Urteil vom Finanzgericht Köln - 10 K 2733/10
Tenor
Der Einkommensteuerbescheid für 2007 vom 17.11.2009 in Form der Einspruchsentscheidung vom 26.7.2010 wird gemäß Hilfsantrag des Klägers dahin geändert, dass das zu versteuernde Einkommen um 2.735 € verringert wird. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen. Die Neuberechnung der danach festzusetzenden Einkommensteuer wird dem Beklagten aufgegeben.
Die Kosten des Verfahrens tragen der Kläger zu 3/4 und der Beklagte zu 1/4.
Das Urteil ist wegen der Kostenentscheidung ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des Kosten-erstattungsanspruchs des Klägers abwenden, soweit nicht der Kläger zuvor Sicherheit in derselben Höhe leistet.
Die Revision wird zugelassen.
1
Tatbestand
2Die Beteiligten streiten darüber, inwieweit eine Steuerbegünstigung für eine Wohnung des Klägers in A, die die Voraussetzungen gemäß § 7h bzw. § 10f EStG erfüllt, berücksichtigt werden kann.
3Der Kläger ist seit 1989 beim R beschäftigt und unterhält seit dem Jahr 2002 wegen des Umzugs des ... von D nach A einen beruflich bedingten zweiten Wohnsitz in A; die Wohnung befindet sich im Eigentum des Klägers. Der Familienwohnsitz befindet sich in H. Die Ehefrau geht hier einer freiberuflichen Beschäftigung nach. Die Tochter besucht die Schule. Zwischen den Beteiligten ist unstreitig, dass es sich bei dem Wohnsitz in A um einen beruflich bedingten zweiten Haushalt handelt und die hierdurch verursachten Kosten dem Grunde nach als Werbungskosten abzugsfähig sind.
4Die laufenden Kosten für die Wohnung in A (Zinsen, Gas, Strom, Wasser, GrSt, etc.) beliefen sich auf 8.373 €. Außerdem sind für das Objekt im Jahr 2003 im Zusammenhang mit dem Erwerb Aufwendungen angefallen, die die Voraussetzung für eine Steuerbegünstigung gemäß § 7h bzw. § 10f EStG erfüllten und von denen im Streitjahr 2007 grundsätzlich anteilig 10.655 € gemäß § 7h bzw. § 10f EStG abzugsfähig wären.
5Im vorliegend streitgegenständlichen Einkommensteuerbescheid vom 17.11.2009 berücksichtigte der Beklagte die Zweitwohnung im Eigentum des Klägers lediglich im Rahmen der Werbungskosten, der Höhe nach begrenzt auf die gemäß §9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 5 EStG notwendigen Mehraufwendungen, die dem Kläger als Mieter für eine nach Größe, Ausstattung und Lage angemessene Wohnung entstanden wären. Lt. Mietspiegel der Stadt A beträgt der oberste Rahmen der ortsüblichen Kaltmiete einer entsprechenden Wohnung 6,24 €/qm. Wegen eventueller werterhöhender Maßnahmen erhöhte der Bearbeiter die ortsübliche Kaltmiete um einen Sicherheitszuschlag auf 8,00 €/qm. Die vom Kläger geltend gemachten Nebenkosten betrugen umgerechnet 3,00 €/qm, so dass der Beklagte eine Warmmiete von 11,00 €/qm für eine 60 qm große Wohnung berücksichtigte, woraus sich angemessene Unterkunftskosten von 7.920 € jährlich ergaben. Die Kürzung der laufenden Kosten auf 7.920 € ist nicht streitig (vgl. Beklagten-Schreiben vom 14.5.2009; Erläuterung im ursprünglichen Bescheid vom 7.7.2009). Wegen der Lage der Wohnung in einem Sanierungsgebiet erhöhte der Beklagte die Werbungskosten um die erhöhten Absetzungen nach § 7h EStG. Da der vom Beklagten ermittelte Grenzbetrag von 7.920 € jedoch schon durch die laufenden Aufwendungen überschritten war, berücksichtigte der Beklagte die anteilig auf das Jahr 2007 entfallenden Sanierungsaufwendungen i.H.v. unstreitig 10.655 € nicht.
6Der Einspruch blieb ohne Erfolg. Zur Begründung führte der Beklagte in der Einspruchsentscheidung vom 26.7.2010 unter Bezugnahme auf seine Erörterungsschreiben vom 14.8. und 3.9.2009 aus: Die vom Kläger begehrte Berücksichtigung im Rahmen der Sonderausgaben nach § 10f EStG komme nicht in Betracht, da es sich bei den Aufwendungen für die Wohnung dem Grunde nach um Werbungskosten im Rahmen der doppelten Haushaltsführung des Klägers handele. Für nicht zur Einkunftserzielung verwendete Gebäude würden die begünstigten Modernisierungsaufwendungen nach § 10f EStG und die übrigen Anschaffungs- oder Herstellungskosten nach § 10e EStG oder dem Eigenheimzulagegesetz berücksichtigt. Für Gebäude, die zur Einkunftserzielung genutzt werden, erfolge die Berücksichtigung der begünstigten Modernisierungsaufwendungen nach § 7h EStG und der übrigen Anschaffungs- oder Herstellungskosten nach § 7 Abs. 4 oder Abs. 5 EStG. Damit sei innerhalb der jeweiligen Ebene eine parallele steuerliche Berücksichtigung möglich; eine Mischung sei hingegen nicht zulässig. Weil die Wohnung in A im Rahmen der doppelten Haushaltsführung zur Einkunftserzielung genutzt werde, seien die AfA nach § 7 Abs. 4 EStG und die erhöhten Absetzung nach § 7h EStG bei den Werbungskosten anzusetzen. Ein Sonderausgabenabzug nach § 10f EStG scheide aus, weil ein paralleler Ansatz der „normalen" AfA nach § 7 Abs. 4 EStG und ein Sonderausgabenabzug nach § 10f EStG nicht zulässig sei.
7Der Kläger macht geltend, wegen der Deckelung der Mehraufwendungen auf die für eine angemessene Wohnung entstehenden Kosten würden seine Sanierungsaufwendungen ohne Auswirkung bleiben. Damit würden die Aufwendungen nicht zu der vom Gesetzgeber gewünschten Steuerbegünstigung führen. Dieses nicht gewollte Ergebnis lasse sich nur korrigieren, wenn die Aufwendungen nicht als Werbungskosten gemäß § 7h abgezogen, sondern gemäß § 10f EStG als Sonderausgaben berücksichtigt würden. Die Voraussetzungen der Steuerbegünstigung gemäß § 10f EStG lägen unstreitig vor.
8Der Vorrang des Werbungskostenabzugs stehe dem Abzug gemäß § 10f EStG nicht entgegen. Denn der Gesetzeswortlaut in Abs. 1 S. 3 der Vorschrift stelle darauf ab, dass der Steuerpflichtige nur für diejenigen Aufwendungen keine Abzugsbeträge nach (§ 10f Abs. 1) Satz 1 in Anspruch nehmen könne, für die er erhöhte Aufwendungen nach § 7h oder § 7i tatsächlich abgezogen habe. Daraus ergebe sich im Umkehrschluss, dass dem Kläger der Abzugsbetrag zustehe, da er im Streitjahr keine erhöhten Aufwendungen nach § 7h EStG abgezogen habe. Ein anderes Ergebnis höhle den Gesetzeszweck des § 10f EStG aus. Aufwendungen an Gebäuden in Sanierungsgebieten sollten zu einer Steuerbegünstigung führen, damit Steuerpflichtige entsprechend investierten. Daher könne eine Nutzung zur Einkünfteerzielung nicht zu einem schlechteren Ergebnis führen als eine Nutzung zu privaten Zwecken.
9Hilfsweise werde auf den Ansatz der Wohnungskosten als Werbungskosten verzichtet und nur der Ansatz der Aufwendungen gemäß § 10f EStG als Sonderausgaben beantragt. Dies führe zu einem um 2.735 € niedrigeren zu versteuernden Einkommen (10.655 € abzüglich 7.920 €).
10Der Kläger beantragt, den Einkommensteuerbescheid für 2007 vom 17.11.2009 in Form der Einspruchsentscheidung vom 26.7.2010 dahin zu ändern, dass das zu versteuernde Einkommen und 10.655 € verringert wird, hilfsweise die Änderung der Einkommensteuerfestsetzung dahin, dass unter Verzicht des Ansatzes der Wohnungsaufwendungen als Werbungskosten die Sanierungsaufwendungen gemäß § 10f EStG als Sonderausgaben abgezogen werden und dadurch das zu versteuernde Einkommen um 2.735 € zu verringern.
11Der Beklagte beantragt, den Einkommensteuerbescheid für 2007 vom 17.11.2009 in Form der Einspruchsentscheidung vom 26.7.2010 entsprechend dem Hilfsantrag des Klägers zu ändern und die Klage im Übrigen abzuweisen.
12Der Beklagte bezieht sich dazu im Wesentlichen auf die Begründung in der Einspruchsentscheidung. Unzutreffend sei der Vortrag des Klägers, dass die Förderung nach § 7 h EStG wegen der Begrenzung der Kosten im Rahmen der doppelten Haushaltsführung ins Leere laufe. Denn die AfA nach § 7h EStG sei zunächst in der beantragten Höhe gewährt und nur durch die Begrenzung der Kosten reduziert worden.
13Entscheidungsgründe
14Die Klage ist nur hinsichtlich des Hilfsantrags begründet; im Übrigen ist sie unbegründet. Bei doppelter Haushaltsführung beschränken sich die abzugsfähigen Mietkosten für die Wohnung am Arbeitsort auf den durchschnittlichen Mietzins für eine 60 qm-Wohnung. Ein weitergehender Abzug durch einen Kombination von Werbungskosten- und Sonderausgabenabzug betreffend eine im Rahmen doppelter Haushaltsführung genutzte Wohnung am Beschäftigungsort ist ausgeschlossen.
151. Zu den Werbungskosten gehören auch die Kosten einer aus beruflichem Anlass begründeten doppelten Haushaltsführung. Eine doppelte Haushaltsführung in diesem Sinne liegt vor, wenn der Steuerpflichtige außerhalb des Ortes, an dem er einen eigenen Hausstand unterhält, beruflich tätig ist und auch am Ort der beruflichen Tätigkeit wohnt (§ 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 5 Satz 2 EStG; vgl. BFH-Urteil vom 9. 8. 2007 - VI R 10/06, BFHE 218, 380, BStBl II 2007, 820). Zwischen den Beteiligten ist unstreitig, dass der Kläger im Streitjahr die Voraussetzungen einer steuerlich anzuerkennenden doppelten Haushaltsführung erfüllt hat.
162. Zwar hat der Gesetzgeber im Anschluss an die verfassungsgerichtliche Rechtsprechung das Abzugsverbot für über zwei Jahre hinausreichende Aufwendungen beseitigt, den Abzug für Aufwendungen im Rahmen doppelter Haushaltsführung aber ausdrücklich auf die notwendigen Aufwendungen beschränkt (§ 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 5 Satz 1 EStG). Zu Recht hat der Beklagte im Streitfall angenommen, dass sich der notwendige Aufwand insoweit auf die Anmietung einer Wohnung von 60 m² mit einem Durchschnittsmietzins beschränkt (BFH-Urteile 9. 8. 2007 - VI R 10/06, BFHE 218, 380, BStBl II 2007, 820 sowie VI R 23/05, BFHE 218, 376, BStBl II 2009, 722; vgl. ferner BFH-Urteil vom 16. 3. 2010 - VIII R 48/07, BFH/NV 2010, 1433). Diese Beschränkung als solche ist im Streitfall auch unstreitig. Einwendungen gegen die vom Beklagten angewandte nachvollziehbare Schätzungsmethode sind nicht erhoben.
173. Der vom Kläger begehrte weitergehende Abzug durch einen Kombination von Werbungskosten- und Sonderausgabenabzug betreffend eine im Rahmen doppelter Haushaltsführung genutzte Wohnung am Beschäftigungsort ist dagegen nicht möglich. Der BFH hat unter Berufung auf das gesetzliche Schema der Einkommensermittlung ausgeführt, dass § 10 Abs. 1 Satz 1 EStG ("Sonderausgaben sind die folgenden Aufwendungen, wenn sie weder Betriebsausgaben noch Werbungskosten sind") einen allgemeinen Rechtsgrundsatz enthält (BFH-Urteil vom 27. 7. 2000 – X R 91/97, BFHE 192, 333, BStBl II 2000, 692 unter Hinweis auf BT-Drucks. 10/3633, S. 15, welches ein Nebeneinander von Werbungskostenabzug nach § 9 Abs. 1 Nr. 5 EStG und Sonderausgabenabzug nur dann zulässt, wenn der Arbeitnehmer von einer Mietwohnung in eine eigene Wohnung umzieht und Mehraufwendungen wegen doppelter Haushaltsführung nur für den Zeitraum geltend macht, in dem er zur Miete wohnt). Dem schließt sich das erkennende Gericht auch für das Verhältnis von Werbungskostenabzug zum Abzug gemäߧ 10f EStG ("wie Sonderausgaben") an, so dass bei Berücksichtigung der mit einer Wohnung zusammenhängenden Aufwendungen als Werbungskosten oder Betriebsausgaben eine darüber hinausgehende Förderung durch einen Abzug "wie Sonderausgaben" auch nach § 10f EStG ausgeschlossen ist. Sobald der Arbeitnehmer den Abzug von Werbungskosten nach § 9 Abs. 1 Nr. 5 EStG beansprucht, steht ihm daneben der Sonderausgabenabzug nach § 10f EStG nicht zu.
184. Der Hilfsantrag, mit welchem der Kläger sein Begehren unter Verzicht auf den Ansatz der Wohnungsaufwendungen als Werbungskosten auf den Abzug der Sanierungsaufwendungen gemäß § 10f EStG als Sonderausgaben beschränkt (Verringerung des zu versteuernden Einkommen um 2.735 €), hat hingegen Erfolg. Der BFH hat den Sonderausgabenabzug mit seinem Urteil vom 27.7.2000 – X R 91/97 (BFHE 192, 333, BStBl II 2000, 692) gewährt, wenn zwar ein aus beruflichem Anlass begründeter doppelter Haushalt geführt wird, der Arbeitnehmer aber keine Mehraufwendungen wegen doppelter Haushaltsführung gemäß § 9 Abs. 1 Nr. 5 EStG geltend macht. Die Förderung gemäß § 10f EStG (Sonderausgabenabzug) steht einem Arbeitnehmer, der einen aus beruflichem Anlass begründeten doppelten Haushalt führt und am Beschäftigungsort in einer eigenen Eigentumswohnung wohnt, für diese Wohnung danach zu, wenn er sich auf den Abzug der Fahrtkosten gemäß § 9 Abs. 1 Nr. 4 EStG beschränkt und im Übrigen die die Wohnung betreffenden notwendigen, durch die doppelte Haushaltsführung entstandenen Mehraufwendungen (§ 9 Abs. 1 Nr. 5 EStG) nicht ansetzt (BFH-Urteil vom 27.7.2000 – X R 91/97, BFHE 192, 333, BStBl II 2000, 692 in Fortführung der BFH-Urteile vom 14.12.1994 – X R 74/91, BFHE 176, 117, BStBl II 1995, 259 und vom 11.12.1996 – X R 15/96, BFHE 182, 153, BStBl II 1997, 221: Wahlrecht des Arbeitnehmers im Anschluss an die Rechtsprechung des VI. Senats). Allein die rechtliche Möglichkeit zum Abzug der notwendigen Mehraufwendungen wegen doppelter Haushaltsführung gemäß § 9 Abs. 1 Nr. 5 EStG führt danach nicht zum Ausschluss des Sonderausgabenabzugs. Der Vorrang des Werbungskostenabzugs gilt nur, wenn der Arbeitnehmer tatsächlich Mehraufwendungen wegen doppelter Haushaltsführung als Werbungskosten geltend macht. Diesen Grundsätzen, denen auch der Bescheid-Änderungsantrag des Beklagten folgt, schließt sich der erkennende Senat an. Dem Hilfsantrag des Klägers war daher zu entsprechen, weil er im Rahmen seines Hilfsantrags ausdrücklich auf den Werbungskostenabzug gemäß § 9 Abs. 1 Nr. 5 EStG verzichtet hat.
195. Die Neuberechnung der nach den Grundsätzen dieses Urteils festzusetzenden Steuer wurde dem Beklagten aufgegeben, weil sie einen nicht unerheblichen Aufwand erfordert (vgl. § 100 Abs. 2 S. 2 FGO). Die Beteiligten haben der Anordnung der Neuberechnung der festzusetzenden Steuer durch den Beklagten nicht widersprochen.
206. Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO.
217. Die Revision war wegen grundsätzlicher Bedeutung zuzulassen.
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Referenzen
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