland eine Wohnung unter Umständen innehat, die darauf schließen lassen, dass sie die Wohnung beibehalten und benutzen wird. Ob diese Voraussetzungen gegeben sind, ist nach den objektiven Umständen zu beurteilen. Ein Umstand, der auf die Beibehaltung und Benutzung der Wohnung schließen lässt, ist die voraussichtliche Nutzungsdauer. Als Anhaltspunkt für die Beibehaltung und Nutzung ist regelmäßig auf die Sechsmonatsfrist des § 9 Satz 2 AO zurückzugreifen, da in dieser Frist zum Ausdruck kommt, ab welcher Zeitdauer ein Aufenthalt nicht mehr nur vorübergehend ist. Dies ist auch für § 8 AO maßgebend, weil eine nur vorübergehende Nutzung einer Wohnung keinen Wohnsitz begründet. Nicht nur die objektiven Wohnverhältnisse müssen die Möglichkeit eines längeren Wohnens bieten. Insbesondere darf die Anwesenheit im Inland nicht nur Besuchscharakter haben oder lediglich kurzfristig gewesen sein (vgl. BFH-Beschluss vom 19.09.2013 III B 53/13, zitiert nach juris m. w. N.)

26

b) Angewandt auf den Streitfall folgt hieraus, dass das Gericht nach den vorliegenden Unterlagen nicht davon ausgeht, dass der Kläger einen Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt im streitigen Zeitraum in Deutschland hatte.

27

Der Kläger hat insbesondere keinen Mietvertrag oder andere Unterlagen vorgelegt, aus denen sich ein inländischer Wohnsitz ergeben könnte. Auch konnte er nicht darlegen, welche Zahlungen er für seine Unterkünfte in Deutschland geleistet hat. Der Kläger hat auch keine sonstigen Nachweise vorgelegt, aus denen sich ergeben hat, wann und wie lange er sich in Deutschland aufgehalten hat. Zwar hat der Kläger Zeugen benannt für seine Behauptung, dass er seinen Wohnsitz im Inland gehabt hat. Das Gericht ist jedoch auch nach der durchgeführten Beweisaufnahme nicht davon überzeugt, dass der Kläger tatsächlich seinen Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt im Inland hatte. Vielmehr geht das Gericht davon aus, dass der Kläger sich nur teilweise im Inland aufhielt, um hier zu arbeiten.

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aa) Zwar hat die Zeugin D ausgesagt, dass der Kläger von Mai 2010 bis Oktober 2012 bei ihr gewohnt hat. Auch hat sie genau beschrieben, wo und wie der Kläger bei ihr gewohnt hat. Sie hat auch behauptet, den Kläger täglich gesehen zu haben und bescheinigt, dass der Kläger täglich zur Arbeit gegangen sei. Diese Aussage steht jedoch im Widerspruch zu der Einkommensteuererklärung des Klägers. Gerade weil die Zeugin ausgesagt hat, dass sie die Einkommensteuererklärungen des Klägers zumindest für das Streitjahr 2011 vorbereitet habe, müsste sie wissen, dass der Kläger nur geringe Einkünfte in 2011 erklärt hat und deshalb viel dagegen spricht, dass er jeden Tag im Inland gearbeitet hat. Erst recht macht es die Zeugenerklärung unglaubhaft, dass der Kläger auch in 2011 mit Hilfe der Zeugin die Veranlagung nach § 1 Abs. 3 EStG beantragt hat. Dies wäre nicht gemacht worden, wenn der Kläger oder die Zeugin von einem inländischen Wohnsitz ausgegangen wären. Zudem hat die Zeugin widersprüchlich ausgesagt. Denn zum einen konnte sie sich genau erinnern, den Kläger täglich gesehen zu haben, als dieser zur Arbeit gegangen sei und daran, dass der Kläger für mindestens drei Auftraggeber tätig gewesen sei. Sie konnte sich aber nicht daran erinnern, wieso der Kläger nur relativ geringe Einnahmen erzielt hat, obwohl sie ausgesagt hat, im Rahmen seiner Einkommensteuererklärung alle seine Rechnungen gesehen zu haben. Die Zeugin hat auch erst auf Nachfragen des Gerichts eingeschränkt, dass sie nur bis einschließlich 2011 bei der Steuer geholfen habe. Nach den Angaben der Zeugin hat der Kläger auch keine Miete gezahlt, sondern lediglich einen Unkostenbeitrag entrichtet. Den Zeitpunkt des Auszugs konnte die Zeugin nicht mehr benennen. Das Gericht geht davon aus, dass es sich bei Teilen der Aussage um eine Gefälligkeitsbescheinigung gehandelt hat, denn die Zeugin hat ausgesagt, dass sie den Kläger bereits aus Polen kannte und er ihr auch beim Umbau bzw. der Renovierung geholfen habe.

29

bb) Die Zeugin E hat zwar ausgesagt, dass sie den Kläger, in der Zeit vom 1. Oktober 2012 bis zum 31. Januar 2013 jeden Tag gesehen und dieser in einer von ihrem Exmann angemieteten Wohnung gewohnt habe. Es ist jedoch nicht glaubhaft, dass sie den Kläger zufällig jeden Tag gesehen hat, denn der Kläger wohnte nach den Aussagen der Zeugin 200 bis 300 Meter von ihrer Wohnung entfernt, so dass es sehr unwahrscheinlich ist, dass sie den Kläger tatsächlich jeden Tag auf der Straße zufällig gesehen haben kann. Zwar glaubt das Gericht, dass die Zeugin den Kläger auch im streitigen Zeitraum tatsächlich gesehen hat. Auch geht das Gericht davon aus, dass der Kläger in der vom Exmann angemieteten Wohnung auch tatsächlich gewohnt hat, allerdings ist das Gericht nicht davon überzeugt, dass der Kläger dort auch durchgehend gewohnt hat. Hierfür spricht auch, dass die Zeugin erklärt hat, dass in dieser Wohnung bis zu sechs Personen gelebt haben. Auf Nachfragen konnte die Zeugin nicht mehr erinnern, wer wann wie lange gewohnt hat. Sie konnte auch nicht mehr sagen, was der Kläger an Miete gezahlt hat. Zudem hat die Zeugin auch nur für die Monate Oktober 2012 bis Januar 2013 bezeugt, dass sie den Kläger gesehen haben will. Diese vier Monate sind indes nicht ausreichend, um einen inländischen Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt zu beweisen. Auch diese Zeugin kannte den Kläger bereits aus Polen und war mit ihm befreundet. Das Gericht geht deshalb auch bei dieser Zeugenaussage davon aus, dass es sich teilweise um eine Gefälligkeitsaussage gehandelt hat.

30

cc) Der Zeuge F hat zwar ausgesagt, dass der Kläger in Hamburg wohnhaft war und auch jedes Jahr am 13. März bei ihm gewesen ist. Er hat jedoch nichts Konkretes dazu ausgesagt, in welchem Umfang der Kläger in Deutschland gewohnt hat. Aus seiner Aussage ergibt sich daher kein (ständiger) Wohnsitz oder gewöhnlicher Aufenthalt des Klägers.

31

dd) Der Zeuge G hat bezeugt, dass der Kläger in den Monaten Juli und August 2012 mit ihm zusammen gearbeitet hat. Er hat aber keine Aussagen zu einem etwaigen inländischen Wohnsitz des Klägers gemacht. Selbst wenn der Kläger diese beiden Monate durchgängig in Deutschland gewesen wäre, genügt dies nicht für den Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt im Inland.

32

ee) Soweit vom Kläger oder den Zeugen noch weitere Personen erwähnt wurden, wie z.B. der Cousin der ersten Zeugin, wurden weder die vollständigen Namen noch konkrete Beweisthemen benannt oder ladungsfähige Adressen mitgeteilt.

33

ff) Gegen einen Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt spricht, dass der Kläger bei der Einkommensteuerveranlagung selbst seine Veranlagung gem. § 1 Abs. 3 EStG beantragt hat und er hierfür fachkundige Unterstützung der Zeugin D hatte. Es ist nicht nachvollziehbar, wieso er dies gemacht haben soll, obwohl er einen Wohnsitz in Deutschland gehabt hat.

34

gg) Auch die Höhe der erklärten Einkünfte des Klägers im streitigen Zeitraum spricht gegen den Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt des Klägers und für die Vermutung des Gerichts, dass der Kläger nur teilweise im Inland gewesen ist, um zu arbeiten. Für das Jahr 2011 hat der Kläger lediglich Einkünfte aus Gewerbebetrieb in Höhe von 9.398 € erklärt und für 2012 nur in Höhe von 5.320 €, obwohl er für das Jahr 2013 Einkünfte in Höhe von 22.440 € erklärte. Der Kläger konnte auch auf Nachfrage nicht überzeugend erläutern, wieso er in 2011 und 2012 nur in der erklärten Höhe die Einkünfte erzielt hat, obwohl er die ganze Zeit im Inland gewesen sei. Soweit er erklärt hat, er hätte keine Aufträge gehabt, steht dies um Widerspruch zu der Aussage des Zeugen G, denn dieser hat ausgesagt, dass er dem Kläger Aufträge angeboten hat. Soweit der Kläger vorträgt, er sei nicht immer vollständig bezahlt worden, ist diese Aussage zu unkonkret. Im Gegensatz hierzu hat der Kläger für das Jahr 2014 Einnahmen in Höhe von 59.303,63 € erklärt, die zu gewerblichen Einkünften aus Trockenbau in Höhe von 18.433 € geführt haben und ab Dezember 2014 Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit. Er hat ab 2014 auch nicht mehr die Veranlagung nach § 1 Abs. 3 EStG beantragt, sondern ist selbst von seiner unbeschränkten Einkommensteuerpflicht ausgegangen. Seine Ehefrau und die zwei minderjährigen Kinder sind nach Deutschland gezogen und es wurden alle vier in Hamburg angemeldet.

35

hh) Für die Ansicht des Gerichts spricht maßgeblich auch, dass der Kläger für die Zeit ab April 2013 umfangreiche Unterlagen vorlegen konnte, nicht aber für den streitigen Zeitraum. Der Kläger konnte nicht überzeugend erklären, warum ihm dies für den streitigen Zeitraum nicht möglich gewesen sein sollte.

36

ii) Für einen nur vorübergehenden Aufenthalt im Inland spricht auch, dass die Ehefrau des Klägers in 2010 an ... erkrankt ist und es nicht anzunehmen ist, dass der Kläger sich auch in der Zeit in Deutschland aufgehalten hat, in der er keine Einkünfte in Deutschland erzielen konnte, obwohl seine Frau krank war und der Kläger kleine Kinder zu Hause hatte. Das Gericht geht deshalb davon aus, dass ein fließender Übergang stattgefunden hat, der vermutlich durch die Krankheit der Ehefrau vorrübergehend ins Stocken gekommen ist.

37

jj) Selbst wenn ein Wohnsitz oder gewöhnlicher Aufenthalt angenommen werden könnte, würde die Kindergeldberechtigung an den fehlenden inländischen Einkünften des Klägers scheitern (siehe 2.), denn dann würde sich die Kindergeldberechtigung sowohl beim Kläger als auch bei der Kindesmutter (bzw. des Klägers in Polen) aus dem Wohnsitz ergeben, so dass dann der Wohnsitz der Kinder, die in Polen leben, ausschlaggebend wäre und damit keine Verpflichtung für Deutschland bestanden hätte, das Kindergeld für die in Polen lebenden Kinder zu bezahlen.

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2. Eine Kindergeldgeldberechtigung des Klägers ergibt sich für die streitigen Monate nicht aus § 62 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. b i. V. m. § 1 Abs. 3 EStG.

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Gem. § 62 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. b i. V. m. § 1 Abs. 3 EStG besteht ein Anspruch nur in den Monaten des betreffenden Kalenderjahres, in denen der Anspruchsberechtigte inländische Einkünfte i. S. des § 49 EStG erzielt hat (st. Rspr., vgl. z.B. BFH-Urteile vom 24. Oktober 2012 V R 43/11, BStBl II 2013, 491; vom 18. April 2013 VI R 70/11, BFH/NV 2013, 1554). Aufgrund der kindergeldspezifischen monatsbezogenen Betrachtungsweise ist bei Einkünften aus gewerblicher Tätigkeit gemäß § 15 EStG eines nach § 1 Abs. 3 EStG veranlagten Kindergeldberechtigten auf die ausgeübte inländische Tätigkeit abzustellen (BFH-Urteil vom 14. März 2018 III R 5/17, BStBl II 2018, 482).

40

a) Der Kläger hat keine Unterlagen vorgelegt, aus denen sich diesbezügliche Erkenntnisse ergeben. Zwar sind in den vorgelegten Kontoauszügen Einzahlungen und Überweisungen zu sehen. Eine Zuordnung zu konkreten Tätigkeiten des Klägers, die zu steuerpflichtigen Einkünften in den streitigen Monaten führen konnten, ist jedoch nicht möglich. Der Kläger konnte hierzu auf Nachfrage auch keine überzeugenden Erklärungen abgeben. Ebenso wenig überzeugten die Erläuterungen des Klägers, wieso er nicht höhere Einkünfte erklärt hat, obwohl nach der Zeugenaussage von Herrn G eine gute Auftragssituation bestand und auch der Zeuge G mehr Aufträge für den Kläger gehabt hätte.

41

Der Kläger konnte auch nicht überzeugend erklären, wieso er keine Unterlagen mehr für den streitigen Zeitraum hat, obwohl er verpflichtet ist, die entsprechenden Belege für die Einkommensteuererklärung aufzubewahren und ihm bewusst gewesen sein muss, dass er Unterlagen für die Beantragung des Kindergeldes benötigen würde. Dem Kläger obliegt die Darlegungs- und Beweislast. Auch war der Kläger verpflichtet Beweisvorsorge zu treffen. Dem Kläger wurde zudem eine Ausschlussfrist bis zum 8. August 2018 gesetzt, um insbesondere darzulegen und zu beweisen, welche Einkünfte er hatte.

42

Der Kläger hat auch keine Unterlagen eingereicht, aus denen sich ergibt, dass er negative Einkünfte in einzelnen Monaten gehabt hat. Die erste Zeugin sprach lediglich von einem Unkostenbeitrag und nicht von Miete, die zweite Zeugin konnte hierzu gar nichts sagen. Es muss deshalb nicht über die Frage entschieden werden, ob auch negative Einkünfte, die insbesondere durch Vorbereitungshandlungen entstehen können, bereits ausreichend sein könnten, um Einkünfte annehmen zu können (hierzu siehe z.B. Avvento, NWB 2018, 2994).

43

b) Auch aus den durchgeführten Beweisaufnahmen ergibt sich kein anderes Ergebnis.

44

aa) 2013

45

Keiner der Zeugenaussagen war für den einzigen in 2013 streitigen Monat Januar ergiebig, so dass diesbezüglich keine weiteren Erkenntnisse vorliegen. Zwar hat die Zeugin E ausgesagt, dass sie den Kläger auf einer Baustelle im Zeitraum von Oktober 2012 bis Januar 2013 gesehen habe. Ihre Aussage war jedoch sehr unkonkret. Insbesondere hat sie nicht beantworten können, für wen der Kläger gearbeitet hat, was er auf der Baustelle gemacht hat und was er dort verdient hat. Der Zeuge G hat zwar ausgesagt, dass er mit dem Kläger auch in 2013 gearbeitet hat, er meinte jedoch, dass dies im Sommer gewesen sei, somit scheidet der Januar aus.

46

bb) 2011

47

Soweit der Zeuge F ausgesagt hat, dass der Kläger auch in 2011 mit ihm gearbeitet habe, konnte hieraus nicht abgeleitet werden, dass dies dann in den noch streitigen Monaten Juni 2011 bis Dezember 2011 gewesen ist, denn der vom Zeugen in diesem Zusammenhang erinnerte Frost kann auch in den Monaten Januar bis Mai 2011 gewesen sein. Zudem hat auch dieser Zeuge keine Aussagen zu den Einkünften des Klägers gemacht.

48

cc) 2012

49

Lediglich für die Monate Juli und August 2012 hat der Zeuge G konkret und glaubhaft geschildert, dass er zusammen mit dem Kläger auf einer Baustelle gearbeitet hat. Er konnte jedoch nicht sagen, was der Kläger verdient hat. Auch hat er keine Unterlagen in diesem Zusammenhang vorgelegt, die seine Aussagen hätten belegen können, obwohl er der Auftraggeber des Klägers gewesen sein soll. Diese Aussage eines Zeugen genügt nicht für den Nachweis von inländischen Einkünften. Erforderlich sind grundsätzlich die Vorlage von Rechnungen unter Angabe der jeweiligen Tätigkeit und des jeweiligen Leistungszeitraums sowie der Nachweis des Zuflusses des in der Rechnung ausgewiesenen Zahlungsbetrages. Gegebenenfalls ist auch noch eine Bestätigung des bzw. der jeweiligen Auftraggeber vorzulegen, insbesondere wenn es sich nur um einen Auftraggeber gehandelt haben soll. Anderenfalls wäre es nicht überprüfbar, ob der Antragsteller tatsächlich relevante Einkünfte im Inland in den relevanten Monaten gehabt hat. Es würde eine große Missbrauchsanfälligkeit entstehen, denn der Anspruchsteller könnte selbst durch die Erstellung von Eigenbelegen bestimmen, für welche Monate er einen Kindergeldanspruch begründen möchte.

50

3. Es muss nicht mehr darüber entschieden werden, ob dem Kläger nur Differenzkindergeld zugestanden hätte, denn der Kläger ist in Deutschland nicht anspruchsberechtigt. In diesem Zusammenhang ist jedoch anzumerken, dass es nicht nachvollziehbar ist, wieso der Kläger im Jahr 2012 kein Kindergeld in Polen erhalten haben soll. Die von ihm erklärten Einkünfte dürften für seine Familie mit 5 Kindern auch nach polnischen Verhältnissen unter der in Polen geltenden Einkunftsgrenze gelegen haben.

51

II. Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 135 Abs. 1 FGO.

52

Gründe, die Revision gem. § 115 Abs. 2 FGO zuzulassen, bestehen nicht.

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