Urteil vom Finanzgericht Köln - 11 K 2623/09
Tenor
1 Die Klage wird abgewiesen.
2 Die Kosten des Verfahrens trägt die Klägerin.
3 Die Revision wird zugelassen.
1
Tatbestand
2Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob der Klägerin ein Erstattungsanspruch zusteht.
3Die Klägerin und ihr Ehemann wurden mit Bescheid vom 26.08.2003, zuletzt geändert mit Steuerbescheid vom 07.11.2003, zusammen zur Einkommensteuer 2001 veranlagt. Die sich aus dem Steuerbescheid vom 26.08.2003 ergebende Zahllast in Höhe von ins-gesamt 246.562,13 € wurde am 23.09.2003 beglichen. Die Festsetzung der Steuerschuld basierte allein auf Einkünften des Ehemanns, da die Klägerin im Ergebnis negative Einkünfte hatte.
4Der Zahlung war eine Pfändungs- und Einziehungsverfügung vom 08.09.2003 über Abgaben in Höhe von 252.035,43 € an die Kreissparkasse L hinsichtlich der Konten des Ehemanns der Klägerin, insbesondere des Geschäftskontos mit der Nr. a vorausgegangen. Zur Drittschuldnerzahlung vom Geschäftskonto in voller Höhe kam es, nachdem die Klägerin Geldbeträge in Höhe von 126.185,28 € und 122.972,46 € von ihren Sparkonten bei der Kreissparkasse auf dieses Konto eingezahlt hatte. Sowohl die Zahlungsanweisung der Klägerin vom 22.09.2003 als auch die Mitteilung ihres Ehemanns an die Kreissparkasse L vom 22.09.2003, dass die Geldbeträge im Hinblick auf die erfolgte Pfändung überwiesen werden sollen, reichte der Ehemann dem Beklagten unter Bezugnahme auf vorherige telefonische Abstimmungen ebenfalls mit Schreiben vom 22.09.2003 ein.
5Mit Schreiben vom 30.07.2006 beantragte die Klägerin für das Streitjahr die getrennte Veranlagung. Daraufhin hob der Beklagte den Bescheid über die Zusammenveranlagung auf und erließ mit Datum vom 09.01.2008 einen Bescheid über die getrennte Veranlagung nach § 26a EStG. Auf Grund der Anrechnung von Lohnsteuerabzugsbeträgen sowie Kapitalertragssteuer und Zinsabschlag ergab sich für die Klägerin ein Guthaben in Höhe von 15.128,62 €, welches am 10.01.2008 auf ihr Konto erstattet wurde. Eine Berücksichtigung der ursprünglich von ihren Sparkonten stammenden Beträge, die im Rahmen der Pfändungs- und Einziehungsverfügung am 23.09.2003 an den Beklagten gelangt sind, erfolgte nicht. Diese Beträge wurden vielmehr auf Steuerrückstände des Ehemanns der Klägerin umgebucht (Umbuchungsanweisung vom 21.01.2008).
6Im Schreiben vom 20.05.2008 bat die Klägerin um Klärung, was mit der Zahlung in Höhe von 252.035,43 € vom 23.09.2003 geschehen sei. Nach ihren Ausführungen im Schreiben vom 27.06.2008 sei die Zahlung der Steuerschuld 2001 ausweislich der vorgelegten Unterlagen von ihr bewirkt worden, weshalb sie um Ausgleich dieses Betrages auf ihr Konto bei der E Bank bat. Mit einer weiteren ausführlichen Begründung bat die Klägerin im Schreiben vom 15.09.2008 um Stattgabe ihres Antrags, andernfalls um Erlass eines rechtsmittelfähigen Bescheids (Bl. 82 ff. der FG-Akte).
7Der Beklagte trat ihrer Auffassung entgegen und erließ mit Datum vom 16.10.2008 einen Abrechnungsbescheid zur Einkommensteuer 2001.
8Der hiergegen erhobene Einspruch der Klägerin hatte keinen Erfolg. Der Beklagte wies den Einspruch mit Entscheidung vom 24.07.2009 als unbegründet zurück.
9Nach § 218 Abs. 2 AO entscheide die Finanzbehörde mit einem Abrechnungsbescheid über Streitigkeiten, welche die Verwirklichung der Ansprüche im Sinne des § 218 Abs. 1 AO beträfen. Nach dieser Vorschrift seien Steuerbescheide, Steuervergütungsbescheide, Haftungsbescheide und Verwaltungsakte die Grundlage für die Verwirklichung von Ansprüchen aus dem Steuerschuldverhältnis. Der Abrechnungsbescheid entscheide also nur, inwieweit mit den vorgenannten Bescheiden festgestellte Ansprüche aus dem Steuerschuldverhältnis noch bestünden oder inzwischen ganz oder teilweise erloschen seien.
10Mit ihrem Anspruch begehre die Klägerin, neben der Anrechnung der von ihr gezahlten Lohnsteuerabzugsbeträge, der auf ihre Einnahmen aus Kapitalvermögen einbehaltenen Kapitalertragssteuer und des Zinsabschlags auch die Erstattung des, auf Grund des Pfändungs- und Überweisungsbeschlusses vom Konto ihres Ehemannes durch Drittschuldnerzahlung geleisteten Betrags in Höhe von 249.157,74 € (= Auflösung der Festgeldkonten und Einzahlung auf das Konto des Ehemanns).
11Diesem Begehren könne das Finanzamt nicht folgen. Auf Grund des Einkommensteuerbescheids vom 26.08.2003 über die Zusammenveranlagung der Einkommensteuer 2001 hätten die Eheleute die geforderten Steuerbeträge und Nebenleistungen als Gesamtschuldner geschuldet. Da die Steuerbeträge nicht fristgerecht entrichtet worden seien, habe das Finanzamt auf Grund der lt. Steuerbescheid erkennbaren Einkommenssituation den Ehemann der Klägerin als Vollstreckungsschuldner mit Verfügung vom 08.09.2003 in Anspruch genommen. Auf Grund der Drittschuldnerzahlung vom 23.09.2003 sei der Zahlungsanspruch erloschen.
12Hinsichtlich des mit der Aufhebung der Bescheide über die Zusammenveranlagung für das Streitjahr 2001 entstandenen Erstattungsanspruchs sei § 37 Abs. 2 AO zu beachten. Hiernach sei erstattungsberechtigt derjenige, auf dessen Rechnung die Zahlung bewirkt worden sei. Das sei nicht derjenige, auf dessen Kosten die Zahlung erfolgt sei. Es komme also grundsätzlich nicht darauf an, von wem und mit wessen Mitteln gezahlt worden sei, sondern nur darauf, wessen Steuerschuld nach dem Willen des Zahlenden, wie er im Zeitpunkt der Zahlung dem Finanzamt gegenüber erkennbar hervorgetreten sei, hätte getilgt werden sollen. Soweit Steuern erstattet würden, die im Wege des Steuerabzugs vom Arbeitslohn und den Kapitaleinnahmen einbehalten worden seien, stehe nach höchstrichterlicher Rechtsprechung fest, für wessen Rechnung welches Ehegatten diese Steuern an das Finanzamt abgeführt worden seien (BFH vom 15.04.1990, VII R 2/89, BStBl. II 1990, 719). Diese Rechtsprechung habe der Beklagte beachtet und diesbezüglich trage die Klägerin auch keine Einwände vor. Hinsichtlich der Drittschuldnerzahlung sei zu berücksichtigen, dass zu diesem Zeitpunkt dem Beklagten lediglich ein Schreiben des Herrn D an die Kreissparkasse vorgelegen habe, aus dem sich ergebe, dass er die Zahlungsanweisung der Ehefrau zwecks Umbuchung der Festgeldbeträge auf sein Konto weiterreiche und bitte die Zahlung der ausstehenden Steuerbeträge unter Angabe des Aktenzeichens der Pfändungs- und Einziehungsverfügung zu veranlassen. Hiernach sei erkennbar, dass der Ehemann der Klägerin zu diesem Zeitpunkt ausschließlich die von ihm als Vollstreckungsschuldner geforderten Beträge habe entrichten wollen.
13Eine anderweitige Tilgungsabsicht der einspruchsführenden Klägerin sei nach den Feststellungen des Finanzamts im Zeitpunkt der Zahlung nicht erkennbar. Welche Gründe und Abreden im Zahlungszeitpunkt im Innenverhältnis zwischen den Ehegatten die Klägerin veranlasst hätten, an Stelle der Beantragung eines Aufteilungsbescheides ihre Festgeldkonten aufzulösen und die Guthaben auf das Konto ihres Ehemannes zu überweisen, könne dahinstehen, da eine besondere Tilgungsbestimmung der Klägerin nicht vorliege. Es sei höchstrichterlich geklärt, dass eine einmal getroffene Tilgungsbestimmung, selbst wenn es keine ausdrückliche sei, nicht rückwirkend geändert werden könne (Senatsbeschluss vom 04.11.2003, VII B 382/02, BFH/NV 2004, 314; Urteil vom 18.02.1997 VII R 117/95, BFH/NV 1997, 482).
14Die hiergegen eingereichte Klage begründet die Klägerin zunächst damit, dass der Abrechnungsbescheid vom 16.10.2008 nichtig sei. Neben der fehlenden Unterschrift, die nach § 119 Abs. 3 Satz 2 AO erforderlich sei und bei Fehlen zur Formnichtigkeit nach § 125 Abs. 1 AO führe, sei er inhaltlich nichtig. Gemäß § 119 Abs. 1 AO müsse ein Verwaltungsakt inhaltlich hinreichend bestimmt sein. Es gehe um einen Erstattungsbetrag. Dieser Erstattungsbetrag werde in dem Abrechnungsbescheid nicht benannt, so dass der Bescheid inhaltlich nicht bestimmt sei und einen weiteren schwerwiegenden Fehler enthalte gemäß § 125 Abs. 1 AO. Der Bescheid sei nicht justiziabel, da niemand aus dem Bescheid erkennen könne, was zwischen den Parteien eigentlich streitig sei. Auch das BMF gehe davon aus, dass die streitige Forderung im Abrechnungsbescheid abgehandelt werden müsse (vgl. BMF-Schreiben vom 31.01.2013, Ziffern 3.5 bis 3.7). Im Bescheid selbst würden nur Einkommensteuer, Zinsen und Solidaritätszuschlag abgerechnet, die bereits an die Klägerin ausgezahlt worden seien und gar nicht streitig gewesen seien. Bei den abgerechneten Beträgen handele es sich um eine Erstattung, die ihre Grundlage im Einkommensteuerbescheid 2001 und der getrennten Veranlagung habe.
15Hätte der Beklagte auch die streitige Forderung abgerechnet, hätte er den Abrechnungsbescheid der Klägerin und ihrem Ehemann erteilen müssen. Die Eheleute schuldeten den streitigen Betrag als Gesamtschuldner. Nach Aufhebung des Schätzungsbescheides und dem damit verbundenen Wegfall des rechtlichen Grundes für die Zahlung hätte die Abrechnung gegenüber beiden Gesamtschuldnern erfolgen müssen. In der Abrechnung hätte der Beklagte klären müssen, an welchen der Gesamtschuldner welcher Betrag zu erstatten gewesen sei.
16Davon unabhängig ergebe sich die Nichtigkeit des Abrechnungsbescheids auch daraus, dass der Beklagte schon bei Erlass dieses Bescheids die Zahlung der Klägerin als Drittschuldnerzahlung qualifiziert habe. Diese Einschätzung sei so außergewöhnlich, dass ihre fehlende Darstellung im Bescheid zu dessen Nichtigkeit führe.
17Der Abrechnungsbescheid leide an schwer wiegenden Fehlern und dies sei auch offenkundig. Die daraus folgende Nichtigkeit des Bescheids werde auch nicht durch eine Einspruchsentscheidung geheilt. Er sei und bleibe unwirksam, § 124 Abs. 3 AO.
18Soweit sich der Senat dieser Auffassung nicht anschließen könne, sei schon aus diesem Grunde die Revision zuzulassen, da diese Frage grundsätzliche Bedeutung habe und eine Abweichung von der Rechtsprechung des BFH vorliegen könne. In seinem Beschluss vom 18.11.2004 (BFH VII B 107/04) habe der BFH in den Entscheidungsgründen ausdrücklich gesagt, was ein Abrechnungsbescheid, wie im Streitfall, enthalten müsse: „Vielmehr ist es nicht zweifelhaft, dass in einem Abrechnungsbescheid, mit dem festgestellt werden soll, welche offenen Steuerforderungen durch welche Zahlungen bzw. Verrechnungen getilgt worden sind, sämtliche noch nicht rechtsbeständig abgerechneten Zahlungen bzw. Guthaben zu berücksichtigen sind, gleichgültig aus welchem Veranlagungszeitraum sie stammen.“ Es sei offenkundig, dass der streitige Abrechnungsbescheid diesen Anforderungen nicht genüge. Der streitige Betrag hätte aufgeführt werden müssen.
19Unabhängig davon stehe der Klägerin der begehrte Erstattungsanspruch gemäß § 37 Abs. 2 AO zu. Der Steuerbescheid, auf Grund dessen die nunmehr zurückgeforderte Zahlung erfolgt sei, sei aufgehoben worden, so dass die Zahlung rechtsgrundlos erfolgt sei (§ 37 Abs. 2 Satz 1 i.V.m. § 2 AO).
20Weiterhin sei die Zahlung des streitigen Betrages in Höhe von 249.157,74 € auf Rechnung der Klägerin erfolgt:
21Nach der im Schrifttum vertretenen Auffassung zahle ein Ehegatte in aller Regel auf die eigene Schuld, es sei denn, er weise ausdrücklich darauf hin, dass er auf die Schuld seines Ehegatten zahlen wolle. Es zahle also der Ehegatte, zu dessen Lasten die Zahlung erfolge (Tipke/Kruse, § 37 AO Rz. 69; Druen in Schmidt, § 26 b EStG Rz. 32; Palke-König, § 37 AO Rz. 34). Diese Auffassung des Schrifttums entspräche den Regeln, die in den §§ 421 ff. BGB für Gesamtschuldner festgelegt worden seien.
22Der BFH sage in ständiger Rechtsprechung, wenn sich aus den bei der Zahlung erkennbaren Umständen nicht entnehmen ließe, wessen Steuerschuld beglichen werden solle, dass in der Regel der zahlende Ehegatte seine Steuerschuld und die seines Ehegatten zu gleichen Teilen begleichen wolle, so dass die Eheleute nach Köpfen (zu je ½ Anteil) Teilgläubiger des Erstattungsanspruchs gemäß § 37 Abs. 2 AO seien. Nach der Rechtsprechung des BFH sei die Klägerin damit auf jeden Fall zu ½ Anteil erstattungsberechtigt. Darauf komme es nach Auffassung der Klägerin im Ergebnis jedoch nicht an, da die erfolgten streitigen Zahlungen ausschließlich ihr zuzurechnen seien, d.h. auf ihre Schuld erfolgt seien.
23Dabei sei zunächst klarzustellen, dass, anders als der Beklagte meint, die Klägerin nicht als Drittschuldnerin die Steuerschuld des Herrn D hätte tilgen wollen. Denn die Klägerin sei nicht Drittschuldnerin, sondern Gesamtschuldnerin gewesen und habe als solche gezahlt. Zudem könne eine Zahlung eines als Gesamtschuldner haftenden Ehegatten aus zivilrechtlichen als auch aus schenkungssteuerrechtlichen Erwägungen nicht realistisch angenommen werden.
24Nach der Rechtsprechung müssten für die Frage der Tilgungsbestimmung alle Umstände des jeweiligen Einzelfalles herangezogen werden:
25Vorliegend sei zu berücksichtigen, dass die Klägerin ihre Zahlungen auf das Girokonto ihres Ehemanns eingezahlt habe und über dieses Konto die Zahlung an das Finanzamt erfolgt sei. Nach der Rechtsprechung des BFH sei es belanglos, über welches Konto die Zahlung erfolgt sei. Die Wahl des Kontos sage nichts darüber aus, wessen Steuerschuld gezahlt werden solle. Dies müsse umso mehr gelten, als das fragliche Girokonto aufgrund der Pfändungs- und Einziehungsverfügung des Beklagten vom 08.09.2003 bereits gepfändet worden sei. Die Klägerin habe also gewusst, dass mit ihrer Einzahlung nur die Begleichung der Steuerschuld getätigt werden konnte.
26Ferner sei zu berücksichtigen, dass dem Schreiben von Herrn D an das Finanzamt vom 22.09.2003 das Schreiben der Klägerin an die Kreissparkasse L vom selben Tag beigefügt gewesen sei. Der Vorgang wäre mit dem Beklagten auch abwickelbar gewesen, wenn dieses Schreiben nicht beigefügt worden wäre. Der Beklagte hätte daher erkennen müssen und vermutlich habe er es auch erkannt, dass die Klägerin mit diesem Schreiben den Beklagten darauf hätte hinweisen wollen, dass sie ihre Steuern (und nicht die ihres Mannes) zahlen wolle.
27Nach der Rechtsprechung des BFH genüge eine Absichtsbekundung eines Ehegatten vor der Zahlung an das Finanzamt, um die Vermutung zu entkräften, er zahle als Gesamtschuldner auch auf die Steuerschuld seines Ehegatten. Hierbei sei interessant, dass der BFH nur von einer Absichtsbekundung und nicht von einer Tilgungsbestimmung spreche, die präziser wäre. Dies könnte nur bedeuten, dass der BFH geringere Anforderungen an eine solche Absichtsbekundung stelle, die in dem Schreiben der Klägerin erkennbar vorgelegen habe.
28Da der BFH seine Rechtsprechung zum Erstattungsanspruch gemäß § 37 Abs. 2 AO mit der bei Ehegatten regelmäßig vorliegenden engen Lebens- und Wirtschaftsgemeinschaft begründe, sei vorliegend zu berücksichtigen, dass gerade bei der Klägerin und ihrem Ehemann von einem davon abweichenden Einzelfall auszugehen sei. Denn sie hätten eine solche enge Lebens- und Wirtschaftsgemeinschaft nicht, sondern lediglich eine Lebens- und Haushaltsgemeinschaft gehabt. Dies habe dem Beklagten aufgrund der abgegebenen Einkommensteuererklärungen auch bekannt sein müssen. Die Vermögensanlagen der Eheleute seien nicht gering gewesen, gleichwohl habe es keinen Vermögensgegenstand gegeben, der den Eheleuten gemeinsam gehört habe. Alles sei streng getrennt worden, selbst das Einfamilienhaus der Eheleute, das sie gemeinsam mit den beiden Kindern bewohnt hätten, habe ausschließlich der Klägerin zu Alleineigentum gehört. Bei einer solchen Sachlage habe der Beklagte nicht davon ausgehen können, dass die Klägerin auch die Steuerschulden ihres Ehemannes tilgen wollte mit der Folge, dass sie ihm quasi einen Erstattungsanspruch in Höhe von 124.578,87 € habe „schenken“ wollen. Im Zeitpunkt der Zahlung, und darauf komme es an, sei dieser Erstattungsanspruch Realität und keine fiktive Größe gewesen. Dies beruhe auf den in den neunziger Jahren in den neuen Bundesländern vorgenommenen Investitionen und daher stammenden erheblichen Verlustvorträgen.
29Zu berücksichtigen sei weiterhin, dass die Klägerin damit habe rechnen müssen, dass der Beklagte, nachdem die Pfändung des Geschäftskontos ihres Ehemannes Anfang September 2003 zunächst erfolglos gewesen war, weitere Vollstreckungsmaßnahmen ihr gegenüber ergreifen würde, insbesondere nachdem der Beklagte mit Schreiben vom 17.09.2003 die Einstellung der Zwangsvollstreckung abgelehnt hatte. Die Klägerin, die im öffentlichen Dienst zu dieser Zeit zur Beförderung angestanden habe, hätte vermeiden wollen, dass aufgrund von Vollstreckungsmaßnahmen ihr gegenüber ihr Dienstherr davon erführe. Dies sei auch Motivation gewesen, die Zahlungen von ihren Festgeldkonten zu erbringen. Die Klägerin habe mithin bei der „freiwilligen“ Zahlung unter enormen Druck gestanden, der mit einer Vollstreckung direkt gegen sie vergleichbar gewesen sei. Sie habe zahlen müssen, um die Vollstreckung zu verhindern, die bevorstand und die sie nicht mehr hätte abwenden können. Aufgrund dieser Umstände, die sämtlich für den Beklagten erkennbar gewesen seien, habe dieser nicht davon ausgehen können, dass die Klägerin auch auf die Steuerschulden ihres Ehemannes habe zahlen wollen.
30Dass der Beklagte ebenfalls davon ausgegangen sei, ergebe sich aus seinem Verhalten im Zusammenhang mit dem Steuerbescheid gegenüber ihrem Ehemann. Im Bescheid vom 19.12.2007 über die getrennte Einkommensteuerveranlagung 2001 habe der Beklagte den streitigen Betrag nicht auf dessen Steuerschuld angerechnet. Andernfalls sei das im Bescheid enthaltene Leistungsangebot zu hoch. Daraus folge, dass im Zeitpunkt des Erlasses des geänderten Einkommensteuerbescheides 2001 der Beklagte die Zahlung des streitigen Betrages ausschließlich der Klägerin zugerechnet hätte. Gleiches ergebe sich aus dem ersten Antwortschreiben des Beklagten vom 18.06.2008.
31Mit Bezug auf das BMF-Schreiben vom 31.1.2013 (2.4.2.) sei außerdem zu berücksichtigen, dass eine ausdrückliche Tilgungsbestimmung nicht erforderlich sei, sondern sich aus den Umständen des Einzelfalles ergeben könne. Als Indiz sei z.B. die Angabe des eigenen Namens im Feld Verwendungszweck einer Überweisung zu berücksichtigen. Wenn ein solcher Überweisungsträger als Indiz ausreiche, müsse dies in gleicher Weise für das Schreiben der Klägerin an die Kreissparkasse L vom 22.09.2003 gelten, welches ihr Ehemann seinem Schreiben vom 22.09.2003 an den Beklagten beigefügt hätte.
32Schließlich sei deshalb von einer Zahlung auf Rechnung der Klägerin auszugehen, weil auch eine Tilgungsbestimmung bzw. eine Absichtsbekundungen in mündlicher Form ausreichend seien (Klein, § 37 AO Rz. 16). Eine solche mündliche Mitteilung eines Ehegatten an die Veranlagungsstelle sei vorliegend durch Herrn D erfolgt, und zwar in seinen Telefonaten mit Herrn Q Mitte September 2003 bzw. am 22.09.2003 und anlässlich des Telefonats von Herrn D mit Frau S vom Finanzamt C. Dies könne Herr D bestätigen.
33Selbst wenn man trotz dieser eindeutigen Umstände keine Tilgungsbestimmung zu Gunsten der Klägerin annehmen wolle, stehe ihr ein Erstattungsanspruch nach § 812 BGB zu. Da nämlich der Beklagte ungeachtet dieser Umstände davon ausgegangen sei bzw. noch immer ausgehe, dass sie als Drittschuldnerin die Steuerschuld ihres Ehemannes getilgt habe, könne der Empfängerhorizont des Beklagten nicht maßgeblich sein, da eine Drittschuldnerzahlung durch sie eine falsche Annahme darstelle. Die Bestimmung des Erstattungsberechtigten müsse sich danach nach allgemeinen Regeln, hier des § 812 BGB, richten. Für § 812 BGB komme es maßgeblich darauf an, wer den Betrag gezahlt habe. Das sei im vorliegenden Fall unstreitig sie, die Klägerin.
34Unabhängig von einer ausdrücklichen Tilgungsbestimmung stehe der Klägerin der Er-stattungsanspruch auch aus abgetretenem Recht zu. Der Ehemann der Klägerin habe ihr nämlich seinen Erstattungsanspruch für den Fall abgetreten, dass der Beklagte (in unzutreffender Weise) von einer Begleichung der Steuerschuld am 23.09.2003 auf Rechnung von Herrn D ausgehe. Dies ergebe sich aus der Abtretungsvereinbarung vom 24.09.2003 zwischen der Klägerin und ihrem Ehemann über einen möglichen Erstattungsanspruch Einkommensteuer 2001 (Bl. 99 ff. der FG-Akte).
35Diese Abtretung sei dem Finanzamt C Ende Februar 2013 angezeigt worden. Dem Gericht wurde ebenfalls mit Schriftsatz vom 13.03.2013 eine Originalanzeige eingereicht (Bl. 139 ff. FG-Akte).
36Der Erstattungsanspruch sei mithin wirksam an die Klägerin abgetreten worden, so dass ihr der begehrte Anspruch (hilfsweise) aus abgetretenem Recht zustehe.
37Dieser Anspruch sei nicht durch Aufrechnung erloschen: Zwar hätte der Beklagte im Einkommensteuerbescheid 2001 gegenüber D vom 20.04.2010 in der Abrechnung eine Verrechnung in Höhe von 236.866,36 € vorgenommen. Bei dem verrechneten Betrag hätte es sich teilweise um das Guthaben gehandelt, das auf Grund der Aufhebung der gemeinsamen Veranlagung der Eheleute entstanden sei. Gegen diese Abrechnung habe D indes Einspruch eingelegt, das Verfahren ruhe im Hinblick auf das Klageverfahren 11 K 2623/09 (vgl. Schreiben des FA C vom 29.07.2010, Bl. 93 FG-Akte).
38Hinsichtlich der Aufrechnung sei zu berücksichtigen, dass diese nichtig sei. Sie leide an einem schwerwiegende Fehler, § 125 Abs. 1 AO. Man könne nicht die Aufrechnung mit einer streitigen Forderung erklären, die Gegenstand eines finanzgerichtlichen Verfahrens sei. Adressat dieser Aufrechnung hätte auch die Klägerin sein müssen.
39Dessen ungeachtet könne die Aufrechnung nicht mehr bestandskräftig werden. Während des ruhenden Einspruchsverfahrens sei das Insolvenzverfahren über das Vermögen von D durch das Landgericht U mangels Masse beendet worden. Rechtsfolge sei, dass für D Restschuldbefreiung eingetreten sei, kein Gläubiger könne mehr Forderungen gegen ihn durchsetzen, also auch nicht der Beklagte. Die Aufrechnungslage könne nicht mehr eintreten.
40Sie habe wohl auch niemals vorgelegen. Denn es sei sehr zweifelhaft, ob die Hauptforderung, gegen die aufgerechnet werden soll, hinreichend bestimmt ist. In der vorliegenden Situation, in der nach einer gemeinsamen Veranlagung die getrennte gewählt würde und infolge dessen Erstattungsansprüche entstanden sein könnten, wäre die Hauptforderung erst dann hinreichend bestimmt, wenn (auch) der Abrechnungsbescheid gegenüber dem Ehepartner, gegenüber dem nicht aufgerechnet würde, der Erstattungsanspruch hinreichend bestimmt festgesetzt worden wäre. Das aber wäre vorliegend gerade nicht der Fall. Genau das würde die Klägerin u.a. im Klageverfahren rügen.
41Außerdem fehle es an einer Aufrechnungserklärung. Insbesondere stelle die Verrechnung im Einkommensteuerbescheid 2001 vom 20.04.2010 keine solche dar. Denn nach der Rechtsprechung des BFH sei die Aufrechnungserklärung eine Gestaltungserklärung und könne nicht durch einen Verwaltungsakt erfolgen (vgl. Klein, § 226 AO, Rz. 65).
42Auf Grund der zwischenzeitlich eingetretenen Restschuldbefreiung könne die Aufrechnungserklärung auch nicht mehr nachgeholt werden.
43Der abgetretene Anspruch sei überdies nicht verjährt. Der Anspruch ergebe sich aus dem Einkommensteuerbescheid 2001 vom 19.12.2007, in dem D getrennt veranlagt worden sei. Dieser Bescheid, der an die französische Adresse von D gesandt worden sei, gelte 2008 bekannt gegeben, so dass die 5-jährige Verjährungsfrist nach § 228 AO noch nicht abgelaufen sei.
44Abschließend sei auf verfassungsrechtliche Bedenken hinzuweisen. Nach der geänderten Rechtsprechung des BFH vom 22.03.2011, auf die die Berichterstatterin in ihrem Schreiben vom 31.01.2013 hingewiesen habe, sei kein Fall mehr denkbar, in dem eine fehlende Tilgungsbestimmung einem der Ehegatten Vorteile bringen könne. Ob diese Rechtsprechung mit Art. 6 GG vereinbar sei, sei sehr fraglich.
45Die Klägerin beantragt,
46- 47
1 den Abrechnungsbescheid vom 16.10.2008 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 24.07.2009 dahingehend zu ändern, dass von dem nach Aufhebung der Zusammenveranlagung unter der St.Nr. b bestehenden Guthaben für den Veranlagungszeitraum 2001 ein Betrag in Höhe von 249.157,74 € der Klägerin zugerechnet und erstattet wird,
- 48
2 festzustellen, dass der Abrechnungsbescheid vom 16.10.2008 nichtig ist,
- 49
3 hilfsweise, die Revision zuzulassen.
Der Beklagte beantragt,
51- 52
1 die Klage abzuweisen,
- 53
2 hilfsweise, die Revision zuzulassen.
Zur Begründung trägt er vor, die von der Klägerin geltend gemachte Nichtigkeit des angefochtenen Abrechnungsbescheids zur Einkommensteuer 2001 sei nicht erkennbar. Insbesondere sei es zutreffend, dass der Abrechnungsbescheid den in Rede stehenden Betrag nicht enthalte, da dieser Betrag zutreffend beim Ehemann der Klägerin berücksichtigt worden sei.
55Nach § 37 Abs. 2 AO habe derjenige einen Erstattungsanspruch, auf dessen Rechnung eine rechtsgrundlose Zahlung bewirkt worden sei. Die Aufhebung der Zusammenveranlagung bedeute, dass der (formelle) Rechtsgrund für die Zahlung weggefallen sei und für Zwecke der Aufrechnung mit Schulden aus der getrennten Veranlagung und/oder Erstattung die Gläubigerstellung festgestellt werden müssen. Die zusammen veranlagten Eheleute seien Gesamtschuldner (§ 44 Abs. 1 S. 1 AO, § 421 BGB), nicht jedoch Gesamtgläubiger (§ 428 BGB) eines Erstattungsbetrags.
56Weiterhin sei zu beachten, dass auf den im Zeitpunkt der Zahlung erkennbaren Willen des Zahlenden abzustellen sei für die Frage, wessen Steuerschuld getilgt werden solle.
57Neben den Vorschriften der AO seien die Folgen der Gesamtschuldnerschaft (§§ 421 ff. BGB) zu berücksichtigen. Die Ehegatten schuldeten die Leistung in der Weise, dass jeder Ehegatte die ganze Leistung zu bewirken habe (§ 44 Absatz ein S. 2 AO). Nach § 421 BGB könne der Gläubiger die Leistung nach seinem Belieben von jedem der Schuldner ganz oder zum Teil fordern. Dass, ob, von wem und in welcher Höhe die Leistung gefordert werde, liege also im Ermessen des Gläubigers. Die Erfüllung durch einen Gesamtschuldner wirke auch für die anderen Gesamtschuldner (§ 44 Abs. 2 S. 1 AO, § 422 Abs. 1 BGB). Im Verhältnis der Gesamtschuldner untereinander werde durch die Leistung eines Gesamtschuldner ein Ausgleichsanspruch begründet (§ 426 BGB).
58Durch das Zusammenwirken der steuerverfahrensrechtlichen und zivilrechtlichen Vorschriften ergebe sich, dass die Leistung vom 23.09.2003 allein auf Rechnung des Ehemannes erfolgt sei und ihm deshalb der Erstattungsanspruch zustehe.
59Mit der Pfändungs- und Einziehungsverfügung vom 08.09.2003, die aus Rechtsgründen nur gegen einen der Ehegatten gerichtet sein könne, habe das Finanzamt zum Ausdruck gebracht, dass es den „Gesamtschuldner Ehemann“ in voller Höhe in Anspruch nehmen wolle. Die Pfändung dieser Verfügung sei der Rechtsgrund für den Drittschuldner, an den Pfändungsgläubiger zu leisten (und gleichzeitig gegenüber seinem Gläubiger = Steuerschuldner frei zu werden). Dementsprechend könne die Leistung nur auf Erfüllung des nach § 421 BGB bestehenden Anspruchs, mithin einzig für die Schuld des Pfändungsschuldners, gerichtet sein.
60Die Zahlung des Drittschuldners sei folglich zum einen auf Erfüllung der Verpflichtung aus der Pfändungs- und Einziehungsverfügung und zum anderen auf gleichzeitige Erfüllung seiner Schuld gegenüber dem Pfändungsschuldner als eigentlichen Gläubiger des überwiesenen Betrages gerichtet, also stets auch für Rechnung des Pfändungsschuldners.
61Hiervon Abweichendes ergebe sich auch nicht aus dem Schreiben von Herrn D an die Bank. Dieses lassen nur erkennen, dass die Bank auf die Pfändungs- und Einziehungsverfügung leisten möge.
62Im Übrigen handele es sich bei der streitigen Zahlung nicht um eine freiwillige, sondern um eine solche im Rahmen einer Zwangsvollstreckung. Für eine Tilgungsbestimmung des Pfändungsschuldners bzw. der Gesamtschuldner sei daher gar kein Raum.
63Unerheblich sei ein möglicher Ausgleichsanspruch nach § 426 BGB, der zivilrechtlich zwischen den Gesamtschuldnern zu klären sei. Ebenso sei ein Rückausgleich späterer Erstattung/Aufrechnung durch das Finanzamt ausschließlich zwischen den Eheleuten zu regeln.
64Letztlich sei darauf hinzuweisen, dass es für die Beurteilung nach § 37 AO nicht darauf ankomme, aus wessen Mitteln eine Zahlung erfolgt sei. Deshalb seien die Hinweise der Klägerin auf den Transfer der Festgeld-Guthaben nicht relevant. Ein solcher Geld Transfer könne nur im Verfahren nach § 426 BGB Berücksichtigung finden.
65Nachdem die Berichterstatterin mit Schreiben vom 31.01.2013 auf die Fortentwicklung der BFH-Rechtsprechung zu Erstattungsansprüchen nach § 37 Abs. 2 AO bei Ehegatten durch Entscheidungen vom 22.03.2011 (VII R 42/10, BStBl. II 2011, 607) und vom 30.8.2012 (III R 40/10) hingewiesen hatte, hat der Beklagte auf Bitte des Gerichts am 18.03.2013 Berechnungen unter Berücksichtigung dieser fortentwickelten Rechtsprechung und des daraufhin ergangenen BMF-Schreibens vom 31.01.2013 (BStBl. I 2013, 70) vorgelegt. Dabei wurde der Erstattungsanspruch der Klägerin (fiktiv) für die drei Konstellationen ermittelt, dass
66(1.) keine feststellbare Tilgungsbestimmung,
67(2.) eine Tilgungsbestimmung zu Gunsten der Klägerin,
68(3.) eine Tilgungsbestimmung zu Gunsten des Ehemanns der Klägerin
69festgestellt werden kann. Wegen der näheren Einzelheiten wird auf dieses Schreiben des Beklagten verwiesen (Bl. 143 ff. der FG-Akte).
70Am 20.03.2013 hat der erkennende Senat einen Beweisbeschluss über die Vernehmung von Herrn D, Herrn Q und Frau S als Zeugen gefasst, auf den wegen der näheren Details ebenfalls verwiesen wird (Bl. 149 ff. der FG-Akte). Auf den Inhalt der Zeugenaussagen (Protokoll der mündlichen Verhandlung) wird Bezug genommen.
71Die Klägerin hat die Beiladung von Herrn D beantragt (Bl. 92 der FG-Akte).
72Entscheidungsgründe
73- 74
I Eine Beiladung des Ehemanns der Klägerin kam nicht in Betracht. Die Voraussetzungen einer notwendigen Beiladung gem. § 60 Abs. 3 FGO liegen nicht vor. Die Entscheidung über einen angefochtenen, gegenüber einem der Ehegatten ergangenen Abrechnungsbescheid greift nicht, wie nach § 60 Abs. 3 FGO vorausgesetzt wird, unmittelbar gestaltend in die Rechtssphäre des anderen Ehegatten ein. Über Steuerschulden und Guthaben von Steuerpflichtigen wird im Steuererhebungsverfahren grundsätzlich gegenüber jedem Steuerpflichtigen gesondert und einzeln entschieden, auch wenn mehrere Steuerpflichtige im Steuerfestsetzungsverfahren bei Zusammenveranlagung von Eheleuten als Einheit behandelt worden sind und daher die festgesetzte Steuer als Gesamtschuldner schuldeten (vgl. BFH-Beschluss vom 11.01.1994, VII B 100/93, BStBl. II 1994, 405; BFH-Beschluss vom 10.03.2005 VII B 214/04, BFH/NV 2005, 1222; Gräber/Levedag, § 60 FGO Rz. 54; Schmieszek in Beermann/Gosch, § 60 FGO Rz. 84).
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II Die Klage ist unbegründet. Der angefochtene Abrechnungsbescheid vom 16.10.2008 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 24.07.2009 ist weder nichtig noch rechtswidrig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten (§ 100 Abs. 1 FGO).
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1 Entgegen der Ansicht der Klägerin kann von einer Nichtigkeit des Abrechnungsbescheids nach § 125 FGO nicht ausgegangen werden.
a) Nichtig im Sinne des § 125 Abs. 1 AO ist ein Verwaltungsakt vor allem, wenn er inhaltlich so lückenhaft oder so unbestimmt ist, dass ihm nicht einmal durch Auslegung hinreichend sicher entnommen werden kann, was von wem verlangt wird bzw. was geregelt werden sollte. Die Anforderungen an die inhaltliche Bestimmtheit eines Abrechnungsbescheids werden von der im Einzelfall bestehenden Streitigkeit bestimmt.
80b) Im vorliegenden Fall wollte die Klägerin erreichen, dass über die bereits nach getrennter Veranlagung erfolgte Erstattung hinaus ein weiterer Erstattungsanspruch als bestehend im Abrechnungsbescheid zu ihren Gunsten festgestellt wird.
81Die Klägerin erhielt einen Abrechnungsbescheid, der letztlich keine Erstattung auswies, da der Beklagte die Ansicht vertrat, dass ihr ein Erstattungsanspruch nicht zustehe. Daher erhielt der Abrechnungsbescheid nur die bisher erfolgten Festsetzungen und Zahlungen. Im Anschreiben zum Abrechnungsbescheid wies der Beklagte zudem darauf hin, dass sich mit diesem Bescheid der Antrag der Klägerin, letztlich gerichtet auf das Bestehen eines noch verbliebenen Erstattungsanspruchs, erledigt habe.
82Für die Klägerin war auch unter Heranziehung des vorherigen Schriftwechsels ohne Weiteres erkennbar, dass der Beklagte einen ihr zustehenden Erstattungsanspruch aus der am 23.09.2003 erfolgten Zahlung verneinte. Der vorliegende Fall ist zudem nicht mit dem Fall zu vergleichen, in dem zunächst ein Erstattungsanspruch bestand, dieser aber durch Aufrechnung oder anderweitig erloschen ist. In einem solchen Fall ist das Finanzamt gehalten, den zunächst bestehenden Anspruch in den Abrechnungsbescheid explizit aufzunehmen und des Weiteren den Grund des Erlöschens darzustellen. Im Streitfall bestand aber nach Ansicht des Beklagten zu keinem Zeitpunkt ein Erstattungsanspruch, der folglich auch nicht später erlöschen konnte.
83Der Abrechnungsbescheid war daher nach Ansicht des Gerichts inhaltlich hinreichend bestimmt (§ 119 Abs. 1 AO).
84Sollte die Klägerin noch irgendwelche Zweifel an der Aussage des Abrechnungsbescheids gehabt haben, können diese durch Auslegung behoben werden. In Anwendung der auch für steuerliche Verwaltungsakte geltenden Auslegungsregeln nach §§ 133, 157 BGB sind entscheidend der erklärte Wille der Behörde und der sich daraus ergebende objektive Erklärungsinhalt, wie ihn der Betroffene nach den ihm bekannten Umständen unter Berücksichtigung von Treu und Glauben verstehen konnte (Seer in Tipke/Kruse, § 119 AO Rn. 5). Nach diesen Grundsätzen konnte die Klägerin unter Berücksichtigung der sich in den Akten befindlichen Schreiben der Beteiligten keine Zweifel am Inhalt des Abrechnungsbescheids haben.
85Soweit die Klägerin nach dem Inhalt des Abrechnungsbescheids nicht erkennen konnte, weshalb der Beklagte einen Erstattungsanspruch verneinte, ist dies eine Frage der Begründung des Abrechnungsbescheids. Die konkrete Streitfrage, dass nämlich kein weiterer Erstattungsanspruch besteht, konnte dem Abrechnungsbescheid jedoch selbst entnommen werden. Die Angaben darüber, weshalb der Beklagte diese Ansicht vertrat, konnte die Klägerin – wenn nicht schon der zwischen ihr und dem Beklagten geführten Korrespondenz – den Ausführungen in der Einspruchsentscheidung entnehmen. Der Senat kann insoweit dahinstehen lassen, ob der Abrechnungsbescheid ggfls. durch Auslegung eine ausreichende Begründung enthielt. Die erforderliche Begründung ist zumindest in der Einspruchsentscheidung dargestellt worden und insoweit gemäß §§ 121, 126 Abs. 1 Nr. 2, Abs. 2 AO rechtzeitig erfolgt (vgl. auch BFH- Urteil vom 04.02.1997 VII R 50/96, BStBl. II 1997, 479).
86c) Auch die weiteren nach Ansicht der Klägerin zur Nichtigkeit führenden Umstände bewirken diese nicht. Der streitbefangene Abrechnungsbescheid ist weder deshalb nichtig, weil er keine ausdrückliche Aufteilung des Erstattungsanspruchs auf die Eheleute enthält, noch weil ihm Ausführungen zur angeblichen Zahlung der Klägerin als Drittschuldnerin fehlen. Schließlich ist er auch nicht auf Grund einer fehlenden Unterschrift nichtig.
87Unabhängig davon, ob insoweit überhaupt Nichtigkeitsgründe anzunehmen wären, hat der Beklagte zu Recht einen möglichen Erstattungsanspruch des Ehemanns der Klägerin nicht im hier streitigen Abrechnungsbescheid behandelt. Denn Abrechnungsbescheide im Erhebungsverfahren nach § 218 Abs. 2 AO ergehen für jeden Steuerpflichtigen gesondert, auch wenn eine Zusammenveranlagung vorausgegangen ist (vgl. BFH-Beschluss vom 11.01.1994, VII B 100/93, BStBl. II 1994, 405; BFH-Beschluss vom 10.03.2005 VII B 214/04, BFH/NV 2005, 1222). Daran ändert auch der zwischen den Erstattungsansprüchen der Klägerin und ihres Ehemanns bestehende sachlogische und rechnerische Zusammenhang nichts. Die Regelung über den Aufteilungsbescheid nach § 279 Abs. 1 Satz 1 AO greift nicht, auch nicht entsprechend, ein (vgl. BFH-Beschluss vom 10.03.2005 VII B 214/04, BFH/NV 2005, 1222; Gräber/Levedag, § 60 FGO Rz. 54).
88Fehlende Ausführungen zur angeblichen Zahlung der Klägerin als Drittschuldnerin sind schließlich schon deshalb unbeachtlich, weil der Beklagte, anders als die Klägerin meint, diese gar nicht als Drittschuldnerin qualifiziert hat. Er ging auf Grund der Pfändungs- und Einziehungsverfügung von einer Drittschuldnerzahlung der Kreissparkasse L am 23.09.2003 aus, nicht aber von einer solchen der Klägerin.
89Die von der Klägerin gerügte fehlende Unterschrift würde schließlich zur Rechtswidrigkeit, nicht aber zur Nichtigkeit führen (vgl. nur Brockmeyer/Ratschow in Klein, § 119 AO Rz. 28 m. w. N.). Allerdings bleibt auch dieser Einwand ohne Erfolg, da das Anschreiben zum Abrechnungsbescheid unterschrieben ist und das Anschreiben und die in der Anlage beigefügten, als Abrechnungsbescheid bezeichneten Berechnungen untrennbar miteinander verbunden sind.
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2 Der streitbefangene Abrechnungsbescheid wäre nur dann rechtswidrig, wenn der Klägerin der begehrte Erstattungsanspruch zustehen würde.
Der Klägerin steht aber ein solcher Anspruch nicht zu. Vielmehr ist der Abrechnungsbescheid vom 16.10.2008 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 24.07.2009 im Ergebnis rechtmäßig. Von dem nach Aufhebung des Zusammenveranlagungsbescheids 2001 infolge der geleisteten Abschlusszahlung unter der gemeinsamen Steuernummer der Klägerin und ihres Ehemanns (St.Nr. b) entstandenen Guthaben steht der Klägerin kein Betrag, auch nicht teilweise, zu.
93a) Nach der ständigen Rechtsprechung des BFH ist gemäß § 37 Abs. 2 AO derjenige erstattungsberechtigt, auf dessen Rechnung die Zahlung bewirkt worden ist. Das ist nicht derjenige, auf dessen Kosten die Zahlung erfolgt ist. Es kommt also nicht darauf an, von wem und mit wessen Mitteln gezahlt worden ist, sondern nur darauf, wessen Steuerschuld nach dem Willen des Zahlenden, wie er im Zeitpunkt der Zahlung dem FA gegenüber erkennbar hervorgetreten ist, getilgt werden sollte (BFH-Urteil vom 30.09.2008 VII R 18/08, BStBl. II 2009, 38; BFH-Urteil vom 22.03.2011 VII R 42/10, BStBl. II 2011, 607).
94Dies gilt auch für den Fall, dass mehrere Personen als Gesamtschuldner die überzahlte Steuer schuldeten, wie es bei zusammen veranlagten Ehegatten hinsichtlich der Einkommensteuer und der daran anknüpfenden Steuern der Fall ist (§ 26b EStG, § 44 Abs. 1 AO). Auch hier steht der Erstattungsanspruch demjenigen Ehegatten zu, auf dessen Rechnung die Zahlung bewirkt worden ist. In Ermangelung entgegenstehender ausdrücklicher Absichtsbekundungen kann allerdings das Finanzamt als Zahlungsempfänger, solange die Ehe besteht und die Eheleute nicht dauernd getrennt leben, was nach § 26 Abs. 1 EStG Voraussetzung für die Zusammenveranlagung ist, davon ausgehen, dass derjenige Ehegatte, der die Zahlung auf die gemeinsame Steuerschuld bewirkt, mit seiner Zahlung auch die Steuerschuld des anderen mit ihm zusammen veranlagten Ehegatten begleichen will. Soweit also im Zeitpunkt der Zahlung Anhaltspunkte für eine bestimmte andere Tilgungsabsicht des zahlenden Ehegatten fehlen, ist davon auszugehen, dass die Zahlung der Einkommensteuer auf Rechnung beider Ehegatten als Gesamtschuldner bewirkt worden ist (BFH-Urteil vom 15.11.2005 VII R 16/05, BStBl. II 2006, 453; BFH-Urteil vom 30.09.2008 VII R 18/08, BStBl. II 2009, 38; BFH-Urteil vom 22.03.2011 VII R 42/10, BStBl. II 2011, 607).
95Die Annahme einer Tilgungsabsicht des zahlenden Ehegatten auch für die Steuerschulden des anderen Ehegatten findet ihre Rechtfertigung in der bei nicht dauernd getrennt lebenden Eheleuten bestehenden engen Lebens- und Wirtschaftsgemeinschaft, die erwarten lässt, dass ein Ehegatte mit den von ihm auf eine Gesamtschuld der Eheleute geleisteten Zahlungen ungeachtet des rechtlichen und tatsächlichen Grundes des Entstehens der Zahlungsverpflichtung nicht nur seine eigene Schuld tilgen will (BFH-Beschluss vom 04.11.2003 VII B 382/02, BFH/NV 2004, 314; BFH-Urteil vom 22.03.2011 VII R 42/10, BStBl. II 2011, 607; BFH-Beschluss vom 30.08.2012 III R 40/10, BFH/NV 2013, 193).
96Für die Bestimmung der Tilgungsabsicht des zahlenden Ehegatten ist weder der Güterstand der Eheleute von Bedeutung, noch kommt es darauf an, welcher der Ehegatten in seiner Person Tatbestände verwirklicht hat, die zum Entstehen der die Eheleute als Gesamtschuldner treffenden Steuerschuld geführt haben. Auch ist insoweit unerheblich, dass die Vorauszahlungen von einem betrieblichen Konto geleistet werden (BFH-Urteil vom 15.11.2005 VII R 16/05, BStBl. II 2006, 453).
97Maßgebend für die Beurteilung der mit der Zahlung verfolgten Absicht sind die Umstände, wie sie dem Finanzamt im Zeitpunkt der Zahlung erkennbar sind. Dies gilt sowohl für den Fall, dass keine ausdrückliche Erklärung des Zahlenden über die beabsichtigte Zurechnung der Zahlung vorliegt und das Finanzamt daher die mutmaßliche Absicht des Zahlenden aus den ihm erkennbaren Umständen entnehmen muss, als auch für den Fall einer ausdrücklichen Bestimmung über den Zahlungszweck. Spätere Ereignisse, wie eine Trennung der Eheleute oder eine spätere getrennte Veranlagung, sind nicht zu berücksichtigen (BFH-Urteil vom 26.06.2007 VII R 35/06, BStBl. II 2007, 742; BFH-Urteil vom 22.03.2011 VII R 42/10, BStBl. II 2011, 607).
98b) Der bei einer im Fall von Ehegatten auf Grund fehlender ausdrücklicher Absichtsbekundungen sowie sonstiger Anhaltspunkte unterstellte sog. doppelte Tilgungswille hatte nach ständiger Rechtsprechung des BFH zur Folge, dass im Fall einer Überzahlung beide Ehegatten nach § 37 Abs. 2 AO erstattungsberechtigt waren und der Erstattungsbetrag zwischen ihnen nach Köpfen aufzuteilen war (BFH-Urteil vom 15.11.2005 VII R 16/05, BStBl. II 2006, 453; BFH-Urteil vom 30.09.2008 VII R 18/08, BStBl. II 2009, 38).
99Diese hälftige Zuordnung geleisteter Vorauszahlungen hatte der VII. Senat des BFH auch in den Fällen - bei Aufteilung der Gesamtschuld nach §§ 268 ff. AO oder getrennter Veranlagung nach § 26a EStG - für geboten erachtet, in denen die Anrechnung dieses Teilbetrags nicht zur Tilgung der für den einen Ehegatten festgesetzten Jahressteuer ausreichte, so dass er eine Abschlusszahlung zu leisten hatte, während für den anderen Ehegatten nach Anrechnung ein Auszahlungsanspruch verblieb (vgl. BFH-Urteil vom 22.03.2011 VII R 42/10, BStBl. II 2011, 607; BFH-Urteil vom 30.08.2012 III R 40/10, BFH/NV 2013, 193).
100Im Urteil vom 22.03.2011 (VII R 42/10, BStBl. II 2011, 607) hat der VII. Senat des BFH diese Rechtsprechung für Vorauszahlungen jedoch dahin fortentwickelt, dass eine Er-stattung solcher Zahlungen im Regelfall nur hinsichtlich des Betrags in Betracht komme, um den die Vorauszahlungen die Summe der für beide Ehegatten festgesetzten Einkommensteuer überstiegen. Das gelte sowohl im Fall der Zusammenveranlagung als auch wenn getrennte Veranlagung gewählt werde. Sei die Vorauszahlung -insbesondere wegen anderweitiger Tilgung der Steuerschulden - nicht bestimmungsgemäß auf die festgesetzten Steuern angerechnet worden, so sei die Vorauszahlung bei getrennter Veranlagung zunächst in Höhe des festgesetzten Betrags dem Ehegatten zu erstatten, auf dessen Schuld sie sonst anzurechnen gewesen wäre. Sofern nach Abrechnung der für beide Eheleute festgesetzten Steuern von den geleisteten Vorauszahlungen noch ein Rest verbleibe, sei dieser den Ehegatten anteilig zu erstatten (vgl. auch BFH-Urteil vom 30.08.2012 III R 40/10, BFH/NV 2013, 193).
101Zu dieser nun vorrangig vor jedweder Aufteilung vorzunehmenden Verrechnung der Vorauszahlungen mit der später festgesetzten Einkommensteuer sah sich der VII. Senat des BFH insbesondere deshalb veranlasst, weil seine bisherige Rechtsprechung dem Zweck der Vorauszahlung in den Fällen nicht gerecht wurde, in denen bei getrennter Veranlagung oder Abrechnung unterschiedlich hohe Steuerschulden bei den Ehegatten anfallen. Denn bei hälftiger Aufteilung der Vorauszahlungen würde der Teil des Vorauszahlungsbetrags, der auf den Ehegatten mit der geringeren Steuerlast entfällt, nicht vollständig auf eine Steuerschuld angerechnet, während der Ehegatte mit der höheren Steuerbelastung nachzahlen müsste. Durch die Fortentwicklung der Rechtsprechung des VII. Senats des BFH soll ein Ausfallen des Fiskus mit einer Steuerforderung, wenn der höher belastete Steuerschuldner zwischenzeitlich seine Leistungsfähigkeit verloren hat, obwohl die Steuer durch die geleisteten Vorauszahlungen bereits "gesichert" schien, vermieden werden (BFH-Urteil vom 22.03.2011 VII R 42/10, BStBl. II 2011, 607; BFH-Urteil vom 30.08.2012 III R 40/10, BFH/NV 2013, 193; Jäger, jurisPR-SteuerR 29/2011 Anm. 2).
102Danach ist erst ein - nach Verrechnung der für beide Ehegatten festgesetzten Einkommensteuer mit den Vorauszahlungen verbleibender - Betrag nach Maßgabe der bisherigen Rechtsprechung des VII. Senats des BFH nach Kopfteilen zu erstatten, wenn die Eheleute für die Vorauszahlungen keine abweichende Tilgungsbestimmung getroffen haben (BFH-Urteil vom 22.03.2011 VII R 42/10, BStBl. II 2011, 607; BFH-Urteil vom 30.08.2012 III R 40/10, BFH/NV 2013, 193).
103c) Nach diesen Rechtsgrundsätzen, denen der Senat folgt, steht der Klägerin kein Erstattungsanspruch nach § 37 Abs. 2 AO zu. Bei der maßgeblichen Zahlung vom 23.09.2003 lag keine Tilgungsbestimmung für den Betrag in Höhe von 249.157,74 € nur zu Gunsten der Klägerin vor, d.h. die Zahlung erfolgte insoweit nicht ausschließlich auf ihre Rechnung. Gerade dies aber wäre auf Grund der Fortentwicklung der Rechtsprechung des VII. Senats für einen Erstattungsanspruch erforderlich gewesen, da der Klägerin in den sonstigen denkbaren Fällen (unterstellte doppelte Tilgungsabsicht wegen fehlender Anhaltspunkte oder fehlender ausdrücklicher Absichtsbekundungen bzw. Tilgungsbestimmung nur zu Gunsten ihres Ehemanns) gar kein Erstattungsanspruch, auch nicht der hälftige, zusteht.
104aa) Im Streitfall bestehen keine zwingenden Anhaltspunkte dafür, dass die Zahlung vom 23.09.2003 zumindest in Höhe von 249.157,74 € ausschließlich für eigene Rechnung der Klägerin erfolgte. Eine ausdrückliche Erklärung dieses Inhalts bei Zahlung ist weder ersichtlich noch den Umständen zu entnehmen. Aus denen dem Beklagten am 22.09.2003 zur Kenntnis eingereichten Schreiben der Klägerin und ihres Ehemanns an die Kreissparkasse L vom gleichen Tag ergibt sich lediglich, dass der Betrag in Höhe von 249.157,74 € aus dem Vermögen der Klägerin stammt. Auf die Mittelherkunft kommt es indes nicht an. Im Schreiben des Ehemanns der Klägerin vom 22.09.2003 an den Beklagten sind ebenfalls keine Anhaltspunkte für eine Tilgungsbestimmung zu Gunsten der Klägerin enthalten. Es wird weder darauf hingewiesen, dass die Klägerin als Gesamtschuldnerin nur auf ihre Steuerschuld leistet, noch dass der Betrag in Höhe von 249.157,74 € im Fall der Erstattung an sie auszuzahlen sei.
105Soweit sich die Klägerin darauf beruft, ihr Ehemann habe entsprechend seiner Zeugenaussage in der mündlichen Verhandlung in Telefonaten Mitte September 2003 und am 22.09.2003 gegenüber Mitarbeitern des Finanzamts, Herrn Q und Frau S, geäußert, dass „meine Frau ihre Steuern zahlt“, lässt sich hieraus keine mündlich geäußerte, eindeutige Tilgungsbestimmung zu ihren Gunsten herleiten. Denn, wie der Ehemann weiter als Zeuge angegeben hat, erklärte er dies „wissend, dass die Zahlung durch einen der Gesamtschuldner auch zur Befreiung des anderen Gesamtschuldners führt.“ Dabei kam es dem Ehemann der Klägerin, der als Notar tätig war, maßgeblich darauf an, dem Finanzamt deutlich zu machen, dass die Steuerschulden aus Mitteln seiner Ehefrau beglichen würden. Denn nach der ihm bekannten zivilrechtlichen Rechtsprechung stünde bei Wegfall des Rechtsgrunds demjenigen Gesamtschuldner der zivilrechtliche Erstattungsanspruch zu, der zuvor gezahlt habe. Die steuerrechtliche Rechtsprechung des VII. Senats sei ihm nicht bekannt gewesen. Ansonsten hätte er eine Tilgungsbestimmung ausdrücklich aufgenommen.
106Dass der Ehemann der Klägerin telefonisch eine Tilgungsbestimmung zu Gunsten der Klägerin getroffen hätte, lässt sich auch nicht durch Aussagen der Finanzamtsmitarbeiter belegen. Herr Q, als Zeuge befragt, konnte sich an Telefonate im September 2003 mit dem Ehemann der Klägerin nur noch bruchstückhaft erinnern. In Erinnerung sei ihm im Wesentlichen geblieben, dass der Ehemann der Klägerin die Aufhebung einer Pfändungsmaßnahme begehrte und dies wohl mit anstehenden Verlustverrechnungen begründete. Auf die Frage, ob evtl. über die Zahlungsweise gesprochen worden sei, konnte Herr Q nichts Genaues mehr sagen. Er glaubte, dass die Frage der Gesamtschuldnerschaft aufgekommen sei. Frau S, als Zeugin befragt, verfügte über keinerlei Erinnerung mehr.
107Für den Beklagten waren bei Zahlung am 23.09.2003 auch keine sonstigen Umstände für eine ausschließliche Tilgungsbestimmung zu Gunsten der Klägerin erkennbar. Die im Gerichtsverfahren vorgelegte Vereinbarung zwischen der Klägerin und ihrem Ehemann (Bl. 99 ff. der FG-Akte), wonach der Klägerin von der am 23.09.2003 erfolgten Zahlung in Höhe von insgesamt 252.035,43 € bei Erstattung durch das Finanzamt der von ihr stammende Betrag in Höhe von 249.157,74 € zustehen soll, stammt erst vom 24.09.2003 und wurde zudem dem Beklagten – soweit erkennbar - bis zur Vorlage im Gerichtsverfahren gar nicht angezeigt.
108Soweit die Klägerin meint, der Beklagte hätte deshalb von einer Zahlung auf ihre Rechnung ausgehen müssen, weil sie bei unterlassener Zahlung mit unmittelbar gegen sie selbst gerichteten Zwangsvollstreckungsmaßnahmen hätte rechnen müssen, ist diese Schlussfolgerung weder zwangsläufig noch auf der Hand liegend. Denn die Klägerin hätte, um dies zu vermeiden, auch einen Aufteilungsbescheid nach §§ 268 ff. AO beantragen können. Dies aber hat sie nicht getan, wobei die Eheleute aus Sicht des Finanzamts steuerlich beraten waren (siehe z.B. Schreiben des Beklagten vom 17.09.2003, Bl. 61 der FG-Akte).
109Ebenso wenig musste der Beklagte ohne ausdrückliche Tilgungsbestimmung deshalb von einer Zahlung auf Rechnung der Klägerin ausgehen, weil ihm die Mittelherkunft explizit mitgeteilt worden war und sich nach dem Vortrag der Klägerin aus den Veranlagungen der Vorjahre ergeben hätte, dass die Eheleute keine gemeinsamen Vermögensgegenstände besessen hätten. Denn von wem die Mittel stammen, ist nach ständiger Rechtsprechung unerheblich und bei zusammenveranlagten Eheleuten kann das Finanzamt grundsätzlich von einer ehelichen Lebens- und Wirtschaftsgemeinschaft ausgehen, unabhängig, wie diese im Innenverhältnis der Eheleute ausgestaltet ist.
110Die schlichte Vorlage der Zahlungsanweisung der Klägerin an die Kreissparkasse vom 22.09.2003 ist, anders als die Klägerin meint, auch nicht mit der ausschließlichen Angabe des Namens eines Ehegattens auf einem Überweisungsträger vergleichbar, weil diese nur über die Mittelherkunft, nicht aber über die Mittelverwendung informiert.
111Schließlich konnte der Beklagte zum Zeitpunkt der Zahlung auch aus sonstigen Umständen nicht erkennen, dass die von den Eheleuten bei Zahlung schon erwartete Erstattung in Höhe von 249.157,74 € an die Klägerin erfolgen solle. So lag z.B. keine Steuererklärung für die Zusammenveranlagung 2001 vor, in der ein Konto der Klägerin als Erstattungskonto hätte angegeben sein können, noch war in sonstigen Schreiben ein Konto der Klägerin als Erstattungskonto angegeben. Auch gab es sonst keinerlei Hinweise auf die Klägerin als alleinige Erstattungsberechtigte für den aus ihren Mitteln stammenden Betrag in Höhe von 249.157,74 € (vgl. z.B. BFH-Beschluss vom 09.06.2011 VII B 199/10, BFH/NV 2011, 1661).
112Ohne Erfolg weist die Klägerin letztlich darauf hin, dass der Beklagte von einer Begleichung ihrer Steuerschuld ausgegangen sein müsse, weil er ansonsten im Steuerbescheid ihres Ehemanns zur getrennten Veranlagung am 19.12.2007 den streitigen Betrag hätte berücksichtigen müssen. Diesem Rückschluss aus dem Verhalten des Beklagten im Jahre 2007 kommt schon deshalb keine große Bedeutung zu, weil maßgebend für die Beurteilung der mit der Zahlung verfolgten Absicht die Umstände sind, wie sie dem Finanzamt im Zeitpunkt der Zahlung am 23.09.2003 erkennbar waren. Außerdem hat der Beklagte zeitnah nach Erlass des Bescheids vom 19.12.2007, nachdem auch ein Steuerbescheid zur getrennten Veranlagung der Klägerin mit Datum vom 09.01.2008 ergangen war, mit Umbuchungsmitteilung vom 21.01.2008 das relevante Guthaben auf die Steuernummer des Ehemanns c übertragen.
113Im Streitfall bestehen mithin keine zwingenden Anhaltspunkte dafür, dass die Zahlung vom 23.09.2003 zumindest in Höhe von 249.157,74 € ausschließlich für eigene Rechnung der Klägerin erfolgte. Weder ist eine ausdrückliche Erklärung dieses Inhalts bei Zahlung ersichtlich, noch kann sie den Umständen entnommen werden.
114Ob, wie der Beklagte meint, eine Tilgungsbestimmung zu Gunsten der Klägerin schon deshalb ausscheidet, weil die maßgebliche Zahlung auf Grund des Pfändungs- und Überweisungsbeschlusses durch einen Drittschuldner, die Kreissparkasse L, erfolgt sei, kann dahinstehen, weil auch ohne Berücksichtigung dieses Umstands keine ausdrückliche oder konkludente Tilgungsbestimmung ausschließlich zu Gunsten der Klägerin feststellbar ist. Allerdings erscheint die Auffassung des Beklagten zweifelhaft, zumal die Regelung in § 225 Abs. 3 AO, bei der eine Bestimmung des Steuerschuldners hinsichtlich der Reihenfolge der zu tilgenden Steuerschulden nicht möglich ist (vgl. BFH-Beschluss vom 25.02.2003 VII B 385/02, BFH/NV 2003, 882), den vorliegenden Fall nicht erfasst und sonstige Vorschriften, aus denen sich die vom Beklagten vertretene Auffassung herleiten ließe, nicht erkennbar sind.
115bb) Ebenfalls dahinstehen kann, ob der Beklagte zu Recht von einer vollumfänglichen Zahlung auf Rechnung des Klägers ausgeht oder ob die Zahlung ohne Tilgungsbestimmung erfolgt ist. Denn in beiden Fällen steht der Klägerin im Ergebnis der begehrte Erstattungsanspruch nicht zu. Während sich der fehlende Erstattungsanspruch im ersten Fall unmittelbar aus dem Wortlaut der gesetzlichen Regelung in § 37 Abs. 2 AO ableiten lässt, gelangt man im zweiten Fall zu diesem Ergebnis durch Anwendung der fortentwickelten Rechtsprechung des BFH (BFH-Urteil vom 22.03.2011 VII R 42/10, BStBl. II 2011, 607; vgl. BFH-Urteil vom 30.08.2012 III R 40/10, BFH/NV 2013, 193). Danach kommt nämlich im Regelfall nur eine Erstattung insoweit in Betracht, als die Zahlungen die Summe der für beide Ehegatten festgesetzten Einkommensteuer übersteigen. Auf Grund der gegenüber dem Ehemann der Klägerin festgesetzten Steuer in Höhe von ca. 304.763,71 € und fehlenden weiteren (Voraus-)Zahlungen in nennenswertem Umfang, verbleibt für die Klägerin kein Erstattungsbetrag (vgl. die ausführlichen, für das Gericht nachvollziehbaren Berechnungen des Beklagten, Bl. 143 ff. der FG-Akte).
116Auch wenn das Urteil des BFH vom 22.03.2011(VII R 42/10, BStBl. II 2011, 607) ausdrücklich zur Erstattung geleisteter Vorauszahlungen ergangen ist, sind die Grundsätze im hier zu beurteilenden Fall anzuwenden, in dem die Klägerin eine Erstattung einer Abschlusszahlung begehrt. Zwar führen Abschlusszahlungen, anders als Vorauszahlungen, nicht zur Sicherung eines stetigen, unterjährigen Steueraufkommens. Allerdings dienen sie der Sicherung der jährlich entstehenden und durch Vorauszahlungen und Steuerabzüge noch nicht abgedeckten Steueransprüche. Bei Leistung einer Abschlusszahlung auf Grund eines Steuerbescheids zusammenveranlagter Ehegatten muss sich außerdem der, der auf einen an ihn und seinen Ehegatten gerichteten Steuerbescheid leistet, nicht nur bewusst sein, dass seine Zahlungen endgültig beim Fiskus verbleiben, falls sich die Besteuerungsgrundlagen nicht ändern, sondern auch, dass er die Zahlungen leistet, um damit die Einkommensteuer beider Ehegatten zu tilgen.
117Auf Grund dieser Gesichtspunkte bestehen vorliegend auch keine verfassungsrechtlichen Bedenken wegen Art. 6 GG. Zudem existiert bei zusammenveranlagten Ehegatten immer die Möglichkeit, dass bei Zahlung eine Tilgungsbestimmung zu eigenen Gunsten getroffen wird.
118d) Soweit sich die Klägerin schließlich zur Begründung des geltend gemachten Erstattungsanspruch auf abgetretenes Recht beruft, vermag sie hiermit keinen Erfolg zu haben. Der Senat prüft im vorliegenden Fall allein die Rechtmäßigkeit des Abrechnungsbescheids im Zeitpunkt der letzten Verwaltungsentscheidung, also der Einspruchsentscheidung. Zu diesem Zeitpunkt, d.h. am 24.07.2009, war die geltend gemachte Abtretung des angeblichen Erstattungsanspruchs des Ehemanns der Klägerin dem Beklagten unstreitig noch nicht angezeigt. Die Abtretung war bzw. ist mithin gar nicht Gegenstand des angefochtenen Abrechnungsbescheids. Im Übrigen konnte sie zum Zeitpunkt der Einspruchsentscheidung mangels Anzeige gem. § 46 Abs. 2 AO noch keine Wirkung entfalten.
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III Die Kosten waren gem. § 135 Abs. 1 FGO der Klägerin aufzuerlegen.
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IV Die Revision war nach § 115 Abs. 2 Nr. 2 FGO zuzulassen, da die berücksichtigte Entscheidung des BFH vom 22.03.2011 (VII R 42/10, BStBl. II 2011, 607) zu Vorauszahlungen ergangen ist, der vorliegende Fall indes eine Abschlusszahlung betrifft und zudem die Abschlusszahlung zur Tilgung beider Steuerlasten nicht ausreicht, während in der Entscheidung vom 22.03.2011 ein Überschuss zu verteilen war.
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