Urteil vom Finanzgericht Köln - 5 K 665/02
Tenor
Anmerkung: Die Klage wurde abgewiesen.
1
Tatbestand
2Die Parteien streiten darüber, ob für die Grundstücksgemeinschaft A, an der die Kläger zu je 50 % beteiligt sind, das Feststellungsverfahren durchgeführt werden muss.
3Für die Jahre 1997 bis 1999 wurden bestandskräftige Einkommensteuerzusammenveranlagungen durchgeführt. Für das in 1995 erworbene unbebaute Grundstück B in C, welches in den Jahren 1999 - 2000 bebaut wurde, wurden in 1997 bis 1999 keine Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung geltend gemacht. In der Einkommensteuererklärung für das Jahr 1996 hatten die Kläger aber Finanzierungskosten erklärt, die laut Einkommensteuerbescheid für das Jahr 1996 vom 07.07.1998 vom Beklagten jedoch nicht anerkannt wurden, weil ein wirtschaftlicher Zusammenhang mit der beabsichtigten Vermietung ab 1999 nicht gegeben sei.
4Die Kläger beantragten am 14.03.2001 unter Abgabe entsprechender Erklärungen die Durchführung des Feststellungsverfahrens für 1996 - 1999. Dabei wurden folgende Verluste erklärt:
5- 2.840,00 DM 1997 8.074,00 DM 1998 7.802,00 DM 1999 7.512,00 DM.
Der Antrag wurde für 1997 - 1999 am 02.08.2001 mit dem Hinweis abgelehnt, es handele sich um einen Fall von geringer Bedeutung i. S. v. § 180 Abs. 3 Nr. 2 der Abgabenordnung (AO).
7Der hiergegen gerichtete Einspruch wurde mit Entscheidung vom 14.01.2002 zurückgewiesen. Über den Antrag für 1996 ist noch nicht entschieden.
8Mit ihrer Klage machen die Kläger geltend, der Beklagte habe die Durchführung der gesonderten und einheitlichen Feststellung von Besteuerungsgrundlagen ab 1996 zu Unrecht mit der Begründung abgelehnt, es würde sich nach § 180 Abs. 3 Nr. 2 AO um einen Fall von geringer Bedeutung handeln. In der Verfügung der OFD Magdeburg - S 0361 - 7 - St 251 - vom 16.07.1997 werde sinngemäß ausgeführt, dass nach der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofes -BFH- ein Fall von geringer Bedeutung nur in eindeutig einfachen Fällen anzunehmen sei, d. h. wenn es sich um einen leicht überschaubaren Sachverhalt handele und die Ermittlung der Einkünfte hinsichtlich der Höhe oder Zurechnung verhältnismäßig einfach und die Gefahr widersprüchlicher Entscheidungen nahezu ausgeschlossen sei. Um einen Fall von geringer Bedeutung handele es sich z. B. dann nicht, wenn
9- zweifelhaft sei, ob überhaupt einkommensteuerpflichtige Einkünfte vorlägen, an denen mehrere Personen beteiligt bzw. die mehreren Personen zuzurechnen seien oder zweifelhaft sei, ob für diese Personen überhaupt eine Einkommensteuerveranlagung durchgeführt werden dürfe, BFH-Urteil II R 85/82 v. 12.11.1985, BStBl II 1986, 243;
10- bei den gemeinschaftlichen Einkünften (von Ehegatten) über die Abgrenzung verschiedener Einkunftsarten - z. B. über das Vorliegen eines gewerblichen Grundstückshandels oder das Vorliegen von Überschusseinkünften - zu entscheiden sei, BFH-Urteil VIII R 49/84 v. 1.2.89, BFH/NV 1990, 6;
11- es um die Ermittlung von Besteuerungsgrundlagen und deren Abgrenzung zwischen mehreren Veranlagungszeiträumen aufgrund eines nicht ohne Schwierigkeiten zu überblickenden Sachverhalts - z. B. Behandlung einer Leibrentenverpflichtung - gehe, BFH-Urteil I R 3/90 v. 31.7.90, BFH/NV 1991, 285;
12- zwischen den Beteiligten streitig sei, ob die Einkünfte teilweise einem Nießbraucher zuzurechnen seien (BFH-Urteil IX R 141/90 v. 22.2.94, BFH/NV 1994, 866 = StRK AO 1977 § 180 R. 96) oder
13- für die an den Einkünften beteiligten Personen verschiedene Finanzämter örtlich zuständig seien, BFH-Urteil X R 45/91 v. 10.8.94, BFH/NV 1995, 387.
14Im Zweifel solle ein Feststellungsverfahren durchgeführt und entweder ein positiver oder ein negativer (§ 180 Abs. 3 Satz 2 AO) Feststellungsbescheid erteilt werden.
15Im vorliegenden Fall habe der Beklagte in dem Einkommensteuerbescheid für das Jahr 1996 vermerkt, dass ein wirtschaftlicher Bezug zu der beabsichtigten Vermietung in 1999 nicht gegeben sei. Sie - die Kläger - hätten das Grundstück in C in 1995 je zur Hälfte erworben. Die Doppelhaushälfte sei dann in 2000 erstellt worden. und die Vermietung ab Januar bzw. Februar 2001 wie folgt durchgeführt worden:
16- Erdgeschoss ab Januar 2001 Kaltmiete DM 1.112,44 zuzüglich Nebenkosten DM 230,16,
17- Obergeschoss ab Februar 2001 Kaltmiete DM 1.769,50 zuzüglich Nebenkosten DM 424,68.
18Mit der Durchführung der Vermietung sei die Einkunftserzielungsabsicht zweifelsfrei nachgewiesen. Die Einkunftserzielungsabsicht hätten sie auch bereits in 1999 dem Beklagten im Einkommensteuerveranlagungsverfahren 1996 kundgetan. Nach dem BFH-Urteil vom 04.06.1991 - I R 30/89 - BStBl II 1991, 761 - würden Werbungskosten bei den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung dann anerkannt, wenn objektiv ein wirtschaftlicher Zusammenhang mit der Vermietung und Verpachtung bestehe und die Ausgaben auch subjektiv zur Förderung der Nutzungsüberlassung gemacht würden. Zu diesen Werbungskosten zählten u. a. Schuldzinsen und Notarkosten für die Grundschuldbestellung. Wie der BFH ausführe, könnten auch bereits vor dem Anfall von Einnahmen Aufwendungen als vorab entstandene Werbungskosten abgezogen werden, sofern ein ausreichend bestimmter wirtschaftlicher Zusammenhang zwischen den Aufwendungen und der Einkunftsart bzw. Vermietung bestehe. Ein solcher Abzug sei tatsächlich dann gegeben, wenn sich anhand objektiver Umstände feststellen lasse, dass der Entschluss, Einkünfte zu erzielen, endgültig gefasst worden sei. Diese Tatbestände seien bereits Anfang 1999 erfüllt gewesen. Bereits im Juli 1999 sei die Finanzierung bei der D beantragt worden. Aus der Höhe der Darlehenssummen sei zu entnehmen, dass auch ein Teil des Objektes vermietet werden sollte. Dieses gehe auch aus der in Kopie beigefügten Kostenaufstellung und Kostenaufteilung hervor.
19Dass der Beklagte in dem Einkommensteuerveranlagungsverfahren 1996 den Zusammenhang zwischen den geltend gemachten Aufwendungen (Schuldzinsen) und den Einnahmen aus Vermietung und Verpachtung abgelehnt und daher die erklärten Werbungskosten nicht anerkannt habe, stehe nicht im Einklang mit der entsprechenden BFH-Rechtsprechung.
20Zudem seien sie in den Jahren 1996 bis 1999 steuerlich nicht beraten worden. Durch die im Einkommensteuerbescheid 1996 vom 07.07.1998 getroffene Entscheidung hätten sie es unterlassen, in den Folgejahren 1997 bis 1999 die entsprechenden Aufwendungen als Werbungskosten zu erklären. In dem jetzt beantragten Feststellungsverfahren für 1996 bis 1999 müssten diese Werbungskosten festgestellt werden. Es handele sich hierbei um die Klärung einer Rechtsfrage, für die das Feststellungsverfahren nach § 180 Abs. 1 und 2 AO zwingend vorgeschrieben sei.
21Die Kläger beantragen,
22unter Aufhebung der Nichtfeststellungsbescheide vom 02.08.2001 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 14.01.2002 das Feststellungsverfahren für die Jahre 1997 - 1999 durchzuführen.
23Der Beklagte beantragt,
24die Klage abzuweisen,
25hilfsweise die Revision zuzulassen.
26Die Finanzbehörde sei in den Fällen der §§ 179 und 180 AO grundsätzlich verpflichtet, Feststellungsbescheide zu erlassen. Ausnahmsweise sei sie berechtigt, den Erlass eines Feststellungsbescheides zu verweigern, wenn es sich um einen Fall von geringer Bedeutung handele (§ 180 Abs. 3 Satz 1 AO).
27Die Frage, ob eine geringe Bedeutung im Sinne der Vorschrift vorliege, sei unter besonderer Berücksichtigung des Zwecks der Gesetzesregelung zu entscheiden. Durch das Feststellungsverfahren solle der Gefahr widersprüchlicher Entscheidungen begegnet werden, die dann nicht bestehe, wenn die Verhältnisse überschaubar und auch der Verteilerschlüssel für die Zurechnung der gemeinsamen Einkünfte unproblematisch sei. In solchen Fällen führe ein gesondertes Feststellungsverfahren nicht zu einer Erleichterung, sondern zu einer Erschwerung, was dem Sinn der Vorschrift widerspräche.
28Unter den Verhältnissen des Streitfalles sei er nicht gehalten, das Gewinnfeststellungsverfahren durchzuführen. Auf die Feststellung könne nach § 180 Abs. 3 AO verzichtet werden, wenn es sich um Fälle von geringer Bedeutung handele. Nach der Rechtsprechung des BFH sei ein Fall von geringer Bedeutung anzunehmen, wenn die Einkünfte leicht zu ermitteln und nach einfachem Schlüssel auf die Beteiligten zu verteilen seien und wenn vor allem die Gefahr widersprüchlicher Entscheidungen bei den Beteiligten gering oder nahezu ausgeschlossen sei.
29Die angeführten Voraussetzungen seien im Streitfall sämtlich erfüllt. Die Einkünfte, nur Hypothekenzinsen, seien leicht und einfach zu ermitteln und nach einem einfachem Schlüssel auf die Kläger zu verteilen (50:50). Widersprüchliche Entscheidungen seien auszuschließen, da die Kläger zusammenveranlagt würden.
30Die für 1996 geltend gemachten Zinsen als Verluste aus Vermietung und Verpachtung seien bereits von den Klägern im Rahmen der Einkommensteuererklärung geltend gemacht worden. Also sei den Klägern schon klar gewesen, dass diese Einkünfte nicht gesondert festzustellen waren. Gegen seine Entscheidung, dass die Kosten nicht zu berücksichtigen seien, weil kein konkreter wirtschaftlicher Zusammenhang zwischen dem Kauf des Grundstücks und einer Jahre späteren Bebauung zu erkennen war, hätte die Möglichkeit des Einspruches bestanden. Durch die Abgabe von Feststellungserklärungen, in denen die Berücksichtigung der Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung erneut beantragt werde, könne die Unterlassung eines möglichen Rechtsbehelfes nicht umgangen werden, auch nicht bei fehlender steuerlicher Beratung.
31- Entscheidungsgründe
I.
33Die Klage ist nicht begründet. Der Beklagte hat die Durchführung des Feststellungsverfahrens zu Recht abgelehnt.
341. Nach § 179 Abs. 1 und Abs. 2 Satz 2 i.V.m. § 180 Abs.1 Nr.2a AO 1977 werden die einkommensteuerpflichtigen Einkünfte gesondert festgestellt, wenn an diesen Einkünften mehrere Personen beteiligt sind und die Einkünfte diesen Personen steuerlich zuzurechnen sind. Diese Voraussetzungen liegen im Streitfall grundsätzlich vor, da die Einkünfte aus dem Grundstück beiden hieran beteiligten Klägern gemeinschaftlich zu jeweils 50 % zuzurechnen sind.
352. Gemäß § 180 Abs. 3 Nr. 2 AO entfällt das Erfordernis der einheitlichen und gesonderten Feststellung, wenn ein Fall von geringer Bedeutung vorliegt. Dies ist vorliegend zu bejahen.
36Die Vorschrift ist als Ausnahmevorschrift anzusehen. Das Vorliegen ihrer Tatbestandsmerkmale ist nach der gesetzlichen Definition insbesondere zu bejahen, wenn die Höhe des festgestellten Betrages und die Aufteilung feststehen.
37Nach der Rechtsprechung ist eine geringe Bedeutung auch anzunehmen, wenn die Ermittlung der gemeinsamen Einkünfte auf einem leicht überschaubaren Sachverhalt und einem kurzfristigen Vorgang mit einfachem Verteilungsschlüssel beruht oder wenn die Ermittlung der Einkünfte hinsichtlich ihrer Höhe und Zurechnung verhältnismäßig einfach und die Gefahr widersprüchlicher Entscheidungen nahezu ausgeschlossen ist (vgl. z.B. BFH-Urteile vom 12.November 1985 IX R 85/82, BStBl II 1986, 239, 241 und vom 31. Juli 1990 I R 3/90, BFH/NV 1991, 285). Bei der Beurteilung kommt es allein auf die Verhältnisse im jeweiligen Veranlagungsjahr an (BFH - Urteil vom 17. Mai 1995 X R 64/92, BStBl II 1995, 640). Die Vorschrift des § 180 Abs.1 Nr.2a AO soll sicherstellen, dass ein Feststellungsverfahren nur in verfahrensmäßig bedeutsamen Fällen durchgeführt wird. Die Finanzbehörde soll von der Einleitung eines Feststellungsverfahrens absehen, wenn es zur einheitlichen Rechtsanwendung und zur Erleichterung des Besteuerungsverfahrens nicht erforderlich ist (Begründung zum Entwurf des StBereinG 1985, BTDrucks. 10/1636, 46).
38Diese Voraussetzung ist im Streitfalle in den Feststellungszeiträumen 1997 - 1999 erfüllt. Die Einkünfte, die sich in diesen Zeiträumen im wesentlichen nur aus den geltend gemachten Hypothekenzinsen zusammensetzen, sind ohne Schwierigkeiten zu ermitteln und werden zudem nach einem einfachen und feststehenden Schlüssel von 50:50 auf die Kläger verteilt. Auch ist eine einheitliche Rechtsanwendung gesichert, da die Kläger zusammen zur Einkommensteuer veranlagt werden.
39Zwar hat der BFH entschieden, dass ein Feststellungsverfahren grundsätzlich durchzuführen ist, wenn zweifelhaft ist, ob einkommensteuerpflichtige Einkünfte, an denen mehrere Personen beteiligt bzw. die mehreren Personen zuzurechnen sind, vorliegen (vgl. BFH - Urteil vom 31. Oktober 1991 X B 69/91, BFH/NV 1992, 289 m.w.N.). Dies soll jedoch unter Berücksichtigung des Zwecks des § 180 Abs.1 Nr.2a AO nur dann gelten, wenn die Feststellung die einheitliche Rechtsanwendung auf mehrere Personen gewährleisten soll. Da dies im Streitfalle sichergestellt ist, weil die Kläger, wie bereits ausgeführt, zusammen zur Einkommensteuer veranlagt werden und lediglich ein Grundstück, das ausschließlich zu Wohnzwecken vermietet werden soll, verwalten, sind Gründe für die Durchführung eines Feststellungsverfahrens allein zur Klärung der Frage, ob die Kläger in den Streitjahren Einkunftserzielungsabsicht hatten, nicht ersichtlich. Diese Frage hätte ohne Gefahr einer unterschiedlichen Rechtsanwendung im Rahmen der Einkommensteuerveranlagungen der Kläger für die Streitjahre geklärt werden können. Warum die Kläger die abschließende Klärung im Rahmen der Festsetzung der Einkommsteuer nicht betrieben haben, ist nicht feststellbar. Die unterlassene endgültige Klärung führt jedoch nicht dazu, dem grundsätzlich nicht bedeutsamen Fall nunmehr eine andere Bedeutung beizumessen, um den Klägern im Rahmen eines Feststellungsverfahrens erneut die Möglichkeit einer Klärung zu eröffnen.
40Die Klage auf Durchführung von Feststellungsverfahren für die Streitjahre konnte somit keinen Erfolg haben und musste abgewiesen werden.
41II.
42Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO.
43III.
44Die Revision wurde im Hinblick auf die bei den Finanzämtern gängige Verwaltungspraxis, bei zusammenveranlagten Eheleuten zur Ermittlung von Vermietungseinkünften aus einem Objekt keine Feststellung durchzuführen, wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache zugelassen, § 115 Abs. 2 Nr.1 FGO.
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