Urteil vom Finanzgericht Köln - 8 K 3796/11
Tenor
Die Klage wird abgewiesen.
Die Kläger tragen die Kosten des Verfahrens.
1
Tatbestand
2Streitig ist, ob betreffend den Einkommensteuerveranlagungszeitraum 1999 bezüglich des geänderten Einkommensteuerbescheides vom 04.07.2011 Festsetzungsverjährung vorliegt.
3Mit Schreiben vom 06.03.2010, beim Beklagten eingegangen am 05.03.2010, erklärte der Kläger für die Veranlagungszeiträume 1999 bis 2008 unter der Steuernummer 1 Kapitaleinkünfte nach. Das Schreiben befindet sich in einer Akte des Finanzamtes für Steuerstrafsachen und Steufa A „Listennummer ..., B Geschäftszeichen: 2“.
4Entsprechend einem Vermerk der Straf- und Bußgeldstelle des Finanzamtes für Steuerstrafsachen und Steuerfahndung A (Blatt 2 der Steufa-Akte) ist das Schreiben vom 05.03.2010 dem Finanzamt für Steuerstrafsachen und Steuerfahndung am 16.03.2010 vom Beklagten übermittelt worden. Am 18.03.2010 leitete das Finanzamt für Steuerstrafsachen und Steuerfahndung A – Straf- und Bußgeldstelle – gegenüber dem Kläger das Strafverfahren ein wegen des Verdachts der Steuerhinterziehung in den Jahren 2005 ff. durch die Abgabe unrichtiger Einkommensteuererklärungen 2004 bis 2008. Mit Schreiben vom gleichen Tag an den Kläger erfolgte die Aufforderung, die konkreten Besteuerungsgrundlagen und die zu deren Prüfung erforderlichen Unterlagen bis zum 19.05.2010 einzureichen. Dies gelte nicht nur für die Zeiträume, für die das Strafverfahren eingeleitet worden sei, sondern auch für frühere Zeiträume, sofern in diesen Angaben zu Besteuerungsgrundlagen unterlassen worden seien und die verlängerte Festsetzungsfrist gemäß § 169 Abs. 2 Satz 2 1. Alternative AO noch nicht abgelaufen sei.
5In dem Einleitungsvermerk wird das Schreiben des Klägers vom 05.03.2010 als Selbstanzeige gemäß § 371 AO bewertet. Ferner ist unter Ziffer 9 der Verfügung, die insgesamt von dem zuständigen Sachgebietsleiter unterschrieben ist, vermerkt: Urschriftlich mit einem Band Strafakten an das Strafa-FA A – Steuerfahndungsstelle – übersandt mit der Bitte, Ermittlungen aufzunehmen. Entgegen den anderen in der Verfügung enthaltenen Ziffern befindet sich dieser Ziffer keine Paraphe des zuständigen Bearbeiters (Blatt 67 Steufa).
6Mit Schreiben unter dem 07.03.2010, eingegangen beim Beklagten am 05.03.2010 und weitergeleitet an das Finanzamt für Steuerstrafsachen und Steuerfahndung A am 12.03.2010 wies der Kläger unter der Steuernummer: 3 auf die am selben Tag erfolgte Abgabe einer Schenkungssteuererklärung über einen Vorerwerb vom 15.07.2002 hin mit dem Ziel einer Berichtigung der Erbschaftsteuererklärung. Entsprechend der Schenkungssteuererklärung waren dem Kläger von der am .....2008 verstorbenen B1, seiner Mutter, Gegenstände zu einem Gesamtwert von 234.304,-- € zugewendet worden. In einem Erweiterungsvermerk des Finanzamtes für Steuerstrafsachen und Steuerfahndung A – Straf- und Bußgeldstelle – wurde auch dieses Schreiben vom 05.03.2010 als Selbstanzeige gewertet und das bereits gegenüber dem Kläger eingeleitete Strafverfahren wegen des Verdachts der Steuerhinterziehung durch Abgabe einer unrichtigen Erbschaftsteuererklärung auf den 01.02.2008 erweitert (Az.: 2/1). Auch in dieser Verfügung ist unter Tz. 9 ohne eine Paraphe eines Bearbeiters, aber insgesamt vom Sachgebietsleiter unterschrieben, vermerkt, dass die Steuerfahndungsstelle gebeten worden ist, die Ermittlungen aufzunehmen.
7Am 21.04.2010 wurde Herr Steueramtmann H von der Steuerfahndungsstelle beim Finanzamt für Steuerstrafsachen und Steuerfahndung A unter dem Az.: 2/2 beauftragt, die strafrechtlichen Ermittlungen in dem gegen den Kläger eingeleiteten Strafverfahren durchzuführen sowie bei dem Kläger die Besteuerungsgrundlagen zu ermitteln. In dem Prüfungsauftrag wird auf die Selbstanzeige vom 06.03.2010 (Nacherklärung ausländischer Kapitalanlagen sowie Vorwegschenkung 2002) hingewiesen (Bl. 117 Steufa-Akte).
8Mit Schreiben vom 19.05.2010 teilte der Kläger dem Finanzamt für Steuerstrafsachen und Steuerfahndung A mit, die mit dessen Schreiben vom 18.03.2010 angeforderten Erklärungen und Unterlagen seien beim Beklagten fristgerecht eingereicht worden.
9Zu dem Geschäftszeichen 2/2 teilte die Steuerfahndungsstelle beim Finanzamt für Steuerstrafsachen und Steuerfahndung A dem Kläger mit Schreiben vom 06.12.2010 unter dem Betreff: „Steuerstrafrechtliches Ermittlungsverfahren, Selbstanzeige vom ....2010“ mit (Blatt 119 Steufa-Akte):
10„...die Steuerfahndungsstelle A wurde mit der Überprüfung Ihrer Selbstanzeige der Jahre 1999 – 2008 beauftragt.
11Zur abschließenden Prüfung der Selbstanzeige benötige ich noch folgende Unterlagen:
12- Depotauszüge der M
13- Unterlagen über unterjährige Aktien- und Fondsverkäufe
14- Überprüfbare Unterlagen der erhaltenen Schenkungen von ihrer Mutter
15- Überprüfbare Unterlagen über die nacherklärten Einkünfte Ihrer Mutter
16Soweit sich im Depot der M Wertpapiere befanden, die die Erträge nicht ausgeschüttet haben, sind die ausschüttungsgleichen Erträge zu versteuern.
17Im Rahmen der bisherigen Prüfung wurden folgende Feststellungen getroffen:
181. Kosten der banklagernden Post wurden als Werbungskosten angesetzt. Als Werbungskosten können nur solche Aufwendungen berücksichtigt werden, die der Einkünfteerzielung dienen. Die Kosten der banklagernden Post stehen mit der Einkünfteerzielung nicht in Zusammenhang.
192. Die dem Konto der R-Bank (Schweiz) gutgeschriebenen Zinsen wurden von Ihnen netto (nach Abzug der Verrechnungssteuer) angesetzt. Die Zinsen sind jedoch brutto zu versteuern.
203. Dem Konto der R-Bank (Schweiz) werden regelmäßig „Vergütungen“ gutgeschrieben (z.B. 08.10.2002 Gutschrift i.H.v. 66.088,80 CHF).
21Zwecks Beurteilung, ob diese Vergütungen zu den steuerpflichtigen Einkünften gehören, bitte ich um Benennung der Zahlungsgrundes und um Vorlage der Einzelbelege....“
22Dem Schreiben vom 06.12.2009 war eine Sichtung und Bewertung der vom Kläger bereits eingereichten Unterlagen vorausgegangen, deren Ergebnis in einem Vermerk der Steufa vom 01.12.2010 festgehalten wurde (Blatt 120 Steufa-Akte).
23Der Kläger bestätigte den Zugang des Schreibens vom 06.12.2010 mit Schreiben vom 22.12.2010 (Eingang 27.12.2010) gegenüber dem Finanzamt für Steuerstrafsachen und Steuerfahndung. In der Folgezeit legte der Kläger sukzessive die von dem Steuerfahnder H angeforderten Unterlagen vor, zuletzt am 12.04.2011 (Blatt 156 Steufa-Akte).
24Der Beklagte übersandte an das Finanzamt für Steuerstrafsachen und Steuerfahndung A – Steuerfahndungsstelle – zu Händen Herr H am 18.01.2011 die Schenkungssteuererklärung 2002 des Klägers (Blatt 121 Steufa-Akte). Am 19.04.2011 teilte die Steuerfahndungsstelle des Finanzamtes für Steuerstrafsachen und Steuerfahndung A dem Kläger den Stand ihrer Ermittlungen mit (Blatt 157 Steufa-Akte). Bezüglich der Ermittlungen der Steuerfahndung wird auf Bl. 120 bis 174 der Steufa-Akte verwiesen.
25Mit Einkommensteuerbescheid vom 04.07.2011 wurde u.a. die Steuerfestsetzung 1999 nach § 173 Abs. 1 Nr. 1 AO geändert und die Einkommensteuer in Höhe von 14.565,17 € festgesetzt. Gemäß § 223a AO wurden Zinsen in Höhe von 553,-- € festgesetzt.
26Gegen den Einkommensteuerbescheid legten die Kläger Einspruch ein mit der Begründung, für das Jahr 1999 sei mit Ablauf des 31.12.2010 Festsetzungsverjährung eingetreten.
27Der Beklagte übersandte dem Kläger unter Hinweis auf § 171 Abs. 5 AO das Schreiben der Steuerfahndung vom 06.12.2010, mit dem nach seiner Auffassung belegt wird, dass vor Ablauf der Verjährungsfrist am 31.12.2010 Ermittlungen stattgefunden haben, die zum Erlass des angefochtenen Einkommensteuerbescheides 1999 führten.
28Hierauf erwiderten die Kläger, § 171 Abs. 5 Satz 2 AO sei nicht einschlägig, denn für das Jahr 1999 sei kein steuerstrafrechtliches Ermittlungsverfahren anhängig. Dies ergebe sich eindeutig aus der Verfahrenseröffnungsanzeige vom ....03.2010. Das Anfordern von Unterlagen nach Eingang einer Selbstanzeige stelle auch keinen Beginn der Ermittlungen durch die Steuerfahndung im Sinne des § 171 Abs. 5 Satz 1 AO dar. Das Schreiben der Steuerfahndung vom 06.12.2010 sei im Besteuerungsverfahren und nicht im Steuerstrafverfahren ergangen.
29Mit Einspruchsentscheidung vom 14.11.2011 wies der Beklagte den Einspruch der Kläger als unbegründet zurück. In Übereinstimmung mit den Klägern vertrat er die Auffassung, dass die zehnjährige Festsetzungsverjährung wegen Steuerhinterziehung im Streitfall einschlägig sei. Diese sei am 31.12.2010 jedoch nicht abgelaufen, da vor dem 31.12.2010 Ermittlungen der Steuerfahndung stattgefunden hätten, nach außen dokumentiert in dem Schreiben der Steuerfahndung vom 06.12.2010. Auf den Umfang und die Ausführung in der Eröffnungsmitteilung vom ....03.2010 käme es deshalb nicht mehr an. Auf die Einspruchsentscheidung wird verwiesen.
30Mit der vorliegenden Klage machen die Kläger geltend, die Festsetzungsverjährung nach § 169 Abs. 2 Satz 2 AO ende unstreitig am 31.12.2010. Die Festsetzungsverjährungsfrist nach 171 Abs. 9 AO ende am 06.03.2011 nach Ablauf eines Jahres ab Einreichung der Selbstanzeige bei dem Beklagten. Der Einkommensteuerbescheid 1999 sei jedoch erst am 04.07.2011 ergangen. Auf die Hemmung der Festsetzungsverjährung gemäß § 171 Abs. 5 AO könne sich der Beklagte nicht berufen, denn § 171 Abs. 5 AO setzte voraus, dass die Zollämter oder mit der Steuerfahndung betraute Dienststellen des Landes NRW mit der Ermittlung der Besteuerungsgrundlagen befasst worden seien. Dem sei im Streitfall nicht so, denn das am ....03.2010 eingeleitete Steuerstrafverfahren habe nur die Veranlagungszeiträume 2005 ff. betroffen. Selbst wenn die Steuerfahndung mit der Ermittlung der Besteuerungsgrundlagen im März 2010 begonnen habe, sei zu beachten, dass die Ermittlungen für die Dauer von mindestens 6 Monaten unterbrochen worden seien, § 171 Abs. 5 Satz 1 2. Halbsatz i.V.m. § 171 Abs. 4 Satz 2 AO. Denn erstmals am 06.12.2010 sei eine Bearbeitung der Selbstanzeige erfolgt. Mit dem Schreiben der Steuerfahndung vom 06.12.2010 werde auch nicht ein Steuerfahndungsverfahren eingeleitet. Es verweise lediglich auf das wegen der Selbstanzeige eingeleitete Steuerstrafverfahren für die Jahre 2004 ff. Die Steuerfahndung habe die Ermittlungen der Besteuerungsgrundlagen für die Jahre 1999 bis 2003 eindeutig erkennbar im Besteuerungsverfahren durchführen wollen. Die Selbstanzeige des Klägers sei von der Straf- und Bußgeldstelle des Finanzamtes für Steuerstrafsachen und Steuerfahndung A erfasst worden. Eine Abgabe des Verfahrens an die Steuerfahndungsstelle sei in den Akten nicht auffindbar. Ziffer 9 in der Verfügung zu dem Einleitungsvermerk der Straf- und Bußgeldstelle des Finanzamtes für Steuerstrafsachen und Steuerfahndung A vom 18.03.2010 (Blatt 67 Steufa-Akte) und vom 24.03.2010 (Blatt 69) seien nicht mit einem Erledigungsvermerk gekennzeichnet. Dies belege zusätzlich, dass die Steuerfahndung nur in Ermittlungen der Besteuerungsgrundlagen tätig gewesen sei. § 171 Abs. 5 Satz 1 AO könne nicht zur Verjährungshemmung herangezogen werden, weil aus dem Akteninhalt eindeutig folge, dass keine der in der Vorschrift genannten Behörden, insbesondere die Steuerfahndung, vor Ablauf der Festsetzungsverjährungsfrist mit Ermittlungen der Besteuerungsgrundlagen des Klägers begonnen hätten. Vielmehr sei lediglich die Straf- und Bußgeldstelle des Finanzamtes für Steuerstrafsachen und Steuerfahndung A tätig geworden.
31Die Kläger beantragen
32die Aufhebung der Einspruchsentscheidung vom 14.11.2011 und des Einkommensteuerbescheides 1999 nebst Zinsbescheid vom 04.07.2011.
33Der Beklagte beantragt,
34die Klage abzuweisen.
35Unter Hinweis auf die Einspruchsentscheidung und das Schreiben der Steuerfahndungsstelle vom 06.12.2010 sieht er die Voraussetzungen für eine Ablaufhemmung der Festsetzungsfrist gemäß § 171 Abs. 5 Satz 1 AO als gegeben an. Die Strabu-Stelle des Finanzamtes für Steuerstrafsachen und Steuerfahndung A habe am 21.04.2010 die Steuerfahndung mit der Ermittlung der Besteuerungsgrundlagen des Klägers beauftragt. Aus dem Schreiben der Steufa vom 06.12.2010 ergebe sich eindeutig, dass die Steuerfahndung am 06.12.2010 die ihr vorliegenden Unterlagen bereits bearbeitet habe und Ermittlungshandlungen erfolgten. Für die Ablaufhemmung gemäß § 171 Abs. 5 Satz 1 AO sei die Einleitung eines Strafverfahrens nicht erforderlich. Es werde lediglich vorausgesetzt, dass die Steuerfahndung vor Ablauf der Festsetzungsverjährung mit der Ermittlung der Besteuerungsgrundlagen begonnen habe.
36Auf das Protokoll der mündlichen Verhandlung wird verwiesen.
37Entscheidungsgründe
38Die Klage ist unbegründet.
39Der angefochtene Einkommensteuerbescheid 1999 nebst Zinsbescheid vom 04.07.2011 ist rechtmäßig und verletzt die Kläger nicht in ihren Rechten, denn der Beklagte hat den Einkommensteuerbescheid 1999 in nichtfestsetzungsverjährter Zeit erlassen.
40Zwischen den Beteiligten ist in Übereinstimmung mit der Rechtsauffassung des erkennenden Senats unstreitig, dass die im Streitfall einschlägige 10jährige Festsetzungsfrist des § 169 Abs. 2 Satz 2 AO mit Ablauf des 31.12.2010 endete.
41Ebenfalls besteht Einigkeit darüber, dass der verjährungshemmende Tatbestand des § 171 Abs. 9 AO nicht zum Tragen kommt, weil die dort vorgesehene Jahresfrist vor Erlass des angefochtenen Einkommensteuerbescheides 1999 vom 04.07.2011 bereits am 06.03.2011 geendet hatte (vgl. zur Unzulässigkeit der Kombination der Ablaufhemmung gem. § 171 Abs. 5 Satz 1 AO mit derjenigen gem. § 171 Abs. 9 AO: BFH, Urteil vom 08.07.2009 - VIII R 5/07 -, BStBl II 2010, 583).
42Eine Hemmung des Eintritts der Festsetzungsverjährung ist jedoch nach § 171 Abs. 5 Satz 1 AO erfolgt.
43Die Anwendung des § 171 Abs. 5 Satz 1 AO wird durch die Regelung des § 171 Abs. 9 AO nicht ausgeschlossen. Zwar regelt § 171 Abs. 9 AO speziell die Hemmung der Festsetzungsverjährung bei Erstattung einer Selbstanzeige, § 171 Abs. 9 AO verdrängt jedoch nicht andere verjährungshemmende Vorschriften, deren Voraussetzungen vor dem Ablauf der regulären Festsetzungsfristen gem. § 169 AO verwirklicht worden sind (BFH, Beschluss vom 25.07.2007 – V B 39/07 -, BFH/NV 2007, 2071).
44Die Voraussetzung der verjährungshemmenden Vorschrift § 171 Abs. 5 Satz 1 AO sind im Streitfall gegeben.
45Beginnen die mit der Steuerfahndung betrauten Dienststellen der Landesfinanzbehörden vor Ablauf der Festsetzungsfrist beim Steuerpflichtigen mit Ermittlungen der Besteuerungsgrundlagen, so läuft die Festsetzungsfrist gem. § 171 Abs. 5 Satz 1 AO nicht ab, bevor die aufgrund der Ermittlungen zu erlassenden Steuerbescheide unanfechtbar geworden sind. Maßgebender Zeitpunkt für den Eintritt der Ablaufhemmung ist damit der notwendig vor Ablauf der Festsetzungsfrist liegende Beginn der Ermittlungshandlungen beim Steuerpflichtigen. Einer förmlichen Anordnung der Ermittlungen bedarf es nicht. Die Ablaufhemmung wird ausgelöst, ohne dass die Ermittlungshandlungen den Anforderungen an eine Außenprüfung entsprechen müssten (FG Düsseldorf, Urteil vom 14.12.2006 – 15 K 4744/05 E, Juris, PStR 2007, 255). Es darf sich nicht um Scheinhandlungen handeln.
46Die Anforderung von Unterlagen stellt nach höchstrichterlicher Rechtsprechung eine hinreichend gewichtige Ermittlungshandlung dar (BFH, Urteil vom 08.07.2009 – VIII R 5/07, BStBl II 2010, 583).
47Allerdings muss für den Steuerpflichtigen erkennbar sein, dass in seinen Steuerangelegenheiten ermittelt wird (BFH, Beschluss vom 12.01.2010 – VIII B 159/08 -, BFH/NV 2010, 598 mit weiteren Nachweisen).
48Höchstrichterlich geklärt ist zudem, dass die Ermittlungen der Besteuerungsgrundlagen durch die Steuerfahndung im Sinne von § 171 Abs. 5 Satz 1 AO entweder im Steuerstrafverfahren oder Besteuerungsverfahren durchgeführt werden können (BFH, Urteil vom 16.04.1997 – XI R 61/94 –, BStBl II 1997, 595). Die Zuständigkeit der Steuerfahndung zur Ermittlung der Besteuerungsgrundlagen gem. § 208 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AO hängt dabei nicht davon ab, dass tatsächlich gleichzeitig auch ein Steuerstrafverfahren durchgeführt wird; die Steuerfahndung ist auch dann zuständig, wenn wegen der Steuerstraftat – wie im Streitfall im Jahr 1999 – bereits Verfolgungsverjährung eingetreten, die Festsetzungsfrist nach § 169 Abs. 2 AO aber noch nicht abgelaufen ist (BFH, Beschluss vom 16.09.1997 – VII B 45/97, BStBl II 1998, 231).
49Die Anwendung dieser rechtlichen Maßstäbe auf den Streitfall ergibt, dass die mit der Steuerfahndung betraute Dienststelle des Finanzamtes für Steuerstrafsachen und für Steuerfahndung A (in der Person des Steueramtmann H) vor Ablauf der regulären Verjährungsfrist des § 169 Abs. 2 Satz 2 AO am 31.12.2010 mit dem Schreiben vom 06.12.2010, dessen Zugang vor dem 31.12.2010 der Kläger mit seinem beim Finanzamt für Steuerstrafsachen und Steuerfahndung A am 27.12.2010 eingegangenen Schreiben vom 22.12.2010 bestätigt hat, mit Ermittlungen unter anderem seiner Besteuerungsgrundlagen für das Streitjahr 1999 begonnen hatte.
50Mit dem Schreiben vom 06.12.2010 ist eine Dienststelle der Steuerfahndung beim Finanzamt für Steuerstrafsachen und Steuerfahndung A und nicht etwa eine Strabu-Stelle dieser Behörde tätig geworden. Dies folgt aus dem Briefkopf des Schreibens.
51Die von der Dienststelle der Steuerfahndung in Gestalt des Schreibens vom 06.12.2010 erfolgte Anforderung von Unterlagen stellt nach der zitierten höchstrichterlichen Rechtsprechung eine gewichtige Ermittlungshandlung dar. Die Anforderung erfolgte u.a. für das Streitjahr 1999, da in dem Schreiben angegeben wurde, dass Gegenstand der Überprüfung die Selbstanzeige der Jahre 1999 bis 2008 sei. Für den Kläger war damit auch erkennbar, dass sich die Ermittlungshandlungen der Steuerfahndung u.a. auf das Streitjahr 1999 bezogen, zumal ihm aus dem an ihn gerichteten Schreiben der Strabu-Stelle beim Finanzamt für Steuerstrafsachen und Steuerfahndung A vom ....03.2010 bekannt war, dass die Vollständigkeit seiner Selbstanzeige auch für Zeiträume, für die das Strafverfahren nicht eingeleitet, aber die 10jährige Festsetzungsfrist noch nicht abgelaufen war, zur Überprüfung anstand. Nichts anderes als die Umsetzung dieser Ankündigung durch die Steuerfahndung wurde ihm mit Schreiben vom 06.12.2010 mitgeteilt. Dass im Betreff des Schreibens vom 06.12.2010 „steuerstrafrechtliches Ermittlungsverfahren“ vermerkt worden ist, ist nach Auffassung des erkennenden Senats unerheblich. Denn der Kläger hat aufgrund des Schreibens vom 06.12.2010 die für die vollständige Überprüfung seiner Einkünfte aus Kapitalvermögen laut Selbstanzeige für alle Jahre die erforderlichen Unterlagen nachgereicht. Er war sich also ab Zugang des Schreibens vom 06.12.2010 noch vor dem 31.12.2010 darüber im Klaren, dass die Grundlagen für die Besteuerung seiner Einkünfte aus Kapitalvermögen auch betreffend das Jahr 1999 Gegenstand von ernsthaften Ermittlungshandlungen der Steuerfahndung waren.
52Gegen den mit dem angefochtenen Einkommensteuerbescheid 1999 verbundenen, nicht mit Einspruch, aber im Rahmen der vorliegenden Klage angegriffenen Zinsbescheid haben die Kläger keine gesonderten Einwendungen erhoben. Der Zinsbescheid hat als Folgebescheid des durch das vorliegende Urteil für rechtmäßig erkannten Einkommensteuerbescheides 1999 Bestand.
53Die Kostenentscheidung folgt aus § 135 Abs. 1 FGO.
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