Urteil vom Finanzgericht Köln - 6 K 3384/08
Tenor
Die Klage wird abgewiesen.
Die Kosten des Verfahrens trägt der Kläger.
1
Tatbestand
2Das streitbefangene Kraftfahrzeug ist ein Ford Ranger vom Typ 2AW, Variante 821. Es wurde am 08.05.2008 erstmals zum Verkehr zugelassen und zwar mit dem amtlichen Kennzeichen A auf den Kläger. Die Zulassungsbehörde ordnete es der Fahrzeugklasse „LKW“ mit der Aufbauart „offener Kasten“ zu. Es handelt sich um ein Pickup-Fahrzeug mit einer Eineinhalbkabine und einer offenen Ladefläche. Das Fahrzeug ist mit vier Sitzen zum Verkehr zugelassen. Alle Sitze sind gepolstert und mit Sicherheitsgurten ausgestattet. Kopfstützen haben nur die beiden Vordersitze. Die Fläche der hinteren Sitze ist mit 560 mm Breite und 280 mm Tiefe nur etwa halb so groß wie die der Vordersitze. Fahrer- und Beifahrertür sind vorne, die rückwärtigen Türen sind hinten angeschlagen und nur etwa halb so breit wie die Vordertüren. Die Kabine ist rundum verglast. Der Fahrzeugboden ist von den Beteiligten vermessen worden. Danach sind die rechteckigen Grundflächen der Kabine 2,478 m² und der Ladefläche 2,779 m² groß. Auf der Ladefläche befinden sich zwei Radkästen, deren Oberflächen zusammen 0,33 m² ausmachen. Auf die Zeichnung des Beklagten vom 24.07.2009 wird Bezug genommen. Die zulässige Gesamtmasse des Fahrzeugs beträgt 2.995 kg, die Leermasse 1.855 kg. Das Fahrzeug wird von einem Turbo-Dieselmotor mit einem Hubraum von 2.500 cm³ angetrieben. Die Höchstgeschwindigkeit beträgt 158 km/h.
3Der Kläger betreibt in E eine Schlosserei. Er baute nach dem Erwerb des Fahrzeugs die hinteren Sitze aus, ließ aber deren Halterungen und die Sicherheitsgurte bestehen. Auf dem freigewordenen Raum montierte der Kläger einen Werkzeugschrank. Auf das in der Steuerakte abgeheftete Foto wird Bezug genommen. Der Beklagte setzte die Kraftfahrzeugsteuer durch Bescheid vom 23.06.2008 auf 416 € erstmals ab 08.05.2008 und danach jährlich ab dem 08.05. fest. Dabei stufte er das Fahrzeug als PKW ein und legte für die Besteuerung dessen Hubraum zugrunde. Zur Begründung führte er aus, dass das Fahrzeug das äußere Erscheinungsbild eines PKW habe und so kraftfahrzeugsteuerlich zu behandeln sei. Die anderslautende Einstufung durch die Zulassungsbehörde sei nicht bindend. Den dagegen vom Kläger eingelegten Einspruch wies der Beklagte am 05.09.2008 zurück und ergänzte seine Begründung, dass für die Einstufung als LKW oder als PKW neben dem äußeren Erscheinungsbild eine Vielzahl von Kriterien berücksichtigt werden müssten. Im Streitfall sei die Ladefläche ohne die Radkästen mit 2,449 m² kleiner als die 2,478 m² Kabinenfläche. Das lasse nicht darauf schließen, dass das Fahrzeug überwiegend zur Güterbeförderung bestimmt sei.
4Mit der Klage begehrt der Kläger eine Besteuerung des Fahrzeugs nach dem zulässigen Gesamtgewicht, die – nach seiner Berechnung – nur 172 € pro Jahr betragen würde. Die dafür erforderliche Einstufung als LKW sei geboten, weil er sein Fahrzeug ausschließlich als Lastentransportmittel benutze und es vom Hersteller ebenso konzipiert worden sei. Das zeige die verkehrsrechtliche Einstufung. Das Fahrzeug habe das äußere Erscheinungsbild eines LKW wegen der offenen Ladefläche. Die vorrangige Eignung zur Lastenbeförderung werde ferner daran deutlich, dass die Ladefläche größer sei als der Kabinenboden. Man dürfe nämlich die Flächen für die Radkästen nicht abziehen. Umgekehrt könne man den Kabinenboden nicht in Gänze der Personenbeförderung zuordnen, weil Teile davon auch zur Güterbeförderung bestimmt seien. Die hinteren Sitze seien nur als Notsitze zu behandeln. Man könne dort nur sehr beengt Platz nehmen und mitfahren. Die Höchstgeschwindigkeit des Fahrzeugs liege fast 100 km/h niedriger als bei PKW mit einem vergleichbaren 2.500 cm³ Turbodieselmotor. Das Fahrgestell sei für eine hohe Nutzlast ausgelegt. Das gleiche Fahrzeug werde beim Inhaber der Schlosserei B in C vom Finanzamt D als LKW besteuert. Es liege ein Verstoß gegen den Gleichheitssatz vor, wenn er – der Kläger – verkehrsrechtlich die Pflichten für einen LKW erfüllen, die Kraftfahrzeugsteuer aber wie bei einem PKW zahlen müsse.
5Der Kläger beantragt,
6den Kraftfahrzeugsteuerbescheid vom 23.06.2008 aufzuheben, soweit die festgesetzte Kraftfahrzeugsteuer den Betrag in Höhe von 172 € pro Jahr übersteigt.
7Der Beklagte beantragt,
8die Klage abzuweisen.
9Er hält an seiner Rechtsauffassung fest. Es bleibe dabei, dass die Ladefläche kleiner sei als die Fläche in der Fahrzeugkabine. Denn bei der Ladefläche müssten die Flächen für die Radkästen (= 0,33 m²) abgezogen werden. Diese betrage dann 2,449 m² und damit weniger als die Fläche der Fahrzeugkabine mit 2,478 m².
10Die Beteiligten haben sich nach einer mündliche Verhandlung vor dem Berichterstatter und dem Ausmessen der Flächen mit einer Entscheidung durch den Berichterstatter und ohne eine weitere mündliche Verhandlung einverstanden erklärt.
11Entscheidungsgründe
12Der Berichterstatter macht von der ihm eingeräumten Befugnis Gebrauch, anstelle des Vollsenats und ohne mündliche Verhandlung zu entscheiden.
13Die Klage ist nicht begründet.
14Das Gericht kann den Steuerbescheid vom 23.06.2008 nicht in dem beantragten Umfang aufheben. Begehrt der Kläger die Änderung eines Verwaltungsakts, der einen Geldbetrag festsetzt, kann das Gericht nach § 100 Abs. 2 Satz 1 und Abs. 1 Satz 1 FGO den Betrag in anderer Höhe nur festsetzen, soweit der Verwaltungsakt und die etwaige Entscheidung über den außergerichtlichen Rechtsbehelf rechtswidrig sind und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist. Das ist hier nicht der Fall. Die Besteuerung des strittigen Fahrzeugs nach der Bemessungsgrundlage Hubraum, Schadstoff- und Kohlendioxidemissionen gemäß § 8 Nr. 1 Buchstabe a KraftStG und die Anwendung des entsprechenden Steuersatzes aus § 9 Abs. 1 Nr. 2 KraftStG ist rechtmäßig, weil das Fahrzeug des Klägers ein Personenkraftwagen ist. Nur bei „anderen“ Fahrzeugen im Sinne des § 8 Nr. 2 KraftStG kommt die vom Kläger beantragte Besteuerung nach dem zulässigen Gesamtgewicht in Betracht.
15Der Beklagte hat die Besteuerung als Personenkraftwagen im Ergebnis zu Recht unabhängig von der verkehrsrechtlichen Einstufung vorgenommen und die zutreffenden steuerlichen Kriterien richtig auf das streitbefangene Fahrzeug angewendet.
16Für einen im KraftStG verwendeten und dort nicht definierten verkehrsrechtlichen Begriff wie den des Personenkraftwagens und die Mitwirkung der Verkehrsbehörden ist § 2 Abs. 2 KraftStG einschlägig. Diese Bestimmung ist während des Klageverfahrens geändert worden, nämlich durch Art. 2 Nr. 1 Verkehrsteueränderungsgesetz (VerkehrStÄndG) vom 05.12.2012 (BGBl. I S. 2431), das nach seinem Art. 4 Abs. 1 am 12.12.2012 in Kraft getreten ist. Die Neuregelung muss das Gericht bei der Überprüfung der Rechtmäßigkeit des angefochtenen Verwaltungsakts beachten.
17Gegenstand der Klage ist der Kraftfahrzeugsteuerbescheid vom 23.06.2008 in der Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 05.09.2008 (§ 44 Abs. 2 FGO), durch den der Beklagte die Steuer auf 416 € für den Zeitraum vom 08.05.2008 bis 07.05.2009 und danach jährlich ab dem 08.05. festgesetzt hat. Der Kläger hat den Bescheid in vollem Umfang angefochten. Für den Entrichtungszeitraum vom 08.05.2008 bis zum 07.05.2009 war die Steuer entstanden, als der Bescheid vom 23.06.2008 bekannt gegeben und durch die Entscheidung am 05.09.2008 bestätigt wurde. Für alle nachfolgenden Entrichtungszeiträume ist die Steuer erst jeweils mit deren Beginn entstanden, nämlich ab 05.08.2009 und zuletzt aktuell vom 05.08.2012 bis zum 04.08.2013. Diese Entrichtungszeiträume sind durch Erreichen der einzelnen Zeitpunkte jeweils Gegenstand des Klageverfahrens geworden, da der Beklagte die Steuer durch den Bescheid vom 23.06.2008 unbefristet festgesetzt hat. Es handelt sich dabei um einen Dauerverwaltungsakt. Diese Art der Festsetzung ist nach § 12 Abs. 1 Satz 1 KraftStG zulässig für alle Fälle, in denen – wie hier – der Zeitpunkt der Beendigung der Steuerpflicht – dazu § 5 KraftStG – nicht feststeht. Der Steuerpflich-tige muss in einem laufenden Klageverfahren gegen einen unbefristeten Steuerbescheid keinen Antrag stellen, dass die Finanzbehörde die Steuer gemäß § 12 Abs. 2 Nr. 1 KraftStG neu festsetzt, wenn sich infolge einer – zwischenzeitlich eingetretenen tatsächlichen oder rechtlichen – Änderung der Bemessungsgrundlage oder des Steuersatzes eine andere – niedrigere – Steuer ergibt. Diese Lösung der Frage nach dem maßgeblichen Zeitpunkt für die gerichtliche Beurteilung der Sach- und Rechtslage bei geänderten Kraftfahrzeugsteuerbescheiden entspricht der ständigen Rechtsprechung des BFH (BFH-Beschluss vom 12.5.1998 VII R 110/07, BFH/NV1998, 1458, Urteile vom 14.5.1998 VII R 139/97, BFHE 185, 520, BStBl II 1998, 579 und vom 3.4.2001 VII R 7/00, BFHE 194, 477, BStBl II 2001, 451, Beschluss vom 31.10.2007 IX B 21/07, bei juris) und muss nach Auffassung des Gerichts erst recht für die erstmaligen unbefristeten Steuerfestsetzungen gelten. Die anderslautende Rechtsprechung zu den Dauerverwaltungsakten bei der Bewilligung bzw. Ablehnung von Kindergeld (BFH, Urteile vom 29.1.2003 VIII R 60/00, BFH/NV 2003, 927 und 4.8.2011 III R 71/10, BFHE 235, 203, BStBl II 2013, 380) oder der Gewährung bzw. Ablehnung von Eigenheimzulage (BFH, Urteil vom 11.05.2010 IX R 35/09, BFH/NV 2010, 1621) betrifft Steuervergütungen und ist nicht auf das KraftStG übertragbar.
18Das bedeutet, dass die Bindung des Beklagten an die Entscheidung der Zulassungsstelle für die Zeit bis zum 11.12.2012 an § 2 Abs. 2 KraftStG in der Fassung der Bekanntmachung vom 26.9.2002 (BGBl. I S. 3818), zuletzt geändert durch Artikel 1 des Gesetzes vom 27. Mai 2010 (BGBl. I S. 668), zu messen ist und für die Zeit ab dem 12.12.2012 § 2 Abs. 2 Nr. 2 KraftStG in der Fassung des VerkehrStÄndG angewendet werden muss.
19Für die Zeit bis zum 11.12.2012 war die Feststellung der Zulassungsbehörde, dass das Fahrzeug des Klägers der Fahrzeugklasse der Lastkraftwagen angehört, für die kraftfahrzeugsteuerrechtliche Beurteilung im Streitfall nicht bindend. Denn nach § 2 Abs. 2 Sätze 2 und 3 KraftStG a.F. waren Feststellungen der Zulassungsbehörden für die Besteuerung nur verbindlich, wenn es bei Personenkraftwagen um die Beurteilung der Schadstoff- und Kohlendioxidemissionen, die Beurteilung als schadstoffarm oder die Beurteilung anderer Besteuerungsgrundlagen technischer Art oder um die Einstufung eines Fahrzeugs in Emissionsklassen ging. Da die Einstufung des Fahrzeugs in eine bestimmte Fahrzeugklasse dort nicht genannt wird, geht die ständige Rechtsprechung, der sich das Gericht anschließt, davon aus, dass die Finanzbehörden über die Fahrzeugart in eigener Zuständigkeit zu entscheiden haben (vgl. nur BFH, Urteil vom 01.10.2008 II R 63/07, BFHE 222, 100, BStBl. II 2009, 20). Für diese Lösung spricht, dass der Begriff „Personenkraftwagen“ zwar ein Begriff des Verkehrsrechts ist, es dafür aber keine geltenden verkehrsrechtlichen Vorschriften im Sinne des § 2 Abs. 2 Satz 1 KraftStG a.F. gibt, welche die Finanzbehörde bei der Auslegung heranziehen können. Es ist daher von einem eigenständigen kraftfahrzeugsteuerrechtlichen PKW-Begriff auszugehen (BFH, Urteil vom 05.12.2012 II R 23/11, BFH/NV 2013, 992). Danach sind Personenkraftwagen Kraftfahrzeuge, die nach ihrer Bauart und Ausstattung zur Beförderung von nicht mehr als neun Personen (einschließlich Führer) geeignet und bestimmt sind. Lastkraftwagen sind hingegen Kraftfahrzeuge, die nach ihrer Bauart und Einrichtung zur Beförderung von Gütern bestimmt sind. Die Definition enthält § 4 Abs. 4 Nr. 1 und Nr. 3 PBefG.
20Der Eignung und Bestimmung zur Personenbeförderung steht es grundsätzlich nicht entgegen, dass das Fahrzeug neben der Beförderung von Personen auch dem Transport von Gepäck oder anderer Güter im privaten oder gewerblichen Bereich dient oder zu dienen bestimmt ist, wie dies z.B. bei Kombinationskraftwagen der Fall ist. Bestandteil des Regelungsplans des historischen Gesetzgebers war es nämlich, unter bestimmten Voraussetzungen auch solche Kraftfahrzeuge als PKW zu bezeichnen, die nach ihrer Bauart und Einrichtung geeignet und bestimmt waren, nicht nur Personen (einschließlich ihres üblichen Gepäcks) zu befördern, sondern einem weiteren Hauptzweck zu dienen.
21Die Abgrenzung zwischen LKW und PKW ist nach der objektiven Beschaffenheit des Fahrzeugs – dessen Bauart und dessen Einrichtung – vorzunehmen. Die tatsächliche Nutzung kann nicht berücksichtigt werden. Dass der Kläger das Fahrzeug zum Lastentransport im Rahmen seiner Schlosserei bzw. als „mobilen“ Schlosserbetrieb nutzt, spielt für die Würdigung des Sachverhalts keine Rolle. Als bedeutsame Merkmale für die Abgrenzung sind zum Beispiel die Zahl der Sitzplätze, die verkehrsrecht-lich zulässige Zuladung, die Größe der Ladefläche, die Ausstattung mit Sitzbefestigungspunkten und Sicherheitsgurten, die Verblechung der Seitenfenster, die Beschaffenheit der Karosserie und des Fahrgestells, die Motorisierung und die damit erreichbare Höchstgeschwindigkeit, das äußere Erscheinungsbild und bei Serienfahrzeugen die Konzeption des Herstellers zu berücksichtigen. Kein Merkmal kann dabei als alleinentscheidend angesehen werden; dies schließt nicht aus, dass einzelne Merkmale ein besonderes Gewicht haben und eine Zuordnung als PKW oder LKW nahelegen können (vgl. BFH-Urteil vom 29.08.2012 II R 7/11, BStBl II 2013, 93 für Pickup-Fahrzeugen mit Doppelkabine). Entgegen der Ansicht des Klägers spricht das Urteil hier für einen PKW.
22Die Tatsache, dass das Fahrzeug eine offene Ladefläche hat, macht aus ihm noch keinen LKW. Denn neben der offenen Ladefläche wird das äußere Erscheinungsbild gleichwertig durch die große und rundum verglaste Eineinhalbkabine bestimmt. Bei Pickup-Fahrzeugen kommt neben den anderen technischen Merkmalen der Größe der Ladefläche eine besondere, wenn auch nicht allein ausschlaggebende Bedeutung zu. Denn diese lässt den Schluss zu, ob die Möglichkeit einer Nutzung des Fahrzeugs zur Lastenbeförderung gegenüber seiner Eignung zur Personenbeförderung Vorrang hat. Im Interesse praktikabler Zuordnungsmaßstäbe und der um der Rechtssicherheit willen geforderten Vorhersehbarkeit kraftfahrzeugsteuerrechtlicher Zuordnungen ist es gerechtfertigt, typisierend davon auszugehen, dass Fahrzeuge nicht vorwiegend der Lastenbeförderung zu dienen geeignet und bestimmt sind, wenn ihre Ladefläche nicht mehr als die Hälfte der gesamten Nutzfläche ausmacht. Das ist für die § 2 Abs. 2a KraftStG unterfallenden Fahrzeuge ausdrücklich geregelt. Denn nach § 2 Abs. 2a Satz 3 KraftStG sind die Fahrzeuge vorrangig zur Personenbeförderung ausgelegt und gebaut, wenn die zur Personenbeförderung dienende Bodenfläche größer ist als die Hälfte der gesamten Nutzfläche des Fahrzeugs.
23Das Gericht geht wegen der Größen der Flächen vom Ergebnis der Vermessung aus. Danach ist die Ladefläche 2,78 m² und die Bodenfläche der Kabine 2,49 m² groß. In die Berechnung der Ladefläche sind alle Flächen einzubeziehen, die geeignet sind, eine Ladung zu transportieren. Dazu gehören hier auch die Ausbeulungen für die beiden Radkästen, die der Beklagte außer Ansatz gelassen hat. Denn aufgrund ihres Abstandes zum oberen Rand der Ladekante und bei gegebener Belastbarkeit kann dieser Bereich noch als Ladefläche (z.B. für Schüttgut oder für flache Gegenstände) genutzt werden (BFH, Urteil vom 29.08.2012 II R 7/11, BFHE 239, 159, BStBl II 2013, 93). Bei der Innenfläche der Kabine ist genauso zu verfahren, sie ist vollständig der Personenbeförderung zuzurechnen. Insbesondere die Fläche hinter den Vordersitzen, auf welcher der Kläger den Werkzeugschrank montiert hat, kann nicht als Ladefläche behandelt werden. Dass die Kabine in vollem Umfang für die Personenbeförderung vorgesehen ist, ergibt sich aus der Zulassung des Fahrzeugs für insgesamt vier Personen und der Tatsache, dass hinter den Vordersitzen die Vorrichtungen für zwei weitere Sitze sowie die Sicherheitsgurte vorhanden sind. Ob es sich dabei tatsächlich um „Notsitze“ handelt, wie der Kläger anführt, kann dahinstehen. Denn es kommt für die Einstufung als PKW nicht darauf an, dass die Beförderung für die Personen besonders bequem oder komfortabel ist. Allein die verkehrsrechtliche Zulassung eines Sitzes ist entscheidend.
24Das Verhältnis zwischen den Flächen für die Personenbeförderung (2,49 m²) und für den Lastentransport (2,78 m²) beträgt 53% zu 47%, es besteht ein Größenunterschied von 6%. Die Rechtsprechung geht typisierend von einem PKW aus, wenn die Fläche für die Beförderung überwiegt. Umgekehrt gilt die Typisierung nicht. Nicht in allen Fällen, in denen die Ladefläche überwiegt, wird ein LKW angenommen. In diesen Fällen erfolgt die Abgrenzung vielmehr nach den allgemeinen Kriterien. Dabei ist die Größe der Ladefläche und ihr Verhältnis zur Fläche für die Personenbeförderung nur ein Gesichtspunkt im Rahmen der Gesamtabwägung, dem allerdings umso größere Bedeutung zukommt, je deutlicher die Ladefläche die Fläche für die Personenbeförderung überwiegt. Überwiegt die Ladefläche die Fläche zur Personenbeförderung - wie hier mit 6% - nur unwesentlich, spricht dies eher dafür, dass das Fahrzeug nicht vorwiegend der Lastenbeförderung zu dienen geeignet und bestimmt ist.
25Dass das Fahrzeug ein zulässiges Gesamtgewicht von 2.995 kg und damit mehr als 2.800 kg hat, besagt nichts. Die Definition in § 23 Abs. 6a StVZO, wonach Personenwagen bis zu einem zulässigen Gesamtgewicht von 2.800 kg als PKW zu behandeln waren, ist seit 2005 aufgehoben. Es handelt sich nicht um eine Obergrenze. Dagegen, dass das Fahrzeug vorwiegend der Lastenbeförderung zu dienen geeignet und bestimmt ist, spricht ferner, dass nur eine absolut wie relativ geringe Masse transportiert werden kann. Die Obergrenze liegt bei 1.140 kg, nämlich die Differenz zwischen der zulässigen Gesamtmasse (2.995 kg) und der Leermasse (1.855 kg). Im Verhältnis zur zulässigen Gesamtmasse macht die maximale Transportmasse rund 62% aus. Die Zuladung liegt mit 1.140 kg zwar über der Grenze von 800 kg, die der Senat bei Fahrzeugen mit einem zulässigen Gesamtgewicht bis 2800 kg als Mindestzuladung ansieht (vgl. BFH-Urteil vom 24.02.2010 II R 6/08, BFHE 228, 437, BStBl II 2010, 994). Mit nicht einmal 2/3 des zulässigen Gesamtgewichts von 2.995 kg ist sie jedoch nicht so groß, dass sie eine überwiegende Verwendung des Fahrzeugs zum Gütertransport eindeutig indiziert. Es kann auch keine Rede davon sein, dass das Fahrgestell für eine hohe Nutzlast ausgelegt ist, wie der Kläger vorträgt.
26Die für einen PKW übliche Motorisierung und die Höchstgeschwindigkeit von 158 km/h lassen den Schluss zu, dass das Fahrzeug nicht vorwiegend zum Transport von Gütern, sondern von Personen geeignet und bestimmt ist. Ein „typischer“ LKW erreicht ein solches Tempo nicht. Der vom Kläger außerdem betonte Unterschied von fast 100 km/h zwischen der Geschwindigkeit seines Fahrzeugs und der eines „typischen“ PKW mit dem gleichen Turbodieselmotor verfängt hier nicht. Die Geschwindigkeit wird nicht nur durch den Motor, sondern auch durch die Karosserie des Fahrzeugs und dessen zulässiges Gesamtgewicht bestimmt. Beide Kriterien sprechen hier gerade gegen die Annahme eines LKW. Der oft gezogene Vergleich mit einem Fahrzeug der Sprinterklasse überzeugt ebenfalls nicht, weil bei diesen Fahrzeugen die Einstufung als LKW maßgeblich durch das äußere Erscheinungsbild – geschlossener Kasten ohne Fenster und mit integriertem Führerhaus – bestimmt wird. Deswegen steht die Höhe der Geschwindigkeit bei den Sprintern deren Behandlung als LKW – anders als hier – nicht entgegen.
27Ohne Erfolg weist der Kläger darauf hin, dass gleiche Fahrzeuge wie seines bei anderen Haltern als LKW besteuert werden. Unterstellt, dass dem so wäre, hätte der Kläger trotzdem keinen Anspruch auf Anwendung einer rechtswidrigen Verwaltungspraxis. Der Gleichheitssatz (Art. 3 Abs. 1 GG) gilt nicht für die "Gleichheit im Unrecht" (BFH-Beschluss vom 1.7.2010 V B 62/09, BFH/NV 2010, 2136). Art. 3 Abs. 1 GG will die Gleichheit im Recht sicherstellen. Es liegt schließlich kein Verstoß gegen den Gleichheitssatz vor, wenn der Kläger verkehrsrechtlich – wie er vorträgt – die Pflichten für einen LKW erfüllen, die Kraftfahrzeugsteuer aber wie bei einem PKW zahlen muss. Wie bereits ausgeführt besteht keine Bindung der Kraftfahrzeugsteuer an die verkehrsrechtlichen Bestimmungen. Beide Rechtsgebiete verfolgen unterschiedliche Zwecke und diese Differenzierung ist sachgerecht. Die verkehrsrechtlichen Normen über die Zulassung von Kraftfahrzeugen sollen deren Verkehrssicherheit gewährleisten und die Insassen sowie andere Verkehrsteilnehmer vor Verletzungen zu schützen (§ 6 Abs. 1 Nr. 2 Buchstabe a StVG). Dieser Aspekt spielt für den steuerlichen Begriff des PKW keine Rolle.
28Für die Zeit ab dem 11.12.2012 ist die Besteuerung nach PKW-Grundsätzen trotz Anwendung anderer Vorschriften im Ergebnis ebenfalls rechtmäßig.
29§ 2 Abs. 2 Nr. 2 KraftStG in der Fassung des VerkehrStÄndG bestimmt, dass für die Beurteilung der Fahrzeugklassen und Aufbauarten (ab 11.12.2012) die Feststellungen der Zulassungsbehörden verbindlich sind. Danach ist das Fahrzeug des Klägers ab diesem Datum kein Personenkraftwagen im Sinne des § 8 Nr. 1 KraftStG mehr. § 8 Nr. 1a KraftStG über Wohnmobile und § 8 Nr. 1b KraftStG betreffend dreirädrige und leichte vierrädrige Kraftfahrzeuge greifen offensichtlich nicht ein. Das klägerische Fahrzeug ist demzufolge ab dem 11.12.2012 nach § 8 Nr. 2 KraftStG ein „anderes“ Fahrzeug, dessen Bemessungsgrundlage das verkehrsrechtlich zulässigen Gesamtgewicht ist und dessen Steuersatz aus § 9 Nr. 3 KraftStG folgt.
30Dieses Ergebnisses wird jedoch durch die Übergangsregelung in § 18 Abs. 12 KraftStG in der Fassung des VerkehrStÄndG korrigiert. Nach dieser Bestimmung ist weiterhin § 9 Absatz 1 Nr. 2 KraftStG – der Steuersatz für Personenkraftwagen – anzuwenden, wenn die Feststellungen der Zulassungsbehörden hinsichtlich der Fahrzeugklassen zu einer niedrigeren Steuer als unter Berücksichtigung des § 2 Abs. 2a in der am 1.7.2010 geltenden Fassung des KraftStG führen würden. In der Gesetzbegründung (BT-Drucksache 17/10039 S. 24 f.) heißt es zu § 18 Abs. 12 KraftStG:
31„Die Regelung gewährleistet die Berücksichtigung umweltpolitisch erwünschter Lenkungswirkungen der Kraftfahrzeugsteuer. Sofern bei Fahrzeugen, die verkehrsrechtlich nicht der Fahrzeugklasse M1 (Personenkraftwagen) zuzuordnen, die aber dennoch aufgrund ihrer Bauart, Motorisierung und anderer Ausstattungsmerkmale ganz überwiegend zur Nutzung als Personenkraftwagen konzipiert sind, die Anwendung der Bemessungsgrundlagen für Personenkraftwagen zu einer höheren Steuerbelastung führen würde, ist eine Beibehaltung der Besteuerung als Personenkraftwagen geboten. Andernfalls würden diese Fahrzeuge bei Anwendung der gewichtsbezogenen Bemessungsgrundlagen eine aus ökologischer Sicht unangemessene Begünstigung erfahren.“
32Dementsprechend verbleibt es - zumindest wie im vorliegenden Übergangsfall einer Zulassung vor der Neuregelung des KraftStG - bei einer Abgrenzung zwischen LKW und PKW nach der objektiven Beschaffenheit des Fahrzeugs aufgrund der Bauart, Motorisierung und anderer Ausstattungsmerkmale. Das Gericht folgt der Auffassung des Sächsischen FG (Urteil vom 01.03.2013 6 K 670/12, rechtskräftig, juris), wonach es für die Übergangsfälle der Zulassung eines Fahrzeugs vor der Neuregelung – wie hier – bei der bisherigen Abgrenzung zwischen LKW und PKW bleibt.
33Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO.
Verwandte Urteile
Keine verwandten Inhalte vorhanden.
Referenzen
This content does not contain any references.