Urteil vom Finanzgericht Köln - 7 K 2700/12
Tenor
Der Einkommensteuerbescheid für 2011 vom 22.5.2012 wird unter Aufhebung der Einspruchsentscheidung vom 9.8.2012 durch Ansatz eines weiteren Betrages i.H.v. 3.155 Euro als außergewöhnliche Belastungen geändert.
Die Berechnung der festzusetzenden Steuer wird dem Beklagten auferlegt.
Die Kosten des Verfahrens trägt der Beklagte.
Die Revision wird zugelassen.
Das Urteil ist wegen der Kosten ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des Kostenerstattungsanspruchs des Klägers abwenden, soweit nicht der Kläger zuvor Sicherheit in derselben Höhe leistet.
1
Tatbestand
2Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob Anwaltskosten, die dem Kläger im Zusammenhang mit der gerichtlichen Festsetzung des Unterhalts für sein uneheliches Kind und dessen Mutter entstanden sind, als außergewöhnliche Belastungen zu berücksichtigen sind.
3Der geschiedene Kläger wurde im Streitjahr 2011 einzeln zur Einkommensteuer veranlagt. Er ist der Vater des am ....7.2010 geborenen Kindes A. Mit der Kindesmutter A1 war er nicht verheiratet und lebte auch nicht mit ihr zusammen. Weitere Kinder hatte der Kläger nicht. Er verpflichtete sich am 3.9.2010 vor dem Jugendamt der Stadt B (Az.: ...) in einer Jugendamtsurkunde zur Zahlung von Kindesunterhalt für seinen Sohn A. Außerdem verpflichtete er sich in einem notariellen Schuldanerkenntnis mit Zwangs-vollstreckungsunterwerfung am 6.9.2010 vor der Notarin C (UR.Nr. ...) zur Unterhaltszahlung an die Kindesmutter gem. § 1615 l BGB in Höhe von 440 € monatlich. Der Kläger kam diesen Unterhaltsverpflichtungen regelmäßig nach.
4Die Mutter von A, Frau A1, stellte noch im Jahr 2010 beim Amtsgericht B, Familiengericht, Abänderungsanträge in Bezug auf den Kindesunterhalt und den Unterhalt der Kindesmutter (Geschäfts. Nr.: ...). Das Verfahren wurde mit gerichtlich protokolliertem Vergleich vom 12.4.2011 einvernehmlich beendet. Mit dem Vergleich verpflichtete sich der Kläger unter Abänderung der o.g. Jugendamtsurkunde, seinem Sohn einen monatlichen Unterhalt in Höhe von 128 % des Mindestbedarfs abzüglich des in Anrechnung zu bringenden hälftigen Kindergeldanteils zu zahlen. Außerdem wurde der Unterhalt der Kindesmutter für die Zeit vom Mai bis September 2011 auf 550,00 € monatlich und ab Oktober 2011 auf 1.100,00 € monatlich festgesetzt. Die Kosten des Verfahrens und die Kosten des Vergleichs wurden gegeneinander aufgehoben. Am 24.4.2011 erstellte der Prozessvertreter des Klägers in der Familiensache die Endabrechnung, die sich auf noch zu zahlende Anwaltskosten i.H.v. 3.155 Euro belief und vom Kläger in 2011 beglichen wurde. Der Prozessvertreter rechnete dabei ausschließlich gesetzliche Anwaltsgebühren nach dem Rechtsanwaltsvergütungsgesetzes (RVG) ab. Vom RVG abweichende Vergütungsvereinbarungen nach § 3a RVG, die über die gesetzlichen Rahmengebühren hinausgehen, wurden nicht berechnet.
5In der Einkommensteuererklärung für 2011 machte der Kläger neben Krankheitskosten von 20 € die o.g. Anwaltsgebühren als außergewöhnliche Belastungen in Höhe von 3.155 Euro geltend. Der Beklagte verweigerte im Einkommensteuerbescheid für 2011 vom 22.5. 2012 die steuerliche Berücksichtigung der Anwaltskosten. In den Erläuterungen des Steuerbescheids wies er insoweit darauf hin, dass die Kosten eines Zivilprozesses den Steuerpflichtigen in aller Regel nicht zwangsläufig träfen und daher keine außergewöhnlichen Belastungen seien. Die Krankheitskosten in Höhe von 20 € erkannte der Beklagte als außergewöhnliche Belastungen an. Bei einem Gesamtbetrag der Einkünfte in Höhe von 58.882 € und der Berücksichtigung eines Kindes wirkten sich diese Kosten im Hinblick auf eine zumutbare Belastung (§ 33 Abs. 3 Nr. 2 EStG) von 2.355 € zunächst nicht aus.
6Der Einspruch des Klägers blieb erfolglos (Einspruchsentscheidung vom 9.8. 2012). Der Beklagte ging in der Einspruchsentscheidung unzutreffend davon aus, dass die geltend gemachten Kosten in Zusammenhang mit der Scheidung des Klägers stünden. Er vertrat insoweit die Auffassung, dass als außergewöhnliche Belastungen nur die originären Scheidungskosten, die Kosten für die Regelung des Versorgungsausgleichs und die Kosten für das Sorge- und Umgangsrecht für vor dem 1.7.1998 geborene Kinder anerkannt werden könnten. Die Kosten für alle weiteren Scheidungsfolgesachen seien nicht zwangsläufig entstanden, weil sie nur auf Antrag eines Ehegatten durch das Gericht entstehen würden. Dies gelte auch für den anderen Ehegatten, der den Antrag auf Regelung von Scheidungsfolgesachen nicht gestellt habe. Das Urteil des Bundesfinanzhofs (BFH) vom 12. 5. 2011 (VI R 42/10, BStBl II 2011, 1015), auf das sich der Kläger berufe, werde von der Finanzverwaltung nicht über den Einzelfall hinaus angewandt (Hinweis auf Nichtanwendungserlass des BMF vom 20.12.2011, BStBl I 2011, 1286).
7Mit der vorliegenden Klage macht der Kläger geltend, der Beklagte habe die Prozesskosten im Hinblick auf das BFH-Urteil vom 12. 5 2011 (VI R 42/10, BStBl II 2011, 1015) zu Unrecht nicht anerkannt. Die Zivilprozesskosten seien zur Abwehr von Unterhaltsansprüchen der Mutter des gemeinsamen Kindes entstanden. Diese Kosten seien zwangsläufig entstanden. Seine Rechtsverteidigung sei nicht mutwillig gewesen und habe von Anfang an Aussicht auf Erfolg gehabt.
8Der Kläger beantragt,
9den Einkommensteuerbescheid für 2011 vom 22.5.2012 unter Aufhebung der Einspruchsentscheidung vom 9.8.2012 durch Ansatz eines weiteren Betrages i.H.v. 3.155 Euro als außergewöhnliche Belastungen zu ändern,
10im Unterliegensfall die Revision zuzulassen.
11Der Beklagte beantragt,
12die Klage abzuweisen,
13im Unterliegensfall die Revision zuzulassen.
14Auch wenn es sich bei den geltend gemachten Rechtsanwaltskosten nicht um Scheidungsfolgekosten handele, könnten die Kosten nicht als außergewöhnliche Belastungen anerkannt werden. Das Urteil des BFH-Urteil vom 12. 5. 2011 (VI R 42/10, BStBl II 2011, 1015) werde von der Finanzverwaltung nicht über den Einzelfall hinaus angewandt.
15Entscheidungsgründe
16Die Klage ist begründet.
17Der Kläger wird durch den angefochtenen Einkommensteuerbescheid 2011 in seinen Rechten verletzt (§ 100 Abs. 1 Satz 1 FGO). Der Beklagte hat zu Unrecht die vom Kläger in 2011 verausgabten Rechtsanwaltskosten i.H.v. 3.155 € nicht als weitere außergewöhnliche Belastungen berücksichtigt.
18Die im Rahmen des familiengerichtlichen Unterhaltsstreits im Streitjahr entstandenen Anwaltskosten stellen in vollem Umfang außergewöhnliche Belastungen i.S. des § 33 Abs. 1 EStG dar.
19Nach § 33 Abs. 1 EStG wird auf Antrag die Einkommensteuer ermäßigt, wenn einem Steuerpflichtigen zwangsläufig größere Aufwendungen als der überwiegenden Mehrzahl der Steuerpflichtigen gleicher Einkommens- und Vermögensverhältnisse sowie gleichen Familienstands erwachsen (außergewöhnliche Belastung). Aufwendungen erwachsen dem Steuerpflichtigen dann zwangsläufig, wenn er sich ihnen aus rechtlichen, tatsächlichen oder sittlichen Gründen nicht entziehen kann und somit die Aufwendungen den Umständen nach notwendig sind und einen angemessenen Betrag nicht übersteigen (§ 33 Abs. 2 Satz 1 EStG).
20Für die Entscheidung, ob Aufwendungen zwangsläufig i.S. des § 33 EStG angefallen sind, ist auf die wesentliche Ursache abzustellen, die zu den Aufwendungen geführt hat. Liegt diese in der vom Einzelnen gestaltbaren Lebensführung, kommt ein Abzug nicht in Betracht (vgl. BFH, Urteil vom 18. 3. 2004 III R 31/02, BStBl II 2004, 867). Die Kosten eines Zivilprozesses wurden bis zum Ergehen der Grundsatzentscheidung des BFH vom 12. 5. 2011 (VI R 42/10, BStBl II 2011, 1015) lediglich in besonders gelagerten Fällen als außergewöhnliche Belastung anerkannt. Die erforderliche Zwangsläufigkeit der Kosten wurde nur dann bejaht, wenn die Durchführung eines Gerichtsverfahrens prozessrechtlich der einzige Weg war, das Klageziel zu erreichen.
21Diese Rechtsprechung ist nach Auffassung des Senats im Hinblick auf die o.g. Grundsatzentscheidung des BFH vom 12. 5. 2011 (VI R 42/10, BStBl II 2011, 1015) jedoch überholt. Der BFH hat mit diesem Urteil seine bisherige Rechtsprechung geändert.
22Nach der nunmehr vom BFH vertretenen Auffassung ergibt sich die rechtliche Zwangs-läufigkeit der für die Durchführung eines Zivilprozesses entstandenen Kosten unabhängig vom Gegenstand des Verfahrens aus dem staatlichen Gewaltmonopol und der daraus folgenden Notwendigkeit für den Steuerpflichtigen, streitige Ansprüche gerichtlich durchzusetzen oder abzuwehren. Die für die Anerkennung außergewöhnlicher Belastungen i.S. des § 33 Abs. 1 EStG erforderliche Unausweichlichkeit liegt für den Steuerpflichtigen bereits darin, dass er – will er sein Recht durchsetzen – im Verfassungsstaat des Grundgesetzes den Rechtsweg beschreiten muss (a.A. FG Hamburg, Urteil vom 24. 9. 2012 1 K 195/11, EFG 2013, 41).
23Voraussetzung für den Abzug als außergewöhnliche Belastungen ist jedoch, dass sich der Steuerpflichtige nicht mutwillig oder leichtfertig auf den Prozess eingelassen hat. Demgemäß sind Zivilprozesskosten nicht unausweichlich, wenn die beabsichtigte Rechtsverfolgung aus Sicht eines verständigen Dritten keine hinreichende Aussicht auf Erfolg bot. Da diese vom BFH im Rahmen einer "Filterfunktion" herangezogenen Begriffe der "hinreichenden Aussicht auf Erfolg" und der fehlenden "Mutwilligkeit/Leichtfertigkeit" mit den im Prozesskostenhilferecht in § 114 ZPO verwendeten Formulierungen vergleichbar sind, kann für deren Auslegung nach Auffassung des Senats auf die hierzu bereits vorhandene Rechtsprechung und Literatur zurückgegriffen werden (vgl. FG Niedersachsen, Urteil vom 15.5.2013 9 K 238/12, juris; Rosenke, EFG 2013, 454; Loschelder, in: Schmidt, EStG, 31. Auflage 2012, § 33 Rz 35 "Prozesskosten" m.w.N.). Danach muss bei summarischer Prüfung für den Eintritt des Erfolgs eine gewisse Wahrscheinlichkeit bestehen. Eine abschließende Prüfung der Erfolgsaussichten ist insoweit nicht erforderlich (vgl. hierzu BFH- Beschlüsse vom 26.6.2008 IV S 5/08 (PKH), juris, und vom 23.1.1991 II S 15/90, BStBl II 1991, 366; FG Düsseldorf, Urteil vom 20.2.2013 15 K 2052/12 E, EFG 2013, 703; FG Niedersachsen, Urteil vom 15.5.2013, 9 K 238/12, juris).
24Unter dieser Voraussetzung sind diejenigen Prozesskosten abziehbar, die notwendig sind und einen angemessenen Betrag nicht überschreiten. Da sich die Zwangsläufigkeit von Prozesskosten nach der aktuellen BFH-Rechtsprechung aus dem staatlichen Gewaltmonopol zur Durchsetzung zivilrechtlicher Ansprüche ableitet, kommt es auf die näheren Umstände der Beendigung des Zivilprozesses und der Regelung der Kostenverteilung nicht an. Entscheidend ist allein, ob der Steuerpflichtige, der die Kosten letztlich zu tragen hat, das Prozesskostenrisiko aus ex ante Sicht mutwillig oder leichtfertig eingegangen ist (vgl. FG Düsseldorf, Urteil vom 20.2.2013 15 K 2052/12 E, EFG 2013, 703; FG München Urteil vom 20. 4. 2012 8 K 2190/09, EFG 2013, 453). Diese Sichtweise trägt dem Umstand Rechnung, dass eine Einigung hinsichtlich der Kosten die Vergleichsbereitschaft erhöhen kann (vgl. Rosenke, EFG 2013, 454).
25Der Abzugszeitpunkt richtet sich nach § 11 Abs. 2 Satz 1 EStG, d. h. die außergewöhnliche Belastung ist im Veranlagungszeitraum der Verausgabung steuermindernd zu berücksichtigen (Loschelder in: Schmidt, EStG, 31. Aufl. 2012, § 33 Rz. 5).
26Auf der Grundlage dieser aktuellen BFH-Rechtsprechung, der sich der Senat anschließt, stellen die geltend gemachten Anwaltskosten im Streitfall in vollem Umfang eine außergewöhnliche Belastung dar.
27Der Kläger sah sich einem gerichtlichen Unterhaltsabänderungsantrag der Kindesmutter für sich und das gemeinsame Kind ausgesetzt. Nach summarischer Prüfung bot die beabsichtigte Rechtsverteidigung aus Sicht eines verständigen Dritten – bei ex ante Betrachtung – hinreichende Aussicht auf Erfolg. Sie erscheint auch nicht mutwillig.
28Der Kläger hatte die ursprünglich vereinbarten Unterhaltsleistungen regelmäßig er-bracht. Die Mutter des gemeinsamen Kindes begehrte eine Abänderung der bisher in den vollstreckbaren Urkunden (Jugendamtsurkunde und notarielles Schuldanerkenntnis) festgesetzten Unterhaltsbeträge durch das Familiengericht. Der Kläger konnte sich dem Verfahren nicht entziehen. Dass Anlass für eine Rechtsverteidigung bestand und der Kläger auch keinen Grund hatte, die geforderten Mehrbeträge einfach zu akzeptieren, ergibt sich schon daraus, dass er sich mit der Kindesmutter im Rahmen eines Prozessvergleichs einvernehmlich unter Kostenaufhebung geeinigt hat. Dass der Kläger den Vergleich in der Hauptsache durch ein unter objektiven Gesichtspunkten nicht gerechtfertigtes Zugeständnis bei der Kostenverteilung erreicht hat, die Kostenaufhebung mithin nicht der zum Zeitpunkt des Vergleichsabschlusses bestehenden Sach- und Rechtslage entsprach und damit möglicherweise nicht unausweichlich war, hat der Beklagte nicht vorgetragen und ist auch sonst nicht ersichtlich.
29Die Anwaltskosten können im Hinblick auf die Abrechnung nach dem RVG auch der Höhe nach nicht als unangemessen qualifiziert werden.
30Ein anderes Ergebnis ergibt sich auch nicht im Hinblick auf das Urteil des IX. BFH-Senat vom 19.03.2013 (IX R 41/12, BFH/NV 2013, 1168). Der Entscheidung des IX. Senats lag ein Sachverhalt zugrunde, bei dem der dortige Kläger gemeinsam mit seiner von ihm geschiedenen Ehefrau Eigentümer eines vermieteten Grundstücks war. Weil die geschiedene Ehefrau einem gemeinsamen Verkauf nicht zustimmte und er die Gemeinschaft nicht aufrechterhalten wollte, beantragte er beim Amtsgericht, die Gemeinschaft im Wege der Teilungsversteigerung aufzulösen. Im Rahmen dieses Verfahrens fanden die geschiedenen Ehegatten eine Vergleichslösung. Der BFH bestätigte die Entscheidung der Vorinstanz, dass die Anwalts- und Gerichtskosten für das Vergleichsverfahren nicht als außergewöhnliche Belastungen berücksichtigt werden könnten. Dabei wies der IX. Senat des BFH darauf hin, dass aus der Entscheidung des VI. BFH-Senats vom 12. 5. 2011 (VI R 42/10, BStBl II 2011, 1015) nicht folge, dass sämtliche Kosten von Verfahren, bei dem ein Gericht zu beteiligen sei, als außergewöhnliche Belastungen zu qualifizieren seien. Für den VI. BFH-Senat ergebe sich die Unausweichlichkeit von Prozesskosten daraus, dass der Steuerpflichtige, um sein Recht durchzusetzen, im Verfassungsstaat des Grundgesetzes den Rechtsweg beschreiten müsse. Daher könne auch unter Anwendung dieser Rechtsprechung die Allgemeinheit nicht durch die Abziehbarkeit von Gerichts- und Prozesskosten als außergewöhnliche Belastungen an einer verfrühten, unabgestimmten und damit vermeidbaren Inanspruchnahme von Gerichten beteiligt werden. Ob er der o.g. Rechtsauffassung des VI. Senats grundsätzlich folge, ließ der IX BFH-Senat mangels Entscheidungserheblichkeit offen.
31Der Streitfall unterscheidet sich nach Auffassung des Senats von dem vom IX. BFH-Senat entschiedenen Sachverhalt insoweit erheblich, als der Kläger das familiengerichtliche Verfahren nicht in Gang gesetzt hat. Er hat sich im Rahmen des von der Kindesmutter anhängig gemachten Gerichtsverfahren gegen (überhöhte) Unterhaltsansprüche verteidigt. Es kann daher im Hinblick auf die Position des Klägers und familiengerichtlichen Antragsgegners nicht davon gesprochen werden, dass er die Allgemeinheit an für ihn vermeidbaren Kosten beteiligt. Dies muss zumindest dann gelten, wenn der Unterhaltsverpflichtete, wie im Streitfall, seinen laufenden Unterhaltsverpflichtungen nachkommt. Im Übrigen ist zu beachten, dass es nach dem BFH-Urteil vom 12. 5 2011 (VI R 42/10, BStBl II 2011, 1015) nunmehr gerade nicht mehr darauf ankommen soll, ob die Kosten unausweichlich waren. Denn anders als zuvor sieht der BFH die Kosten eines Zivilprozesses nicht mehr als Folge eines freiwillig eingegangenen Kostenrisikos an, sondern unter Hinweis auf das staatliche Gewaltmonopol als notwendige Ausgaben zur Durchsetzung oder Abwehr von streitigen Ansprüchen. Grundsätzlich ist jede zivilrechtliche Streitigkeit auch einer außergerichtlichen Lösung zugänglich. In der Masse der zivilrechtlichen Verfahren bestünde letztendlich immer die Möglichkeit, ohne die Beteiligung von Gerichten eine außergerichtliche Einigung herbeizuführen (siehe Leitner, EFG 2013, 452; Rosenke, EFG 2013, 454).
32Auch aus der Entscheidung des FG Hamburg vom 24. 9. 2012 (1 K 195/11, EFG 2013, 41) und dem Nichtanwendungserlass des BMF vom 20.12.2011 (BStBl I 2011, 1286) ergeben sich keine Gesichtspunkte, die eine anderweitige Beurteilung rechtfertigen.
33Das FG Hamburg (Urteil vom 24. 9. 2012 1 K 195/11, EFG 2013, 41), hat die Anerkennung von Zivilprozesskosten als außergewöhnliche Belastungen trotz der geänderten höchstrichterlichen Rechtsprechung versagt. Es hatte dabei einen Fall zu beurteilen, in dem der Steuerpflichtige einen Anspruch freiwillig – mit dem Ziel seiner Durchsetzung (auch) mit gerichtlicher Hilfe – vom früheren Berechtigten erworben hatte. Der vorliegende Sachverhalt ist völlig anders gelagert. Der Kläger konnte sich dem gerichtlichen Abänderungsantrag der Kindesmutter gerade nicht entziehen.
34Die Finanzverwaltung weist in ihrem Nichtanwendungserlass (BMF-Schreiben vom 20.2.2011 IV C 4 – S 2284/07/0031 :002, 2011/1025909, BStBl I 2011, 1286) darauf hin, dass keine Instrumente für eine eindeutige, zuverlässige und rechtssichere Einschätzung der Erfolgsaussichten eines Zivilprozesses bzw. der Motive der Verfahrensbeteiligten zur Verfügung stünden. Im Hinblick auf eine mögliche gesetzliche Neuregelung der steuerlichen Berücksichtigung von Zivilprozesskosten, die auch die rückwirkende Anknüpfung an die bisher geltende Rechtslage einschließe, könnten daher grundsätzlich Prozesskosten auch für eine Übergangszeit nicht als außergewöhnliche Belastung berücksichtigt werden.
35Eine Gesetzesänderung mit Rückwirkung für den Veranlagungszeitraum 2011 wurde bisher vom Gesetzgeber nicht erlassen. Eine rückwirkende Änderung ist insbesondere auch im Amtshilferichtlinien-Umsetzungsgesetzes nicht enthalten, das am 29.6.2013 im Bundesgesetzblatt Teil I verkündet wurde (BGBl I 2013, 1809). Die in § 33 Abs. 2 EStG eingeführte Neuregelung sieht zwar vor, dass Prozesskosten vom Abzug als außergewöhnliche Belastungen ausgeschlossen sind, wenn es sich nicht um Aufwendungen handelt, ohne die der Steuerpflichtige Gefahr liefe, seine Existenzgrundlage zu verlieren und seine lebensnotwendigen Bedürfnisse in dem üblichen Rahmen nicht mehr befriedigen zu können. Nach der einschlägigen Anwendungsvorschrift in § 52 Abs. 1 EStG gilt diese Änderung aber erstmals ab dem Veranlagungszeitraum 2013.
36Die von der Finanzverwaltung aufgeworfene Problematik im Hinblick auf die Einschätzung der Erfolgsaussichten der Rechtsverteidigung des Klägers ergibt sich im Streitfall im Übrigen nicht. Dass die Verteidigung des Klägers zumindest teilweise erfolgreich war, zeigt sich unproblematisch im Hinblick auf die vergleichsweise Regelung unter Aufhebung der Verfahrens- und Vergleichskosten.
37Das Gericht hat die Steuerfestsetzung wie erkannt gemäß § 100 Abs. 2 Satz 2 FGO auf den Beklagten übertragen. Dieser wird unter Berücksichtigung der bereits anerkannten außergewöhnlichen Belastungen in Höhe von 20 € und der zumutbaren Belastung i.S. des § 33 Abs. 3 EStG die Steuer zu berechnen haben.
38Die Kostenentscheidung folgt aus § 135 Abs. 1 FGO.
39Die Revision wird gemäß § 115 Abs. 2 Nr. 2 FGO zur Fortbildung des Rechts und zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung im Hinblick auf unterschiedliche Entscheidungen zum Abzug von Prozesskosten zugelassen.
40Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit hat ihre Rechtsgrundlage in §§ 151, 155 FGO i.V.m. §§ 708 Nr.10, 711 S.1 ZPO.
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