Urteil vom Finanzgericht Köln - 11 K 3989/03
Tenor
Die Klage wird abgewiesen.
Die Revision wird zugelassen.
Die Kosten des Verfahrens werden der Klägerin auferlegt.
1
Tatbestand
2Die Beteiligten streiten um die Rechtmäßigkeit der Festsetzung besonderen Kirchgeldes.
3Die Klägerin und ihr Ehemann werden zusammen zur Einkommensteuer veranlagt. Im Streitjahr (2001) gehörte die Klägerin der evangelischen Kirche an, während ihr Ehemann keiner steuerberechtigten Kirche angehörte (sog. glaubensverschiedene Ehe).
4Laut Einkommensteuerbescheid 2001 vom 20.03.2003 erzielten die Klägerin und ihr Ehemann ein zu versteuerndes Einkommen i.H.v. ....... DM. Die Klägerin selbst hatte keine eigenen Einkünfte. In dem vorgenannten Bescheid setzte das Finanzamt .......... für die Klägerin evangelische Kirchensteuer i.H.v. 2.400 DM fest und erläuterte im Berechnungsteil des Bescheides, dass es sich dabei um evangelisches Kirchgeld handele.
5Der hiergegen eingelegte Einspruch blieb erfolglos.
6Mit der nunmehr erhobenen Klage macht die Klägerin geltend, dass eine rechtmäßige Erhebung des Kirchgeldes zunächst schon an der fehlenden Bekanntmachung der entsprechenden Rechtsgrundlagen gegenüber den Betroffenen scheitere. Die Klägerin habe von einem Beschluss zur Erhebung des besonderen Kirchgeldes insbesondere nicht durch die Medien oder eine Information des Beklagten erfahren.
7Im übrigen sei bereits die Ermächtigungsgrundlage für die Erhebung des besonderen Kirchgeldes aus mehreren Gesichtspunkten heraus verfassungswidrig.
8Aufgrund des Eingriffes in die negative Religionsfreiheit des Ehemannes der Klägerin liege ein Verstoß gegen Artikel 4 Abs. 2 Grundgesetz (GG) vor. Da die Klägerin selbst kein Einkommen erziele, werde ihr Ehemann als unbeteiligter Dritter für ihre Religionsausübung in Anspruch genommen. Somit sei die Gefahr gegeben, dass auf die Klägerin innerhalb ihrer eigenen Familie, welche ebenfalls grundrechtlichen Schutz genieße, Druck ausgeübt werde, aus der Kirche auszutreten. Der Unbelastetheit der ehelichen Gemeinschaft sei im Rahmen einer Abwägung der Vorzug gegenüber dem fiskalischen Interesse einer Religionsgemeinschaft zu geben. Ein eigenes Einkommen, das als Bemessensgrundlage für das Kirchgeld dienen könne, habe die Klägerin nicht. Ebenso wenig habe sie Anspruch auf einen bestimmten Betrag des Einkommens ihres Ehemannes. Lediglich im Falle der Trennung könne Unterhalt geltend gemacht werden. Würde der Ehemann freiwillig seiner Verpflichtung nicht nachkommen und während der intakten Ehe keinen Unterhalt zahlen, könnte dieser zwar geltend gemacht werden, wobei ein besonderer Bedarf hinsichtlich des Kirchgeldes jedoch nicht berücksichtigt würde. Da letztlich niemand dazu gezwungen werden könne, an einer Religionsgemeinschaft teilzunehmen oder diese zu unterstützen, sei das Kirchgeld insoweit verfassungswidrig.
9Daneben verstoße die Erhebung des besonderen Kirchgeldes außerdem gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz, da in anderen Gemeinden bei gleicher Konstellation (Ehemann konfessionslos, Ehefrau evangelisch, aber ohne eigenes Einkommen) keine Kirchensteuer erhoben werde.
10Die Klägerin beantragt sinngemäß,
11den Bescheid des Beklagten vom 17.04.2003 in Form der Einspruchsentscheidung vom 25.06.2003 aufzuheben.
12Der Beklagte beantragt,
13die Klage abzuweisen.
14Die Rechtsgrundlagen zur Erhebung des Kirchgeldes seien ordnungsgemäß zustande gekommen und bekannt gemacht worden. Im Jahre 2000 hätten die Evangelischen Landeskirchen in Nordrhein-Westfalen den Beschluss gefasst, künftig besonderes Kirchgeld zu erheben. Dazu sei die Änderung des Kirchensteuergesetzes notwendig gewesen und betrieben worden. Durch Gesetz vom 06.03.2001 (GV.NRW.S.103) sei das Kirchensteuergesetz Nordrhein-Westfalen (KiStG NW) mit Wirkung ab dem 01.01.2001 geändert worden und in § 4 Abs. 1 Nr. 5 die Erhebung des besonderen Kirchgeldes geregelt worden. Anschließend hätten die 3 Evangelischen Landeskirchen in Nordrhein-Westfalen die Kirchensteuerordnung (KiStO) entsprechend geändert und im Amtsblatt der Evangelischen Kirche im Rheinland (Nr. 11 vom 29.11.2000, Seite 297) bekannt gemacht und die Öffentlichkeit in den Medien darüber unterrichtet.
15Im Zuge des Entschlusses zur Erhebung des besonderen Kirchgeldes habe der Beklagte am 02.12.2000 einen entsprechenden Beschluss gefasst und diesen am 30.06. bzw. 01.07.2001 u.a. im ............. Zeitung und in der ................. Zeitung bekannt gemacht. Auf den vom Beklagten zu den Gerichtsakten (Blatt 26) gereichten Zeitungsausschnitt wird Bezug genommen.
16Die zum Inkrafttreten der geänderten Kirchensteuerordnung und der Kirchensteuerbeschlüsse gemäß §§ 16, 17 KiStG NW erforderlichen staatlichen Genehmigungen seien am 26.07.2001 erteilt und am 22.10.2001 im kirchlichen Amtsblatt veröffentlicht worden.
17Auch ein Eingriff in die negative Religionsfreiheit des Ehemannes der Klägerin liege nicht vor. Die angesprochene Kirchensteuerfestsetzung richte sich ausschließlich gegen die Klägerin. Das besondere Kirchgeld werde nur dann erhoben, wenn Ehegatten gemeinsam zur Einkommensteuer veranlagt würden. In diesen Fällen würden die Ehegatten erklären, dass das erzielte Einkommen als sogenanntes Familieneinkommen anzusehen sei und sie somit gemeinsame Nutznießer des Vermögens bzw. Einkommens seien und folglich eine Erwerbs- und Verbrauchsgemeinschaft bildeten. Verzichteten sie auf die gemeinsame Veranlagung, was in ihrem Ermessen stehe, würden sie nicht zum besonderen Kirchgeld veranlagt, kämen jedoch andererseits auch nicht in den Genuss des Ehegatten-Splittings.
18Soweit die Klägerin andeute, dass sie in Folge der Erhebung des besonderen Kirchgeldes seitens ihres Ehemannes unter Druck gesetzte werde, die evangelische Kirche zu verlassen, habe dies seine Ursache nicht in dem Kirchgeld sondern im Verhältnis der Eheleute zueinander. Ein Eingriff in die passive Religionsfreiheit liege jedenfalls insoweit nicht vor. Zudem stelle das Kirchgeld nur eine sehr geringe Belastung dar, die wohl kaum die Freiheit der Religionsausübung beeinträchtigen könnte. Die Klägerin habe laut dem angefochtenen Bescheid 2.400 DM an Kirchgeld bei einem zu versteuernden Einkommen der Eheleute von ....... DM zu zahlen. Dies sei eine Belastung von 0,.. %.
19Auch treffe der Einwand der Klägerin, die Erhebung des Kirchgeldes stelle einen Verstoß gegen den Gleichheitsgrundsatz dar, weil es nicht in allen evangelischen Kirchengemeinden erhoben werde, treffe nicht zu. In allen Kirchengemeinden, die zum Verantwortungsbereich des Beklagten gehörten, werde das besondere Kirchgeld erhoben.
20Entscheidungsgründe:
21Die Klage ist unbegründet.
22Der angefochtene Bescheid ist rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten (§ 100 Abs. 1 Satz 1 FGO).
23Gemäß § 4 Abs. 1 Nr. 5 KiStG NW i.V.m. § 6 Abs. 1 Nr. 5 KiStO können Kirchensteuern als besonderes Kirchgeld von Kirchensteuerpflichtigen, deren Ehegatte nicht kirchensteuerpflichtig ist (glaubensverschiedene Ehen) erhoben werden. Bemessungsgrundlage ist das gemeinsame zu versteuernde Einkommen gemäß § 4 Abs. 2 Satz 2 KiStG NW i.V.m. § 6 Abs. 2 KiStO. Das besondere Kirchgeld wird gemäß § 11 Abs. 2 KiStO nach Maßgabe einer besonders festzulegenden Steuertabelle erhoben, wobei Staffelung und Bemessungsgrundlage durch Kirchensteuerbeschluss festgelegt werden. Der entsprechende Beschluss des Beklagten wurde am 02.12.2000 gefasst. Zum besonderen Kirchgeld herangezogen werden nach der Systematik der vorgenannten Regelungen nur zusammen zur Einkommensteuer veranlagte Ehegatten (s.a. FinMin NW Erlass vom 08.08.2001 S 2440-1/18-V B 2, StEd 2001, 573) .
24Die Klägerin war im Streitjahr Mitglied der Evangelischen Kirche im Rheinland und wurde mit ihrem Ehemann, der keiner kirchensteuerhebungsberechtigten Kirche angehört, zusammen zur Einkommensteuer veranlagt. Die Voraussetzungen der vorgenannten Vorschriften liegen damit vor.
25Die das besondere Kirchgeld betreffenden Regelungen im KiStG NW, in der KiStO und im Kirchensteuerbeschluss vom 02.12.2000 sind rechtmäßig zustande gekommen und verfassungsrechtlich unbedenklich.
26Bedenken gegen die Rechtmäßigkeit ergeben sich insbesondere nicht aus der mangelnden Bekanntgabe gegenüber der Klägerin. Mit der Änderung des Kirchensteuergesetzes hat der Landesgesetzgeber unter anderem die Evangelische Kirche im Rheinland, der die Klägerin angehörte, ermächtigt, Kirchensteuern in Form des besonderen Kirchgeldes zu erheben. Von dieser Ermächtigung hat der Beklagte mit Kirchensteuerordnung vom 27.10.2000 mit Wirkung ab dem Steuerjahr 2001 Gebrauch gemacht.
27Nach Art. 140 GG i.V.m. Art. 137 Abs. 6 Weimarer Reichsverfassung (WRV) sind die Religionsgesellschaften berechtigt, nach Maßgabe der landesrechtlichen Bestimmungen Steuern zu erheben. Gemäss § 1 KiStG NW erhebt die evangelische Kirche im Land Nordrhein-Westfalen Kirchensteuern aufgrund eigener Steuerordnungen. Um eine solche Steuerordnung handelt es sich bei der KiStO.
28Die Änderung der Kirchensteuerordnung ist auch ordnungsgemäß zustande gekommen, insbesondere ist sie rechtmäßig bekannt gemacht worden.
29Nach dem Prinzip der formellen Festsetzungsverkündung ist es für das Inkrafttreten eines Gesetzes nicht erforderlich, dass es tatsächlich allgemein bekannt gemacht worden ist. Es genügt, dass in einer Weise der Öffentlichkeit zugänglich gemacht wird, die es dem Bürger gestattet, sich Kenntnis vom Inhalt des Gesetzes zu verschaffen. Hierfür ist nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts die Verkündung von Bundesgesetzen im Bundesgesetzblatt gemäss Art. 82 Abs. 1 Satz 1 Grundgesetz (BVerfGE 16, 6, 18), für Gesetze des Landes Nordrhein-Westfalen entsprechend im Gesetz- und Verordnungsblatt Nordrhein-Westfalen erforderlich (vgl. FG Baden-Württemberg, Urteil vom 12.03.2004 9 K 43/01, EFG 2004, 1246). Gemäss Art. 187 Abs. 2 der Kirchenordnung der Evangelischen Kirche im Rheinland in der Fassung des Streitjahres bedürfen kirchliche Gesetze zu der auch die KiStO gehört der Verkündung im kirchlichen Amtsblatt. Dies ist in der Ausgabe vom 29.11.2000, Seite 297 ff. erfolgt.
30Die Erhebung des besonderen Kirchgeldes führt weder dazu, dass der nichtkirchenangehörige Ehemann der Klägerin zu Kirchensteuern herangezogen wird, noch wird die Klägerin über ihre wirtschaftliche Leistungsfähigkeit hinaus besteuert.
31Das BVerfG hat mit Urteil vom 14.12.1965 (1 BvR 606/60, BStBl I 1966, 196), entschieden, dass die Kirche nur den ihr angehörigen Ehegatten besteuern darf. Das Gericht hat weiter ausgeführt, dass es unbillig erscheinen könne, wenn der kirchenangehörige Ehegatte mangels eigenen Einkommens im Sinne des Einkommensteuerrechts kirchensteuerfrei bliebe, obwohl sich - angesichts eines hohen Einkommens seines nicht der Kirche angehörenden Ehepartners - seine wirtschaftliche Leistungsfähigkeit durch die Ehe erhöht hat. Als zulässiges Besteuerungsmerkmal, das nur in der Person des kirchenangehörigen Ehegatten gegeben sei, komme dessen Lebensführungsaufwand in Betracht. Die Kirchensteuer müsse dann ihrer Höhe nach in angemessenem Verhältnis zu dem tatsächlichen Lebenszuschnitt des steuerpflichtigen Ehegatten stehen und dürfe nicht schematisch jeder Veränderung des Einkommens des anderen Ehegatten unbegrenzt folgen, weil der normale Lebensaufwand bestimmte Grenzen nicht überschreite.
32Angesichts der Schwierigkeiten, den Lebensführungsaufwand des kirchenangehörigen Ehegatten i.S. der Rechtsprechung des BVerfG zu ermitteln, ist es im Rahmen einer Typisierung als verfassungsrechtlich zulässig anzusehen, in Fällen der Zusammenveranlagung die Erhebung des Kirchgeldes nach der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit des kirchenangehörigen Ehegatten auf der Grundlage des Einkommens beider Ehegatten zu regeln. Voraussetzung ist, dass bei Aufstellung des Tarifes ausreichend berücksichtigt wird, dass die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit des kirchenangehörigen Ehegatten bei geringerem Einkommen beider Ehegatten stark eingeschränkt ist, ein Teil des gemeinsamen Einkommens nicht zur Erhöhung des Lebensführungsaufwandes führt und von einer gewissen Einkommenshöhe an der Lebensführungsaufwand nicht mehr steigt (Vorlagebeschlüsse des BFH vom 14.12.1983 II R 170/81, BStBl II 1984, 332, und II R 198/81, n.v. juris Web Dokumentennr. STRE845014260; Urteile des FG Bremen vom 14.01.2004 2 K 223/03 (1), EFG 2004, 587 und des FG Düsseldorf vom 18.06.2004 1 K 6487/02 Ki, EFG 2004, 1547 und vom 23.07.2004 n.v., juris Web Dokumentennr. STRE200471865). Das gemeinsame Einkommen wird insoweit nur als Hilfsmaßstab für den als solchen nicht oder nur mit erheblichen Schwierigkeiten messbaren Lebensführungsaufwand verwendet (Urteil des BVerwG vom 18.02.1977 VII C 48.73, BB 1978, 439). Da zwischen der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit und dem Lebensführungsaufwand eines Ehegatten und dem Einkommen beider Ehegatten Abhängigkeiten bestehen, stellt das gemeinsame Einkommen für die Erhebung des Kirchgeldes eine system- und sachgerechte Ausgangsgröße dar (Beschluss des BFH vom 22.01.2002 I B 18/01, BFH/NV 2002, 674; Verfassungsbeschwerde mit Beschluss vom 05.08.2002 2 BvR 685/02 nicht zur Entscheidung angenommen). Der bei der Zusammenveranlagung anzuwendende Splittingtarif beruht auf der Vorstellung, dass zusammen lebende Ehegatten eine Gemeinschaft des Erwerbs und des Verbrauchs bilden, in der jeder Ehegatte an dem Einkommen des anderen zur Hälfte teil hat, auch wenn die Einkünfte als solche von dem anderen Ehegatten im Sinne von § 2 Abs. 1 EStG erzielt werden. Da die Leistungsfähigkeit jedes der zusammen lebenden Ehegatten durch das gemeinsam erzielte Einkommen gesteigert wird, darf sich die Steuererhebung an dieser Größe orientieren (vgl. Urteil des BFH vom 15.03.1995 I R 85/94, BStBl II 1995, 547; dort zur konfessionsverschiedenen Ehe, zu allem auch Urteile FG Düsseldorf in EFG 2004, 1547 und in juris Web Dokumentennr. STRE200471865).
33Diesen Grundsätzen, denen sich der Senat anschließt, entspricht die Regelung des besonderen Kirchgeldes im Streitfall. Der Kirchensteuerbeschluss des Beklagten ordnet einer in dreizehn Stufen gestaffelten Bemessungsgrundlage des zu versteuernden Einkommens der Ehegatten von 60.000 DM bis über 600.000 DM jeweils ein sich progressiv erhöhendes Kirchgeld zwischen 180 DM und 7.200 DM zu. Die Ausgestaltung des Staffeltarifes zeigt, dass die Erhebung des besonderen Kirchgeldes in der Sache nicht das Ehegatteneinkommen und auch nicht dessen Hälfte, sondern den Lebensführungsaufwand des der Kirche angehörenden Ehegatten zum Gegenstand hat. Vergleicht man das in der Tabelle festgelegte Kirchgeld mit der sich nach dem Halbteilungsgrundsatz ergebenden Kirchensteuer (Hälfte des Kirchensteuerbetrages, der zu zahlen wäre, wenn beide Ehegatten der Kirche angehören würden), so ergibt sich für sämtliche Stufen, dass das Kirchgeld deutlich hinter dem Zuschlag zur Einkommensteuer zurück bleibt, der bei Zusammenveranlagung in glaubensgleichen Ehen als Kirchensteuer hälftig auf jeden der beiden Ehegatten entfiele. Zudem wird das Kirchgeld überhaupt erst ab der nicht unbeträchtlichen Einkommenshöhe von 60.000 DM erhoben und berücksichtigt damit ausreichend, dass der Lebensführungsaufwand bei geringerem Familieneinkommen eingeschränkt ist. Von einem Einkommen i.H.v. mehr als 600.000 DM an steigt das Kirchgeld nicht mehr und trägt so dem Umstand Rechnung, dass ab einer gewissen Höhe das Einkommen typischerweise nicht mehr in vollem Umfang zur Deckung des laufenden Unterhaltsbedarfs und damit zur Lebensführung verwendet wird, sondern auch und gerade zur Vermögensbildung. Individuelle Unterschiede oder Sonderbelastungen, die sich etwa aus unterschiedlichen Familiensituationen ergeben, werden durch die beträchtliche Spannweite der einzelnen Einkommensstufen aufgefangen, darüber hinaus durch die geringe Höhe des Kirchgeldes gemildert und schließlich durch die Möglichkeiten von Billigkeitsentscheidungen nach der Abgabenordnung nochmals reduziert (Urteile FG Düsseldorf in EFG 2004, 1547 und in juris Web Dokumentennr. STRE200471865). Etwaige Unterschiede in der Belastung können damit die Kirchgeldregelung nicht in Frage stellen; der Steuergesetzgeber darf im Interesse der Praktikabilität in erheblichem Umfang typisieren und insoweit den Grundsatz der Gleichmäßigkeit der Besteuerung hinter dem Grundsatz der generellen Gleichmäßigkeit zurücktreten lassen (vgl. Urteil des BVerwG vom 18.02.1977 VII C 48.73, BB 1978, 439).
34Eine unzulässige Besteuerung des Einkommens des nicht der Kirche angehörenden Ehemannes der Klägerin liegt auch deshalb nicht vor, weil das besondere Kirchgeld mit 2.400 DM nur rund 0,.. % der Bemessungsgrundlage des gemeinsamen zu versteuernden Einkommens ausmacht und damit deutlich unter der Höhe des rund 5 % betragenden Taschengeldanspruchs liegt, den die einkommenslose Ehefrau gegen ihren Ehemann allein zur Befriedigung ihrer persönlichen Bedürfnisse - also keineswegs ihres gesamten Lebensführungsaufwandes - gemäß § 1360 a des Bürgerlichen Gesetzbuchs (BGB) hat (vgl. Urteil des BVerwG vom 18.02.1977 VII C 48.73, BB 1978, 439; Urteile des FG Bremen in EFG 2004, 587 und des FG Düsseldorf in EFG 2004, 1547 und in juris Web Dokumentennr. STRE200471865). Zudem hat der allein verdienende Ehegatte seinem einkommenslosen, der Kirche angehörenden Ehepartner unabhängig vom Güterstand die Mittel zur Erfüllung der Kirchgeldschuld bereits im Rahmen des Ehegattenunterhalts zur Verfügung zu stellen; der zivilrechtliche Kirchgeld-Unterhaltsanspruch ist durch die Glaubensfreiheit (Art. 4 Abs. 1 GG) des Kirchenmitgliedes geschützt, die der kirchenfremde Ehegatte infolge der Heirat zu beachten hat und kann nicht wirksam abbedungen werden (Urteile des FG Bremen in EFG 2004, 587 und des FG Düsseldorf in EFG 2004, 1547 und in juris Web Dokumentennr. STRE200471865).
35Auch aus der Nichterhebung von besonderem Kirchgeld in anderen evangelischen Gemeinden außerhalb des Beklagten oder in den katholischen Gemeinden kann entgegen der Ansicht der Klägerin kein Verstoß gegen den sich aus Art. 3 Abs. 1 Grundgesetz (GG) ergebenden Gleichheitsgrundsatz gesehen werden. Abgesehen davon, dass in Nordrhein-Westfalen die drei Evangelischen Landeskirchen mittlerweile besonderes Kirchgeld erheben, ist es jeder Kirche im Rahmen ihres grundgesetzlich garantierten Selbstverwaltungsrecht überlassen, ob sie von der durch den Landesgesetzgeber im KiStG NW geschaffenen Möglichkeit der Erhebung besonderen Kirchegeldes Gebrauch machen. Nach Artikel 140 GG i.V.m. Art. 136 Abs. 6 und 8 der Weimarer Verfassung (WRV) unterliegt die Erhebung von Kirchensteuern der ausschließlichen Gesetzgebung der Länder. Der nordrhein-westfälische Gesetzgeber hat mit den Bestimmungen der §§ 1 und 4 Abs. 1 Nr. 5 KiStG NW sowohl die evangelische als auch die katholische Kirche ermächtigt, aufgrund eigener Steuerordnungen ein besonderes Kirchgeld zu erheben und sich lediglich die staatliche Anerkennung der Kirchensteuerordnungen und -beschlüsse vorbehalten, vgl. § 16 Abs. 1 KiStG NW. Gegen die Erteilung dieser Ermächtigung durch den Landesgesetzgeber bestehen im Hinblick auf das in Art. 140 GG i.V.m. Art. 137 Abs. 3 Satz 1 WRV garantierte kirchliche Selbstverwaltungsrecht keine verfassungsrechtlichen Bedenken (vgl. Beschluss des BVerfG vom 23.10.1986 2 BvL 7/84 und 8/84, HFR 1987, 143; Urteil FG Düsseldorf in EFG 2004, 1547).
36Auch über die von der Klägerin aufgeworfenen verfassungsrechtlichen Bedenken hinaus konnte die bisherige Rechtsprechung, der sich der Senat ausdrücklich anschließt, keine Verstöße des besonderen Kirchgeldes gegen Grundrechte feststellen. Insbesondere verstößt das besondere Kirchgeld nicht gegen das sich aus dem Rechtsstaatsprinzip (Art. 20 Abs. 3 GG) ergebende Rückwirkungsverbot. Das nur bei zusammen zur Einkommensteuer veranlagten Ehegatten und nicht bei anderen Veranlagungsformen oder Ledigen, Geschiedenen und Lebenspartnern nach dem Lebenspartnerschaftsgesetz erhobene besondere Kirchgeld verstößt auch weder gegen den Gleichheitsgrundsatz aus Art. 3 Abs. 1 GG noch gegen den in Art. 6 Abs. 1 GG angeordneten Schutz von Ehe und Familie. Auch die Nichterhebung des besonderen Kirchgeldes bei zusammen zur Einkommenstuer veranlagten Ehegatten, die gem. § 46 EStG keiner Veranlagungspflicht unterliegen und auch keine Einkommensteuererklärung abgeben, führt nicht zu einem strukturellen Vollzugshindernis und damit zu keinem Verstoß gegen das sich aus Art. 3 Abs. 1 GG ergebende Gebot der Gleichmäßigkeit der Besteuerung (zu allem ausführlich: Urteile des FG Bremen in EFG 2004, 587 und des FG Düsseldorf in EFG 2004, 1547 und in juris Web Dokumentennr. STRE200471865).
37Die Kostenentscheidung folgt aus § 135 Abs. 1 FGO.
38Die Revision wird gemäß § 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache zugelassen; und zwar im Hinblick darauf, ob ein verfassungswidriges Erhebungsdefizit wegen der Nichterhebung des besonderen Kirchgeldes bei nicht veranlagungspflichtigen Ehegatten besteht. Diese für eine Vielzahl gleichgelagerter Fälle wesentliche Frage ist bisher höchstrichterlich nicht geklärt, entsprechende Revisionsverfahren in gleichgelagerten Fällen sind bereits anhängig (Az. des BFH I R 92/04 und I R 76/04). Die übrigen Streitfragen sind dagegen in Rechtsprechung und Literatur bereits hinreichend geklärt.
Verwandte Urteile
Keine verwandten Inhalte vorhanden.
Referenzen
This content does not contain any references.