Urteil vom Finanzgericht Köln - 14 K 584/13
Tenor
Die Bescheide über Einkommensteuer für 2007 vom 06.05.2010, für 2009 vom 14.10.2012 und für 2010 vom 07.01.2013 sowie die hierzu ergangene Einspruchsentscheidung vom 25.02.2013 werden dahingehend abgeändert, dass die Einkünfte des Klägers aus nichtselbstständiger Arbeit aus seiner Tätigkeit als Pilot bei der Fluggesellschaft A in Höhe von 91.820 EUR (2007), 103.142 EUR (2009) und 104.245 EUR (2010) von der deutschen Besteuerung freigestellt und lediglich im Rahmen des Progressionsvorbehalts berücksichtigt werden.
Dem Beklagten wird aufgegeben, die geänderten Steuerfestsetzungen zu errechnen, ferner dem Kläger das Ergebnis dieser Berechnung unverzüglich mitzuteilen und die Bescheide mit geändertem Inhalt nach Rechtskraft des Urteils neu bekanntzugeben.
Der Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens.
1
Tatbestand
2Der Kläger ist Pilot bei der irischen Fluggesellschaft A. Im Jahr 2007 betrug sein Arbeitslohn 92.739,37 EUR; hiervon wurden in Irland zunächst 27.363,06 EUR Steuern einbehalten. Im Jahr 2009 wurden bei einem Arbeitslohn von 117.119,76 EUR zunächst 36.715,10 EUR Steuern einbehalten und im Jahr 2010 bei einem Arbeitslohn von 116.463,63 EUR zunächst 36.446,08 EUR Steuern. Das in Irland zu versteuernde Einkommen des Klägers wurde später nach Maßgabe einer irischen Sonderregelung für die Besteuerung von Flugpersonal auf 4.636,96 EUR für das Jahr 2007, 2.252,30 EUR für das Jahr 2009 und 2.240,00 EUR für das Jahr 2010 festgesetzt. Dementsprechend wurde die vom Kläger zu entrichtende Steuer auf 927,39 für das Jahr 2007, 450,46 EUR für das Jahr 2009 und 448,00 EUR für das Jahr 2010 herabgesetzt. Der darüber hinausgehende Betrag der vom Arbeitslohn einbehaltenen Steuern wurde dem Kläger jeweils erstattet. Der Kläger hat Kopien von entsprechenden Unterlagen der irischen Steuerbehörden vorgelegt. Hierauf wird Bezug genommen (Blatt 47 ff. der Gerichtsakte).
3Bei der Veranlagung für das Jahr 2007 wurden die Einkünfte zunächst nur im Rahmen des Progressionsvorbehalts berücksichtigt. Nachdem der Beklagte davon Kenntnis erlangt hatte, dass einem Erstattungsantrag des Klägers in Irland entsprochen worden war, wurde in dem hier angefochtenen - nach § 173 Abs. 1 Nr. 1 Abgabenordnung geänderten - Bescheid vom 06.05.2010 der gesamte Arbeitslohn von 92.740 EUR (abzüglich des Werbungskosten-Pauschbetrags), insgesamt also ein Betrag von 91.820 EUR, der Besteuerung unterworfen.
4Bei der Veranlagung für das Jahr 2009 wurde ebenfalls der gesamte Arbeitslohn von 117.119 EUR (abzüglich Werbungskosten) der Besteuerung unterworfen. Der entsprechende Bescheid wurde während des Einspruchsverfahrens am 24.10.2012 wegen der Anerkennung der Aufwendungen für ein Arbeitszimmer geändert.
5Bei der Veranlagung für das Jahr 2010 wurde ebenfalls der gesamte Arbeitslohn von 116.463 EUR - abzüglich Werbungskosten - der Besteuerung unterworfen. Der entsprechende Bescheid wurde während des Einspruchsverfahrens am 07.01.2013 geändert. Es wurde nunmehr ein Arbeitslohn von 114.223 EUR (116.463 EUR ./. 2.240 EUR) - abzüglich Werbungskosten - zugrunde gelegt; der in Irland besteuerte Betrag von 2.240 EUR wurde dem Progressionsvorbehalt unterworfen.
6Gegen die Bescheide für die Jahre 2007, 2009 und 2010 wurde fristgerecht Einspruch eingelegt. Der Kläger berief sich im Wesentlichen auf das damals beim Bundesfinanzhof (BFH) zum Aktenzeichen I R 27/11 noch anhängige Verfahren. Das Einspruchsverfahren war erfolglos. Nachdem am 11.01.2012 das entsprechende BFH-Urteil ergangen war, machte der Beklagte geltend, das Urteil sei nicht im Bundessteuerblatt (BStBl) veröffentlicht und deswegen für ihn nicht bindend. Im Rahmen des Jahressteuergesetzes 2013 solle eine Regelung in das Einkommensteuergesetz (EStG) aufgenommen werden, wonach die insoweit maßgebliche Vorschrift des § 50d Abs. 9 Nr. 2 EStG in allen noch offenen Fällen trotz Vorliegens der Voraussetzungen des § 50d Abs. 8 EStG anzuwenden sei. Wegen weiterer Einzelheiten wird auf die Einspruchsentscheidung vom 25.02.2013 Bezug genommen.
7Mit der vorliegenden Klage vom 26.02.2013 verfolgt der Kläger sein Begehren weiter. Er beruft sich auf das BFH-Urteil vom 11.01.2012 (I R 27/11) und macht im Wesentlichen geltend:
8Die Einkünfte seien gemäß Art. XII Abs. 3 i.V.m. Art. XXII Abs. 2 (a) (aa) DBA-Irland von der Besteuerung in Deutschland ausgenommen und dürften lediglich im Rahmen des Progressionsvorbehalts berücksichtigt werden. Nach Art. XII Abs. 3 DBA-Irland könnten Vergütungen für Dienstleistungen, die an Bord eines Seeschiffes oder Luftfahrzeugs im internationalen Verkehr erbracht würden, in dem Vertragsstaat besteuert werden, in dem sich der Ort der tatsächlichen Geschäftsleitung des Unternehmens befinde. Da sich der Ort der Geschäftsleitung von A in Irland befinde, sei das Besteuerungsrecht Irland zugewiesen. Nach Art. XXII Abs. 2 Buchstabe a Doppelbuchstabe aa DBA-Irland habe der Ansässigkeitsstaat - hier Deutschland - die Einkünfte von der Besteuerung freizustellen und könne diese nur dem Progressionsvorbehalt unterwerfen. Dies gelte auch dann, wenn der Vertragsstaat, in dem sich der Ort der tatsächlichen Geschäftsleitung des Unternehmens befinde, hier also Irland, sein Besteuerungsrecht aus tatsächlichen oder rechtlichen Gründen nicht ausübe. Eine sog. „Subject-To-Tax-Klausel“, d.h. eine abkommensrechtliche Rückfallklausel, enthalte Art. XXII DBA-Irland nicht.
9Die Rückfallklausel des § 50d Abs. 9 Satz 1 Nr. 2 EStG sei nicht anwendbar. Denn er - der Kläger - habe in den Streitjahren in Irland Steuern entrichtet. Der Umstand, dass ein wesentlicher Teil der ursprünglich gezahlten Steuer erstattet worden sei, sei unerheblich. § 50d Abs. 9 Satz 1 Nr. 2 EStG sei bereits dann nicht anwendbar, wenn zumindest ein Teil der Einkünfte im Ausland steuerpflichtig sei. Dies werde durch das BFH-Urteil vom 09.12.2010 (I R 49/09) bestätigt. Hierin habe der BFH zur britischen sog. Claw-back-Besteuerung entschieden, das Bestehen einer abstrakten Steuerpflicht reiche nach dem Abkommensrecht, um das deutsche Besteuerungsrecht auszuschließen. Dies decke sich mit dem Schreiben des Bundesministeriums der Finanzen (BMF) vom 05.12.2012 (BStBl I 2012, 1248), wo für Veranlagungszeiträume ab 2011 ausgeführt werde, dass § 50d Abs. 9 Satz 1 Nr. 2 EStG in Bezug auf Irland nicht mehr erfüllt sei, da Irland die Vergütungen die Vergütung für Dienstleistungen, die an Bord eines Luftfahrzeugs im internationalen Verkehr erbracht würden, nunmehr auch dann besteuere, wenn der Sitz des Unternehmens sich in Irland befinde und die Dienstleistungen außerhalb von Irland erbracht würden. Das BMF stelle gerade nicht darauf ab, dass die Einkünfte vollständig und im selben Umfang wie in Deutschland der Besteuerung unterlägen.
10Im Übrigen wäre die Anwendbarkeit des § 50d Abs. 9 Satz 1 Nr. 2 EStG durch Abs. 8 der Vorschrift ausgeschlossen. § 50d Abs. 8 EStG sehe einen Rückfall des Besteuerungsrechts für Einkünfte aus nichtselbstständiger Arbeit vor, soweit der Steuerpflichtige nicht nachweise, dass der andere Vertragsstaat, dem nach dem DBA das Besteuerungsrecht zusehe, auf dieses verzichtet habe oder dass die in diesem Staat auf die Einkünfte festgesetzten Steuern entrichtet worden seien. Im Streitfall sei die zunächst auf den Lohn einbehaltene Steuer antragsgemäß erstattet worden. Damit liege ein Nachweis für einen Verzicht auf das Besteuerungsrecht im Sinne des § 50 Abs. 8 EStG vor, so dass eine Berücksichtigung der nach DBA-Irland freigestellten Einkünfte nicht zulässig sei. Demgemäß habe der BFH in dem von einem seiner Kollegin erstrittenen Urteil vom 11.01.2012 (I R 27/11) entschieden, dass in diesen Fällen eine Anwendbarkeit des § 50d Abs. 9 Satz 1 Nr. 2 EStG neben § 50d Abs. 8 EStG ausgeschlossen sei. § 50d Abs. 8 EStG sei sowohl inhaltlich als auch gesetzessystematisch gegenüber § 50d Abs. 9 Satz 1 Nr. 2 EStG vorrangig und stehe auch nicht unter eine entsprechenden gegenläufigen Anwendungsvorbehalt zugunsten von § 50d Abs. 9 Satz 1 Nr. 2 EStG.
11Zudem sei § 50d Abs. 9 Satz 1 Nr. 2 EStG verfassungswidrig. Es handele sich um eine sog. unilaterale Rückfallklausel (Treaty Override), mit der das Besteuerungsrecht entgegen der Zuordnung nach dem jeweiligen DBA aufgrund einer unilateralen (einseitigen) Regelung nach Deutschland zurückgeholt werde, wenn der andere Vertragsstaat von dem ihm zugewiesenen Besteuerungsrecht in bestimmten Fällen keinen Gebrauch mache. Dieses Vorgehen verstoße gegen den Grundsatz der Völkerrechtsfreundlichkeit des Grundgesetzes in Verbindung mit dem Rechtsstaatsprinzip und sei daher verfassungswidrig. Der BFH habe mit Beschluss vom 10.01.2012 (I R 66/09) diese Frage dem Bundesverfassungsgericht zur Entscheidung vorgelegt.
12Der Kläger beantragt,
13die angefochtenen Einkommensteuerbescheide 2007, 2009 und 2010 und die Einspruchsentscheidung dahingehend abzuändern, dass die Einkünfte aus nichtselbstständiger Arbeit von der Besteuerung freigestellt und lediglich im Rahmen des Progressionsvorbehalts berücksichtigt werden.
14Der Beklagte beantragt,
15die Klage abzuweisen.
16Er verzichtet auf eine Stellungnahme.
17Entscheidungsgründe
18Die Klage ist begründet.
19Die angefochtenen Bescheide sind dahingehend zu ändern, dass die Einkünfte des Klägers aus seiner Tätigkeit als Pilot bei der irischen Fluggesellschaft A von der Bemessungsgrundlage der deutschen Steuer ausgenommen werden und nur im Rahmen des Progressionsvorbehalts berücksichtigt werden.
20I. Die Einkünfte des in Deutschland unbeschränkt steuerpflichtigen Klägers sind nach Art. XII Abs. 3 i.V.m. XXII Abs. 2 Satz 1 Buchstabe a Doppelbuchstabe aa Satz 1 DBA-Irland von der Bemessungsgrundlage auszunehmen. Es handelt sich um Einkünfte aus Quellen innerhalb Irlands, da nach Art. XXII Abs. 3 DBA-Irland Dienstleistungen, die eine natürliche Person ganz oder überwiegend an Bord von Luftfahrzeugen erbringt, welche eine in Irland ansässige Person betreibt, als in Irland erbracht gelten.
21Durch die Rechtsprechung des BFH ist geklärt, dass der Arbeitslohn eines Piloten, der in Deutschland wohnt, aber an Bord eines Flugzeugs im internationalen Verkehr für eine irische Fluggesellschaft tätig ist, weder nach § 50d Abs. 9 Satz 1 Nr. 2 EStG noch nach Abs. 8 Satz 1 der Vorschrift in Deutschland besteuert werden kann (vgl. BFH-Urteil vom 11.01.2012 I R 27/11, BFH/NV 2012, 862). Im Urteilsfall, in dem die Einkünfte des klagenden Piloten in Irland vollständig von der Besteuerung freigestellt waren, hat der BFH es als erwiesen angesehen, dass Irland auf sein Besteuerungsrecht im Sinne des § 50d Abs. 8 Satz 1 EStG verzichtet hat. Zudem hat der BFH § 50d Abs. 8 Satz 1 EStG gegenüber Abs. 9 Satz 1 Nr. 2 der Vorschrift für Einkünfte aus nichtselbstständiger Arbeit als speziellere Regelung gesehen, da Abs. 9 Satz 3 der Vorschrift ausdrücklich anordne, dass „Abs. 8 ... unberührt (bleibt)“. In einem obiter dictum (Rz.13 des Urteils) hat der BFH - ohne dies näher zu begründen - einen Anwendungsbereich des § 50d Abs. 9 Satz 1 Nr. 2 EStG allenfalls in den Fällen ausgemacht, in denen - wie im Streitfall - der Besteuerungsverzicht des anderen Staates nur einen Teil der betreffenden Einkünfte erfasse.
22Der Senat hält diese Überlegung jedoch für fraglich. Nach Auffassung des Senats führt § 50d Abs. 9 Satz 1 Nr. 2 EStG auch dann nicht zu einem Rückfall des Besteuerungsrechts an Deutschland, wenn der Besteuerungsverzicht des anderen Staates nur einen Teil der betreffenden Einkünfte erfasst.
23Dies gilt zunächst im Hinblick auf den Wortlaut des § 50d Abs. 9 Satz 1 Nr. 2 EStG. Die Vorschrift versagt die Freistellung von Einkünften, wenn die Einkünfte in dem anderen Staat nur deshalb nicht steuerpflichtig sind, weil sie von einer Person bezogen werden, die in diesem Staat nicht unbeschränkt steuerpflichtig ist. Im Falle des Klägers greift die Vorschrift ihrem Wortlaut nach nicht ein, da Irland von seinem Besteuerungsrecht Gebrauch gemacht hat, wenn auch die dortige Besteuerung auf einen geringen Teil der betreffenden Einkünfte beschränkt war. Durch die in § 50d Abs. 9 Satz 1 Nr. 2 EStG verwendete Formulierung "wenn die Einkünfte ... nicht steuerpflichtig sind“ wird zum Ausdruck gebracht, dass es nur dann zu einem Rückfall des Besteuerungsrechts an Deutschland kommen soll, wenn in dem anderen Staat gar keine Besteuerung stattgefunden hat. Der Wortlaut lässt nicht den Schluss zu, dass die Rückfallklausel greift, wenn sich die Besteuerung dort auf einen Teil der Einkünfte beschränkt. Eine dahin gehende Einschränkung hätte ohne Schwierigkeiten klar und eindeutig geregelt werden können, indem statt des Wortes "wenn" der Begriff "soweit" verwendet worden wäre. Damit ist es ohne Bedeutung, ob in dem anderen Staat alle Einkunftsteile zu einer Steuerzahlungspflicht geführt haben.
24In diesem Sinne hat der BFH eine vergleichbare abkommensrechtliche Frage beurteilt. So hat er mit Urteil vom 27.08.1997 (I R 127/95, BStBl II 1998, 58) zu einer ähnlichen Regelung in Art. 23 Abs. 3 DBA-Kanada vom 17.07.1981 als einer sog. Subject-to-tax-Klausel entschieden, dass es für die Freistellung der Einkünfte von der deutschen Besteuerung unbeachtlich sei, dass Kanada diese Einkünfte - aus welchen Gründen auch immer - nur teilweise besteuere. Art. 23 DBA-Kanada beinhalte lediglich eine qualitativ-konditionale Voraussetzung der Besteuerung in Kanada („wenn“), nicht jedoch eine solche quantitativer Art („soweit“).
25Auch mit Blick auf das Konkurrenzverhältnis zu § 50d Abs. 8 Satz 1 EStG, kann aus Abs. 9 Satz 1 Nr. 2 der Vorschrift im vorliegenden Kontext kein Rückfall des Besteuerungsrechts an Deutschland abgeleitet werden. Denn Abs. 9 Satz 3 der Vorschrift ordnet an, dass „Abs. 8 ... unberührt (bleibt)“. Der BFH sieht § 50d Abs. 8 Satz 1 EStG deswegen gegenüber Abs. 9 Satz 1 Nr. 2 der Vorschrift für Einkünfte aus nichtselbstständiger Arbeit als speziellere Regelung an (vgl. BFH-Urteil vom 11.01.2012 I R 27/11, a.a.O.).
26Im Streitfall würde § 50d Abs. 8 Satz 1 EStG - ebenso wenig wie Abs. 9 Satz 1 Nr. 2 der Vorschrift - zu einem Rückfall des Besteuerungsrechts an Deutschland führen. Die Vorschrift sieht für Einkünfte eines unbeschränkt Steuerpflichtigen aus nichtselbständiger Arbeit dann eine Freistellung vor, soweit der Steuerpflichtige nachweist, dass der andere Vertragsstaat, dem nach dem Abkommen das Besteuerungsrecht zusteht, auf dieses Besteuerungsrecht verzichtet hat oder dass die in diesem Staat auf die Einkünfte festgesetzten Steuern entrichtet wurden. Der Kläger hat jedoch durch Vorlage von Kopien der irischen Steuerbehörden nachgewiesen, dass Irland auf das Besteuerungsrecht an dem von ihm bezogenen Arbeitslohn verzichtet hat, soweit nicht dortige Flughäfen angeflogen wurden, und dass die festgesetzten Steuern entrichtet wurden, soweit bestimmte Einkunftsteile steuerpflichtig waren.§ 50d Abs. 8 Satz 1 EStG greift daher nicht ein.
27Der Vorbehalt in § 50d Abs. 9 Satz 3 EStG, dass „Abs. 8 ... unberührt (bleibt)“, erstreckt sich, worauf der BFH im Urteil vom 11.01.2012 (I R 27/11, a.a.O. unter II. 4. der Gründe) ausdrücklich hingewiesen hat, auf beide dort rückfallauslösenden Tatbestandsalternativen - nicht nachgewiesener Besteuerungsverzicht einerseits oder nicht nachgewiesene Steuerzahlung andererseits - und wirkt damit allgemein und unbedingt. Der Gedanke, dass es sich bei § 50d Abs. 8 Satz 1 EStG um die gegenüber Abs. 9 Satz 1 Nr. 2 speziellere Vorschrift handelt, greift damit nicht nur, wenn nachgewiesen wird, dass der andere Staat insgesamt auf eine Besteuerung verzichtet; er erfasst vielmehr auch die vorliegende Situation, in der der andere Staat nachweislich auf die Besteuerung eines Teils der Einkünfte verzichtet hat, und die auf die steuerpflichtigen Einkunftsteile entfallende Steuer nachweislich gezahlt worden ist.
28Vor allem aber würde ein Ergebnis im Sinne des obiter dictum in dem BFH-Urteil in BFH/NV 2012,862 zu nicht interessengerechten und wertungswidersprüchlichen Unterscheidungen führen. Sofern - wie im Urteilsfall des BFH - ein Besteuerungsverzicht des anderen Staates im Sinne des § 50d Abs. 8 Satz EStG nachgewiesen ist, hätte dies eine Steuerfreistellung der Einkünfte in Deutschland zur Folge, ohne dass das Ergebnis durch Abs. 9 Satz 1 Nr. 2 der Vorschrift korrigiert werden könnte. Sofern dagegen - wie im Falle des Klägers - Einkunftsteile in den anderen Staat besteuert wurden, würden die gesamten Einkünfte - zumindest aber der Teil, der in dem anderen Staat nicht besteuert worden ist - der deutschen Besteuerung unterliegen. Der Kläger wäre daher, weil Einkunftsteile in Irland besteuert wurden, schlechter gestellt als jemand, dessen Einkünfte in dem anderen Staat vollumfänglich von der Besteuerung freigestellt wurden. Da in jenem Fall § 50d Abs. 9 Satz 1 Nr. 2 EStG nicht eingreift, muss bei einer teilweisen Besteuerung erst recht dasselbe gelten.
29II. Die Einkünfte unterliegen nach Art. XXII Abs. 2 Satz 1 Buchstabe a Doppelbuchstabe aa Satz 2 DBA-Irland i.V.m. § 32b Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 EStG dem Progressionsvorbehalt.
30III. Die angefochtenen Steuerfestsetzungen sind antragsgemäß zu ändern.
31Die Berechnung wird dem Beklagten übertragen (§ 100 Abs. 2 Satz 2 Finanzgerichtsordnung -FGO -).
32IV. Die Kostenentscheidung folgt aus § 135 Abs. 1 FGO.
Verwandte Urteile
Keine verwandten Inhalte vorhanden.
Referenzen
This content does not contain any references.