Urteil vom Finanzgericht Köln - 10 K 6803/98
Tenor
Der Einkommensteuerbescheid 1996 vom 15. April 1998 in Form der Einspruchsentscheidung vom 20. August 1998 und der Einkommensteuerbescheid 1997 vom 24. Juni 1998 in Form der Einspruchsentscheidung vom 30. November 1998 werden dahin geändert, dass die Kosten des Klägers für das häusliche Arbeitszimmer bis zur Höhe von 2.400 DM berücksichtigt werden. Die Neuberechnung der jeweiligen Einkommensteuer wird dem Beklagten aufgegeben.
Im übrigen wird die Klage abgewiesen.
Die Kosten des Verfahrens haben die Kläger zu 4/10 und der Beklagte zu 6/10 zu tragen.
Die Revision wird zugelassen.
Das Urteil ist wegen der Kostenentscheidung ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des Kostenerstattungsanspruchs des Klägers abwenden, soweit nicht der Kläger zuvor Sicherheit in derselben Höhe leistet.
1
Tatbestand
2Nachdem die Beteiligten ihren Streit über die Abziehbarkeit der Kosten von Zwischenheimfahrten der Klägerin im ersten Termin zur mündlichen Verhandlung vor dem Einzelrichter gütlich beigelegt haben, streiten sie jetzt noch darüber, ob ein vom Kläger zu beruflichen Zwecken genutzter Raum im eigenen Haus der Abzugbeschränkung des § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 6b EStG unterfällt.
3Der Kläger war als kaufmännischer Angestellter (Leiter der EDV-Abteilung) bei der Firma M AG nichtselbständig tätig. In den Einkommensteuererklärungen für die Streitjahre machte der Kläger unter anderem Kosten für einen beruflich genutzten Raum im eigenen Haus in Höhe von 4.377 DM als Werbungskosten geltend (1996: 4.377 DM; 1997: 3.911 DM). Diese Kosten wurden vom Beklagten in den Einkommensteuerbescheiden für 1996 vom 15. April 1998 und für 1997 vom 24. Juni 1998 nicht anerkannt.
4Die Einsprüche blieben ohne Erfolg. Zur Begründung führte der Beklagte in der Einspruchsentscheidung vom 20. August 1998 (1996) bzw. vom 30. November 1998 (1997) aus, die Aufwendungen für das Arbeitszimmer könnten in den Jahren 1996 und 1997 nicht berücksichtigt werden, weil der Kläger nicht dargelegt habe, inwieweit er auf das häusliche Arbeitszimmer angewiesen sei.
5Die Kläger machen geltend, die Kosten des Klägers für den Arbeitsraum im eigenen Haus seien ohne die Abzugbeschränkung des § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 6b EStG abziehbar, weil es sich nicht um ein häusliches Arbeitszimmer i.S. der Vorschrift handle. Als Leiter der EDV-Abteilung der Firma M AG habe er für die Überwachung und Steuerung des Rechenzentrums von seinem Heimarbeitsplatz aus einen für diesen Zweck speziell eingerichteten Arbeitsplatz benötigt. In früherer Zeit seien die Rechner des Rechenzentrums rund um die Uhr durch anwesendes Personal bedient worden. Dieses Personal sei durch Einsatz einer Automationssoftware ersetzt worden. Die Software habe auf die spezifischen Belange der Firma M AG abgestimmt und entsprechend programmiert werden müssen. Die von der Automationssoftware überwachten Anwendungsprogramme liefen nie völlig fehlerfrei und erzeugten im Falle eines Fehlers Abbrüche in der Programmkette. Diese Abbrüche würden ohne Überwachung durch die Automationssoftware zu einem verspäteten Start der Online-Anwendungen am nächsten Arbeitstag führen. Zur Minimierung dieses Risikos bestehe die Notwendigkeit, das Rechenzentrum in der Zeit nach 18 Uhr und vor 6 Uhr von einem externen Arbeitsplatz aus zu kontrollieren, um im Falle eines Fehlers sofort eingreifen zu können. Das fehlerhafte Programm müsse repariert und der abgebrochene Programmablauf neu gestartet werden. Gegebenenfalls müssten dabei telefonisch die Servicedienste der Rechner- und Softwarehersteller benachrichtigt und deren Arbeit koordiniert werden. Außerdem seien in der Zeit nach 18 Uhr und vor 6 Uhr Programm-Updates aufgespielt worden, um den regelmäßigen Betrieb durch derartige Nebenarbeiten nicht zu stören.
6Daher habe der Arbeitsraum im eigenen Haus besonders ausgestattet und vom häuslichen Lebensablauf abgeschottet sein müssen. So habe der Kläger einen entsprechend ausgestatteten PC benötigt, eine Datenanbindung an das Rechenzentrum, einen Drucker und einen Pager. Die Einrichtung des Zimmers habe aus einem Schreibtisch, einem Stuhl, einem Büroschrank für umfangreiche Literatur und einem zusätzlichen Telefon bestanden. Die Erledigung der dem Kläger obliegenden Aufgaben sei nicht im familiären Wohnbereich möglich, sondern erfordere einen vom Wohnbereich getrennten Arbeitsbereich. Der vom Kläger genutzte Arbeitsraum im eigenen Haus sei daher weniger mit einem häuslichen Arbeitszimmer vergleichbar, als vielmehr mit einem Werk- oder Betriebsraum der nach der Rechtsprechung des BFH nicht unter die Abzugsbeschränkung falle.
7Sollte das Gericht gleichwohl zu der Ansicht gelangen, dass es sich bei dem Raum um ein häusliches Arbeitszimmer handele, seien die Aufwendungen zumindest in Höhe des Grenzbetrags von 2.400 DM als Werbungskosten zu erfassen. Zwar sei nicht die quantitative Grenze von 50 % für die häusliche Tätigkeit in diesem Raum überschritten. Der Abzug sei aber zu gewähren, weil für die vom Kläger zu Hause zu verrichtende Tätigkeit kein Arbeitsplatz im Betrieb zur Verfügung stehe. Als Leiter der EDV-Abteilung habe er zwar rein faktisch die Möglichkeit gehabt, das Rechenzentrum und sein Arbeitszimmer im Betrieb der Fa. M AG auch in der Zeit zwischen 18 Uhr und 6 Uhr zu betreten. Abgesehen von den für den Arbeitgeber entstehenden Kosten sei es jedoch unüblich, seinen Bereitschaftsdienst in den Betriebsräumen des Arbeitgebers zu verbringen.
8Die Kläger beantragen, den Einkommensteuerbescheid 1996 vom 15. April 1998 in Form der Einspruchsentscheidung vom 20. August 1998 und den Einkommensteuerbescheid 1997 vom 24. Juni 1998 in Form der Einspruchsentscheidung vom 30. November 1998 dahin zu ändern, dass für die Veranlagungszeiträume 1996 und 1997 die Kosten des Klägers für das häusliche Arbeitszimmer in voller Höhe, hilfsweise in Höhe von 2.400 DM berücksichtigt werden, äußerst hilfsweise die Zulassung der Revision.
9Der Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen.
10Er macht geltend, die das häusliche Arbeitszimmer betreffende Tätigkeit des Klägers mache nicht mehr als 50% der gesamten beruflichen Tätigkeit des Klägers aus.
11In der mündlichen Verhandlung vom 6. Juni 2003, die noch vor dem Einzelrichter stattfand, hatte der Beklagte im Hinblick auf den neuen Vortrag des Klägers, es habe sich bei dem Raum im häuslichen Bereich nicht um ein Arbeitszimmer gehandelt, die Durchführung einer Ortsbesichtigung beantragt. Der Kläger und der Prozessbevollmächtigte hatten daraufhin erklärt, dass ein solcher Ortstermin wenig zweckmäßig sei, weil der Kläger seit dem Jahr 2001 nicht mehr Leiter der EDV-Abteilung sei und nicht mehr über die Gerätschaften verfüge, die ihm von zu Hause aus den unmittelbarem Zugriff auf den Rechner im Betrieb erlaubten. Zur Zeit sei lediglich noch ein Online-Anschluss vorhanden. Darauf hatten die Beteiligten übereinstimmend erklärt, von einem Ortstermin Abstand zu nehmen. Mit Beschluss vom gleichen Tage wurde der Rechtsstreit wegen grundsätzlicher Bedeutung auf den Senat zurückübertragen.
12Entscheidungsgründe
13Die Klage ist nur insoweit begründet, als es um die Abziehbarkeit der Aufwendungen bis zur Höhe des Grenzbetrags von 2.400 DM geht; im Übrigen ist sie unbegründet.
141. Bei dem Arbeitsraum im Haus des Klägers handelt es sich um ein häusliches Arbeitszimmer i.S. des § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 6b EStG.
15a) Gemäß § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 6b EStG i.V.m. § 9 Abs. 5 EStG in der für die Streitjahre geltenden Fassung dürfen die Einkünfte des Steuerpflichtigen nicht gemindert werden durch Aufwendungen für ein häusliches Arbeitszimmer sowie die Kosten der Ausstattung. Dies gilt nicht, wenn die berufliche Nutzung des Arbeitszimmers mehr als 50% der gesamten beruflichen Tätigkeit beträgt oder wenn für die berufliche Tätigkeit kein anderer Arbeitsplatz zur Verfügung steht. In diesen Fällen wird die Höhe der abziehbaren Aufwendungen auf 2.400 DM begrenzt; die Beschränkung der Höhe nach gilt nicht, wenn das Arbeitszimmer den Mittelpunkt der gesamten beruflichen Betätigung bildet.
16b) Seit Einfügung des § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 6b EStG durch das Jahressteuergesetz 1996 vom 11. Oktober 1995 (BGBl I, 1250) gilt für Aufwendungen betreffend das häusliche Arbeitszimmer dem Grundsatz nach ein völliges Abzugsverbot. Der Begriff des häuslichen Arbeitszimmers ist im Gesetz nicht näher bestimmt. Es handelt sich um einen Typusbegriff, der durch die Rechtsprechung des BFH geprägt worden ist und den der Gesetzgeber in § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 6b EStG übernommen hat. Aus dem Wesen des Typus folgt, dass seine Grenzen fließend sind und es Übergangsformen gibt. Der jeweilige Sachverhalt muss dem Typus wertend zugeordnet werden. Entscheidend ist dabei das sich aus den konkreten Verhältnissen ergebende Gesamtbild (vgl. Lang, in: Tipke/Lang, Steuerrecht, 17. Aufl., § 5 AO 1977 Rz. 45; BFH-Urteile vom 19. September 2002 VI R 70/01, BFH/NV 2003, 247, vom 23. Januar 2003 IV R 71/00, zur Veröffentlichung bestimmt).
17c) Vor Einfügung der Abzugsbeschränkung war unter einem häuslichen Arbeitszimmer ein Arbeitsraum zu verstehen, der seiner Lage, Funktion und Ausstattung nach in die häusliche (private) Sphäre des Steuerpflichtigen eingebunden war und vorwiegend der Erledigung büromäßiger beruflicher Arbeiten gedanklicher, schriftlicher oder verwaltungstechnischer Art diente. Das zentrale Möbelstück des jeweiligen Raumes war in den entschiedenen Fällen nahezu ausschließlich der Schreibtisch. Darüber hinaus waren die Räume regelmäßig mit Bücher- und Aktenschränken bzw. -regalen, Aktenbock und ähnlichen "Büromöbeln" sowie mit Büchern, Aktenordnern, Schreibmaschinen bzw. (in späteren Entscheidungen) Computern und ähnlichen Arbeitsmitteln ausgestattet (vgl. z.B. BFH-Urteile vom 18. Februar 1977 VI R 182/75, BFHE 121, 444, BStBl II 1977, 464; vom 19. April 1985 VI R 198/83, BFH/NV 1986, 202, vom 30. März 1989 IV R 45/87, BFHE 156, 204, BStBl II 1989, 509; vom 2. Februar 1990 VI R 22/86, BFHE 160, 162, BStBl II 1990, 684, vom 16. Februar 1990 VI R 144/86, BFH/NV 1990, 763, vom 27. Oktober 1993 I R 99/92, BFH/NV 1994, 701, vom 9. November 1995 IV R 60/92, BFHE 179, 103, BStBl II 1996, 192).
18Hingegen wurden Räume, die ihrer Ausstattung und Funktion nach nicht einem Büro entsprachen - beispielsweise eine Werkstatt (BFH-Urteile vom 22. Juni 1961 IV 277/59, DB 1961, 1375. vom 19. August 1998 XI R 90/96, BFH/NV 1999, 41), ein Lagerraum (BFH-Urteil vom 19. September 1990 X R 110/88, BFHE 162, 82, BStBl II 1991, 208), die Praxisräume einer Sprachpädagogin (BFH-Urteil vom 21. März 1995 XI R 93/94, BFH/NV 1995, 875), die Notfallpraxis eines Arztes (BFH-Urteil vom 30. August 1994 IX R 126/92, BFH/NV 1995, 764) - nicht als häusliches Arbeitszimmer bezeichnet, sondern als Werkstatt, Lager oder Praxis. Allein der Umstand, dass sich diese Räume im privat genutzten Wohnhaus eines Steuerpflichtigen befanden, machte sie nicht zu einem häuslichen Arbeitszimmer.
19d) An dieser durch die Rechtsprechung geprägten Begrifflichkeit hat sich der Gesetzgeber bei Schaffung der Abzugsbeschränkung des § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 6b EStG bewusst orientiert. Für beruflich genutzte Räumlichkeiten, die zwar in die häusliche Sphäre des Steuerpflichtigen eingebunden sind, die aber nicht dem Begriff des häuslichen Arbeitszimmers unterfallen, weil sie eher als Werkstatt, Lager oder Praxis zu bezeichnen sind, gilt die Abzugsbeschränkung des § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 6b EStG nicht (BFH-Urteile vom 13. November 2002 VI R 164/00, BFH/NV 2003, 550, vom 19. September 2002 VI R 70/01, BFH/NV 2003, 247; ferner BT-Drucks. 13/1686, 16).
20e) Ob ein Arbeitszimmer in die häusliche Sphäre des Steuerpflichtigen eingebunden ist, lässt sich nicht generell, sondern nur aufgrund einer Gesamtwürdigung der Umstände des Einzelfalles entscheiden (BFH-Urteile vom 13. November 2002 VI R 164/00, BFH/NV 2003, 550, vom 19. September 2002 VI R 70/01, BFH/NV 2003, 247, vom 16. Oktober 2002 XI R 89/00, BFH/NV 2003, 385, vom 23. Januar 2003 IV R 71/00, BFH/NV 2003, 859). Gehört das Arbeitszimmer unmittelbar und ohne besondere räumliche Trennung zur Wohnung oder dem Wohnhaus des Steuerpflichtigen, so ist es regelmäßig auch in dessen häusliche Sphäre eingebunden (BFH-Urteile vom 19. September 2002 VI R 70/01, BFH/NV 2003, 247, vom
2113. November 2002 VI R 164/00, BFH/NV 2003, 550, vom 23. Januar 2003 IV R 71/00, BFH/NV 2003, 859; ebenso BFH-Urteil vom 16. Oktober 2002 XI R 89/00, BFH/NV 2003, 385). Ein entscheidendes Moment für die Herauslösung aus der häuslichen Sphäre des Steuerpflichtigen ist die Öffnung/Widmung der Räumlichkeit für den Publikumsverkehr (BFH-Urteil vom 5. Dezember 2002 IV R 7/01, BFH/NV 2003, 695 m.w.N.).
22f) Im Streitfall handelt es sich bei dem Arbeitsraum im Hause des Klägers um ein häusliches Arbeitszimmer i.S. der Abzugsbeschränkung des § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 6b EStG. Entgegen der Ansicht des Klägers kann der Arbeitsraum nicht eher als Werkstatt, Lager oder Praxis bezeichnet werden. Das Gericht würdigt die vom Kläger vorgetragenen Tatsachen dahin, dass der Raum seiner Ausstattung und Funktion nach eher einem Büro entsprach als einer Werkstatt, einem Lager, oder einem Praxisraum. Der Kläger hat insoweit vorgetragen, er habe einen entsprechend ausgestatteten PC benötigt, eine Datenanbindung an das Rechenzentrum, einen Drucker und einen Pager. Die Einrichtung des Zimmers habe aus einem Schreibtisch, einem Stuhl, einem Büroschrank für umfangreiche Literatur und einem zusätzlichen Telefon bestanden. Dies entspricht nach Auffassung des Senats eher der typischen Einrichtung eines Arbeitszimmers als einer nicht unter diesen Begriff fallenden Räumlichkeit.
23Der Kläger hat schließlich auch keine besonderen Umstände tatsächlicher oder rechtlicher Art vorgetragen, aus denen sich entnehmen ließe, dass der Arbeitsraum aus der häuslichen Sphäre des Steuerpflichtigen herausgelöst war. Nach dem Vortrag des Klägers gehörte der Arbeitsraum unmittelbar und ohne besondere räumliche Trennung zu seinem Wohnhaus. Der Arbeitsraum war unstreitig nicht dem Publikumsverkehr gewidmet. Der Kläger hat lediglich angegeben, der Arbeitsraum im eigenen Haus habe vom häuslichen Lebensablauf abgeschottet sein müssen. Die Erledigung seiner Aufgaben sei nicht im familiären Wohnbereich möglich, sondern erfordere einen vom Wohnbereich getrennten Arbeitsbereich. Dies genügt nicht für eine Herauslösung aus der häuslichen Sphäre sondern ist vielmehr ein Charakterisierungsmerkmal, welches auf nahezu jedes Arbeitszimmer zutrifft.
242. Der uneingeschränkte Abzug der Aufwendungen für das häusliche Arbeitszimmer ist im Streitfall schließlich auch nicht deshalb möglich, weil es sich bei dem häuslichen Arbeitszimmer des Klägers um den Mittelpunkt seiner gesamten beruflichen Tätigkeit handelt.
25a) Für die Bestimmung des "Mittelpunkts der gesamten beruflichen Tätigkeit" ist keine Aufgliederung der beruflichen Betätigung des Steuerpflichtigen in Einzeltätigkeiten zulässig; abzustellen ist vielmehr auf die gesamte Tätigkeit des Steuerpflichtigen (BFH-Urteile vom 23. September 1999 VI R 74/98, BFHE 189, 438, BStBl II 2000, 7, vom 13. November 2002 VI R 82/01, BFH/NV 2003, 688). Der Mittelpunkt der gesamten betrieblichen und beruflichen Betätigung bestimmt sich nach dem inhaltlichen (qualitativen) Schwerpunkt der Tätigkeit eines Steuerpflichtigen. Übt der Steuerpflichtige seine Berufstätigkeit teilweise zu Hause und teilweise auswärts aus, ist der Mittelpunkt seiner beruflichen Tätigkeit dort, wo er diejenigen Handlungen vornimmt und Leistungen erbringt, die für den konkret ausgeübten Beruf wesentlich und prägend sind (BFH-Urteile vom 13. November 2002 VI R 104/01, BFH/NV 2003, 691, vom 23. Januar 2003 IV R 71/00, zur Veröffentlichung bestimmt, vom 13. November 2002 VI R 82/01, BFH/NV 2003, 688).
26b) Dass im Streitfall nicht die vom Kläger im Betrieb der Firma Linde AG ausgeführten Tätigkeiten, sondern die in seinem häuslichen Arbeitszimmer ausgeführten Lenkungs- und Überwachungstätigkeiten für den von ihm ausgeübten Beruf des Leiters der EDV-Abteilung wesentlich und prägend sind, ist weder vom Kläger vorgetragen noch sonst aus seiner Sachverhaltsschilderung ersichtlich.
273. Entgegen der Ansicht des Beklagten ist jedoch ein auf 2.400 DM beschränkter Abzug der Arbeitszimmerkosten möglich, weil für den vom Kläger in der Zeit zwischen 18 Uhr und 6 Uhr zu erbringenden Bereitschaftsdienst kein anderer Arbeitsplatz zur Verfügung stand.
28a) Ausnahmen vom Abzugsverbot für Aufwendungen betreffend das häusliche Arbeitszimmer sind zulässig, wenn die betriebliche oder berufliche Nutzung des Arbeitszimmers mehr als 50 v.H. der gesamten betrieblichen und beruflichen Tätigkeit beträgt oder wenn für die betriebliche oder berufliche Tätigkeit kein anderer Arbeitsplatz zur Verfügung steht. In beiden Ausnahmefällen vom Abzugsverbot, die dem Wortlaut nach ("oder") nicht kumulativ vorliegen müssen (BFH-Urteil vom 13. November 2002 VI R 82/01, BFH/NV 2003, 688), werden die abziehbaren Aufwendungen für die Streitjahre gemäß Satz 3 Halbs. 1 der Vorschrift auf 2.400 DM begrenzt. Nach Ansicht des BFH ist die Regelung dem Grunde und der Höhe nach verfassungsgemäß (BFH-Urteil vom 23. September 1999 VI R 74/98, BFHE 189, 438, BStBl II 2000, 7).
29b) Bei der Grenzbestimmung von "mehr als 50 v.H. der gesamten betrieblichen und beruflichen Tätigkeit" handelt es sich um eine rein quantitative Grenze (BFH-Urteile vom 13. November 2002 VI R 28/02, BFH/NV 2003, 693, vom 23. Januar 2003 IV R 71/00 und vom 23. Januar 2003 IV R 71/00, BFH/NV 2003, 859; ferner BFH-Urteile vom 13. November 2002 VI R 104/01, BFH/NV 2003, 691, vom 13. November 2002 VI R 82/01, BFH/NV 2003, 688). Von einem Überschreiten dieser Grenze geht auch der Kläger nicht aus.
30c) Der erkennende Senat geht jedoch im Rahmen einer wertenden Betrachtung davon aus, dass für den vom Kläger in der Zeit zwischen 18 Uhr und 6 Uhr zu erbringenden Bereitschaftsdienst kein anderer Arbeitsplatz zur Verfügung stand. Tatsächlich wäre es dem Kläger zwar ohne weiteres möglich gewesen, die in der Zeit zwischen 18 Uhr und vor 6 Uhr zu verrichtenden Tätigkeiten von seinem Arbeitsplatz im Betrieb aus auszuführen, weil er als Leiter der EDV-Abteilung dem Werkschutz bekannt war und das Rechenzentrum jederzeit hätte betreten können. Bei einer streng am Wortlaut orientierten Auslegung stünde dem Kläger daher auch für die im Rahmen des Bereitschaftsdienstes zu verrichtenden Tätigkeiten im Betrieb des Arbeitgebers ein Arbeitsplatz zur Verfügung. Diese Auslegung wird jedoch einer wertenden Betrachtung, die sich an den tatsächlichen Gegebenheiten des modernen Wirtschaftslebens orientiert, nicht gerecht. Es gibt immer mehr Fälle, in denen der Arbeitgeber - wie im Streitfall - den häuslichen Arbeitsplatz des Arbeitnehmers besonders (beispielsweise mit Möglichkeiten zum Online-Zugriff) ausstattet, um diesem die Möglichkeit zu geben, einen vertraglich zu erbringenden Bereitschaftsdienst vom häuslichen Arbeitsplatz aus zu verrichten. Daran ist der Arbeitnehmer interessiert, weil er den Bereitschaftsdienst vom häuslichen Arbeitsplatz aus verrichten kann und der Arbeitgeber, weil dies für ihn mit einer enormen Kostenersparnis verbunden ist. An diesen tatsächlichen Gegebenheiten des Wirtschaftslebens muss sich auch die Auslegung der Formulierung "kein anderer Arbeitsplatz zur Verfügung steht" orientieren. Entscheidend ist daher nicht allein die rein faktische Möglichkeit, den Arbeitsplatz im Betrieb auch außerhalb der gewöhnlichen Geschäftszeiten nutzen zu können; es ist vielmehr darauf abzustellen, ob für die im Rahmen des Bereitschaftsdienstes zu erbringenden Tätigkeiten ein Aufsuchen des betrieblichen Arbeitsplatzes üblicherweise erwartet werden kann. Jedenfalls wenn Arbeitgeber und Arbeitnehmer - wie im Streitfall - übereinstimmend davon ausgehen, dass bestimmte Tätigkeiten innerhalb des Bereitschaftsdienstes vom häuslichen Arbeitsplatz aus zu verrichten sind, ist im Rahmen einer wertenden Auslegung anzunehmen, dass für die zu verrichtende Tätigkeit "kein anderer Arbeitsplatz zur Verfügung steht".
314. Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit auf § 151 FGO i.V.m. §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.
325. Die Revision wurde zugelassen, weil die Auslegung der Formulierung "kein anderer Arbeitsplatz zur Verfügung steht" grundsätzlich bedeutsam ist.
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Referenzen
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