Urteil vom Finanzgericht Köln - 10 K 4001/11
Tenor
Die angefochtenen Bescheide in Gestalt der Einspruchsentscheidungen vom 01.12.2011 werden bezüglich der Feststellung der Besteuerungsgrundlagen 2008 und der gesonderten Feststellung des vortragsfähigen Gewerbeverlustes dahingehend geändert, dass hinsichtlich der Dachgeschosswohnung links (Nr. 54) von einem Entnahmewert i.H.v. 121.437,07 € ausgegangen wird. Die Neuberechnung wird dem Beklagten übertragen (§ 100 Abs. 2 FG). Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
Die Kosten des Verfahrens trägt der Beklagte.
Das Urteil ist wegen der Kosten ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des Kostenerstattungsanspruchs der Klägerin abwenden, soweit nicht die Klägerin zuvor Sicherheit in derselben Höhe leistet.
1
Tatbestand
2Die Beteiligten streiten über die Höhe des Entnahmewerts einer vermieteten Wohnung.
3Die Klägerin erwarb im Jahr 1996 in G ein Grundstück, welches mit mehreren Mehrfamilienhäusern bebaut wurde. Insgesamt wurden 21 Wohnungen im Anschluss veräußert. 10 Wohnungen ließen sich nicht veräußern und wurden als Vermietungsobjekte behalten.
4In dem Objekt A-Weg ... befanden sich im Dachgeschoss 2 Wohnungen. Die Wohnung rechts (Nr. 55) wurde am 14.07.2008 mit Tiefgaragenstellplatz für 143.000 € verkauft. Ausweislich des notariellen Kaufvertrages vom 14.07.2008 (Abs. XVII) verpflichtete sich die Käuferin, die Badinstallation, Fliesenarbeiten sowie sämtliche Bodenbeläge und Türen in Eigenleistung einzubauen.
5Die Wohnung links (Nr. 54) wurde zum 01.07.2008 mit Tiefgaragenstellplatz vermietet. Hinsichtlich der Tiefgarage wurde zum 01.03.2008 und hinsichtlich der Wohnung zum 01.07.2008 die Entnahme erklärt. Der Entnahmewert wurde insgesamt mit 121.437,07 € angegeben. Zwischen den Beteiligten ist unstreitig, dass dies den Herstellungskosten entspricht.
6Der Beklagte folgte in den Bescheiden über die gesonderte und einheitliche Feststellung von Besteuerungsgrundlagen 2008 und Feststellung des vortragsfähigen Gewerbeverlustes auf den 31.12.2008 diesem Wertansatz nicht, sondern bewertete die Entnahme mit 143.000 €. Der Gewerbesteuermessbetrag 2008 wurde mit Bescheid vom 01.12.2011 i.H.v. 0 € festgesetzt.
7Hiergegen richtete sich der Einspruch der Klägerin vom 20.02.2011.
8Zur Begründung trug die Klägerin vor, dass die Wohnung mangels Verkaufsmöglichkeit aus dem Betriebsvermögen zu Vermietungszwecken entnommen worden sei. Zwar sei die Wohnung daneben zeitnah veräußert worden, die streitgegenständliche Wohnung sei vor Entnahme auf dem Verkaufsmarkt jedoch nicht angenommen worden. Der Entnahmewert könne nicht aus dem Verkaufswert der anderen Wohnung abgeleitet werden.
9Bezüglich dieses Streitpunktes wies der Beklagte den Einspruch als unbegründet mit Einspruchsentscheidungen betreffend die gesonderte und einheitliche Feststellung der Besteuerungsgrundlagen 2008 sowie die gesonderte Feststellung des vortragsfähigen Gewerbeverlustes auf den 31.12.2008 vom 01.12.2011 zurück. Zur Begründung führte er aus, dass Entnahmen gemäß § 6 Abs. 1 Nr. 4 EStG mit dem Teilwert zu bewerten seien. Hier sei grundsätzlich der Substanzwert es einzelnen Wirtschaftsgutes maßgebend. Wegen des Prinzips der Einzelbewertung könne der Teilwert nicht durch Aufteilung des nach dem Ertragswertverfahren ermittelten Unternehmenswertes bestimmt werden. Soweit der Teilwert anzusetzen sei, bestimme dieser sich nach dem Marktpreis. Dieser ergebe sich aus der Veräußerung der danebenliegenden Wohnung i.H.v. 143.000 €. Der Beklagte verwies auf die Entscheidung des BFH vom 06.08.1985 (VIII R 280/81).
10Hiergegen richtet sich die Klage vom 29.12.2011. Ergänzend trägt die Klägerin vor, dass eine vermietete Wohnung entnommen worden sei und eine unvermietete Wohnung veräußert worden sei. Allein dieser Umstand würde bereits zu unterschiedlichen Bewertungen führen. Darüber hinaus sei die veräußerte Wohnung zur Sonnenseite hin ausgerichtet, während die vermietete Wohnung dies nicht sei. Auch dies würde einen Wertunterschied ergeben. Im Übrigen hätte auch der Mieter noch umfangreiche Eigenleistungen in der gemieteten Wohnung durchführen müssen.
11Hinsichtlich des Teilwerts sei jedenfalls der Substanzwert maßgeblich. Der Ertragswert liege im vorliegenden Fall mit ca. 90.000 € sogar noch darunter. Eine Übertragung des Wertes der danebenliegenden Wohnung sei nicht sachgerecht, da beide Wohnungen nicht gleichwertig gewesen seien.
12Die Klägerin beantragt,
13die angefochtenen Bescheide in Gestalt der Einspruchsentscheidungen vom 01.12.2011 dahingehend zu ändern, dass hinsichtlich der Dachgeschosswohnung links (Nr. 54) von einem Entnahmewert i.H.v. 121.437,07 € ausgegangen wird.
14Der Beklagte beantragt,
15die Klage abzuweisen.
16Er vertritt die Auffassung, dass identische Wohnungen im Dachgeschoss existiert hätten. Aus dem Veräußerungswert sei auf den Teilwert zu schließen. Es könne nicht überprüft werden, ob die Wohnungen hinsichtlich ihrer Lage nicht vergleichbar seien. Wegen der Belegenheit in Bayern sei der Einsatz eines Bausachverständigen nicht möglich. Im Übrigen verweist er auf die Einspruchsentscheidung.
17Das Gericht hat am 21.11.2013 einen Erörterungstermin durchgeführt. In diesem Zusammenhang haben die Beteiligten übereinstimmend auf eine mündliche Verhandlung verzichtet. Auf das Protokoll wird Bezug genommen.
18Entscheidungsgründe
191. Die Klage betreffend Gewerbesteuer 2008 ist unzulässig.
20Diesbezüglich fehlt es an einer Einspruchsentscheidung. Das Vorverfahren ist somit noch nicht abgeschlossen. Sollte die Klage als Untätigkeitsklage auszulegen sein, würde es darüber hinaus an einer Beschwer der Klägerin mangeln, da der Gewerbesteuermessbetrag mit 0 € festgesetzt worden ist.
212. Im Übrigen ist die Klage begründet.
22Die angefochtenen Bescheide über die gesonderte und einheitliche Feststellung von Besteuerungsgrundlagen sowie der Bescheid über die gesonderte Feststellung des vortragsfähigen Gewerbeverlustes auf den 31.12.2008 sind rechtswidrig und verletzen die Klägerin in ihren Rechten, § 100 Abs. 1 FGO.
23Die Klägerin hat den Entnahmewert zu Recht mit 121.437,07 € angesetzt.
24Entnahmen des Steuerpflichtigen für sich, für seinen Haushalt oder für andere betriebsfremde Zwecke sind mit dem Teilwert anzusetzen, § 6 Abs. 1 Nr. 4 EStG. Der Teilwert ist gemäß § 6 Abs. 1 Nr. 1 S. 3 Einkommensteuergesetz der Betrag, den ein Erwerber des ganzen Betriebes im Rahmen des Gesamtkaufpreises für das Einzelwirtschaftsgut ansetzen würde. Dabei ist davon auszugehen, dass der Erwerber den Betrieb fortführt. Hierbei handelt es sich um eine Fiktion, der Wert kann daher nur durch Schätzung ermittelt werden. Grundsätzlich ist insofern der Substanzwert des einzelnen Wirtschaftsgutes maßgebend (BFH vom 29.05.2008 IX R 36/06, BFH/NV 2008,1668; Kulosa in Schmidt, § 6 EStG, Rz. 234 m.w.N.). Es besteht eine Teilwertvermutung zum Zeitpunkt der Fertigstellung dahingehend, dass dieser den Herstellungskosten entspricht (BFH Urteil vom 30. November 1988 – I R 114/84 –, BFHE 155, 337, BStBl II 1990, 117). Die Teilwertvermutungen können widerlegt werden. Hinsichtlich der Abweichung nach unten trägt der Steuerpflichtige die Feststellungslast, hinsichtlich der Abweichung nach oben die Finanzverwaltung (Kulosa, a. a. O., Rz. 245 m.w.N.). Übersteigt der Einzelveräußerungspreis die Wiederbeschaffungskosten, setzt die Rechtsprechung den „Marktpreis“ an (BFH Urteil vom 06. August 1985 – VIII R 280/81 – BFHE 144, 386, BStBl II 1986, 17), was zum Teil kritisiert wird, da der Teilwert nicht durch den Gewinnaufschlag beeinflusst werden dürfe (z. B. Kulosa, a.a.O., Rz. 251).
25In Anwendung dieser Grundsätze geht der Senat davon aus, dass die Klägerin zu Recht den Substanzwert in Gestalt der unstreitigen Herstellungskosten als Entnahmewert herangezogen hat.
26Soweit der Beklagte der Auffassung ist, ein höherer Wert sei anzusetzen, liegt die Feststellungslast bei ihm. Die Klägerin hat substantiiert vorgetragen, dass die entnommene Wohnung hinsichtlich der Sonneneinstrahlung ungünstiger gelegen sei als die veräußerte. Im Übrigen weist die Klägerin zu Recht darauf hin, dass eine vermietete Wohnung auf dem Veräußerungsmarkt einen geringeren Wert erzielt als eine unvermietete. Hinsichtlich des Einwandes des Beklagten, dass bei der veräußerten Wohnung noch Eigenleistungen zu erbringen waren, wies die Klägerin im Erörterungstermin unwidersprochen darauf hin, dass auch der Mieter noch Eigenleistungen zu erbringen hatte. Vor diesem Hintergrund ist für den Senat schlüssig nachvollziehbar, dass die veräußerte Wohnung einen anderen Wert hatte als die vermietete. Der Ansatz des Marktpreises der veräußerten Wohnung ist deshalb für die Bestimmung des Teilwertes der entnommenen Wohnung in diesem Einzelfall nicht sachgerecht. Daher ist der Entnahmewert entsprechend der Teilwertvermutung mit den Herstellungskosten zu bestimmen. Dass diese Teilwertvermutung zu einem unrichtigen Ergebnis führen würde, hat der Beklagte nur behauptet, jedoch nicht substantiiert dargelegt. Der Einwand, dass ein Bausachverständiger nicht hätte eingesetzt werden können, kann hierüber nicht hinweghelfen.
27Demgemäß war der Klage bezüglich der gesonderten und einheitlichen Feststellung der Besteuerungsgrundlagen 2008 und der gesonderten Feststellung des Gewerbesteuerverlustes auf den 31.12.2008 stattzugeben.
283. Die Kostenentscheidung folgt aus § 136 Abs. 1 S. 3 FGO.
294. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf §§ 151 Abs. 3, 155 FGO i. V. m. §§ 708 Nr. 10, 711 der Zivilprozessordnung.
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