Urteil vom Finanzgericht Köln - 7 K 1520/88
Tenor
Die Klage wird abgewiesen.
Die Kosten des Verfahrens trägt der Kläger.
1
Tatbestand:
2Streitig ist, ob der Kläger in den Streitjahren 1983 bis 1985 als selbständiger EDV-Berater Einkünfte aus freiberuflicher Tätigkeit oder aus Gewerbebetrieb erzielt hat.
3Der Kläger, geboren 1951, besuchte in den Jahren 1962 bis 1970 das mathematisch-naturwissenschaftliche Gymnasium in A.. 1970 begann er bei der Firma B. GmbH in Köln eine sechsmonatige Ausbildung als Büroassistent. Nach einer intensiven firmeninternen Schulung übernahm er nach kurzer Zeit die Leitung verschiedener Filialen. Ende 1971 wurde er in die Abteilung Datenverarbeitung der B. GmbH" versetzt. Dort wurde er durch hausinterne und beim Computerhersteller geführte Kurse zum Organisationsprogrammierer weitergebildet. Später erhielt er nach weiteren Ausbildungen die Position als Systembetreuer. Dabei bestand seine Aufgabe aus Arbeiten an Softwareprodukten, wie z. B. der Einführung von neuen Betriebssystemen, das systematische Testen neuer Produkte (Compiler, Utilitis usw.) sowie das Erarbeiten von Lösungen für problemloses Umstellen auf andere Datenverarbeitungsanlagen. 1978 wechselte der Kläger zu einer Unternehmensberatung über. Hier betraute man ihn zunächst vorwiegend mit Programmier- und kleineren Organisationsarbeiten. Im Laufe von etwa drei bis vier Jahren verlagerte sich seine Tätigkeit mehr zur Systemberatung. Bis zum Jahre 1980 war der Kläger bei der C. EDV-Beratungspraxis in D. als Angestellter beschäftigt.
4Seit dem 01.10.1980 ist er dort als freier Mitarbeiter tätig. Es gehört zu seinen Aufgaben, Beratung, Unterstützung und optimierende Tätigkeiten in der Betriebssystem- und betriebssystemnahen Umgebung durchzuführen. Darunter versteht man die Gruppe von Systemprogrammen, die für den Betrieb einer Datenverarbeitunganlage grundsätzlich erforderlich sind. Wegen der Einzelheiten wird insoweit auf die Bestätigung der C. vom 28.01.1997 (Bl. 64 und 65 d. A.) und die Beschreibung des Klägers hierzu (Bl. 59 - 63 d. A.) verwiesen.
5Der Kläger besuchte bis zu den Streitjahren folgende Fortbildungsveranstaltungen:
605.10.1972 bis 13.10.1972 Seminar GECOS Basic Serie 6000 (Honeywell Bull - Bl. 37 d. A.)
701.02.1973 bis 16.04.1973 Aufbau und Benutzung des Be- triebssystems OS (DAG - Bl. 38 d. A.)
820.05.1975 bis 23.05.1975 Seminar TDS (Honeywell Bull - Bl. 39 d. A.)
923.05.1977 bis 27.05.1977 und 20.06.1977 bis 24.06.1977 Seminar GCOS Analysis (Honeywell Bull - Bl. 40 d. A.)
10Aus einer weiteren Bescheinigung der C. vom 05.10.1995 (Bl. 42 d. A.) geht hervor, daß das Aufgabengebiet des Klägers die System-Softwarebetreuung des E.-Konzerns betrifft. Zwischen den Beteiligten ist insoweit unstreitig, daß der Kläger seit Anfang der 80iger Jahre auf dem Gebiet der Systemsoftware tätig ist.
11In seiner Einkommensteuererklärung für 1980 bezeichnete sich der Kläger als EDV-Berater und in der für 1981 als Programmierer. Er erklärte jeweils Einkünfte aus Gewerbebetrieb in Höhe von ... DM in 1980 und ... DM in 1981. Ab 1982 bezeichnete sich der Kläger als Systemanalytiker und erklärte nunmehr Einkünfte aus selbständiger Tätigkeit, und zwar für 1982 in Höhe von ... DM, für 1983 in Höhe von ... DM, für 1984 in Höhe von ... DM und für 1985 in Höhe von ... DM.
12Der Beklagte vertrat demgegenüber die Auffassung, daß es sich bei den Einkünften aus der Tätigkeit als Systemanalytiker um gewerbliche Einkünfte handele und erließ gegen den Kläger am 27.02.1985 und am 04.08.1986 entsprechende Gewerbesteuermeßbescheide für 1983 und 1984 sowie am 19.11.1987 einen Gewerbesteuermeßbescheid für 1985. Gleichzeitig wurde durch Bescheide vom 19.11.1987 der Vorbehalt der Nachprüfung in den Gewerbesteuermeßbescheiden für 1983 und 1984 aufgehoben.
13Zur Begründung seiner hiergegen nach erfolglosem Einspruchsverfahren erhobenen Klage trägt der Kläger vor, er sei freiberuflich und nicht gewerblich tätig. Er übe den Beruf als Systemanalytiker bzw. als Informatiker seit mehr als 20 Jahren aus. In dieser Zeit habe er sich einen Wissensstand zugeeignet, der ohne weiteres mit dem eines achtsemestrigen Studiums der Informatik vergleichbar sei. Dies folge aus der Tatsache, daß Mitarbeiter seiner Auftraggeber seine Beratung benötigten, die selbst akademische Titel verschiedener Richtungen trügen. Es handele sich auch um eine höchstpersönliche Tätigkeit, da sämtliche vorgeschlagenen Problemlösungen von ihm selbst entwickelt und individuell gestaltet würden. Außerdem honoriere sein langjähriger Auftraggeber seine Leistungen und die damit verbundene notwendige Qualifikation und keinesfalls eine vorhandene oder nicht vorhandene akademische oder sonstige Ausbildung. Auch die Stadt F. vertrete die Auffassung, daß seine Tätigkeit den sogenannten freien Berufen zuzuordnen sei, wie sich aus dem Schreiben vom 08.08.1985 ergebe (Bl.43 d. A.).
14Dem in Klageverfahren eingeholten Gutachten ist der Kläger zunächst entgegengetreten. Er hat hierzu ein Privatgutachten des Rechtsanwalts Dr. G., EDV-Dozent und Lehrbeauftragter an der Hochschule H., Fachbereich Wirtschaft, vom 13.04.1999 (Bl. 251 - 267 d. A.) erstellen lassen, dessen Inhalt er sich zu eigen macht. Insoweit wird ausgeführt, das Gutachten des Dr. I. vom 10.07.1998 - das Empfehlungen des BMWF aus dem Jahre 1972, einen Vorschlag für ein Studienmodell 1968 sowie einen Auszug aus dem Vorlesungsverzeichnis der Fachhochschule J. vom Wintersemester 82/83 verarbeite - enthalte erhebliche Unschärfen und einen erheblichen Interpretationsspielraum beim Vergleich der Kenntnisse des an einer Fachhochschule ausgebildeten Informatikers mit den Kenntnissen des Klägers. Aufgrund des Zeugnisses der B. vom 28.02.1994 ergebe sich, daß er, der Kläger, sowohl im Fach höhere Programmiersprachen als auch im Fach Cobol entsprechende Kenntnisse habe. Auch müßten Kenntnisse im Bereich "Datenstrukturen" berücksichtigt werden sowie im Fach "Listenverarbeitung" und "Programmgeneratoren". Ferner müsse eine Korrektur im Fach "Programmierung von Tischrechnern" vorgenommen werden. Das Fach Mathematik werde zu hoch gewertet. Im Grundstudium würden im Bereich der Mathematik nur die Kenntnisse vermittelt, die dem Niveau des Abiturs entsprächen. - Schließlich werde die Kompensation bzw. Überkompensation von Wissen in anderen Bereichen nicht beachtet. Wenn ein Diplom-Informatiker (FH) unmittelbar nach Abschluß seines Studiums einen Wissensstand von 100 % besitze, so werde man dem Kläger für die Streitjahre 1983 bis 1985 ein aufgrund seiner damals etwa 12jährigen Berufserfahrung in einigen Bereichen ein über 100 % liegendes Wissen zuerkennen müssen. Dies treffe insbesondere für die Bereiche "Systemarchitekturen", "Software", "Anwendungen" sowie "Methoden und Verfahren" zu. Zwar beständen bei ihm, dem Kläger, Defizite in den Bereichen Mathematik und Wirtschaftswissenschaften, diese müßten aber durch das Wissen in anderen Bereichen kompensiert werden. Für die anspruchsvollen Tätigkeiten des Klägers spreche auch die Tatsache, daß dieser für seine Tätigkeit für den E.-Konzern ein Jahresgehalt von ca. ... DM erhalte; ein derartiges Honorar werde für einen Operator nicht gezahlt.
15Gegen die Stellungnahme des Sachverständigen Dr. I., die sich mit den Einwänden aus dem Privatgutachten des Klägers vom 13.04.1999 auseinandersetzt und das zunächst erstellte Gutachten vom 10.07.1998 korrigiert, hat der Kläger - trotz ausdrücklicher Gelegenheit hierzu - keine Einwendungen mehr erhoben.
16Der Kläger beantragt,
17die Gewerbesteuermeßbescheide 1983 bis 1985 und die hierzu ergangene Einspruchsentscheidung ersatzlos aufzuheben.
18Der Beklagte beantragt,
19die Klage abzuweisen.
20Er führt aus, der Kläger habe in den Streitjahren keine ingenieur-ähnliche Tätigkeit ausgeübt. Die Arbeiten des Klägers müßten erkennen lassen, daß der Kläger theoretische Kenntnisse in einer Breite und Tiefe habe, die denjenigen des an einer Fachhochschule oder wissenschaftlichen Hochschule ausgebildeten Diplom-Informatikers entsprächen. Dies sei nicht der Fall. Das vom Kläger in Auftrag gegebene Privatgutachten sei nicht von einem für die Streitjahre als ausreichend befähigt anzusehenden Sachverständigen erstellt worden.
21Der Senat hat am 24.07.1997 beschlossen, Beweis zu erheben über die Frage, ob die vom Kläger dem Gericht vorgelegten praktischen Arbeiten für die Streitjahre 1983 bis 1985 den Schluß rechtfertigen, daß des Klägers theoretische Kenntnisse ihrer Breite und Tiefe nach denjenigen des an einer Fachhochschule oder wissenschaftlichen Hochschule ausgebildeten Diplom-Informatikers entsprechen. Mit der Erstellung des Gutachtens wurde der Sachverständige Dr. I. beauftragt.
22Vom Kläger wurden für die Streitjahre 1983 und 1984 keine und für das Streitjahr 1985 zwei Arbeitsproben vorgelegt. Im übrigen enthielt der vorgelegte Aktenordner insgesamt 8 Arbeitsproben aus späteren Jahren.
23Wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf das Gutachten vom 10.07.1998 (Bl. 146 -183 d. A.) und die ergänzenden bzw. korrigierenden Stellungnahmen vom 02.09.1998 (Bl. 202 - 203 d. A.) und vom 29.07.1999 (Bl. 283-294 d. A.) verwiesen.
24Die Beteiligten haben übereinstimmend auf mündliche Verhandlung verzichtet.
25Entscheidungsgründe:
26Der Senat entscheidet, dem Einverständnis der Beteiligten entsprechend, gemäß § 90 Abs. 2 FGO ohne mündliche Verhandlung.
27Die Klage ist nicht begründet.
28Der Beklagte hat die vom Kläger in den Streitjahren erzielten Einkünfte zu Recht in vollem Umfang als gewerbliche behandelt. Der Kläger übte in den Streitjahren eine selbständige nachhaltige Betätigung mit der Absicht, Gewinn zu erzielen, aus, die sich als Beteiligung am allgemeinen wirtschaftlichen Verkehr darstellte (§ 2 Abs. 1 Satz 2 GewStG i. V. m. § 15 Abs. 2 EStG; § 1 Abs. 1 der Gewerbesteuer-Durchführungsverordnung in der für die Streitjahre geltenden Fassung). Der Kläger hat insbesondere nicht den ihm obliegenden Nachweis erbracht, daß er in den Streitjahren Einkünfte aus einer freiberuflichen Tätigkeit gem. § 18 Abs. 1 Nr. 1 EStG erzielt hat.
29I. Zwischen den Beteiligten ist unstreitig, daß der Kläger in den Streitjahren keinen der in § 18 Abs. 1 Nr. 1 Satz 2 EStG genannten Katalogberufe, insbesondere nicht den des Ingenieurs, ausgeübt hat. Der Kläger ist nicht Ingenieur im Sinne des § 18 Abs. 1 Satz 2 EStG. Als solcher gilt nur, wer nach den landesrechtlichen Ingenieurgesetzen aufgrund seiner Ausbildung berechtigt ist, die Berufsbezeichnung "Ingenieur" zu führen (BFH-Urteil vom 18.06.1980, BStBl II 1981, 818 [819]). Hierzu ist der Kläger nach seinem eigenen Vorbringen nicht berechtigt.
30II. Der Senat hat sich auch nicht davon überzeugen können, daß der Kläger in den Streitjahren einen der Berufstätigkeit des Ingenieurs ähnlichen Beruf ausgeübt hat. Insoweit trifft den Kläger die objektive Beweislast (Feststellungslast). Zwar trägt grundsätzlich das Finanzamt die Feststellungslast für die steuerbegründenden Tatsachen; da der freie Beruf aber grundsätzlich auch die Merkmale eines Gewerbebetriebs (Selbständigkeit, Nachhaltigkeit, Gewinnerzielungsabsicht und Beteiligung am allgemeinen wirtschaftlichen Verkehr) erfüllt und die Gewerbesteuerpflicht nur dann nicht gegeben ist, wenn die Merkmale des § 18 EStG zusätzlich vorliegen, trägt die Feststellungslast für das Vorliegen eines freien Berufs der Steuerpflichtige (vgl. BFH-Urteil vom 30.03.1994 I R 53/93, BFH/NV 1995, 210 [211 m. w. N.]). Die insoweit verbleibenden Zweifel des Senats gehen deshalb zu Lasten des Klägers.
311. Ein Beruf ist einem Katalogberuf im Sinne des § 18 Abs. 1 Nr. 1 Satz 2 EStG ähnlich, wenn er in wesentlichen Punkten mit diesem verglichen werden kann. Dazu gehört die Vergleichbarkeit der Ausbildung und die Vergleichbarkeit der beruflichen Tätigkeit (ständige Rechtsprechung, vgl. BFH-Urteil vom 21.03.1996 XI R 82/94, BStBl II 1996, 518 [521]). Das gilt auch für einen dem Katalogberuf des Ingenieurs ähnlichen Beruf (vgl. BFH-Urteil vom 09.07.1992 IV R 116/90, BStBl II 1993, 100 [101 m. w. N.]). Dabei muß die Ausbildung nicht in einem förmlichen Ausbildungsgang erworben sein; vielmehr kann derjenige, der eine Berufsausbildung, wie sie in den Ingenieurgesetzen der Länder vorgeschrieben ist, nicht besitzt, nachweisen, daß er vergleichbare Kenntnisse in Wege des Selbststudiums erworben hat. Der Erwerb ingenieurmäßiger Kenntnisse kann dabei auch mittels der eigenen Berufstätigkeit des Steuerpflichtigen nachgewiesen werden, z. B. anhand praktischer Arbeiten. Dies setzt allerdings voraus, daß diese Tätigkeit besonders anspruchsvoll ist und sowohl der Tiefe als auch der Breite nach zumindest das Wissen eines Kernbereichs eines Fachstudiums verlangt (BFH-Urteil in BStBl II 1993, 100 [101]).
322. Ausgehend von diesen von der höchstrichterlichen Rechtsprechung aufgestellten Grundsätzen, die sich der erkennende Senat insoweit zu eigen macht, hat der Kläger nicht nachgewiesen, daß er eine entsprechende ingenieurmäßige Ausbildung durch die von ihm besuchten Seminare oder im Wege des Selbststudiums erlangt hat.
33a. Entgegen der Auffassung des Klägers ist seine Ausbildung, die ihn schließlich dazu befähigte, auf dem Gebiet der Systemsoftware tätig zu sein, nicht mit der Ausbildung eines Ingenieurs vergleichbar. Der Kläger hat nach Bestehen des Abiturs auf einem mathematisch-naturwissenschaftlichen Gymnasium betriebsintern bei der B. GmbH eine Ausbildung zum Filialleiter genossen und sich durch verschiedene Seminare zum Organisationsprogrammierer weitergebildet. Insoweit hat er lediglich Einzelmaßnahmen absolviert, die nicht in ein Gesamtkonzept eingebunden waren, das ihm zumindest den Kernbereich der für eine Ingenieurtätigkeit erforderlichen Kenntnisse vermitteln konnte. Die Teilnahme an den vier vom Kläger im einzelnen aufgeschlüsselten Seminaren in den Jahren 1972 bis 1974 kann nicht als ausreichender Nachweis für den einem Ingenieur vergleichbaren Kenntnisstand angesehen werden. Hierbei handelte es sich vielmehr nur um zeitlich sehr begrenzte, punktuell auf Einzelbereiche zielende Veranstaltungen, die nicht die Kenntnisse eines ausgebildeten Ingenieurs vermitteln sollten.
34b. Es ist auch nicht hinreichend dargelegt und nachgewiesen, daß sich der Kläger die zum Erreichen des Ingenieurniveaus notwendigen theoretischen Kenntnisse - insbesondere im mathematischen und wirtschaftswissenschaftlichen Bereich - im Anschluß an die von ihm geschilderten Seminare bis zu den Streitjahren durch ein entsprechendes Selbstudium verschafft hat.
35Das für eine ingenieur-ähnliche Tätigkeit erforderliche Wissen muß nicht in einem förmlichen Ausbildungsgang erworben werden. Der Steuerpflichtige kann vielmehr auch nachweisen, daß er vergleichbare Kenntnisse durch ein Selbststudium erworben hat (BFH-Urteil vom 21.03.1996 XI R 82/94, BStBl II 1996, 518 [521]). Hierzu muß er zur Art und Weise sowie zur Dauer eines Selbststudiums und der tatsächlichen Anwendung seines Fachwissens im einzelnen vortragen (BFH-Beschluß vom 03.09.1996 IV B 107/95, BFH/NV 1997, 116).
36Im Streitfall hat der Kläger nicht substantiiert dargelegt, in welcher Weise er das notwendige theoretische Ingenieurwissen erworben haben will. Es ist aufgrund der Schilderungen des Klägers nicht erkennbar, wie dieser seine bis Mitte der 70iger Jahre im Ansatz vorhandenen Kenntnisse systematisch ausgebaut und vertieft haben will, so daß sie in den Streitjahren dem Ingenieurniveau entsprochen hätten.
37c. Der Erwerb ingenieurmäßiger Kenntnisse kann schließlich - auch ohne Tatsachenvortrag zum Selbststudium - mittels der eigenen Berufstätigkeit des Steuerpflichtigen nachgewiesen werden, nämlich anhand eigener praktischer Arbeiten (BFH-Urteil in BStBl II 1996, 518 [521]). Dies setzt aber voraus, daß diese Arbeiten einen der Ingenieurtätigkeit vergleichbaren Schwierigkeitsgrad aufweisen und die derart qualifizierten Arbeiten den Schwerpunkt der Tätigkeit des Steuerpflichtigen bilden. Die Tätigkeit des Steuerpflichtigen muß sowohl der Tiefe als auch der Breite nach zumindest das Wissen eines Kernbereichs eines Fachstudiums verlangen (BFH-Urteil in BStBl II 1993, 100 [101]).
38Daß dies in den Streitjahren der Fall war, steht anhand der vorgelegten Arbeiten des Klägers und des eingeholten Sachverständigengutachtens nicht zur Überzeugung des Senats fest. Der Kläger hatte, wie sich bereits aus dem als Klägervortrag zu wertenden Privatgutachten ergibt und wie er damit selbst einräumt, Defizite in den Bereichen Mathematik und Wirtschaftswissenschaften (siehe Seite 10 des klägerischen Gutachtens Dr. G., Bl. 260 d.A.). Diese vom Kläger während des Klageverfahrens selbst eingeräumten Defizite lassen sich entgegen der Auffassung des Klägers nicht mit vorhandenem Wissen in anderen Bereichen kompensieren.
39aa) Der Kläger hat für die Streitjahre 1983 und 1984 keine und für das Streitjahr 1985 lediglich zwei Arbeitsproben vorgelegt. Allein diese Tatsache zeigt, daß hieraus konkrete Schlüsse auf den Wissensstand des Klägers in den Streitjahren 1983 bis 1985 nicht gezogen werden können. Denn aus lediglich zwei Arbeitsproben für eines von drei Streitjahren läßt sich nicht erkennen, wo der Schwerpunkt der Tätigkeit des Klägers lag.
40bb) Aber auch wenn man davon ausgeht, daß die Arbeitsproben repräsentativ für die Tätigkeit des Klägers auch in den Streitjahren waren, so ergibt sich unter Berücksichtigung des Gutachtens des öffentlich bestellten und vereidigten Sachverständigen Dr. I. vom 10.07.1998 in seiner korrigierten Fassung vom 29.07.1999 kein anderes Ergebnis:
41Der Sachverständige Dr. I. ist seinem Gutachten vom 10.07.1998 und seinen ergänzenden Stellungnahmen vom 02.09.1998 und 29.07.1999 aufgrund der vom Kläger auch für spätere Jahre vorgelegten - insgesamt 8 - Arbeitsproben zusammenfassend zu dem Ergebnis gekommen, daß der Kläger im EDV-Bereich die Kenntnisse eines Dipl.-Informatikers zwar erreiche, daß aber insgesamt nicht der Schluß gerechtfertigt sei, daß die theoretischen Kenntnisse des Klägers in ihrer Breite und Tiefe denjenigen des von einer Fachhochschule oder wissenschaftlichen Hochschule ausgebildeten Dipl.-Informatikers entsprächen. Der Sachverständige geht in seinem Gutachten vom Ansatz her in gut nachvollziehbarer Weise im Interesse des Klägers von dem Studienverlaufsplan der Fachhochschule J. in den Streitjahren aus und legt seiner Beurteilung nicht etwa die Ausbildung an einer wissenschaftlichen Hochschule zugrunde, die von den Arbeiten des Klägers wesentlich weiter entfernt ist. Zutreffend geht der Sachverständige bei seiner Beurteilung ebenfalls von den Studieninhalten für ein Informatikstudium in den Streitjahren 1983 bis 1985 aus und stellt nicht auf die zwischenzeitlich gewandelten Anforderungen aus den 90iger Jahren ab. Denn es ist grundsätzlich nicht möglich, mit Arbeitsproben aus den Streitjahren 1983 bis 1985 die Kriterien und den Inhalt eines Informatikstudiums aus den 90iger Jahren zu erfüllen. Dabei bleibt für die Streitjahre dann aber auch zu berücksichtigen, daß die Informatik in diesen Jahren noch vergleichsweise mathematisch orientiert war, worauf der Sachverständige Dr. I. in seiner Stellungnahme zu seinem Gutachten zutreffend hingewiesen hat. Die sich insoweit ergebenden Inhalte des Studiums werden zutreffend und nachvollziehbar in drei Hauptgebieten - und zwar Mathematik und physikalische Grundlagen, Informatik und Nebenfach - zusammengefaßt und näher erläutert, worauf sich diese drei Hauptgebiete beziehen und wie sie schwerpunktmäßig zu erfassen sind. Dabei wählt der Sachverständige mit Hilfe von Wochenstunden ein mathematisiertes Verfahren, wobei nunmehr die - wenigen - Seminarbesuche, Zeugnisse und Arbeitsproben des Klägers den einzelnen Fächern zugeordnet werden. Den vom Kläger vorgebrachten Beanstandungen hat der Gutachter Dr. I. Rechnung getragen und sein zunächst erstelltes Gutachten in seiner Stellungnahme vom 29.7.1999 in objektiver und nachvollziehbarer Weise zugunsten des Klägers berichtigt. Dabei ist der Sachverständige insbesondere auf die im Gutachten G. in den "Schlußfolgerungen" vorgeschlagenen Änderungen eingegangen und hat eine neue Bewertung der belegten und nicht belegten Kenntnisse durchgeführt. Lediglich auf eine Kompensation ist der Sachverständige Dr. I. - zu Recht - nicht eingegangen. Auch der Kläger hat gegen das berichtigte Gutachten keine Bedenken mehr erhoben. Trotz der Korrekturen hat der Sachverständige Dr. I. aber nach wie vor darauf hingewiesen, daß im Bereich Mathematik und physikalische Grundlagen, wirtschaftswissenschaftliche Grundlagen und allgemeinwissenschaftliche Fächer erhebliche Defizite vorlägen.
42cc) Der Kläger kann in diesem Zusammenhang auch nicht mit Erfolg einwenden, daß die im Bereich Mathematik und wirtschaftswissenschaftliche Grundlagen vorhandenen Defizite jedenfalls mit seinem Wissen auf anderen Gebieten kompensiert werden müßten. Insoweit ist wesentliches Merkmal der Ausbildung eines Diplom-Informatikers eine vergleichsweise theoretische Grundlage, die sich in den Streitjahren eben auch auf den Bereich der Mathematik und der wirtschaftswissenschaftlichen Grundlagen bezog.
43c) Auch der Einwand des Klägers, allein sein Verdienst spreche dafür, wie anspruchsvoll seine Tätigkeit gewesen ist, führt nicht zum Erfolg der Klage. Der Senat verkennt nicht, daß der Kläger auch in den Streitjahren eine anspruchsvolle Tätigkeit ausgeübt hat, für die ein gehobenes und spezielles Wissen erforderlich war. Dieser Umstand führt aber nicht dazu, daß nunmehr die Tätigkeit aus diesem Grunde nicht als gewerblich behandelt werden kann, sondern als freiberuflich zu beurteilen ist. Denn im Hinblick auf die Katalogisierung in § 18 EStG kann nicht jede anspruchsvolle Tätigkeit als freiberuflich eingeordnet werden.
44d) Auch der Hinweis des Klägers, daß die Gemeinde F., die letztlich die Gewerbesteuer erhebe, ihm bescheinigt habe, daß seine Tätigkeit als freiberufliche und nicht als gewerbliche anzusehen sei, führt nicht zur Klagestattgabe. Grundlage für die Erhebung der Gewerbesteuer ist der vom Finanzamt zu erlassende Gewerbesteuermeßbescheid. Insoweit ist die Auffassung der Gemeinde unerheblich.
45Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO.
Verwandte Urteile
Keine verwandten Inhalte vorhanden.
Referenzen
This content does not contain any references.