Urteil vom Finanzgericht Köln - 3 K 1139/10
Tenor
Der Rückforderungsbescheid vom 01.02.2010 und die Einspruchsentscheidung vom 24.03.2010 werden aufgehoben.
Die Kosten des Verfahrens trägt der Beklagte.
Das Urteil ist wegen der Kostenentscheidung vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des Kostenerstattungsanspruchs des Klägers abwenden, soweit nicht der Kläger zuvor Sicherheit in derselben Höhe leistet.
Die Revision wird zugelassen.
1
Tatbestand
2Streitig ist, ob der Beklagte Umsatzsteuervergütungen für die Monate Januar bis Mai 2005 vom Kläger zurückfordern darf.
3Der Kläger war alleiniger Gesellschafter und Geschäftsführer der H GmbH (H-GmbH) in A. Diese befasste sich mit der Konstruktion und Herstellung von Industrieanlagen. Das Betriebsgrundstück hatte sie vom Kläger gepachtet. Die Betriebs- und Büroeinrichtung wurde ihr durch die B GmbH (B-GmbH) vermietet, deren alleiniger Gesellschafter und Geschäftsführer ebenfalls der Kläger war. Auf dem Grundstück befand sich außerdem eine mobile Mehrzweckhalle, die der Kläger bereits früher an die H-GmbH veräußert hatte und die von ihr zeitweise für die Produktion genutzt wurde.
42004 führte das Finanzamt für Groß- und Konzernbetriebsprüfung C beim Kläger und der H-GmbH eine Betriebsprüfung für die Jahre 2000 bis 2002 durch. In den Berichten vom 30.08.2004 vertrat der Prüfer die Auffassung, dass zwischen dem Kläger und der H-GmbH eine Betriebsaufspaltung und eine umsatzsteuerliche Organschaft entstanden seien. Zur Vereinfachung könne für die geprüften Jahre der Erlass entsprechender Umsatzsteuerbescheide unterbleiben. Unter Bezugnahme auf die Prüfungsfeststellungen forderte der Beklagte den Kläger auf, ab dem 01.01.2005 Umsatzsteuervoranmeldungen abzugeben.
5Die H-GmbH befand sich spätestens seit 2004 in wirtschaftlichen Schwierigkeiten. Wegen einer Forderung in Höhe von rund 70.000 € übereignete sie die Halle zur Sicherheit an die B-GmbH. Wegen der Einzelheiten wird auf den Vertrag vom 07.12.2004 Bezug genommen.
6Der Kläger gab zwischen dem 23.02.2005 und dem 29.09.2005 Umsatzsteuer-Voranmeldungen für Januar bis Juni 2005 ab. Diese führten für die Monate Januar bis Mai 2005 aufgrund von Vorsteuerüberhängen zu einer Umsatzsteuervergütung in Höhe von insgesamt 54.500,39 €. Für den Monat Juni 2005 meldete der Kläger eine Umsatzsteuer-Vorauszahlung in Höhe von 11.544,86 € an. Aufgrund von Anträgen, die der Kläger im eigenen Namen bzw. für die H-GmbH beim Beklagten gestellt hatte, verrechnete dieser die Umsatzsteuervergütungen für die einzelnen Monate wie folgt: Einen Teil der Vergütung für Januar verrechnete er mit der vom Kläger und dessen Ehefrau zu zahlenden Einkommensteuer-Vorauszahlung für das 1. Vierteiljahr 2005 und überwies den Restbetrag auf ein Bankkonto des Klägers. Die Vergütungen für die Monate Februar, März und April wurden in voller Höhe mit Steuerschulden der H-GmbH verrechnet. Die Vergütung für Mai verrechnete der Beklagte im Wesentlichen mit der erwähnten Umsatzsteuer-Vorauszahlung für Juni 2005. Per Saldo ergab sich für die Monate Januar bis Juni 2005 eine Umsatzsteuervergütung in Höhe von insgesamt 42.955,53 €.
7Die H-GmbH stellte Ende Juni 2005 die Nutzung der vom Kläger gepachteten Grundstücke sowie der Halle ein. Im August 2005 veräußerte der Kläger seine Geschäftsanteile. Auf Antrag eines Gläubigers vom Oktober 2005 eröffnete das AG D am ....2006 das Insolvenzverfahren über das Vermögen der H-GmbH. Dieses Verfahren ist inzwischen (2010) aufgehoben und die H-GmbH im Handelsregister gelöscht.
8Am 25.7.2007 gab der Kläger die Umsatzsteuer-Jahreserklärung für 2005 ab, bei deren Anfertigung Steuerberater K aus E mitgewirkt hatte. Dieser stellte sich auf den Standpunkt, dass die Organschaft bereits Ende 2004 durch den Sicherungsübereignungsvertrag beendet worden sei. Dementsprechend erklärte der Kläger für die Monate Januar bis Juni 2005 keine Umsätze der H-GmbH. Die Erklärung enthielt nur die eigenen Umsätze des Klägers in 2005 und zwar in Höhe von 0 € sowie einen Vorsteuerbetrag in Höhe von 191,34 €. Der Beklagte stimmte der Umsatzsteuererklärung durch förmliche Mitteilung vom 15.07.2008 zu. Auf die verbleibende Umsatzsteuer (./.191,34 €) rechnete er die bereits erstatteten 42.955,53 € an und forderte den Kläger auf, die Differenz (= 42.764,19 €) zu zahlen.
9Der Kläger legte gegen den „Umsatzsteuerbescheid 2005 (Abrechnungsteil) vom 15.07.2008“ Einspruch ein. Der Beklagte dürfe die Umsatzsteuervergütungen nicht abrechnen, da diese die Organschaft beträfen, welche bereits Ende 2004 beendet sei. Für den Fall, dass dieser Einspruch endgültig keinen Erfolg habe, richtete der Kläger den Einspruch in der Begründung „hilfsweise“ auch gegen den festgesetzten Umsatzsteuerbetrag für 2005 in Höhe von 191,34 €. Insoweit beantragte er, die Umsätze und Vorsteuern der H-GmbH in seine, des Klägers, Veranlagung einzubeziehen.
10Der Beklagte meinte, der Einspruch sei unzulässig, soweit der Kläger sich nicht gegen die Steuerfestsetzung richte. Durch Abrechnungsbescheid vom 24.07.2008 stellte der Beklagte fest, dass und wodurch die Umsatzsteuervergütungsansprüche des Klägers erloschen seien. Er legte auch dagegen Einspruch ein. Die Rechtsbehelfsverfahren hat der Beklagte bis zum Abschluss des Klageverfahrens zum Ruhen gebracht.
11Am 01.02.2010 erließ der Beklagte wegen der Umsatzsteuervergütung einen Rückforderungsbescheid. Er machte geltend, dass die Erstattung an den Kläger im Sinne des § 37 Abs. 2 AO ohne rechtlichen Grund erfolgt sei. Der dagegen erhobene Einspruch blieb ohne Erfolg. In der Einspruchsentscheidung vom 24.03.2010 führte der Beklagte aus, der Rechtsgrund fehle, weil die umsatzsteuerliche Organschaft bereits mit Ablauf des Jahres 2004 beendet worden sei. Die wirtschaftliche Eingliederung sei weggefallen, da die H-GmbH zu diesem Zeitpunkt nicht mehr Eigentümerin der mobilen Mehrzweckhalle gewesen sei und diese nicht mehr genutzt habe. Damit habe gleichzeitig die unternehmerische Tätigkeit des Klägers geendet mit der Folge, dass die Umsätze und Vorsteuern der H-GmbH bei ihm nicht mehr zu erfassen seien. Da die Umsatzsteuervergütung an den Kläger gezahlt worden sei, sei sie von ihm zurückzufordern.
12Mit der Klage wendet sich der Kläger weiter gegen den Rückforderungsbescheid.
13Die Beendigung der Organschaft zum Ende 2004 sei tatsächlich und rechtlich zweifelhaft. Der Beklagte habe insoweit nicht einfach die Darlegung des Steuerberaters übernehmen dürfen, sondern eigene Ermittlungen anstellen müssen. Wenn die Auffassung des Beklagten richtig sei, müsse er einen Bescheid gegen die H-GmbH richten, weil die Erstattung dann objektiv ihr - als rechtlich selbständiger Unternehmerin - zuzurechnen sei. Richtigerweise sei die Organschaft frühestens Ende Juni 2005 mit Einstellung der Geschäftstätigkeit durch die H-GmbH beendet worden. Für § 37 Abs. 2 AO und die Frage nach dem rechtlichen Grund der Zahlung sei allein die materielle Rechtslage maßgebend. Danach seien die Umsatzsteuervergütungsansprüche jedenfalls bis Juni 2005 einschließlich – egal bei welchem Gläubiger – begründet gewesen. Einen Rückforderungsanspruch habe der Beklagte nicht.
14Der Kläger beantragt,
15den Rückforderungsbescheid vom 01.02.2010 und die Einspruchsentscheidung vom 24.03.2010 aufzuheben.
16Der Beklagte beantragt,
17die Klage abzuweisen.
18Der Rückforderungsbescheid sei erlassen worden, weil der Umsatzsteuerbescheid wahrscheinlich wegen fehlender Unternehmereigenschaft des Klägers aufzuheben sei. Wegen der tatsächlichen Verhältnisse zum Ende der Organschaft trage nicht er, der Beklagte, sondern der Kläger die Feststellungslast, weil er im Voranmeldungsverfahren Umsatzsteuervergütungsansprüche geltend gemacht habe.
19Entscheidungsgründe
20Die Klage ist begründet.
21Der Rückforderungsbescheid in der Gestalt der Einspruchsentscheidung ist aufzuheben, weil er rechtswidrig ist und dadurch den Kläger in seinen Rechten verletzt (§ 100 Abs. 1 Satz 1 FGO). Es ist keine rechtliche Grundlage für diesen Verwaltungsakt vorhanden. Der alleine in Betracht kommende und vom Beklagten herangezogene § 218 Abs. 2 Satz 2 AO in Verbindung mit § 37 Abs. 2 Satz 1 AO ist im Streitfall nicht anwendbar.
221. § 218 Abs. 2 Satz 2 AO ermächtigt die Finanzbehörde, durch Verwaltungsakt über Streitigkeiten zu entscheiden, die einen Erstattungsanspruch (§ 37 Abs. 2 AO) betreffen. Es geht hier um eine Steuervergütung im Sinne des § 37 Abs. 2 Satz 1 AO. Der Überhang anrechenbarer Vorsteuer über die zu Lasten eines Unternehmers entstandene Umsatzsteuer – wie hier für die Monate Januar bis Mai 2005 – stellt eine Umsatzsteuervergütung dar (BFH, Urteil vom 01.09.2010 VII R 25/09, BFH/NV 2011, 647). Ist eine Steuervergütung ohne rechtlichen Grund gezahlt worden, hat nach § 37 Abs. 2 Satz 1 AO derjenige, auf dessen Rechnung die Zahlung bewirkt worden ist, an den Leistungsempfänger einen Anspruch auf Erstattung des gezahlten Betrags. Er stünde in einer solchen Konstellation der Finanzbehörde zu. Man spricht insoweit vom „Rückforderungsanspruch“ und nennt den hier interessierenden Verwaltungsakt aus § 218 Abs. 2 Satz 2 AO „Rückforderungsbescheid“ (BFH, Urteile vom 21.05.1985 VII R 191/82, BFHE 143, 412, BStBl II 1985, 488 und vom 22.11.2011 VII R 27/11, BFHE 235, 113, BStBl II 2012, 167).
232. § 218 Abs. 2 Satz 2 AO ist aufgrund der Systematik der Vorschrift nur anwendbar, wenn ein Bedürfnis für einen gesonderten Verwaltungsakt über den Anspruch aus § 37 Abs. 2 AO besteht. Sinn und Zweck aller Regelungen in § 218 AO ist ausweislich der Überschrift die Verwirklichung von Ansprüchen aus dem Schuldverhältnis. Verwirklicht wird ein Anspruch durch Erfüllung. Nach der durch § 218 Abs. 1 Satz 1 AO in Bezug genommenen Definition aus § 37 Abs. 1 AO gehören der Erstattungsanspruch aus § 37 Abs. 2 AO und die in den Einzelsteuergesetzen geregelten Steuererstattungsansprüche zu den Ansprüchen aus dem Steuerschuldverhältnis. Wenn über einen Erstattungsanspruch durch einen der in § 218 Abs. 1 Satz 1 AO aufgezählten Verwaltungsakte entschieden worden ist, ist dieser die Grundlage zur Verwirklichung des Erstattungsanspruchs. Das ist grundsätzlich der Fall, wenn ein Zusammenhang mit einem bereits vorhandenen Steuerschuldverhältnis besteht.
24Für den Erlass eines Verwaltungsakts gemäß § 218 Abs. 2 Satz 2 AO bleibt deswegen nur Raum, wenn eine förmliche Entscheidung über den Erstattungsanspruch gemäß § 37 Abs. 2 AO nicht vorgesehen ist und außerdem eine „Streitigkeit“ über den Anspruch besteht. Es handelt sich hauptsächlich um so genannte Fehlzahlungen, der keine Steuerfestsetzung zugrunde liegt und die irrtümlich ausgeführt worden sind. Ein Steuerschuldverhältnis kommt in diesen Fällen erst durch die fehlgeleitete Zahlung zustande, und es ist ausschließlich auf Beseitigung der unrechtmäßigen Vermögensverschiebung gerichtet.
25Mit der vorstehenden Auslegung von § 218 Abs. 2 Satz 2 AO folgt der Senat der Rechtsprechung (BFH, Beschlüsse vom 28.11.1974 V B 52/73, BFHE 114, 169, BStBl II 1975, 239 und vom 05.02.1976 V B 73/75, BFHE 118, 149, BStBl II 1976, 435, grundlegend das Urteil vom 22.07.1986 VII R 10/82, BFHE 147, 117, BStBl II 1986, 776; Urteil vom 09.01.1990 VII B 77/89, BFH/NV 1990, 660, Urteil vom 09.04.2002 VII R108/00, BStBl II 2002, 562; zuletzt Beschluss vom 08.09.2008 XI B 220/07, n. v.) und der Literatur (Boeker in Hübschmann/Hepp/Spitaler, Kommentar zur AO/FGO, Loseblattausgabe, § 37 AO, September 2012, Rn. 87 ff.; Alber in Hübschmann/Hepp/Spitaler, § 218 AO, März 2010, Rn. 30, 34, 38 f., 102; Drüen in Tipke/Kruse, Kommentar zur AO/FGO, § 37 AO, Mai 2010, Rn. 88 f. und Loose in Tipke/Kruse, § 218 AO, Juni 2012, Rn. 6 ff.; Dißars in Schwarz, Kommentar zur AO, § 218 AO, Februar 2011, Rn. 12 f.; Koenig in Pahlke/Koenig, AO, 2. Auflage 2009, § 37 Rn. 73 und Intemann in Pahlke/Koenig, § 218 Rn. 10 f.; Rüsken in Klein, AO, Kommentar, 11. Auflage 2012, § 218 Rn. 2 und 17a).
263. Im Streitfall besteht deshalb kein Bedürfnis, gemäß § 218 Abs. 2 Satz 2 AO einen Rückforderungsbescheid zu erlassen, weil durch die Mitteilung des Beklagten über die Umsatzsteuer für das Streitjahr vom 15.07.2008 bereits eine Grundlage für die Verwirklichung eines - etwaigen - Rückforderungsanspruchs vorhanden ist. Diese Mitteilung ist ein Steuerbescheid im Sinne des § 218 Abs. 1 Satz 1 AO.
27Das ergibt sich aus § 218 Abs. 1 Satz 2 AO, wonach Steueranmeldungen den Steuerbescheiden gleichstehen und zwar nach § 168 Satz 1 AO als Steuerfestsetzung unter Vorbehalt der Nachprüfung im Sinne des § 164 AO. Steueranmeldung ist hier die am 25.07.2007 abgegebene Umsatzsteuererklärung des Klägers für das Streitjahr. Das folgt aus der Legaldefinition der Steueranmeldung in § 18 Abs. 3 Satz 1 UStG. Danach hat der Unternehmer für das Kalenderjahr oder für den kürzeren Besteuerungszeitraum eine Steuererklärung nach amtlich vorgeschriebenem Vordruck abzugeben, in der er die zu entrichtende Steuer oder den Überschuss, der sich zu seinen Gunsten ergibt, selbst zu berechnen hat. Erfüllt ist ferner die weitere Voraussetzung aus § 168 Satz 2 AO. Da die Steueranmeldung des Klägers zu einer Steuervergütung in Gestalt des erklärten Vorsteuerüberschusses von 191,34 € führte, stand sie einer Steuerfestsetzung erst gleich, wenn der Beklagte zustimmte. Diese Zustimmung hat er durch die Mitteilung vom 15.07.2008 förmlich erteilt.
28Die dem Steuerbescheid hier gleichstehende Steueranmeldung ist auch inhaltlich eine tragfähige Grundlage für die Verwirklichung des vom Beklagten geltend gemachten Zahlungsanspruchs in Höhe von 42.955,53 €. In der Mitteilung vom 15.07.2008 wird nicht dieser Betrag, sondern nur die bereits erwähnte Umsatzsteuervergütung in Höhe von 191,34 € festgesetzt. Die Steuerfestsetzung ist zwingender Bestandteil jedes Steuerbescheids (§ 155 Abs. 1 Satz 1 AO). Der hier strittige Betrag erscheint lediglich in der Abrechnung als „bereits erstattet“ und hat zu einem Leistungsgebot geführt. Anrechnung und Leistungsgebot sind Verwaltungsakte, die nicht das Gebiet der Steuerfestsetzung, sondern das der Steuererhebung betreffen (BFH, Urteile vom 16.10.1986 VII R 159/83, BFHE 148, 4, BStBl II 1987, 405 und vom 15.04.1997 VII R 100/96, BFHE 182, 506, BStBl II 1997, 787). Gleichwohl ergibt sich aus dem Zusammenwirken der einzelnen Regelungen eine ausreichende Basis für den Rückforderungsanspruch. Das folgt aus § 18 Abs. 4 Satz 1 UStG. Berechnet nämlich der Unternehmer - wie der Kläger - in der Umsatzsteueranmeldung für das Kalenderjahr einen Überschuss, der von der Summe der Vorauszahlungen abweicht, ist der Unterschiedsbetrag zugunsten des Finanzamts einen Monat nach dem Eingang der Steueranmeldung fällig. Der Senat schließt sich insoweit der Rechtsprechung des BFH an (Beschlüsse vom 28.11.1974 V B 52/73, BFHE 114, 169, 170, BStBl II 1975, 239; vom 05.02.1976 V B 73/75, BFHE 118, 149, 150, BStBl II 1976, 435; vom 09.10.1986 V S 18/84, BFH/NV 1987, 130).
294. Der Senat verkennt nicht, dass dem Rückforderungsbescheid eine andere Rechtsauffassung zugrunde liegt als der Zustimmung zur Umsatzsteuererklärung des Klägers. Der Beklagte ist ursprünglich der Meinung gewesen, dass die Umsätze und Vorsteuern der H-GmbH jedenfalls in der ersten Hälfte des Streitjahrs noch dem Kläger als Unternehmer zuzurechnen seien. Darauf beruhte die Zustimmung zur Umsatzsteuererklärung. Im Rückforderungsbescheid vertritt der Beklagte den gegenteiligen Standpunkt, wonach der Kläger im Streitjahr zu keiner Zeit Unternehmer gewesen sei und er deshalb keinen Anspruch auf die ihm ausgezahlte Umsatzsteuervergütung gehabt habe. Auf die Zustimmung zur Umsatzsteuererklärung des Klägers ist der Beklagte in der Begründung für den Rückforderungsbescheid und für die Zurückweisung des Einspruchs mit keinem Wort eingegangen. Das ändert aber an der verfahrensrechtlichen Situation nichts. Der Umsatzsteuerbescheid für das Streitjahr vom 15.07.2008 ist nach wie vor wirksam (§ 124 Abs. 1 und 2 AO). Er ist vom Beklagten trotz der geänderten rechtlichen Würdigung nicht aufgehoben worden. Auf die materielle Rechtslage zum Bestehen oder Nichtbestehen der umsatzsteuerlichen Organschaft kommt es bei diesem Sach- und Streitstand nicht an. Für den Anspruch aus § 37 Abs. 2 Satz 1 AO ist alleine die formelle Bescheidlage maßgebend (BFH, Urteile vom 30.03.2010 VII R 17/09, BFH/NV 2010, 1412 und vom 14.03.2012 XI R 6/10, BFHE 237, 296, HFR 2012, 1037). Die Umsatzsteuervergütung ist dem Kläger nicht ohne rechtlichen Grund gezahlt worden, solange dem Umsatzsteuer-Voranmeldungen für die betreffenden Monate bzw. ein sie ablösender Umsatzsteuerbescheid für das Streitjahr (vgl. dazu BFH, Urteil vom 17.03.2009 VII R 38/08, BFHE 224, 396, BStBl II 2009, 953) zugrunde liegen.
30Der Vortrag des Beklagten, der Rückforderungsbescheid sei erlassen worden, weil der Umsatzsteuerbescheid wahrscheinlich wegen fehlender Unternehmereigenschaft des Klägers aufzuheben sei, rechtfertigt keine andere Entscheidung. Die Finanzbehörden haben die Steuern nach Maßgabe der Gesetze gleichmäßig festzusetzen und zu erheben (§ 85 Satz 1 AO). Die auftretenden Rechtsfragen müssen die Finanzbehörden entscheiden und die zustande gekommenen Ergebnisse folgerichtig in Steuerverwaltungsakte umsetzen. Innerhalb der Grenzen von § 174 Abs. 3 und 4 AO können Fehler noch nachträglich korrigiert werden. Es ist nicht zulässig, wegen Unsicherheiten bezüglich der Rechtslage zwei Verwaltungsakte aufrechtzuerhalten, die - wie hier - miteinander unvereinbar sind. Dem Beklagten bleibt die Möglichkeit, die zum Ruhen gebrachten Einspruchsverfahren fortzusetzen.
31Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO. Der Ausspruch zur vorläufigen Vollstreckbarkeit folgt aus §§ 151 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 3 FGO, 708 Nr. 10, 711 ZPO.
32Der Senat lässt gemäß § 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO die Revision zu. Die Aufhebung eines Rückforderungsbescheids im Klageverfahren im Hinblick auf einen noch im Einspruchsverfahren befindlichen Steuerbescheid, der zu einer nahezu gleich hohen Abschlusszahlung geführt hat, ist bisher - soweit ersichtlich - noch nicht Gegenstand eines Verfahrens vor dem BFH gewesen.
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Referenzen
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