Urteil vom Finanzgericht Köln - 4 K 4336/01
Tenor
Die Klage wird abgewiesen.
Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens.
1
Tatbestand
2Streitig ist, ob die Klägerin nach § 1 Abs. 3 des Einkommensteuergesetzes 1997 (EStG) als unbeschränkt einkommensteuerpflichtig behandelt werden kann.
3Die Klägerin lebt seit ... von ihrem - inzwischen von ihr geschiedenen - Ehemann getrennt. Ihren Wohnsitz hat sie zusammenm mit ihren beiden minderjährigen Kindern seit ... in C.. Sie erzielt als ... und ... Einkünfte aus selbständiger Tätigkeit in Deutschland. Ihr in Deutschland wohnhafter früherer Ehemann zahlte im Streitjahr - ausweislich der Anlage U - Unterhalt in Höhe von .... DM an die Klägerin.
4Nachdem die Klägerin ihrer Verpflichtung zur Abgabe der Einkommensteuer-Erklärung nicht nachgekommen war, führte der Beklagte die Veranlagung für das Jahr 1998 unter Schätzung der Besteuerungsgrundlagen gemäß § 162 der Abgabenordnung 1977 (AO) mit Einkommensteuerbescheid vom ... durch. Er ging hierbei von der beschränkten Einkommensteuerpflicht der Klägerin aus. Die festgesetzte Einkommensteuer belief sich - ausgehend von einem geschätzten Gewinn von ... DM - auf .... DM.
5Den hiergegen eingelegten Einspruch vom ... begründete die Klägerin durch Vorlage der Einkommensteuer-Erklärung, nach der sie einen Gewinn aus selbständiger Tätigkeit von ... DM erzielt hatte. In der nachgereichten Bescheinigung EU/EWR vom ... bestätigte die ... Steuerbehörde, dass die Klägerin 1998 in C. der Besteuerung unterliegende Einkünfte in Gestalt von "Unterhalt-Brutto ..." (= ... DM bei Umrechung ... = ... DM) bezogen habe.
6Auf den Hinweis des Beklagten, dass die an die Klägerin geleisteten Unterhaltszahlungen keine inländischen Einkünfte im Sinne des § 49 EStG, sondern ausländische Einkünfte darstellten, die nach deutschem Steuerrecht zu ermitteln seien und eine Veranlagung nach § 1 Abs. 3 EStG nicht erfolgen könne, da deren Höhe über der in dieser Vorschrift angegebenen absoluten Begrenzung der ausländischen Einkünfte von 12.000,00 DM liege, verwies die Klägerin darauf, dass von ihrer steuerlichen Beraterin versehentlich der Betrag aus der Anlage U in die Bescheinigung EU/EWR übernommen worden sei. Die unveränderte Übernahme dieses Betrages sei nicht korrekt gewesen, da die Bescheinigung Auskunft über "Einkünfte, die im Ansässigkeitsstaat der Besteuerung unterliegen" erteilen solle. Dies sei - wie dem vorgelegten ... Steuerbescheid entnommen werden könne - nur in Höhe von 80 v. H., also von ... der Fall. Die Klägerin legte zur Bestätigung eine neue Bescheingung EU/EWR der ... Steuerbehörden vom ... vor, in der die Unterhaltsleistungen in der vorgenannten Höhe ausgewiesen sind.
7In dem .... Steuerbescheid 1998 erfolgten u. a. steuerliche Abzüge im Hinblick auf die beiden Kinder der Klägerin.
8Nach Hinweis auf die Möglichkeit einer verbösernden Entscheidung erhöhte der Beklagte die Einkommensteuer 1998 mit Einspruchsentscheidung vom ... auf ... DM. Zur Begründung führte er aus, dass eine Veranlagung nach den Grundsätzen der erweiterten unbeschränkten Steuerpflicht nach § 1 Abs. 3 EStG nicht in Betracht komme. Die Klägerin sei nach den Grundsätzen der beschränkten Steuerpflicht (§§ 1 Abs. 4, 49 ff. EStG) zu veranlagen. Gemäß § 1 Abs. 3 EStG würden auf Antrag auch natürliche Personen als unbeschränkt steuerpflichtig behandelt, die im Inland weder einen Wohnsitz noch einen gewöhnlichen Aufenthalt hätten, soweit sie inländische Einkünfte im Sinne des § 49 EStG bezögen. Dies gelte nur, wenn der überwiegende Teil der Einkünfte (mindestens 90 %) der deutschen Einkommensteuer unterliege oder der nicht der deutschen Einkommensteuer unterliegende Teil der Einkünfte nicht mehr als 12.000,00 DM im Kalenderjahr betrage. Weitere Voraussetzung sei, dass die Höhe der nicht der deutschen Einkommensteuer unterliegenden Einkünfte durch eine Bescheinigung der zuständigen ausländischen Steuerbehörde nachgewiesen werde. Bei der Prüfung der Einkommensgrenzen seien die nicht der deutschen Besteuerung unterliegenden Einkünfte sowohl hinsichtlich der relativen als auch der absoluten Grenze grundsätzlich nach deutschem Steuerrecht zu ermitteln. Nur in Einzelfällen könne aus Vereinfachungsgründen die in der Bescheinigung der ausländischen Steuerbehörden genannten Beträge übernommen werden (Erlass des Bundesministers der Finanzen - BMF - vom 30.12.1996 IV B 4-S 2303-266/96, Tz. 1). Eine Übernahme der Einkünfte könne z. B. dann in Betracht kommen, wenn die Ermittlung der Einkünfte nach deutschem Recht sehr aufwändig oder gar nicht möglich sei. Im Streitfall betrügen die nicht der deutschen Besteuerung unterliegenden Einnahmen der Klägerin aus den Unterhaltszahlungen des dauernd getrennt lebenden Ehemannes ... DM. Eine Ermittlung der Einkünfte sei ohne weiteres nach deutschem Recht gemäß § 22 i. V. m. § 9 a EStG möglich. Nach Abzug des Werbungskosten-Pauschbetrages von 200,00 DM ermittelten sich Einkünfte von ... DM. Die nicht der deutschen Besteuerung unterliegenden Einkünfte überstiegen auch 10 % der gesamten Einkünfte. Aufgrund der vorgelegten Einkommensteuer-Erklärung ergebe sich eine Änderung zu ihren Ungunsten. Auf diese Änderungsmöglichkeit sei die Klägerin hingewiesen worden.
9Mit ihrer Klage verfolgt die Klägerin ihr bisheriges Begehren weiter, nach § 1 Abs. 3 EStG als unbeschränkt einkommensteuerpflichtig behandelt zu werden. Die auf der berichtigten Anlage EU/EWR 1998, testiert am ... vom ...., ausgewiesenen Unterhaltsbeträge in Höhe von ... (= ... DM) seien unverändert in das deutsche Veranlagungsverfahren zu übernehmen. Nicht ein im ... Steuerrecht vorgesehener Freibetrag, sondern ein in dessen Einkommensteuergesetzbuch festgeschriebener Tatbestand lasse nur 80 % der erhaltenen Unterhaltsleistungen in die Wohnsitzbesteuerung einfließen. Die tatsächlich in C. vorhandene Besteuerungsmasse belaufe sich umgerechnet also auf ... DM. Hier komme es zu einer Kollision insofern, als das deutsche Finanzamt die von der ... Behörde erfragten und bestätigten ausländischen Einkünfte umdeute mit der Folge einer höheren Steuerlast für sie - die Klägerin - wegen der Einstufung als beschränkt steuerpflichtige Person. Auf der Anlage EU/EWR bescheinige die ausländische Steuerbehörde die nach ihrem Recht ermittelte Höhe der "Einkünfte, die im Ansässigkeitsstaat der Besteuerung unterliegen". Der Beklagte berufe sich zur Begründung seiner Annahme, es sei nur deutsches Recht bei der Ermittlung der ausländischen Einkünfte anzuwenden, auf die allgemeinen Ausführungen in den Einkommensteuer-Richtlinien zu § 32 b Abs. 1 EStG sowie auf den BMF-Erlass vom 31.12.1996. Der BMF-Erlass erlaube ausdrücklich auch "deren Übernahme aus der Anlage EU/EWR aus Vereinfachungsgründen". Wie könne jene Vereinfachung aber besser exemplarisch dargestellt werden als hier? Es bedürfe gleichwohl grundsätzlich der Umorientierung dahin, dass die im ausländischen Wohnsitzstaat festgestellte Besteuerungsmasse zwecks Feststellung der persönlichen Steuerpflicht stets unverändert übernommen würden. Gegebenenfalls sei der Inhalt der Anlage EU/EWR bei Nicht-Einverständnis mit ihm von den betreffenden Steuerpflichtigen im Ausland anzufechten. Damit ginge stets die Behauptung einher, der ausländische Steuerbescheid sei unrechtmäßig, der wiederum alleine Grundlage der auf der Anlage EU/EWR der deutschen Finanzverwaltung nachrichtlich übermittelten Besteuerungsmasse sei. Alleine das Zitieren des § 32 b EStG durch den Beklagten ziele am Problem vorbei. § 32 b EStG betreffe den Bereich der Steuersatzgestaltung. Hier sei es aus systematischen Gründen verständlich, dass die Feststellung jener ausländischen Besteuerungsmasse materiell-rechtlich nach rein deutschen Kriterien erfolge. Mit der so genannten erweitert unbeschränkten Steuerpflicht habe der Gesetzgeber aber eine ganz andere Absicht verfolgt. Er habe zur Vermeidung einer unbilligen Härte den Kreis originär beschränkt steuerpflichtiger Personen per Fiktion in die unbeschränkte Steuerpflicht einbezogen, bei denen mangels ausreichender Besteuerungsmasse in ihrem Wohnsitzstaat persönliche Verhältnisse keine Berücksichtigung finden könnten und wo diese Verhältnisse bei in Deutschland strikt bestehender beschränkter Steuerpflicht ebenfalls keinen Eingang in die Besteuerung gefunden hätten. Die Schädlichkeitsgrenzen verfolge den Zweck, die doppelte Berücksichtigung der erwähnten Steuerentlastungstatbestände im ausländischen Wohnsitzstaat und deutschen Tätigkeits- bzw. Belegenheitsstaat auszuschließen. Hier solle nicht die festzusetzende deutsche Einkommensteuer über § 32 b EStG erhöht werden, sondern es gelte die Klassifikation "erweitert unbeschränkte" oder "beschränkte" Steuerpflicht vorzunehmen. Die Einstufung in die eine oder andere Steuerpflicht orientiere sich nicht nur an deren Höhe, sondern an deren Beschaffenheit, nämlich unter dem Aspekt ihrer Tauglichkeit, persönliche Verhältnisse im Ausland berücksichtigen zu können. Dieses Ziel könne bei Ermittlung der Einkünfte unter Anwendung deutschen Rechts nicht erreicht werden. Es stelle sich die Sinnfrage, wozu eine ausländische Steuerbehörde Einkünfte und deren Höhe in der Anlage EU/EWR förmlich attestiere, wenn das deutsche Finanzamt diese später de facto überarbeite. Sechs Beispielsfälle zur Situation Deutschland-C. aus einer Vielzahl sollten verdeutlichen, welche verzerrten, ja realitätsfremden Ergebnisse die Bewertung nach deutschem Recht liefere.
10a) Der in Deutschland bezogene, in C. zu besteuernde Brutto-Arbeitslohn werde im ... Wohnsitzstaat um den Arbeitnehmer-Anteil zur Sozialversicherung gekürzt und sodann unter entsprechender Berücksichtigung persönlicher Verhältnisse der Besteuerung zugeführt. Der derart ermittelte Betrag beantworte exakt die von den deutschen Behörden auf dem Formular EU/EWR erfragte "Art und Höhe der im Wohnsitzstaat der Besteuerung unterliegenden Einkünfte". Die deutscherseits vorzunehmende Korrektur der Einkünfte durch Erhöhung der auf der Anlage EU/EWR ausgewiesenen Beträge um den Arbeitnehmer-Anteil zur Sozialversicherung produziere eine virtuelle Besteuerungsmasse, die in ihrer Höhe nicht der alles entscheidenden ausländischen entspreche.
11b) Die deutsche Finanzbehörde subtrahiere den Sparer-Freibetrag von den auf der Anlage EU/EWR ausgewiesenen, in C. zu versteuernden Kapitalerträgen. Wiederum werde die ausländische Besteuerungsmasse verfälscht. Zu allem Überfluss erfahre der Kapitalertrag eine doppelte Entlastung durch die Übernahme des bereits in C. in Abzug gebrachten Freibetrages von ... DM, der auf der Anlage EU/EWR erst gar nicht erscheine. Die Vorteilhaftigkeit für den Steuerpflichtigen erscheine unergründlich; sie stelle ihn gegenüber dem deutschen Inländer besser.
12c) Von einer in C. aus öffentlichen Kassen bezogenen Pension, die mit ihrem Bruttowert, vermindert um die bereits einbehaltene ... Lohnsteuer in der Anlage EU/EWR erscheine, ziehe die deutsche Finanzbehörde Versorgungsfreibetrag und Werbungskosten-Pauschbetrag, also 8.000,00 DM ab. Die Höhe der ausländischen Einkünfte werde hier nicht nur unerheblich zu Gunsten des Steuerpflichtigen verkürzt, sondern die entscheidende (höhere) Auswirkung steuermindernder Umstände im Wohnsitzstaat werde auf diese Weise ignoriert.
13- Der in Deutschland erzielte Spekulationsgewinn aus Aktienverkäufen von angenommen 20.000,00 DM führe nach deutscher Terminologie zu Einkünften gemäß § 22 EStG. Im ... Wohnsitzstaat bliebe dieser steuerfrei und gelange erst gar nicht zur Kenntnis der dortigen Behörde mit der Folge, dass er nicht auf der Anlage EU/EWR vermerkt würde. Wenn die deutsche Finanzbehörde hiervon Kenntnis erlangte, käme es zu dem folgenschwerden Ergebnis, dass die erweitert unbeschränkte Steuerpflicht im Sinne des § 1 Abs. 3 EStG bei gleichzeitiger Unterstellung, der Steuerpflichtigen habe in C. seine persönlichen Verhältnisse steuermindernd einbringen können, verweigert würde.
- In dem Fall, dass Einkünfte aus einem Drittstaat stammten, wobei C. als Wohnsitzstaat durch Doppelbesteuerungsabkommen das Besteuerungsrecht zugewiesen sei, seien die auf der Anlage EU/EWR ausgewiesene Einkünfte nach ... Recht ermittelt, also z. B. bei US-Dividenden unter Abzug der einbehaltenen US-Quellensteuer von der Brutto-Dividende, ohne dass dies ersichtlich sei. Für die deutsche Finanzverwaltung sei es praktisch unmöglich die in ... Recht "verkleideten" US-Dividenden per Korrektur und unter außer-Kraft-Setzen von amerikanischem und ... Recht auch nur annähernd in die gewünschte Terminologie des § 20 EStG umzudeuten.
- Das in C. bezogene Arbeitslosengeld sei dort steuerpflichtig und werde auf der Anlage EU/EWR vermerkt. Das deutsche Finanzamt bezeichne das Arbeitslosengeld als steuerfrei und beziehe es über § 32 b EStG in die Veranlagung ein. Gleichzeitig erfolge die Bewertung als nicht schädliche Einkünfte im Sinne des § 1 Abs. 3 EStG und somit stets die Einstufung der Arbeitslosengeld-Beziehers in die erweitert unbeschränkte Steuerpflicht. Das Arbeitslosengeld werde aber in C. jedoch unter Berücksichtigung der persönlichen Verhältnisse besteuert. Somit werde eine Doppelberücksichtigung herbeigeführt, die dem Sinn der Neufassung des § 1 Abs. 3 EStG zuwiderlaufe. Zudem beziehe in diesem Fall die deutsche Finanzverwaltung inkonsequenterweise eine ausländische Besteuerungsmasse in das Veranlagungsverfahren ein, die sie selbst als steuerfrei bezeichne. Hier widerlege sich explizit der Grundsatz, dass nur nach deutschem Recht zu ermitteln sei. Diesem Dilemma versuche man deutscherseits mit dem Hinweis zu begegnen, dass das Arbeitslosengeld in Deutschland auch stets über § 32 b EStG mit einzubeziehen sei. Hierbei werde übersehen, dass Deutschland nicht die Wohnsitzstaat-Eigenschaft für sich reklamieren könne.?
Auch die bisherige, nur spärlich vorliegene Rechtsprechung zur Problematik ignoriere die in den obigen sechs Fällen aufgezeigten Ungereimtheiten. Das dem Urteil des Finanzgerichts des Landes Brandenburg vom 31.01.2001 (1 K 87/98) zugrunde liegende Urteil des Bundesfinanzhofs (BFH) vom 21.11.1986 (I R 222/82, BStBl II 1987, 256) habe sich nicht damit befassen können, da die Vorschrift des § 1 Abs. 3 EStG zum Zeitpunkt der Urteilsfindung nicht einmal im Referentenentwurf des BMF vorgelegen habe. Das Urteil des Finanzgerichts habe daher allenfalls deskriptiven Aussagewert und lasse sich auf den vorliegenden Fall nicht anwenden. Mit der derzeitigen Praxis maße sich Deutschland die Position des Wohnsitzstaates an, der jegliche ausländische Einkünfte ad libidum verwerten könne. Europäisches Recht sei tangiert, da es ausschließlich um die Bewertung von Einkünften aus EU-Staaten für Zwecke der Gewährung von Vergünstigungen oder deren Versagung im deutschen Besteuerungsverfahren gehe.
15Die Klägerin beantragt,
16die Einkommensteuer 1998 unter Aufhebung der Einspruchsentscheidung vom ... auf ... DM festzusetzen, hilfsweise, das Verfahren auszusetzen und die Frage nach der Anwendung des deutschen Rechts bei der Ermittlung der Einkünfte im Rahmen des § 1 Abs. 3 EStG dem Europäischen Gerichtshof (EuGH) zur Entscheidung vorzulegen.
17Der Beklagte beantragt,
18die Klage abzuweisen.
19Er verweist zur Begründung auf seine Ausführungen in der Einspruchsentscheidung.
20Entscheidungsgründe
21- Die Klage ist unbegründet.
Der angefochtene Einkommensteuerbescheid 1998 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom ... ist rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten.
23- Die Klägerin ist aufgrund ihres alleinigen Wohnsitzes in C. unstreitig nicht gemäß § 1 Abs. 1 EStG unbeschränkt einkommensteuerpflichtig. Auch eine erweiterte unbeschränkte Einkommensteuerpflicht nach § 1 Abs. 2 EStG sowie eine Veranlagung nach § 50 Abs. 5 Satz 2 Nr. 2 EStG scheiden vorliegend aus.
- Der Beklagte hat zu Recht abgelehnt, die Klägerin nach § 1 Abs. 3 EStG als unbeschränkt einkommensteuerpflichtig zu behandeln.
- Gemäß § 1 Abs. 3 EStG werden auf Antrag auch natürliche Personen als unbeschränkt einkommensteuerpflichtig behandelt, die im Inland weder einen Wohnsitz noch ihren gewöhnlichen Aufenthalt haben, soweit sie inländische Einkünfte i. S. des § 49 EStG haben. Das gilt jedoch nur, wenn ihre Einkünfte im Kalenderjahr mindestens zu 90 v. H. der deutschen Einkommensteuer unterliegen oder die nicht der deutschen Einkommensteuer unterliegenden Einkünfte nicht mehr als 12.000,00 DM im Kalenderjahr betragen. Weitere Voraussetzung ist, dass die Höhe der nicht der deutschen Einkommensteuer unterliegenden Einkünfte durch eine Bescheinigung der zuständigen ausländischen Steuerbehörde nachgewiesen wird (§ 1 Abs. 3 Satz 4 EStG).
Die nicht der deutschen Einkommensteuer unterliegenden Einkünfte eines Steuerpflichtigen sind sowohl hinsichtlich der relativen (10 v. H.) als auch der absoluten Grenze (nicht mehr als 12.000,00 DM) nach deutschem Steuerrecht zu ermitteln (Schaumburg, Internationales Steuerrecht, Köln, 2. Aufl., Rz. 5.55; Schulze zur Wiesche in: IStR 1996, 105, 106; Kaefer in: BB 1995, 1615, 1616; Stapperfend in: Herrmann/Heuer/Spitaler, EStG, KStG, Bd. 1, § 1 Anm. 265, 287; Urteil des FG Brandenburg vom 31.01.2001 1 K 87/98 E, EFG 2001, 561). Denn mangels einer abweichenden ausdrücklichen Regelung im EStG richtet sich nicht nur der Begriff der Einkünfte, sondern auch die Ermittlung derselben nach den Vorschriften des EStG. Dies wird bestätigt durch die Empfehlungen des Finanzausschusses (BR-Drucks. 727/1/93) und die dem folgende Stellungnahme des Bundesrates (BR-Drucks. 727/93), zu der in Bezug auf die Grenzbeträge und den Normzweck identischen Vorgängervorschrift des § 1 Abs. 3 EStG im so genannten Grenzpendlergesetz I, dem § 50 Abs. 4 EStG a. F. Hierin wird im Zusammenhang mit der Bestimmung des Kreises der begünstigten beschränkt steuerpflichtigen Personen ausdrücklich die Verpflichtung zur Ermittlung der insgesamt von einem Steuerpflichtigen erzielten, wie auch der insoweit angefallenen ausländischen Einkünfte nach deutschem Steuerrecht erwähnt. Für eine vom Gesetzgeber gewollte, davon abweichende Beurteilung bezüglich der Grenzregelungen in § 1 Abs. 3 EStG ergeben sich keine Anhaltspunkte, da in Fortführung des Grenzpendlergesetzes I mit dem diese Vorschrift einführenden Jahressteuergesetz 1996 lediglich die bisherigen Konstruktionsmängel beseitigt und auch die Selbständigen erfasst werden sollten. Auch der BFH hat in seinem Urteil vom 12.11.1986 (I R 222/82, BStBl II 1987, 256), zu der noch dem § 50 Abs. 4 EStG a. F. vorausgehenden Vorschrift des § 2 des Ausführungsgesetzes Grenzgänger Niederlande (AGGrenzg NL) - wenngleich wegen des dort relevanten Vorranges völkerrechtlicher Vereinbarungen (vgl. § 2 AO) unter Rückgriff auf Art. 2 Abs. 2 des Doppelbesteuerungsabkommens zwischen Deutschland und den Niederlanden und nicht auf die Vorschriften des EStG - erklärt, dass der Begriff der Einkünfte dem deutschen Steuerrecht zu entnehmen sei und bei der Ermittlung der Einkünfte die allgemeinen Einkünfteermittlungsvorschriften (§ 2 Abs. 2 EStG) unter Außerachtlassung der für beschränkt Steuerpflichtige geltenden Besonderheiten heranzuziehen seien. Für eine Ermittlung nach ausländischem Recht lässt sich auch nicht eine dann "gerechtere" steuerliche Beurteilung der Mehrzahl der im Anwendungsbereich des § 1 Abs. 3 EStG liegenden Steuerfälle anführen. Dies belegen bereits die von der Klägerin angeführten Fallbeispiele, bei denen sich eine Ermittlung nach deutschem Steuerrecht gleichermaßen zu Gunsten wie zu Lasten der Steuerpflichtigen auswirken kann und umgekehrt. Andererseits ist für die deutsche Finanzverwaltung eine Ermittlung der Einkünfte nach dem ihr bekannten deutschen Steuerrecht praktikabler und dürfte zu einer gleichmäßigeren Besteuerung führen als bei einer Anwendung des ausländischen Rechts unter ungeprüfter Übernahme der von der ausländischen Steuerbehörde bescheinigten Werte. Insofern ist nicht anzunehmen, dass eine Bindungswirkung der deutschen Finanzbehörden an die Bescheinigung der ausländischen Steuerbehörde hinsichtlich der Feststellung der Einkunftsgrenzen gemäß § 1 Abs. 3 Satz 2 EStG besteht (vgl. Schulze zur Wiesche a. a. O., IStR 1996, 105, 106; Kumpf/Roth in: StuW 1996, 259, 264). Es ist zumindest in Fällen einer sonst aufwändigen und schwierigen Einkünfteermittlung allerdings nicht zu beanstanden, dass die Finanzbehörden vom Bundesminister für Finanzen aus Vereinfachungsgründen ermächtigt worden sind, die in der Bescheinigung genannten Beträge übernehmen zu können.
26- Im Streitfall hat die Klägerin unstreitig ... DM als Unterhaltsleistungen von ihrem früheren Ehemann erhalten. Hierbei handelt es sich um ausländische Einkünfte i. S. des § 1 Abs. 3 Satz 2 EStG, da diese in Deutschland grundsätzlich nach § 22 Nr. 1a EStG steuerpflichtigen, aber nicht im Katalog des § 49 EStG genannten Einkünfte in C. bezogen worden und nach Art. 21 des DBA-C. ("Nicht ausdrücklich erwähnte Einkünfte") der Besteuerung im Wohnsitzstaat - hier C.- unterliegen.
Angesichts der daneben von der Klägerin erzielten inländischen Einkünfte in Gestalt des in Deutschland erwirtschafteten Gewinns aus ihrer Betreuertätigkeit (§ 18 i. V. m. § 49 Nr. 3 EStG) von ... DM, ist festzustellen, dass die Klägerin die relative Grenze des § 1 Abs. 3 Satz 2 EStG nicht überschritten hat. Denn die der deutschen Besteuerung unterliegenden Einkünfte betragen nicht mehr als 90 v. H. der gesamten Einkünfte.
28Zugleich übersteigen die als ausländischen Einkünfte zu qualifizierenden Unterhaltsleistungen die absolute Grenze von 12.000,00 DM. Denn diese belaufen sich - unter Abzug des Werbungskosten-Pauschbetrages von 200,00 DM (§ 9a Satz 1 Nr. 3 EStG) - auf ... DM. Angesichts der hier offenkundig einfachen Einkünfteermittlung konnte die Klägerin auch nicht mit einer Übernahme der am ... vom ... bescheinigten Unterhaltsleistungen durch den Beklagten rechnen.
29- Eine Aussetzung des Verfahrens analog § 74 der Finanzgerichtsordnung (FGO) und Vorlage zur Vorabentscheidung an den EuGH nach § 234 Satz 3 EWG-Vertrag kommt nicht in Betracht.
- Die im Streitfall bestehende Möglichkeit der Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision schließt eine Vorlagepflicht des Gerichts aus (vgl. Koch in: Gräber, FGO, 5. Aufl., 2002, Vor § 74 Rz. 7 m. w. N. zur Rechtsprechung).
- Zum anderen hält der Senat den Einwand der Klägerin, die Vorschrift des § 1 Abs. 3 EStG verstoße gegen europäisches Gemeinschaftsrecht, für nicht überzeugend.
So ist nach dem Urteil des EuGH vom 14.09.1999 C-391/97, EuGHE I 1999, 5451, BStBl II 1999, 841 ("Frans Gschwind") die Regelung eines Mitgliedsstaates, bei gebietsansässigen Eheleuten das Splittingverfahren anzuwenden, die Gewährung dieser Steuervergünstigung an gebietsfremde Eheleute jedoch davon abhängig zu machen, dass entweder mindestens 90 v. H. ihres Welteinkommens in diesem Staat der Steuer unterliegen oder aber die in diesem Staat nicht der Steuer unterliegenden ausländischen Einkünfte einen bestimmten Betrag nicht überschreiten, mit dem europäischen Gemeinschaftsrecht vereinbar und stellt insbesondere nicht eine unzulässige diskriminierende Ungleichbehandlung dar. Zur Begründung hat der EuGH dort im Wesentlichen Folgendes angeführt: Eine diskriminierende Unterscheidung zwischen Gebietsansässigen und Gebietsfremden läge nur vor, wenn ungeachtet ihres Wohnsitzes in verschiedenen Mitgliedstaaten nachgewiesen wäre, dass die beiden Gruppen von Steuerpflichtigen sich in Anbetracht des Zweckes und des Inhalts der nationalen Vorschriften in einer vergleichbaren Lage befänden. Dies sei dann nicht der Fall, wenn der Gebietsfremde in seinem Wohnsitzstaat nennenswerte Einkünfte habe und sein zu versteuerndes Einkommen nicht im Wesentlichen aus einer Tätigkeit beziehe, die er im Beschäftigungsstaat ausübe. Dann sei nämlich der Wohnsitzstaat (selbst) in der Lage, ihm die Vergünstigungen zu gewähren, die sich aus der Berücksichtigung seiner persönlichen Situation und seines Familienstandes ergäben, sodass zwischen der Situation eines solchen Gebietsfremden und der eines Gebietsansässigen, der eine vergleichbare nichtselbstständige Beschäftigung ausübe, kein objektiver Unterschied bestehe, der eine Ungleichbehandlung hinsichtlich der Berücksichtigung der persönlichen Lage und des Familienstandes des Steuerpflichtigen bei der Besteuerung rechtfertigen könnte.
31Nach diesen Grundsätzen ist die vorliegende Versagung der Behandlung als unbeschränkt steuerpflichtig mit dem europäischen Gemeinschaftsrecht vereinbar. Sie entspricht der Regelung des § 1 Abs. 3 EStG, die der EuGH a. a. O. (inhaltlich) ausdrücklich als rechtmäßig bestätigt hat. Zudem sind im vorliegenden Fall - ausweislich des ... Steuerbescheides - die für das Streitjahr persönlichen Umstände der Klägerin, insbesondere ihre beiden Kinder, bei der Festsetzung der Einkommensteuer in ihrem ... Wohnsitzstaat nach den dortigen Rechtsvorschriften berücksichtigt worden.
32- Die Kostenentscheidung folgt aus § 135 Abs. 1 FGO.
- Gründe für die Zulassung der Revision sind nicht ersichtlich. Das Gericht weicht insbesondere nicht von bisheriger Rechtsprechung des BFH ab.
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