Urteil vom Finanzgericht Köln - 4 K 3997/04
Tenor
1. Der Bescheid über die Kindergeldfestsetzung vom 24.06.2004 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 30.06.2004 wird mit der Maßgabe geändert, dass das Kindergeld für das Kind K ohne Anrechnung der Leistungen nach dem niederländischen TOG 2000 festgesetzt wird.
2. Die Revision wird zugelassen.
3. Die Kosten des Verfahrens trägt der Beklagte.
1
Tatbestand
2Der Kläger ist niederländischer Staatsbürger. Er hat gemeinsam mit seiner Ehefrau, den Kindern L (geb. 24.10.1997), K (geb. 19.02.2001) und B(geb. 13.01.2004) seinen Wohnsitz in den Niederlanden.
3Der Kläger ist seit 1996 als Arbeitnehmer in Deutschland tätig. Ein Versicherungspflichtverhältnis zur Bundesanstalt für Arbeit besteht. Er wird als unbeschränkt Steuerpflichtiger nach § 1 Abs. 3 EStG i. V. m. § 39 c EStG behandelt.
4Die Ehefrau des Klägers war in den Niederlanden im Rahmen eines Vollzeit-Arbeitsverhältnisses als Arbeitnehmerin tätig. Sie bezog in den Niederlanden für die Kinder niederländisches Kindergeld (im folgenden: AKW). Im Kalenderjahr 2004 erhielt sie ab Januar 2004 für das Kind L 73,00 monatlich und für das Kind K niederländisches AKW in Höhe von 58,87 monatlich sowie seit April 2004 für das Kind B 58,87 monatlich. Zusätzlich bezog die Ehefrau des Klägers seit April 2004 für das Kind K eine spezielle Zusatzleistung für im Haushalt der Eltern lebende behinderte Kinder, das sog. TOG 2000, in Höhe von 199,28 im Quartal (66,43 monatlich).
5Der Kläger bezog für seine Kinder in Deutschland sog. Teil-Kindergeld in Höhe des Differenzbetrages zwischen dem höheren deutschen Kindergeldanspruch und dem niedrigeren niederländischen Kindergeld. Für das Kind K erhielt er Kindergeld in Höhe von 154,00.
6Der Beklagte setzte mit Bescheid vom 26.05.2004 deutsches Kindergeld ab Januar 2004 vorläufig gemäß § 165 Abs. 1 AO fest, wobei er als anrechenbare niederländische Kindergeldleistung für das Kind K sowohl die Leistungen des TOG 2000 und des regulären niederländischen AKW in Höhe von 126,00 ansetzte (58,87 niederländisches Kindergeld + 66,43 TOG = 125,30 ; aufgerundet 126,00 ).
7Hiergegen legte der Kläger Einspruch ein. Im Einspruchsverfahren änderte der Beklagte mit Bescheid vom 24.06.2004 die Kindergeldfestsetzung vom 26.05.2004. Er rechnete nunmehr für das Kind K im Zeitraum Januar bis März 2004 lediglich das gezahlte niederländische AKW auf den deutschen Kindergeldanspruch an, da das TOG 2000 erst ab April 2004 gewährt worden sei. Für den Zeitraum ab April 2004 rechnete er für das Kind K auf den deutschen Kindergeldanspruch in Höhe von 154,00 sowohl das niederländische AKW als auch die Leistungen nach dem TOG 2000 in Höhe von insgesamt 126,00 monatlich an. Die Festsetzung erfolgte weiterhin vorläufig gemäß § 165 Abs. 1 AO. Den bis zum Zeitpunkt des Änderungsbescheids zuviel gewährten Betrag an deutschem Kindergeld in Höhe von 65,00 verrechnete der Beklagte nach § 75 Abs. 1 EStG zu 50 v. H. mit den laufenden Kindergeldzahlungen. Der weitergehende Einspruch des Klägers wurde als unbegründet zurückgewiesen.
8Hiergegen richtet sich die vorliegende Klage. Der Kläger trägt vor, bei den Leistungen des niederländischen TOG 2000 für die Tochter K handele es sich um staatliche niederländische Beihilfen, die Eltern mit pflege- und betreuungsbedürftigen Kindern bei Unterbringung und Pflege zu Hause entlasten sollten. Die monatlichen Leistungen des TOG 2000 seien nach § 65 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG nicht auf das in Deutschland zu zahlende Kindergeld anzurechnen, da die Leistungen zur Entlastung der Eltern von Aufwendungen für häusliche Pflege und Betreuung des behinderten Kindes gewährt würden.
9Es sei nicht erkennbar, auf welcher Rechtsgrundlage die Leistungen nach dem TOG 2000 als "Familienleistung" nach der EG-VO 1408/71 anzusehen sei, da das TOG 2000 von den Niederlanden nicht nach Art. 5 der EG-VO 1408/71 notifiziert worden sei. Auch sei nicht erkennbar, dass das TOG 2000 eine Leistung sei, die auf dem allgemeinen und notifizierten niederländischen Kindergeldgesetz vom 26.4.1962 (AKW) beruhe.
10In der Auflistung des dem deutschen Kindergeldrecht vergleichbaren ausländischen Kindergeldes des Bundesamts für Finanzen vom 14.02.2002 (BStBl 2002 I S. 241 ff.) sei das TOG 2000 nicht aufgeführt, weshalb es nicht als eine auf das deutsche Kindergeld anzurechnende vergleichbare ausländische Leistung angesehen werden könne. Denn die vom Bundesamt für Finanzen veröffentlichte Zusammenstellung der im Ausland gezahlten und dem deutschen Kindergeld vergleichbaren Leistungen sei abschließend und für den Beklagten verbindlich. Auch die Zweckbestimmung der TOG-Leistungen, der Ausgleich von Nachteilen für behinderte Kinder, spreche gegen eine Anrechnung, da das Kindergeld lediglich einen allgemeinen Familienlastenausgleich bezwecke.
11Der Kläger beantragt,
12den Bescheid über die Gewährung von Kindergeld vom 24.06.2004 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 30.06.2004 dahingehend zu ändern, dass das Kindergeld für die Tochter K ohne Anrechnung der Leistungen nach dem niederländischen TOG festgesetzt wird.
13Der Beklagte beantragt,
14die Klage abzuweisen.
15Die Kindergeldfestsetzung in Gestalt des Änderungsbescheids vom 24.06.2004 sei rechtmäßig. Dem Kläger stehe grundsätzlich ein Anspruch in Höhe von 154,00 monatlich für das Kind K zu. Die TOG-Leistung sei jedoch neben dem allgemeinen Kindergeld (Kinderbijslag) auf das deutsche Kindergeld ab April 2004 anzurechnen. Es handele sich um eine Familienleistung nach Art. 1 u) der Verordnung (EWG) Nr. 1408/71 bzw. um einen dem deutschen Kindergeld nach § 65 Abs. 1 Nr. 2 EStG vergleichbare Leistung. Nach Art. 76, 79 Abs. 3 der Verordnung (EWG) Nr. 1408/71 bzw. Art. 10 der Verordnung (EWG) Nr. 574/72 sei das TOG folglich in die Berechnung von Kindergeld-Unterschiedsbeträgen einzubeziehen. Es sei unerheblich, ob das TOG 2000 in der Auflistung von Leistungen im Schreiben des Bundesamtes für Finanzen enthalten sei, da es sich nicht um eine abschließende Aufzählung handele. Aus der Zweckbestimmung des niederländischen TOG, der Entlastung der Eltern von Aufwendungen für die häusliche Pflege und Betreuung, die durch die Behinderung des Kindes veranlasst sind, ergebe sich eindeutig eine dem deutschen Kindergeld vergleichbare Zweckbestimmung.
16Der Senat hat vom Büro für Duitse Zaken (im folgenden: BDZ), einer für grenzüberschreitende Kindergeldleistungen zuständigen nachgeordneten Behörde der niederländischen Sociale Verzekeringsbank, die Auskunft eingeholt, ob es sich beim TOG 2000 um eine unter das niederländische Kindergeldgesetz vom 26.4.1962 (sog. AKW) fallende Familienleistung handelt und ob aus niederländischer Sicht das TOG 2000 als Familienleistung im Sinne des Art. 4 der EG-VO 1408/71 und der DVO 574/72 angesehen wird. Im einzelnen wird hierfür auf das Schreiben des Berichterstatters vom 04.11.2004, das Antwortschreiben des BDZ vom 01.02.2005 und die Übersendung von Richtlinien der Sociale Verzekeringsbank vom 03.05.2005 und das Schreiben des Berichterstatters an die Beteiligten vom 22.03.2005 verwiesen. Dem Senat lagen ferner die Gesetzesfassungen des AKW und des TOG 2000 in niederländischer Sprache vor.
17Entscheidungsgründe
18Die Klage ist begründet.
19Der angefochtene Bescheid ist rechtswidrig, da der Kläger durch die Anrechnung der Leistungen des niederländischen TOG 2000 auf das deutsche Teil-Kindergeld für das Kind K in seinen Rechten verletzt ist (§ 100 Abs. 1 Satz 1 FGO). Eine Anrechnung der Leistungen des niederländischen TOG 2000 auf das deutsche Teilkindergeld kommt weder nach den Bestimmungen der EG-VO 1408/71 noch gemäß § 65 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG in Betracht.
20I. Der Kläger hat für das Kind K einen Anspruch auf deutsches Kindergeld (vor Anrechnung ausländischer Familienleistungen) in Höhe von 154,00 monatlich nach § 62 Abs. 1 Nr. 2 b EStG i. V. m. § 63 Abs. 1 Nr. 1 EStG, da er in der Bundesrepublik Deutschland unbeschränkt steuerpflichtig im Sinne des § 1 Abs. 3 EStG ist und seine Tochter K in den Familienhaushalt in den Niederlanden aufgenommen ist. Die vorgenannten nationalen Regelungen des deutschen Kindergeldrechts sind auf den Kläger anwendbar, da er nach Art. 13 Abs. 2 a der EG VO 1408/71 des Rates vom 14.06.1971 (Amtsblatt der EG 1971 Nr. L 149/1) in der Bundesrepublik in einem Lohn- oder Gehaltsverhältnis sozialversicherungspflichtig beschäftigt ist und in den Niederlanden wohnt. Die EG VO Nr. 1408/71 ist nach Art. 1 a) i. V. m. Art. 2 und Art. 4 Abs. 1 h) der EG VO 1408/81 auch persönlich und sachlich auf den Kläger anzuwenden, da er Arbeitnehmer i. S. der Verordnung sowie Staatsangehöriger eines Mitgliedsstaats ist, in dessen Gebiet wohnt und eine Familienleistung im Sinne der EG VO 1408/71 begehrt.
212. Nach Art. 10 Abs. 1 b) i) der Durchführungsverordnung (DVO EG) Nr. 574/72 des Rates vom 21.03.1972 ruht der Anspruch des Klägers auf deutsches Kindergeld für das Kind K jedoch in der Höhe, in der seine Ehefrau in den Niederlanden Leistungen nach dem niederländischen AKW bezieht. Nach der finanzgerichtlichen Rechtsprechung kommt Art. 10 Abs. 1 DVO Nr. 574/72 gegenüber § 65 Abs. 1 Nr. 2 EStG ein Anwendungsvorrang zu (vgl. z. B. Urteile des FG Münster vom 10.04.2000, 4 K 5787/98 Kg, EFG 2000, 878; vom 14.06.2002, 11 K 4301/00 Kg, EFG 2002, 1208). Dies ist zwischen den Beteiligten unstreitig.
223.) Eine weitere Anrechnung der Leistungen des niederländischen TOG 2000 auf das deutsche Teil-Kindergeld kommt weder nach den Bestimmungen der EG-VO 1408/71, noch der DVO 574/72 noch nach der nationalen Anrechnungsvorschrift des § 65 Abs. 1 Nr. 2 EStG in Betracht.
23- Eine Anrechnung der Leistungen des niederländischen TOG 2000 auf das deutsche Teil-Kindergeld ist weder nach Art. 76 Abs. 1 der EG VO Nr. 1408/71 noch nach Art. 10 der DVO 574/72 vorzunehmen. Diese Vorschriften setzen voraus, dass eine Konkurrenzsituation für "Familienleistungen" im Sinne des Art. 4 Abs. 1 (h) der EG VO 1408/71 zwischen in- und ausländischen Leistungen zweier Mitgliedsstaaten vorliegt.
Der Beklagte und das BDZ für die niederländischen Kindergeldbehörden haben zwar dargetan, dass das TOG 2000 als Familienbeihilfe im Sinne der Art. 1 u) (i) und Art. 4 Abs. 1 h) der EG-VO 1408/71 anzusehen ist. Dies trifft nach Ansicht des Senats aber nicht zu.
25Die EG VO 1408/71 unterscheidet in Art. 1 Abs. 1 u) (i) zwischen "Familienleistungen und Familienbeihilfen". Familienleistungen sind hiernach alle Sach- oder Geldleistungen, die zum Ausgleich von Familienlasten im Rahmen der in Art. 4 Abs. 1 (h) genannten Rechtsvorschriften bestimmt sind. Die Mitgliedsstaaten haben nach Art. 5 der EG-VO 1408/71 die Rechtsvorschriften und Systeme, welche unter Art. 4 Abs. 1 und 2 fallen, zu notifizieren. Nach der Erklärung gemäß Art. 5 der VO Nr. 1408/71 (abgedruckt bei Helmke/Bauer, Familienlastenausgleich, Teil D, Stand: 40. Ergänzungslieferung 11/02) ist für das Königreich der Niederlande als notifizierte Familienleistung nur das auf dem Gesetz vom 26.04.1962 (Staatsblad 160) beruhende AKW genannt (Algemene kinderbijslagwet).
26Die erfolgte Notifizierung für das AKW kann nach Auffassung des Senats auch nicht weitergehend dahin ausgelegt werden, dass sie das TOG 2000 mitumfasst. Dem Senat lagen die Gesetzesfassungen des AKW und des TOG 2000 in niederländischer Sprache sowie eine Stellungnahme des BDZ und eine Verwaltungsanweisung der Sociale Verzekeringsbank vor. Der Senat hat festgestellt, dass es sich beim AKW und TOG 2000 um separate Gesetze handelt. Soweit beide Gesetze identische Regelungen enthalten oder aufeinander verweisen, soll nach der Verwaltungsanweisung der Sociale Vezekeringsbank allein eine einheitliche Auslegung der entsprechenden Bestimmungen sichergestellt werden. Auch das Verfahrensrecht ist durch eine Verweisung bestimmter Regelungen des TOG 2000 auf das AKW teilweise identisch. Diese Verflechtung beider Gesetze vermag nach Auffassung des Senats aber nicht den Mangel der unterbliebenen Notifizierung des TOG 2000 für Zwecke der EG-VO 1408/71 zu heilen, da es sich beim AKW und TOG 2000 um unterschiedliche Gesetze mit verschiedenen Zuwendungstatbeständen handelt.
27b) Eine Anrechnung der Leistungen des TOG 2000 ist auch nicht nach der nationalen Anrechnungsvorschrift des § 65 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG vorzunehmen, da es sich bei den Leistungen des TOG 2000 nicht um eine dem deutschen Kindergeld vergleichbare niederländische Leistung handelt.
28aa) Hierfür spricht, dass der Beklagte selbst das TOG 2000 in der sog. Länderübersicht nicht als vergleichbare Leistung eingestuft hat. Die vom Bundesamt für Finanzen herausgegebene Länderübersicht für vergleichbare ausländische Leistungen vom 14.01.2002 (BStBl 20002 I, 241) gibt für die Leistungen in den Niederlanden lediglich wieder, dass Berechtigte mit Wohnsitz in den Niederlanden für leibliche Kinder bis zur Vollendung des 16. Lebensjahres einen Anspruch auf Kindergeld haben. In der Anlage "Niederlande" zur Auflistung des Bundesamts für Finanzen vom 14.01.2002 finden sich auch Ausführungen dazu, wann über das 16. Lebensjahr hinaus in Ausbildung befindliche Kinder, invalide Kinder oder arbeitslose Kinder zum einfachen Satz weiter gefördert werden können, sowie Kinder unter 16 Jahren, die wegen Krankheit oder Gebrechen voraussichtlich im folgenden Jahr nicht zum Haushalt des Berechtigten gehören werden und Kinder von 16 bis 17 Jahren, die in Anstalten untergebracht sind, zum doppelten Satz gefördert werden können und welche Kinder im Rahmen einer Übergangsregelung im Alter von 18 bis 24 Jahren noch zum dreifachen Satz gefördert werden können.
29bb) Auch die eigenen Ermittlungen des Senats haben nicht ergeben, dass das TOG 2000 mit dem deutschen Kindergeld vergleichbar ist. Vergleichbar sind Leistungen, die ihrem Zweck nach dem deutschen Kindergeld entsprechen und die aufgrund gesetzlicher Regelungen gezahlt werden (vgl. Urteile des Bundessozialgerichts -BSG- vom 25. Oktober 1977, 8/12 RKg 6/76, Sozialrecht -SozR- 5870 § 8 BKGG Nr. 1, S. 2 ff, und 8/12 RKg 8/77, SozR 5780 zu § 8 BKGG Nr. 3, S. 22 f.). Dagegen kommt es für die Vergleichbarkeit auf eine vergleichbare Höhe der Leistungen nicht an (vgl. Vorlagebeschluß des BVerfG vom 08.06.2004, 2 BvL 5/00, BVerfGE 110, 412-446). Es fehlt für eine Vergleichbarkeit an einer gleichen Zweckrichtung der Leistungen, da das TOG 2000 (neben dem allgemeinen niederländischen AKW) einen speziellen Sonderbedarf für die Pflege behinderter Kinder berücksichtigen soll, während das deutsche Kindergeld (für Kinder bis zum 18. Lebensjahr) der Berücksichtigung des allgemeinen familiären Existenzminimums (behinderter und nichtbehinderter Kinder) dient. Nicht ausreichend für die Annahme einer Vergleichbarkeit ist nach Auffassung des Senats, dass die Leistungen nach dem TOG 2000 auch geeignet sind, zur Entlastung der Familie beizutragen, indem dem behinderungsbedingten Mehraufwand für die betroffenen Kinder Rechnung getragen wird.
30Nach dem genannten Vorlagebeschluss des BVerfG vom 08.06.2004 (2 BvL, BverfGE 110, 412-446) sind die kindergeldrechtlichen Regelungen im Einkommensteuergesetz Bestandteil des einkommensteuerrechtlichen Familienleistungsausgleichs gemäß §§ 31 f., 62 ff. EStG, der insgesamt der Berücksichtigung der Unterhaltspflichten der Eltern gegenüber ihren Kindern dient. Die gebotene steuerliche Freistellung eines Einkommensbetrages in Höhe des Existenzminimums des Kindes wird dabei durch den Kinderfreibetrag oder durch das Kindergeld bewirkt (vgl. § 31 EStG). Soweit das Kindergeld zu der gebotenen steuerlichen Freistellung nicht erforderlich ist, dient es nach ausdrücklicher Bestimmung des Gesetzes der Förderung der Familie (§ 31 Satz 2 EStG), erfüllt also eine von den verfassungsrechtlichen Anforderungen an die steuerrechtliche Belastung unabhängige sozialrechtliche Funktion.
31Zweck des deutschen Kindergelds (oder eines Kinderfreibetrags) für Kinder bis zum 18. Lebensjahr ist damit die Gewährleistung des (allgemeinen) steuerlichen Familienlastenausgleichs aufgrund der mit der Existenz des Kindes verbundenen Unterhaltspflichten wie aus § 32 Abs. 4 Satz 1 EStG abzuleiten ist. Das Kindergeld hat nicht den Zweck, einen Sonderbedarf bei Behinderung des Kindes über das Kindergeld (bis zum 18. Lebensjahr) zu berücksichtigen. Dies ist jedoch beim TOG 2000 der Fall. Denn nach Art. 4 Nr. 1 TOG 2000 wird in den Niederlanden nur einer natürlichen Person, welche ein behindertes Kind im Alter von 3 bis 18 Jahren (vgl. Art. 2 TOG 2000) in ihren niederländischen Haushalt aufgenommen hat, eine quartalsmäßige Leistung gewährt. Erst über das 18. Lebensjahr des Kindes hinaus hängt auch das deutsche Kindergeld neben den weiteren Voraussetzungen nach den §§ 62 ff. EStG - von den speziellen Berücksichtigungstatbeständen der § 32 Abs. 4 Nr. 1 bis 3 EStG ab. Erst dann wird auch deutsches Kindergeld nach § 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 3 EStG als Leistung gerade aufgrund der Behinderung des Kindes gezahlt.
32Nach der niederländischen Rechtslage wird zudem neben dem TOG 2000 ein allgemeines Kindergeld (AKW) gezahlt, welches nach der Auflistung des Bundesamts für Finanzen als vergleichbare niederländische Leistung zum deutschen Kindergeld angesehen wird. Das "Nebeneinander" der Leistungen nach dem AKW und dem TOG 2000 spricht nach Auffassung des Senats ebenfalls dafür, dass die Leistungen des TOG 2000 aufgrund des durch die Behinderung verursachten Mehrbedarfs gezahlt werden, nicht jedoch dem allgemeinen Familienlastenausgleich dienen.
33Nach Auffassung des Senats könnte sich die Vergleichbarkeit inländischen Kindergeldes mit dem TOG 2000 frühestens ab dem 18. Lebensjahr eines behinderten Kindes im Sinne des § 32 Abs. 4 Nr. 3 EStG ergeben, da erst ab diesem Zeitpunkt ein übereinstimmender Zweck der Leistungen angenommen werden könnte. Dies kann im Streitfall jedoch dahinstehen.
34II. Der Senat lässt die Revision wegen grundsätzlicher Bedeutung der Sache zu. Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO. Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit folgt aus § 155 FGO i.V.m. § 708 Nr. 10 ZPO analog.
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