Beschluss vom Finanzgericht Köln - 10 Ko 783/11
Tenor
Die Erinnerung wird zurückgewiesen.
Die Erinnerungsführer tragen die Kosen des Erinnerungsverfahrens.
1
Gründe:
2I.
3Zwischen den Beteiligten sind verschiedene Positionen bei der Berechnung der den Erinnerungsführern vom Erinnerungsgegner zu erstattenden Kosten streitig.
4Die Erinnerungsführer hatten als Gesellschafter einer Gesellschaft bürgerlichen Rechts zunächst die Klage 10 K 1833/00 erhoben. Der Bundesfinanzhof hat das in dieser Sache ergangene Urteil des Finanzgerichts Köln aufgehoben und die Sache zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung an das Finanzgericht Köln zurückverwiesen. Daraufhin ist das Urteil 10 K 3457/08 ergangen, in dem die Kosten des Verfahrens zu 20 % den Erinnerungsführern und zu 80 % dem Erinnerungsgegner auferlegt wurden. Gegen dieses Urteil haben die Erinnerungsführer Revision beim Bundesfinanzhof eingelegt, die dort unter dem Az.: IV R 29/09 anhängig ist.
5Am 12. Juli 2010 beantragten die Erinnerungsführer, die ihnen vom Erinnerungsgegner zu erstattenden Kosten festzusetzen. Dabei gingen sie von einem Gegenstandswert in Höhe von 50% des im Gewinnfeststellungsbescheid 1994 angesetzten Gesamtgewinns aus. Der Erinnerungsgegner hatte den Gewinn 1994 fast in voller Höhe als begünstigten Aufgabegewinn festgestellt. Für 1995 und 1996 gingen sie von 10% dieses in 1994 angesetzten Gesamtgewinns aus. Zusätzlich machten sie eine Erhöhungsgebühr von zweimal 3/10 geltend, da es sich um mehrere Auftraggeber gehandelt habe.
6Die Kostenbeamtin des Finanzgerichts setzte die den Erinnerungsführern zu erstattenden Kosten mit Beschluss vom 15. Februar 2011 fest. Dabei rechnete sie die Einzelstreitwerte 1994 bis 1996 zusammen, da es sich um dieselbe Angelegenheit handele. Sie ging für 1994 von einem Streitwert in Höhe von 25% des festgestellten Gewinns aus. Sie setzte keine Erhöhungsgebühr an, da sie die Auffassung vertrat, dass der Mehraufwand des Bevollmächtigten bereits durch die Zusammenrechnung der Einzelstreitwerte berücksichtigt werde. Schließlich rechnete sie die auf den ersten Rechtsgang entstandene Verfahrensgebühr auf die im zweiten Rechtsgang entstandene Verfahrensgebühr an.
7Mit der zulässigen Erinnerung tragen die Erinnerungsführer vor:
8Für 1994 sei der Streitwert mit 50% des Feststellungsbetrags anzusetzen. Für 1995 und 1996 seien 10% des Feststellungsbetrags angebracht.
9Eine Erhöhungsgebühr sei anzusetzen. Es liege keine Addition mehrerer Einzelstreitwerte zu einem Gesamtstreitwert vor. Vielmehr betrage der Streitwert bei einheitlich und gesonderter Feststellung von Einkünften pauschal 25 % bzw. einen höheren Prozentsatz. Eine Addition erfolge gerade nicht.
10Die Geschäftsgebühr des Vorverfahrens, die ein Steuerberater geltend mache, sei nicht auf die Verfahrensgebühr des Rechtsanwalts im Klageverfahren anzurechnen.
11Auch sei die Verfahrensgebühr des ersten Rechtsgangs nicht auf die Verfahrensgebühr des zweiten Rechtsgangs anzurechnen, da zwischen diesen beiden Aufträgen mehr als zwei Jahre lägen (Hinweis auf § 15 Abs. 5 Satz 2 RVG).
12Schließlich solle der Streitwert des Vorverfahrens sich nach dem im Vorverfahren streitigen Betrag ermitteln, auch wenn nur ein niedrigerer Betrag ins Klageverfahren übergegangen sei.
13Die Erinnerungsführer beantragen sinngemäß,
14den angefochtenen Kostenfestsetzungsbeschluss mit der Maßgabe zu ändern, dass die ihnen zu erstattenden Kosten gemäß dem Schriftsatz vom 12. Juli 2010 mit Ausnahme der bisher für das Einspruchsverfahren geltend gemachten Besprechungsgebühr festgesetzt werden.
15Der Erinnerungsgegner beantragt,
16die Erinnerung zurückzuweisen.
17II.
18Die zulässige Erinnerung ist unbegründet.
19Der angefochtene Kostenfestsetzungsbeschluss ist rechtmäßig und verletzt die Erinnerungsführer deshalb nicht in ihren Rechten, vgl. § 100 Abs. 1 Satz 1 der Finanzgerichtsordnung – FGO – analog.
201. Streitwert des Klageverfahrens
21a) 1994
22Die Kostenbeamtin hat den Streitwert zutreffend ermittelt.
23aa) Nach § 13 Abs. 1 Satz 1 des Gerichtskostengesetzes in der bis zum 30. Juni 2004 geltenden Fassung – GKG a.F. – bzw. § 52 Abs. 1 des Gerichtskostengesetzes in der ab 1. Juli 2004 geltenden Fassung – GKG n. F: - bestimmt sich der Streitwert im Verfahren vor den Gerichten der Finanzgerichtsbarkeit nach der sich aus dem Antrag des Klägers für ihn ergebenden Bedeutung der Sache. Bei Klagen gegen Bescheide über die gesonderte und einheitliche Feststellung von Einkünften ist dabei nicht die konkrete einkommensteuerliche Auswirkung zugrunde zu legen, sondern nach der typisierten einkommensteuerlichen Bedeutung für den Kläger. Diese ist nach ständiger Rechtsprechung grundsätzlich auf 25 v. H. des streitigen Gewinns zu bemessen. Der Ansatz eines höheren oder niedrigeren Prozentsatzes kommt dann in Betracht, wenn ohne besondere Ermittlungen im Gewinnfeststellungsverfahren erkennbar ist, dass der Pauschalsatz von 25 v.H. den tatsächlichen einkommensteuerlichen Auswirkungen nicht gerecht wird (allgemeine Auffassung, vgl. nur Bundesfinanzhof – BFH – Beschluss vom 29. September 2005 IV E 5/05, BFH/NV 2006, 315). Wird allerdings nur darum gestritten, ob der der Höhe nach unstreitige Gewinn begünstigt zu versteuern ist, so werden je nach Höhe der Einkünfte 10 bis 25 % des streitigen Gewinns als Streitwert angenommen (Beschluss des Senats vom 09.02.2009 10 Ko 2120/08; Brandis in Tipke/Kruse, AO/FGO, vor § 135 FGO Tz. 204 (Stand Mai 2010)).
24bb) Im Streitfall ging es zwar nicht nur um die Frage, ob der Höhe nach unstreitiger Gewinn begünstigt zu besteuern ist, sondern vielmehr darum, ob überhaupt ein Gewinn entstanden ist oder ob die Übertragung der Wirtschaftsgüter nicht zum Buchwert zu erfolgen hatte. Da aber der Erinnerungsgegner den Gewinn als begünstigten Gewinn festgestellt hat, ist auch hier das Interesse der Erinnerungsführer nur mit 25% des streitigen Gewinns zu bemessen.
25cc) Die vorstehenden Ausführungen gelten für den Fall, dass die Personengesellschaft selber in Prozessstandschaft für ihre Gesellschafter Klage erhoben hat. In diesem Fall gilt das Interesse auf die Reduzierung des Gesamtgewinns und damit auf die steuerliche Auswirkung für alle Gesellschafter.
26dd) Klagt dagegen nur einer der Gesellschafter oder diese jeweils einzeln gegen einen Gewinnfeststellungsbescheid, ist der Streitwert lediglich von dem Betrag zu berechnen, um den der Gewinnanteil des klagenden Gesellschafters zu vermindern wäre (BFH, Beschluss vom 29.09.2005 IV E 5/05, BFH/NV 2006, 315, Rz. 18 mit Rechtsprechungsnachweisen).
27ee) Klagen mehrere oder alle Gesellschafter, jedoch als natürliche Personen und nicht in ihrer Verbundenheit als Personengesellschaft, so sind die entsprechenden Einzelstreitwerte, die sich nach ihren prozentualen Anteil an der Personengesellschaft richten, zu addieren. Bei dieser gemeinschaftlichen Klage mehrerer Gesellschafter handelt es sich um dieselbe Angelegenheit, nämlich die zutreffende Feststellung der Einkünfte der Personengesellschaft. Nach § 22 Abs. 1 des Rechtsanwaltsvergütungsgesetzes – RVG – werden die Werte mehrerer Gegenstände in derselben Angelegenheit zusammengerechnet.
28b)1995 und 1996
29Hier war streitig, ob überhaupt gemeinschaftliche Einkünfte erzielt wurden. Dies hatte der Erinnerungsgegner durch Erlass negativer Feststellungsbescheide verneint. In solch einem Fall ist der Streitwert mit 10 % des streitigen Betrags anzusetzen (Brandis, a.a.O., Tz. 201 mit Rechtsprechungsnachweisen). Die Kostenbeamtin hat hier zu Recht 10 % von den ursprünglich erklärten Einkünften berücksichtigt.
30c) Schließlich sind die Streitwerte der Verfahren für 1994, 1995 und 1996 zu einem Gesamtstreitwert zusammenzufassen. Dies ergibt sich bereits daraus, dass die Erinnerungsführer eine einheitliche Klage erhoben haben.
312. Streitwert des Vorverfahrens
32Entgegen der Auffassung der Erinnerungsführer ist für das Vorverfahren nicht von einem höheren Streitwert auszugehen. Nach § 139 Abs. 3 Satz 3 FGO sind die Gebühren und Auslagen eines Bevollmächtigten erstattungsfähig, „soweit“ ein Vorverfahren geschwebt hat. Sinn dieser Vorschrift ist, dass die Kosten eines Vorverfahrens nur insoweit erstattungsfähig sind, als sich der Streit bis ins Klageverfahren fortgesetzt hat. Kosten eines Vorverfahrens, das nicht ins Klageverfahren übergegangen ist, sind nicht er-stattungsfähig. Damit kann der Streitwert des Vorverfahrens niemals höher sein als der Streitwert des Klageverfahrens.
333. Anrechnung der Geschäftsgebühr des Vorverfahrens auf die Verfahrensgebühr des Klageverfahrens
34Nach Vorbemerkung 3 Abs. 4 des Vergütungsverzeichnisses zum Rechtsanwaltsvergütungsgesetz – VV RVG – wird die Geschäftsgebühr zur Hälfte, jedoch höchstens mit einem Gebührensatz von 0,75 angerechnet. Diese Anrechnung gilt nach Auffassung des beschließenden Senats auch für Steuerberater (vgl. Beschlüsse vom 26. Februar 2007 10 Ko 1308/06, Entscheidungen der Finanzgerichte – EFG – 2007, 953 und vom 18. Mai 2010 10 Ko 3184/09, EFG 2010, 1642). Der Senat nimmt zur Begründung auf die vorgenannten Beschlüsse Bezug.
354. Anrechnung der Verfahrensgebühr des ersten Rechtsgangs auf die Verfahrensgebühr des zweiten Rechtsgangs
36Die Kostenbeamtin hat ebenfalls zu Recht die im ersten Rechtsgang entstandene Verfahrensgebühr auf die im zweiten Rechtsgang entstandene Verfahrensgebühr angerechnet. Die Anrechnung ergibt sich eindeutig aus Vorbemerkung 3 Abs. 6 VV RVG. Die hiergegen von den Erinnerungsführern vorgetragenen Bedenken greifen nicht durch. § 15 Abs. 5 Satz 2 RVG ist nicht einschlägig. Sinn dieser Vorschrift ist, dass ein Anwalt die Gebühren erneut erhalten soll, wenn er sich nach Ablauf einer gewissen Zeit erneut in die Sache einarbeiten muss. Deshalb ist die Vorschrift nach ihrem Sinn nicht anzuwenden, wenn der Anwalt im ersten Rechtsgang sowohl beim Finanzgericht als auch beim Bundesfinanzhof und dann wiederum im zweiten Rechtsgang beim Finanzgericht tätig gewesen ist. Dann besteht für ihn nicht die Notwendigkeit, sich erneut in die Sache einzuarbeiten.
375. Erhöhungsgebühr
38Eine Erhöhungsgebühr nach Nr. 1008 VV RVG ist nicht anzusetzen. Eine Kumulation der gesetzlichen Gebührenerhöhungssysteme durch die Addition der auf alle Beteiligten entfallenden Streitwerte und den Ansatz einer Erhöhungsgebühr ist unzulässig.
39a) Die Gebühr des Anwalts bestimmt sich gemäß § 2 Abs. 1 RVG nach dem Wert, den der Gegenstand der anwaltlichen Tätigkeit hat (Gegenstandswert). In derselben Angelegenheit werden die Werte mehrerer Gegenstände gemäß § 22 Abs. 1 RVG zusammengerechnet. Wird der Rechtsanwalt für eine Auftraggebermehrheit in derselben Angelegenheit tätig, erhält er die Gebühren nur einmal, § 7 Abs. 1 RVG; soweit in Fällen der Auftraggebermehrheit der Gegenstand der anwaltlichen Tätigkeit derselbe ist, erhält der Rechtsanwalt eine 0,3 Erhöhungsgebühr (Nr. 1008 VV RVG). Über diese Gebührenerhöhung berücksichtigt das Gesetz, dass eine Auftraggebermehrheit für den Rechtsanwalt typischerweise zu einer Vermehrung der Arbeit und außerdem zu einer Erhöhung des Haftungsrisikos führt.
40b) Aus der Zusammenrechnung der Werte für „mehrere Gegenstände“ einerseits und andererseits dem Ansatz einer 0,3 Erhöhungsgebühr bei Auftraggebemehrheit, soweit der Gegenstand der anwaltlichen Tätigkeit derselbe ist, entnimmt der beschließende Senat, dass eine Doppelbegünstigung durch Zusammenrechnung der auf die Beteiligten entfallenden Gegenstandswerte und dem zusätzlichen Ansatz einer Erhöhungsgebühr eine unzulässige Kumulation der gesetzlichen Gebührenerhöhungsysteme darstellen würde (Beschluss des Senats vom 7. September 1996 10 Ko 4446/95, EFG 1997, 127 und vom 23. April 2012 10 Ko 1766/11; für die Gewinnfeststellungsbescheide ferner Thüringer FG; Beschluss vom 25.01.2000 – II 6/99 Ko, EFG 2000, 651 und FG Düsseldorf, Beschluss vom 12. Mai 2010 15 Ko 4622/09 KF, EFG 2011, 271).
41c) Im Streitfall ist der Bevollmächtigte zwar für mehrere Auftraggeber in derselben Angelegenheit tätig geworden (vgl. die Ausführungen zum Streitwert); diese Tätigkeit betraf aber verschiedene Gegenstände der anwaltlichen Tätigkeit, sodass der Ansatz einer Erhöhungsgebühr gemäß Nr. 1008 VV RVG ausgeschlossen ist.
42Der Gegenstand der anwaltlichen Tätigkeit war nicht derselbe. Bei der einheitlichen und gesonderten Gewinnfeststellung streiten die Beteiligten nicht über die Geltendmachung einer jeden Erinnerungsführer in gleicher Weise treffenden steuerlichen Gesamtauswirkung. Vielmehr streiten die Erinnerungsführer über die Summe der sie betreffenden steuerlichen Auswirkungsbeträge. Dass die Gewinnanteile aus Gründen der Zweckmäßigkeit verfahrensrechtlich in einem gesonderten und einheitlichen Verfahren festgestellt werden, ändert nichts an der Tatsache, dass die Beteiligten des Feststellungsverfahrens Steuersubjekt für die Einkommensteuer sind und bleiben und die festgestellten und ihnen zugerechneten Anteile sich erst im Rahmen der jeweiligen Einkommensteuerfestsetzung auswirken. In Übereinstimmung hierzu kommt auch beim Streitwert bei der einheitlichen und gesonderten Gewinnfeststellung die Summe der den einzelnen Verfahrensbeteiligten betreffenden steuerlichen Auswirkungsbeträge zum Ansatz. Diese werden nur pauschaliert ermittelt, da die Ermittlung für jeden einzelnen gegen das Steuergeheimnis verstoßen würde.
436. Die Kostenentscheidung folgt aus § 135 Abs. 1 FGO.
44Die Entscheidung über die Erinnerung ergeht gerichtsgebührenfrei, weil das Kostenverzeichnis eine Gebühr für diesen Beschluss nicht vorsieht. Die Pflicht zur Kostentragung beschränkt sich demgemäß auf die Auslagen des Gerichts aus die außergerichtlichen Kosten.
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