Beschluss vom Finanzgericht Köln - 7 K 8690/99
Tenor
Die Klage wird abgewiesen.
Die Kosten des Verfahrens tragen die Kläger.
1
Tatbestand
2Die Beteiligten streiten über den Abzug von Zahlungen an eine Auslandsschule.
3Der 1981 geborene Sohn ......... der Kläger besuchte im Streitjahr (1998) bis zu den Sommerferien die Klasse 10a des Städtischen Gymnasiums in ......... Für das folgende Schuljahr wurde er auf Antrag der Kläger durch Verfügung des Schulleiters vom 20. Mai 1998 gemäß der nordrhein-westfälischen Ausbildungs- und Prüfungsordnung für die gymnasiale Oberstufe beurlaubt, um die Jahrgangsstufe 11 im Rahmen eines Schüleraustausches in einer ausländischen Schule zu absolvieren, wobei die im Ausland verbrachte Zeit auf die Verweildauer in der gymnasialen Oberstufe angerechnet werden und ............ nach seiner Rückkehr seine schulische Laufbahn in der Jahrgangsstufe 12 fortsetzen sollte. Er besuchte dementsprechend ab 1. September 1998 die staatliche ..........-School in ........., England mit angegliederten Internat. In der Einkommensteuererklärung für das Streitjahr machten die Kläger unter anderem 18.726 DM Schulgeld für die ........-School als Sonderausgaben geltend. Der Beklagte lehnte im Einkommensteuerbescheid vom 8. Juli 1999 diesen Abzug ab mit der Begründung, daß die Beträge nicht für den Besuch einer gesetzlich anerkannten Schule gezahlt worden seien.
4Mit der nach erfolglosem Einspruch erhobenen Klage verfolgen die Kläger den Abzug des Schulgeldes weiter. Sie machten geltend, daß die ..........-School durch die Verfügung des Schulleiters anerkannt worden sei. Soweit die einschlägige Vorschrift des § 10 Abs. 1 Nr. 9 EStG dem Abzug von Schulgeld für den Besuch ausländischer Schulen entgegenstehe, verstosse sie gegen Art. 12, 50, 87, 88 und 149 EG-Vertrag. Nach Art. 50 EGV habe jeder das Recht auf die Freiheit des Dienstleistenden, sich zum Leistenden in einen anderen Mitgliedsstaat zu begeben. Nach Art. 149 EGV solle die Gemeinschaft zur Entwicklung einer qualitativ hochstehenden Bildung dadurch beitragen, daß sie die Zusammenarbeit der Mitgliedstaaten sowie die Vielfalt ihrer Kulturen und Sprachen fördert. Ferner werde das allgemeine Diskriminierungsverbot nach der Staatsangehörigkeit gemäß Art. 12 EGV verletzt. In der Nichtanerkennung des ausländischen Schuldgeldes liege eine offensichtliche Diskrminierung ausländischer Schulen, da der inländische Gesetzgeber Grenzen nach Privatschultypen gezogen habe, die es nur nach deutschem Recht gebe. Dabei komme es nicht darauf an, daß dies durch den Gesetzgeber gewollt gewesen sei, entscheidend sei lediglich die Wirkung der Maßnahme und nicht deren Zweck. Die Verstösse gegen das EG-Recht seien so offensichtlich, daß die Frage dem europäischen Gerichtshof gegebenenfalls vorzulegen sei. Die entgegenstehende Entscheidung des Bundesfinanzhofes (BFH) vom 11. Juni 1997 betreffe einen früheren Veranlagungszeitraum und sei angesichts des fortgeschrittenen Integrationsprozesses in der EG auf das Streitjahr nicht übertragbar.
5Die Kläger beantragen, a) das Verfahren auszusetzen und die Sache dem EuGH vorzulegen, b) in der Sache Schulgeldzahlungen für den Sohn .......... in Höhe von 18.726 DM als Sonderausgaben anzuerkennen und die Einkommensteuer 1998 entsprechend herabzusetzen.
6Der Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen.
7Er verweist auf das zitierte Urteil des Bundesfinanzhofes.
8Entscheidungsgründe
9Der Senat kann ohne Aussetzung entscheiden; die Klage ist nicht begründet.
10I. Für eine Aussetzung des Verfahrens nach § 74 Finanzgerichtsordnung (FGO) besteht kein Grund. Der Senat braucht keine Vorabentscheidung des Europäischen Gerichtshofes (EuGH) gemäß Art. 234 Abs. 1 Buchstabe a des Vertrages zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft (EGV, vom 25. März 1957 in der jetzt aktuellen Fassung durch den Amsterdamer Vertrag, Bekanntmachung vom 6. April 1999 BGBl II S. 296) zur Auslegung dieses Vertrages einzuholen, weil zu den hier strittigen Fragen bereits eine gesicherte Rechtsprechung des EuGH vorliegt, die der Senat im Rahmen der Prüfung des gestellten Sachantrages heranziehen kann. Es ist nicht erforderlich, daß die Entscheidungen des EuGH genau zu den im Ausgangsverfahren einschlägigen Rechtsnormen ergangen sind (EuGH-Urteil vom 6. Oktober 1982 Rs. 283/81, EuGHE 1982, 3415).
11II. In der Sache kann die Einkommensteuer nach § 100 Abs. 1 und 2 Satz 1 FGO nicht wie beantragt herabgesetzt werden, weil der angefochtene Einkommensteuerbescheid sowie die Einspruchsentscheidung nicht rechtswidrig sind und die Kläger nicht in ihren Rechten verletzen. Der Beklagte hat den Gesamtbetrag der Einkünfte der Kläger nach § 2 Abs. 4 Einkommensteuergesetz (EStG) zutreffend nicht um das gezahlte Schulgeld vermindert, weil dieses keine Sonderausgabe darstellt.
121. Nach § 10 Abs. 1 Nr. 9 EStG ist Schulgeld nur dann - in Höhe von 30% - als Sonderausgabe abziehbar wenn es für den Besuch einer nach Art. 7 Abs. 4 Grundgesetz (GG) staatlich genehmigten oder nach Landesrecht anerkannten allgemeinbildenden Ersatzschule oder einer nach Landesrecht anerkannten allgemeinbildenden Ergänzungsschule geleistet wird. Keine dieser Voraussetzungen ist im Streitfall erfüllt. Nach dem eindeutigen Gesetzeswortlaut hängt der Sonderausgabenabzug davon ab, daß die besuchte Schule als solche staatlich genehmigt beziehungsweise landesrechtlich anerkannt ist. Das ist bei der englischen ............-School nicht der Fall. Eine Genehmigung oder Anerkennung dieser Schule ist entgegen der Ansicht der Kläger auch nicht der Verfügung des Schulleiters des ............. Gymnasiums vom 20. Mai 1998 zu entnehmen. Diese regelt lediglich die Beurlaubung des Sohnes ............ und die Anerkennung der von ihm im Ausland erbrachten Schulzeit auf die hiesige Verweildauer in der Oberstufe.
132. Der Senat hat keine Zweifel daran, daß § 10 Abs. 1 Nr. 9 EStG mit dem EGV in der im Streitjahr gültigen Fassung (Vertrag über die Europäische Union vom 7. Februar 1992, BGBl II S. 1253 und geändert durch den Beitrittsvertrag vom 24. Juni 1994, BGBl II 2022) vereinbar ist.
14a) Ein Verstoß gegen die Dienstleistungsfreiheit (Art. 59 EGV) liegt nicht vor, weil die in § 10 Abs. 1 Nr. 9 EStG begünstigten Privatschulen keine Dienstleistungen im Sinne dieser Vorschrift erbringen. Denn Dienstleistungen sind nach Art. 60 Abs. 1 EGV nur solche Leistungen, die "in der Regel gegen Entgelt" erbracht werden.
15aa) Schulgelder für die Teilnahme am Unterricht eines nationalen, staatlichen Bildungssystems sind nach ständiger Rechtsprechung des EuGH kein Entgelt in diesem Sinne, weil der Staat durch die Errichtung und Erhaltung seines staatlichen Bildungssystems keine gewinnbringende Tätigkeit aufnehmen will, sondern seine Aufgaben auf sozialem, kulturellem und bildungspolitischem Gebiet erfüllt und das staatliche Schulsystem in der Regel aus dem Staatshaushalt und nicht von den Schülern oder deren Eltern finanziert wird (vgl. EuGH-Urteile vom 27. September 1988 Rs. 263/86, EuGHE 1988, 5365, 5388, und vom 7. Dezember 1993 Rs. C-109/92, Europäische Zeitschrift für Wirtschaftsrecht - EuZW - 1994, 93; vgl. ferner Anträge der Generalanwälte zu den EuGH-Urteilen vom 13. Februar 1985 Rs. 293/83 EuGHE 1985, 593, 597 ff.; und vom 31. März 1992 Rs. C-19/92, EuGHE 1993, 1663, 1683). An der Natur dieser Tätigkeit ändert sich nichts dadurch, daß Schüler oder Eltern aus eigenen Mitteln Schulgeld bezahlen müssen, um in gewissem Umfang zu den Kosten beizutragen (EuGH-Urteil in EuGHE 1988, 5365, 5388). Ohne Bedeutung ist insoweit, daß der Sonderausgabenabzug nach § 10 Abs. 1 Nr. 9 EStG Schulen in privater Trägerschaft betrifft. Die Entscheidungen des EuGH sind zwar zu staatlichen Schulen ergangen; der EuGH hat aber dort nicht darauf abgestellt, von welchen (natürlichen oder juristischen) Personen Unterricht angeboten wird. Vielmehr entspricht es der ständigen Rechtsprechung des EuGH, Dienstleistungen Privater, die nicht als Teil einer wirtschaftlichen Tätigkeit erbracht werden, nicht am Vertrag zu messen (z.B. EuGH-Urteil vom 12. Dezember 1974 Rs. 36/74, EuGHE 1974, 1405, 1418, und vom 4. Oktober 1991 Rs. C-159/90, EuGHE I 1991, 4685, 4740; Schlußantrag des Generalanwalts in EuGHE 1988, 5365, 5379, und EuGHE 1985, 593, 609). Nach dem Urteil des EuGH in EuZW 1994, 93 (unter 16) gelten die zum Schulgeld für den Besuch von staatlichen Schulen entwickelten Grundsätze auch für den Unterricht einer Schule, die im wesentlichen aus öffentlichen Mitteln finanziert wird. Wird eine Schule dagegen im wesentlichen aus privaten Mitteln finanziert und versucht sie einen Gewinn zu erzielen, ist ihr Unterrichtsangebot als Dienstleistung im Sinne des Vertrages anzusehen (vgl. EuGH in EuZW 1994, 93 unter 17).
16bb) Hiernach handelt es sich bei den von § 10 Abs. 1 Nr. 9 EStG begünstigten Privatschulen nicht um Schulen, die Dienstleistungen gegen Entgelt im Sinne des Art. 59 EGV erbringen. Wie ausgeführt sind die steuerlich geförderten Privatschulen in das nationale öffentliche Bildungssystem integriert - die Ersatzschulen, weil sie öffentliche Schulen ersetzen wollen und deshalb entsprechende Anforderungen erfüllen müssen, die Ergänzungsschulen, weil sie hoheitliche Verwaltungsaufgaben erfüllen - ; sie sind mit ihrer Unterrichtstätigkeit in der Regel nicht erwerbswirtschaftlich tätig und werden überwiegend aus dem Staatshaushalt finanziert. Unerheblich wäre insoweit, wenn einige Schulen nach den jeweiligen landesrechtlichen Fördervoraussetzungen geringere Zuschüsse erhielten und deswegen ein höheres Schulgeld erheben müßten. Derartige Sonderfälle ändern an der Beurteilung nichts (vgl. EuGHE 1988, 5365, 5379, und EuGHE 1985, 593, 603).
17b) Auch das allgemeine Diskriminierungsverbot (Art. 6 EGV), das vor Benachteiligungen aus Gründen der Staatsangehörigkeit schützt, ist nicht berührt. Nach den unwidersprochenen Angaben der Kläger ist die ..........-School in England eine staatliche Schule. Abgesehen davon, daß in den Anwendungsbereich des Diskriminierungsverbots grundsätzlich nur Regelungen fallen, die den Zugang zu einer Berufsausbildung betreffen (EuGH-Urteil in EuGHE 1985, 593, 611 ff.; EuGHE 1988, 5365, 5386, und vom 21. Juni 1988 Rs. 39/86, EuGHE 1988, 3161, 3194), ist schon nicht erkennbar, inwieweit eine versteckte Benachteiligung durch die Staatsangehörigkeit vorliegen könnte. Für den Schulgeldabzug nach § 10 Abs. 1 Nr. 9 EStG ist nämlich weder von Bedeutung, welche Staatsangehörigkeit der Steuerpflichtige besitzt noch ist allein der Ort der Niederlassung der Schule Anknüpfungspunkt für die Förderung; denn auch beim Besuch inländischer Schulen ist Schulgeld nur dann abziehbar, wenn diese als Ersatzschule genehmigt oder als allgemeinbildende Ergänzungsschule anerkannt sind. Sofern es an diesen Voraussetzungen fehlt, kann auch für den Besuch einer inländischen Schule der Sonderausgabenabzug nicht in Anspruch genommen werden, wie insbesondere die weiteren Entscheidungen des BFH vom 11. Juni 1997 (X R 77/94, BStBl II 1997, 615; X R 144/95, BStBl II 1997, 621) belegen.
18c) Ohne Erfolg bleibt ferner der Hinweis der Kläger auf Art. 126 Abs. 1 EGV. Nach dieser Regelung trägt die Gemeinschaft zur Entwicklung einer hochstehenden Bildung dadurch bei, daß sie die Zusammenarbeit zwischen den Migliedstaaten fördert und die Tätigkeit der Mitgliedsstaaten unter strikter Beachtung der Verantwortung der Mitgliedstaaten für die Lehrinhalte und die Gestaltung der Bildungssystems sowie die Vielfalt ihrer Kulturen und Sprachen erforderlichenfalls unterstützt und ergänzt; Art. 126 Abs. 2 erwähnt dabei ausdrücklich die Förderung des Ausbaus des Jugendaustausches. Aus diesen Vorschriften lassen sich jedoch keine Folgerungen für die Besteuerung ableiten. Nach ständigen Rechtsprechung des EuGH gehört nämlich die Organisation des Bildungswesens ebenso wie Bildungspolitik als solche gerade nicht zu den Materien, die der Vertrag der Zuständigkeit der Gemeinschaftsorgane unterworfen hat (vgl. EuGH-Urteil in EuGHE 1985, 593, 612; vgl. Lenz, Internationale Wirtschaftsbriefe --IWB--, Beilage 1, 1990, 19). Aus demselben Grund dringt schließlich der Einwand der Kläger nicht durch, der Sonderausgabenabzug nach § 10 Abs. 1 Nr. 9 EStG stelle eine unzulässige staatliche Beihilfe (Art. 92 EGV) dar.
193. Mit der vorstehenden Auslegung zur Vereinbarkeit von § 10 Abs. 1 Nr. 9 EStG mit dem EGV schließt sich der erkennende Senat zugleich der ständigen Rechtsprechung des BFH an (Urteile vom 11. Juni 1997 X R 74/95, BStBl II 1997, 617, vom 23. Juli 1997 X R 49/96, n.v. - über Juris abrufbar, vom 16. Dezember 1998 X R 3/98, BFH/NV 1999, 918; vgl. zuletzt auch FG Hamburg, Urteil vom 15. Februar 2000 VI 69/98, EFG 2000, 670 - rechtskräftig -). Daß die vorbezeichneten Entscheidungen zu den Veranlagungszeiträumen 1992 bis 1994 ergangen sind, steht ihrer Übertragbarkeit auf das Streitjahr (1998) nicht entgegen. Denn es kommt nicht auf die Fortentwicklung der europäischen Integration im allgemeinen sondern allein darauf an, ob sich die einschlägigen Rechtsvorschriften des EGV für das Streitjahr in der Sache geändert haben. Dies ist hier nicht der Fall. Im übrigen hat das Bundesverfassungsgericht (Beschluss der 3. Kammer des 2. Senates vom 10. Dezember 1998 2 BvR 1924/98, Steuer-Eildienst 1999, 98) eine gegen die einschlägige Rechtsprechung des BFH erhobene Verfassungsbeschwerde nicht zur Entscheidung angenommen und das neuere Schrifttum folgt der Auslegung durch den BFH ebenfalls (vgl. Heinicke in Schmidt, EStG, 20. Auflage 2001, § 10 Rn. 170; Gödesheim in Korn, § 10 EStG Rn. 63 - Stand Juli 2000 -; Lindberg in Frotscher, § 10 EStG Rn. 167; Hutter in Blümich, § 10 EStG Rn. 549 Stand 549, anders nur Meilicke in BB 2000, 17).
20Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO.
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