Urteil vom Finanzgericht Köln - 11 K 1217/09
Tenor
Die Klage wird abgewiesen.
Die Kläger tragen die Kosten des Verfahrens.
1
Tatbestand
2Die Beteiligten streiten über die Rechtmäßigkeit der Einkommensteuerbescheide für die Jahre 2002 bis 2005 hinsichtlich der Verfassungsmäßigkeit der vertikalen Verlustausgleichsbeschränkung.
3Die Kläger sind Eheleute und wurden in den Streitjahren zusammen zur Einkommensteuer veranlagt. Der Kläger erzielte als Elektroingenieur und die Klägerin als kaufmännische Assistentin Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit. Die Klägerin erzielte zudem Einkünfte aus Gewerbebetrieb und der Kläger Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung sowie Einkünfte aus privaten Veräußerungsgeschäften. Darüber hinaus erzielten beide Kläger jeweils Einkünfte aus Kapitalvermögen. Die Einkünfte setzten sich ausweislich der jeweiligen Einkommensteuerbescheide (für 2002 vom 16.12.2004; für 2003 vom 17.3.2005; für 2004 vom 4.11.2005 und für 2006 vom 28.12.2006) wie folgt zusammen:
42002 |
2003 |
2004 |
2005 |
|
§ 15 EStG Klägerin |
3.268 Euro |
3.197 Euro |
3.147 Euro |
-2.782 Euro |
§ 19 EStG Klägerin |
34.956 Euro |
18.508 Euro |
14.608 Euro |
14.584 Euro |
§ 19 EStG Kläger |
150.159 Euro |
128.473 Euro |
133.024 Euro |
127.535 Euro |
§ 20 EStG Klägerin |
2.117 Euro |
2.672 Euro |
2.753 Euro |
2.768 Euro |
§ 20 EStG Kläger |
517.516 Euro |
7.839 Euro |
8.562 Euro |
8.716 Euro |
§ 21 EStG Kläger |
-154 Euro |
-160 Euro |
-201 Euro |
-152 Euro |
§ 22 EStG Kläger |
-517.912 Euro |
-104.440 Euro |
-30.654 Euro |
-33.756 Euro |
Die Verluste im Rahmen des § 22 EStG resultierten aus der Veräußerung von Wertpapieren und setzten sich entsprechend den vom Beklagten übernommenen Angaben in den Einkommensteuererklärungen wie folgt zusammen:
62002 |
2003 |
2004 |
2005 |
|
Einkünfte Halbeinkünfte |
-56.216 Euro |
-10.233 Euro |
+1.377 Euro |
0 |
Einkünfte vollständig |
-489.804 Euro |
-99.234 Euro |
-31.343 Euro |
-33.756 Euro |
Gesamtverlust |
-517.912 Euro |
-104.440 Euro |
-30.654 Euro |
-33.756 Euro |
Der Beklagte ließ die Gesamtverluste aus Veräußerungsgeschäften nicht zum Ausgleich mit den übrigen positiven Einkünften der Kläger zu (vertikale Verlustausgleichsbeschränkung). Für nähere Einzelheiten wird auf die in den Steuerakten des Beklagten befindlichen Einkommensteuererklärungen und Einkommensteuerbescheide Bezug genommen.
8Die Kläger legten gegen die jeweiligen Einkommensteuerbescheide wegen der Beschränkung des vertikalen Verlustausgleichs sowie diverser anderer, zwischenzeitlich jedoch nicht mehr streitiger Punkte, Einsprüche ein und stellten hinsichtlich der Beschränkung des vertikalen Verlustausgleichs Anträge auf ein Ruhen des Verfahrens gemäß § 363 AO, denen der Beklagte entsprach.
9Mit Verfügung vom 5.9.2007 griff der Beklagte die Einspruchsverfahren wieder auf und wies die Kläger auf die Entscheidungen des Bundesfinanzhofs zur vertikalen Verlustabzugsbeschränkung vom 18.10.2006 (IX R 45/04, BFH/NV 2007, 1473) und vom 6.3.2007 (IX R 31/04, BFH/NV 2007, 1478) hin. Gleichzeitig bat er, die Erfolgsaussichten der Einsprüche zu überprüfen.
10Mit Einspruchsentscheidung vom 24.3.2008 wies der Beklagte die Einsprüche zurück und führte – soweit für das vorliegende Verfahren von Interesse – zur Begründung aus, dass die Beschränkung des vertikalen Verlustausgleichs mit Blick auf die Entscheidungen des Bundesfinanzhofs vom 18.10.2006 (IX R 45/04, BFH/NV 2007, 1473) und vom 6.3.2007 (IX R 31/04, BFH/NV 2007, 1478) verfassungsgemäß sei. Das Bundesverfassungsgericht habe die im Gesamtzusammenhang unter dem Aktenzeichen 2 BvR 294/06 erhobene Verfassungsbeschwerde nicht zur Entscheidung angenommen. Für nähere Einzelheiten wird auf die in den Steuerakten des Beklagten (Band VII) befindliche Einspruchsentscheidung vom 24.3.2008 Bezug genommen.
11Mit ihrer Klage machen die Kläger nur noch geltend, dass die Beschränkung des vertikalen Verlustausgleichs zwischen den Einkünften aus privaten Veräußerungsgeschäften und positiven anderen Einkünften verfassungs- und rechtswidrig sei. Soweit man davon ausgehe, dass es sich bei den im vorliegenden Verfahren relevanten Vorgängen um private Veräußerungsgeschäfte handele, seien die Ausführungen im Urteil des Bundesfinanzhofs vom 18.10.2006 (IX R 28/05, BStBl. II 2007, 259) zu berücksichtigen. Gegenstand der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs sei die Verfassungsmäßigkeit der Verlustausgleichsbeschränkung des § 23 Abs. 3 EStG. Der Bundesfinanzhof führe in seiner Entscheidung aus, dass die Norm „noch verfassungsgemäß“ sei und begründe dies insbesondere damit, dass der Steuerpflichtige es selbst steuern könne, in welchem Umfang die Verluste oder Gewinne innerhalb der Spekulationsfrist anfielen und damit der Besteuerung unterlägen. Auf diese Weise könne der Steuerpflichtige durch ein gezieltes Handeln steuerlich relevante Gewinne oder Verluste erzeugen. Der Steuerpflichtige habe folglich die Möglichkeit, durch die Wahl des Veräußerungszeitpunkts über den Eintritt des Besteuerungstatbestandes zu entscheiden und damit sein Grundrecht der wirtschaftlichen Betätigungsfreiheit aus Art. 2 Abs. 1 GG wahrzunehmen. Diese entscheidungserhebliche Besonderheit der grundsätzlichen Dispositionsfreiheit rechtfertige es nach Auffassung des Bundesfinanzhofs, die Einkünfte im Sinne des § 23 Abs. 1 Nr. 2 EStG von dem vertikalen Verlustausgleich auszuschließen und den Verlustausgleich nur durch Verrechnung mit positiven Einkünften aus privaten Veräußerungsgeschäften in früheren oder späteren Veranlagungszeiträumen zuzulassen. Die entscheidungserhebliche Besonderheit der grundsätzlichen Dispositionsfreiheit sei im vorliegenden Fall jedoch nicht gegeben. Denn die getätigten Wertpapiergeschäfte hätten bezüglich der Besteuerung der Gewinne oder Verluste zumindest teilweise keiner Dispositionsmöglichkeit der Kläger unterlegen. Der Verkaufs- bzw. Einlösezeitpunkt sei durch die Art der Geschäfte vorgegeben gewesen. Es habe sich um sogenannten „Turbozertifikate“ gehandelt, d.h. um Optionsscheine und Wertpapiere, deren spätestes Verkaufs- bzw. Einlösedatum bereits bei Abschluss des Kaufgeschäfts festgestanden habe. Die Zeitspanne zwischen Kaufdatum und dem spätesten Verkaufs- bzw. Einlösedatum habe dabei weniger als ein Jahr betragen. Aus der Veräußerung von Wertpapieren mit diesen Merkmalen seien Veräußerungsverluste von 270.735,20 Euro (2002), 38.619,98 Euro (2003), 32.720,68 Euro (2004) und 33.755,76 Euro (2005) entstanden.
12Den Ausführungen des Bundesfinanzhofs im Urteil vom 18.10.2006 (IX R 28/05, BStBl. II 2007, 259) lasse sich im Umkehrschluss entnehmen, dass die Beschränkung des vertikalen Verlustausgleichs in folgenden Fällen verfassungswidrig sei:
13a) Beim Kauf des Wertpapiers stehe bereits fest, dass das Wertpapier eine Laufzeit von weniger als einem Jahr habe. Aus der Rechtsnatur des Wertpapiers ergebe sich, dass der Kauf des Wertpapiers der Besteuerung unterliege und keine Dispositionsbefugnis des Steuerpflichtigen bestehe. Soweit ein gegebenenfalls anfallender Gewinn der Besteuerung unterliege, müsse dies auch für eintretende Verluste gelten.
14b) Das Wertpapier unterliege aufgrund der Marktentwicklung und ohne Einflussnahme des Steuerpflichtigen innerhalb eines Jahres einem Verfall, d.h. dem Eintritt einer Wertlosigkeit. Dieses Merkmal sei vertraglich und von der Natur des Rechtsgeschäfts aus bei den sogenannten „Knock-Out-Zertifikaten“ angelegt. Gegenstand des Geschäfts sei die Maßgabe, dass die Wertlosigkeit des Papiers eintritt, sobald der Bezugskurs eine vorher festgelegte Schwelle über- oder unterschreite. Auch in diesen Fällen bestehe keine Dispositionsmöglichkeit des Steuerpflichtigen.
15Im Übrigen widerspreche die Beschränkung des vertikalen Verlustausgleichs dem aus Art. 2 und 14 GG abgeleiteten Prinzip der Besteuerung nach der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit. Zwar führe die bloße Existenz steuerlicher Verluste nicht zwingend zu deren unbedingter und uneingeschränkter Berücksichtigung. Der Gesetzgeber dürfe vielmehr danach differenzieren, durch welche Umstände die Leistungsfähigkeit eingetreten sei und ob Steuerpflichtige, die – wie z.B. die Kläger – über hohe positive Einkünfte verfügten, versuchten, ihre Einkommensteuerschuld durch gezielte Maßnahmen herabzusetzen. Eine Ausprägung des Leistungsfähigkeitsprinzips sei jedoch das sogenannte Nettoprinzip, wonach der Einkommensteuer grundsätzlich nur das Nettoeinkommen als Saldo aus den Erwerbseinnahmen einerseits und den Erwerbsaufwendungen andererseits (objektives Nettoprinzip) sowie den existenzsichernden Aufwendungen (subjektives Nettoprinzip) unterliege. Innerhalb des subjektiven Nettoprinzips sei das Verfassungsgebot der steuerlichen Schonung des Existenzminimums zu beachten. Gemäß Art. 1 GG in Verbindung mit Art. 20 Abs. 1 GG müsse dem Steuerpflichtigen nach der Erfüllung seiner Einkommensteuerschuld von seinem Erworbenen so viel verbleiben, wie er zur Bestreitung seines notwendigen Lebensunterhalts bzw. desjenigen seiner Familie benötige. Der existenznotwendige Bedarf bilde daher von Verfassungs wegen die Untergrenze für den Zugriff durch die Einkommensteuer. Die Kläger sind der Auffassung, dass ihnen bei einer vollen Nichtberücksichtigung der Verluste aus den privaten Veräußerungsgeschäften nicht mehr so viel von ihrem in den Streitjahren erworbenen Einkommen verbleibe, wie sie für ihren Lebensunterhalt benötigten.
16Darüber hinaus sei das objektive Nettoprinzip auch aus einem anderen Grund nicht gewahrt, da die grundsätzliche Abzugsfähigkeit der entstandenen Verluste in tatsächlicher Hinsicht in Frage gestellt sei. Durch den Ausschluss des vertikalen Verlustabzugs werde der überschießende Anteil der negativen Einkünfte in andere Veranlagungszeiträume vor- bzw. zurückgetragen. Für die Jahre 2002 bis 2005 seien Verluste in Höhe von rund 719.000 Euro aufgelaufen, wobei die größten Verluste aus dem Jahr 2002 stammten. Sie – die Kläger – müssten daher mit zukünftigen Gewinnen in derselben Höhe rechnen können, um diese Verluste steuerlich verrechnen zu können. Dies sei tatsächlich jedoch nicht zu erwarten. Verschärfend komme hinzu, dass die Verrechnung von „Altverlusten“ mit Blick auf die Einführung der Abgeltungssteuer bis 2013 begrenzt worden sei. Dadurch werde im Ergebnis kein Verlustvortrag ermöglicht, sondern die Anerkennung von Verlusten faktisch ausgeschlossen, was bereits für die Jahre 1998 und 1999 als verfassungswidrig anerkannt worden sei. Zudem bestehe die Notwendigkeit eines uneingeschränkten vertikalen Verlustausgleichs auch deshalb, weil das im Jahr 2002 erzielte Einkommen aus Kapitalvermögen in Höhe von 519.000 Euro dazu verwendet worden sei, die Verluste aus den privaten Veräußerungsgeschäften zu finanzieren.
17Schließlich sei fraglich, ob die Einkünfte aus den Wertpapierveräußerungen aufgrund des Kapitaleinsatzes und des Handelsumfangs nicht als gewerblich anzusehen und damit im Rahmen des § 15 EStG vollständig anzuerkennen seien. Der Umfang der Verluste, des eingesetzten Kapitals und der Umfang der An- und Verkaufsgeschäfte sprächen gegen das Vorliegen von „privaten“ Veräußerungsgeschäften. Der Kläger habe mit seinen Wertpapiergeschäften den Rahmen der privaten Vermögensverwaltung überschritten und in den Jahren 2002 bis 2005 über 1.000 An- und Verkaufsgeschäfte getätigt. Zudem sei zu berücksichtigen, dass diverse An- und Verkaufsgeschäfte im Wege des sogenannten „Day-Tradings“ noch am selben Tag oder innerhalb einer sehr kurzen Haltezeit getätigt worden seien. Die Wertpapiergeschäfte seien durch eine eigene Büroorganisation unterstützt worden. Auch wenn an die Büroausstattung keine überhöhten Anforderungen zu stellen seien, sei diese erkennbar für den Wertpapierhandel bestimmt gewesen.
18Die Kläger beantragen,
19die Einkommensteuerbescheide für 2002 vom 16.12.2004, für 2003 vom 17.3.2005, für 2004 vom 4.11.2005 und für 2005 vom 28.12.2006 sowie die dazugehörige Einspruchsentscheidung dahingehend abzuändern, dass beim Kläger Verluste aus Gewerbebetrieb für 2002 in Höhe von 517.912 Euro, für 2003 in Höhe von 104.440 Euro, für 2004 in Höhe von 30.654 Euro und für 2005 in Höhe von 33.756 Euro berücksichtigt werden,
20hilfsweise,
21dass beim Kläger Verluste aus privaten Veräußerungsgeschäften für 2002 in Höhe von 270.735,20 Euro, für 2003 in Höhe von 38.619,98 Euro, für 2004 in Höhe von 32.720,68 Euro und für 2005 in Höhe von 33.755,76 Euro jeweils als ausgleichsfähig mit den positiven Einkünften aus anderen Einkunftsarten berücksichtigt werden,
22und regen an, im Unterliegensfall die Revision zuzulassen.
23Der Beklagte beantragt,
24die Klage abzuweisen
25und regt an, im Unterliegensfall die Revision zuzulassen.
26Zur Begründung verweist er auf seine Einspruchsentscheidung und führt ergänzend aus, dass der Kläger mit seinen Wertpapiergeschäften noch nicht den Rahmen der privaten Vermögensverwaltung überschritten habe. Die Tätigkeit des Klägers sei nicht mit einem Wertpapierhandelsunternehmen im Sinne des § 1 Abs. 3d Satz 2 KWG a.F. bzw. einem Finanzunternehmen im Sinne des § 1 Abs. 3 KWG vergleichbar. Kennzeichnend für ein Wertpapierhandelsunternehmen sei ein Tätigwerden „für andere“, insbesondere ein Tätigwerden „für fremde Rechnung“. Finanzunternehmen zeichneten sich dadurch aus, dass sie den Handel mit institutionellen Partnern betrieben und nicht lediglich über eine Depotbank am Marktgeschehen teilnähmen. Beide Voraussetzungen seien beim Kläger nicht gegeben. Soweit ein Steuerpflichtiger geltend mache, dass er für Wertpapierankäufe und -verkäufe besondere berufliche Erfahrungen eingesetzt habe, könne nur dann auf eine gewerbliche Tätigkeit geschlossen werden, wenn er diese Erfahrungen in einem einschlägigen Hauptberuf gewonnen habe. Bloße Kenntnisse aufgrund einer bisherigen Anlagetätigkeit seien nicht ausreichend.
27Entscheidungsgründe
28Die Klage ist unbegründet.
29Die Einkommensteuerbescheide für 2002, 2003, 2004 und 2005 sowie die hierzu ergangene Einspruchsentscheidung sind rechtmäßig und verletzen die Kläger nicht in ihren Rechten.
301.
31Die vom Kläger aus seinen Wertpapiergeschäften erzielten Einkünfte sind keine gewerblichen Einkünfte im Sinne des § 15 EStG.
32a)
33Ein Gewerbebetrieb erfordert nach § 15 Abs. 2 EStG eine selbständige, nachhaltige Betätigung, die mit der Absicht, Gewinn zu erzielen, unternommen wird, sich als Beteiligung am allgemeinen wirtschaftlichen Verkehr darstellt und keine land- und forstwirtschaftliche, freiberufliche oder andere selbständige Tätigkeit ist. Zudem darf es sich nicht um eine typische Vermögensverwaltung handeln.
34Bei der Abgrenzung zwischen einem Gewerbebetrieb einerseits und der nicht steuerbaren Sphäre sowie anderen Einkunftsarten andererseits ist auf das Gesamtbild der Verhältnisse und die Verkehrsanschauung abzustellen. Dabei sind die einzelnen Umstände zu gewichten und gegeneinander abzuwägen (vgl. nur BFH-Urteile vom 2.9.2008 X R 14/07, BFH/NV 2008, 2012; vom 19.8.2009 III R 31/07, BFH/NV 2010, 844 und vom 11.10.2012 IV R 32/10, BStBl. II 2013, 538 m.w.N.). In Zweifelsfällen ist maßgebend, ob die Tätigkeit dem Bild entspricht, das nach der Verkehrsanschauung einen Gewerbebetrieb ausmacht und einer privaten Vermögensverwaltung fremd ist (vgl. z.B. BFH-Beschlüsse vom 3.7.1995 GrS 1/93, BStBl. II 1995, 617 und vom 10.12.2001 GrS 1/98, BStBl. II 2002, 291; BFH-Urteil vom 11.10.2012 IV R 32/10, BStBl. II 2013, 538). Ob eine Tätigkeit noch der privaten Vermögensverwaltung zuzuordnen ist, lässt sich nicht für alle Bereiche nach einheitlichen Maßstäben beurteilen. Vielmehr sind die jeweiligen artspezifischen Besonderheiten zu beachten und der Lebenswirklichkeit entlehnte Berufsbilder zur Orientierung heranzuziehen (vgl. BFH-Urteil vom 11.10.2012 IV R 32/10, BStBl. II 2013, 538).
35Nach ständiger Rechtsprechung wird die Grenze von der privaten Vermögensverwaltung zum Gewerbebetrieb erst dann überschritten, wenn nach dem Gesamtbild der Betätigung die Ausnutzung substantieller Vermögenswerte durch Umschichtung gegenüber der Nutzung von Vermögen im Sinne einer Fruchtziehung aus zu erhaltenden Substanzwerten entscheidend in den Vordergrund tritt. Hierbei sind jedoch die artspezifischen Besonderheiten der jeweils „gehandelten Ware“ zu beachten. Nach der Verkehrsauffassung gehört die Umschichtung von Wertpapieren - selbst wenn sie in erheblichem Umfang erfolgt - regelmäßig noch zur privaten Vermögensverwaltung, weil es bei Wertpapieren in der Natur der Sache liegt, den Bestand zu verändern, schlechte Papiere abzustoßen, gute zu erwerben und Kursgewinne zu realisieren (vgl. BFH-Urteil vom 19.8.2009 III R 31/07, BFH/NV 2010, 844). Der Vermögensanlage in Wertpapieren ist eigen, dass bei einem kurzfristigen Umschlag schon wegen der Stichtagsbezogenheit der Gewinnausschüttung von Kapitalgesellschaften die „Fruchtziehung“ nicht notwendigerweise im Zufluss von Dividenden und Bezugsrechten besteht, sondern dass sich die Ertragserwartung des Anlegers wirtschaftlich auch alleine aus der Kursentwicklung ergeben kann (vgl. BFH-Urteile vom 20.12.2000 X R 1/97, BStBl. II 2001, 706 und vom 30.7.2003 X R 7/99, BStBl. II 2004, 408); dies gilt insbesondere in Bezug auf die vom Kläger getätigten Optionsgeschäfte, denen eine Fruchtziehung in Form von Gewinnausschüttungen naturgemäß fremd ist (vgl. BFH-Urteil vom 20.12.2000 X R 1/97, BStBl. II 2001, 706 m.w.N.). Da vor diesem Hintergrund selbst mit einem häufigen Umschlag von Wertpapieren der Bereich der privaten Vermögensverwaltung noch nicht verlassen wird, gehören Wertpapiergeschäfte in größerem Umfang im Allgemeinen noch zur privaten Vermögensverwaltung und auch dann noch nicht zum Bereich einer gewerblichen Betätigung, wenn die sonstigen Merkmale dafür (z.B. Nachhaltigkeit, Beteiligung am allgemeinen wirtschaftlichen Verkehr) gegeben sind (vgl. nur BFH-Urteil vom 20.12.2000 X R 1/97, BStBl. II 2001, 706 m.w.N.). Der An- und Verkauf von Wertpapieren überschreitet die Grenze zur gewerblichen Betätigung daher nur in besonderen Fällen und ist als Gewerbebetrieb anzusehen, wenn sich der Steuerpflichtige „wie ein Händler“ verhält. Mögliche Beweisanzeichen für eine Zuordnung zum „Bild des Wertpapierhandels“ sind der Umfang der Geschäfte, das Unterhalten eines Büros oder einer Organisation zur Durchführung der Geschäfte, das Ausnutzen eines Marktes unter Einsatz beruflicher Erfahrungen, das Anbieten von Wertpapiergeschäften gegenüber einer breiteren Öffentlichkeit und andere für eine private Vermögensverwaltung ungewöhnliche Verhaltensweisen (vgl. BFH-Urteile vom 4.3.1980 VIII R 150/76, BStBl. II 1980, 389; vom 6.12.1983 VIII R 172/83, BStBl. II 1984, 132; vom 31.7.1990 I R 173/83, BStBl. II 1991, 66; vom 29.10.1998 XI R 80/97, BStBl. II 1999, 448; vom 29.10.1998 XI R 80/97, BStBl. II 1999, 448 und vom 19.8.2009 III R 31/07, BFH/NV 2010, 844). Bei der rechtlichen Zuordnung anhand der vorgenannten Kriterien darf allerdings nicht isoliert auf einzelne Merkmale abgestellt werden; entscheidend ist vielmehr das Gesamtbild, wobei die einzelnen Beweisanzeichen zu gewichten und gegeneinander abzuwägen sind (vgl. z.B. BFH-Urteil vom 20.12.2000 X R 1/97, BStBl. II 2001, 706 m.w.N.).
36Die für einen Händler am Kapitalmarkt bedeutsamen Merkmale der Professionalität haben sich im Gesetz über das Kreditwesen (KWG) niedergeschlagen. So ist für das Wertpapierhandelsunternehmen ein Tätigwerden „für andere“ (vgl. § 1 Abs. 1a Satz 1 KWG) und vor allem ein Tätigwerden „für fremde Rechnung“ (vgl. § 1 Abs. 1 Satz 2 Nr. 4 KWG) kennzeichnend, wobei dem Merkmal des Tätigwerdens „für fremde Rechnung“ ein besonderes Gewicht im Rahmen der erforderlichen Gesamtbetrachtung beizumessen ist (vgl. BFH-Urteil vom 2.9.2008 X R 14/07, BFH/NV 2008, 2012 m.w.N.). Ein Tätigwerden ausschließlich „für eigene Rechnung“ deutet darauf hin, dass der Rahmen der privaten Vermögensverwaltung nicht überschritten wird (vgl. BFH-Urteile vom 2.9.2008 X R 14/07, BFH/NV 2008, 2012 m.w.N. und vom 19.2.1997 XI R 1/96, BStBl. II 1997, 399). Soweit Finanzunternehmen (vgl. § 1 Abs. 3 KWG) nicht anders als private Anleger für eigene Rechnung tätig werden, zeichnet sich ihre Tätigkeit dadurch aus, dass sie den Handel mit institutionellen Partnern selbst betreiben und nicht lediglich über eine Depotbank am Marktgeschehen teilnehmen. Die Abwicklung von Geschäften über eine depotführende Bank, ohne selbst Kontrahenten zu suchen, ist dagegen kennzeichnend für Transaktionen, die den Rahmen der privaten Vermögensverwaltung nicht überschreiten (vgl. BFH-Urteil vom 19.8.2009 III R 31/07, BFH/NV 2010, 844 m.w.N). Ferner muss der Wertpapierhandel nach der gesetzlichen Definition in § 1 Abs. 3 KWG die Haupttätigkeit eines Finanzunternehmens darstellen. Privatanleger, die ihre An- und Verkaufstätigkeit neben einer Hauptbeschäftigung oder außerhalb der üblichen Arbeitszeiten in ihrer Freizeit ausüben bzw. sie durch ein Finanzunternehmen ausüben lassen, entsprechen daher nicht dem Bild eines „Finanzunternehmens“ (vgl. BFH-Urteil vom 19.8.2009 III R 31/07, BFH/NV 2010, 844, m.w.N.). Schließlich ist bei dem Vergleich des An- und Verkaufs von Wertpapieren mit dem Bild des „Gewerbebetriebes“ der Entwicklung der Verhältnisse Rechnung zu tragen. So hat unter anderem auch der technologische Fortschritt Auswirkungen auf die kurzfristige Handelbarkeit von Kapitalanlagen, auf die Technik der Geschäftsabschlüsse (sog. "Bildschirmhandel", "Spekulieren per Mausklick im Rahmen des Day-Tradings“ etc.) und auf die Möglichkeiten zur Erlangung geschäftsrelevanter Informationen, die zunehmend auch Privatanlegern ohne Weiteres zugänglich sind. Die zunehmende Größe der Privatvermögen führt ebenfalls dazu, dass sich die Anzahl der vermögensverwaltenden Geschäfte – insbesondere bei der Pflege von Wertpapierdepots – erhöht (vgl. zum Ganzen auch BFH-Urteil vom 20.12.2000 X R 1/97, BStBl. II 2001, 706). Kein ausreichendes Indiz ist dagegen die bloße Anzahl von An- und Verkäufen (Umschlagshäufigkeit). Dem Kriterium einer Kreditfinanzierung kommt keine, dem Unterhalten eines Büros oder einer Organisation zur Durchführung der Geschäfte sowie dem Einsatz von beruflicher Erfahrung nur eine eingeschränkte Bedeutung zu (vgl. BFH-Urteile vom 30.7.2003 X R 7/99, BStBl. II 2004, 408 und vom 20.12.2000 X R 1/97, BStBl. II 2001, 706).
37b)
38Unter Berücksichtigung dieser Grundsätze war der Kläger im Rahmen seiner Wertpapiergeschäfte nicht gewerblich tätig. Denn er trat nicht am Markt als Finanzdienstleister „für andere“ bzw. „für fremde Rechnung“ in Erscheinung, sondern tätigte die Wertpapiergeschäfte für sich selbst im eigenen Namen. Zudem handelte er nur über seine Depotbank und konnte seine Wertpapiergeschäfte zeitlich nur ausführen, wenn er nicht im Rahmen seiner hauptberuflichen Tätigkeit als Arbeitnehmer in Anspruch genommen war. Der Kläger wurde auch nicht selbst als Verkäufer oder Käufer unmittelbar am Markt aktiv; er erteilte lediglich Kauf- und Verkaufsaufträge an seine Bank und trat daher selbst nicht mit Kunden oder Händlern in unmittelbare Geschäftsbeziehungen. Seine Handelsaufträge wurden vielmehr nur durch die Bank für seine Rechnung ausgeführt. Die anonyme Teilnahme am Handel über Börsenplätze entspricht jedoch nicht dem Bild eines Händlers; diese Art der Geschäftsabwicklung ist vielmehr kennzeichnend für Transaktionen, die den Rahmen der privaten Vermögensverwaltung gerade nicht überschreiten. Der bloße An- und Verkauf zum Ausnutzen von Kursbewegungen führt auch dann nicht zwingend zu einer Gewerblichkeit der hieraus erzielten Einkünfte, wenn das Handelsvolumen betragsmäßig erhebliche Summen erreicht (vgl. auch BFH‑Urteile vom 30.7.2003 X R 7/99, BStBl. II 2004, 408 und vom 2.9.2008 X R 14/07, BFH/NV 2008, 2012 m.w.N.). Das Ausnutzen eigener einschlägiger (beruflicher) Kenntnisse macht die für eigene Rechnung ausgeführten Wertpapiergeschäfte ebenfalls noch nicht zu gewerblichen (vgl. nur BFH-Urteile vom 2.9.2008 X R 14/07, BFH/NV 2008, 2012 und vom 20.12.2000 X R 1/97, BStBl. II 2011, 706 m.w.N.). Daran ändert selbst der Umstand nichts, dass der Kläger bei seinen Wertpapiergeschäften nach seinem – im Übrigen lediglich behaupteten und nicht näher spezifizierten – Sachvortrag durch eine „eingerichtete Büroorganisation unterstützt“ wurde. In diesem Zusammenhang ist zu berücksichtigen, dass dieses Merkmal ohnehin nur noch eine geringe Bedeutungskraft besitzt (vgl. BFH-Urteil vom 30.7.2003 X R 7/99, BStBl. II 2004, 408 m.w.N.) und der Büroraum und die Ausstattungsgegenstände zudem erkennbar für den Wertpapierhandel bestimmt sein müssen, wobei die Mitbenutzung eines aus anderen Gründen zur Verfügung stehenden Büros nicht ausreicht (vgl. BFH-Urteil vom 30.7.2003 X R 7/99, BStBl. II 2004, 408). Die vom Kläger für seine eigene Rechnung neben seinem Hauptberuf getätigten Wertpapiergeschäfte erforderten weder von ihrer Art noch von ihrem Umfang einen in kaufmännischer Weise eingerichteten Geschäftsbetrieb (vgl. auch BFH-Urteil vom 20.12.2000 X R 1/97, BStBl. II 2001, 706). Die Unterstützung von nebenberuflichen Wertpapiergeschäften durch eine büromäßige Organisation ist auch bei jeder privaten Vermögensverwaltung zweckdienlich und jedenfalls nicht dermaßen unüblich, dass hieraus auf die Gewerblichkeit der Wertpapiergeschäfte zu schließen ist.
392.
40Die Verluste aus den Wertpapiergeschäften zählen zu den Einkünften aus privaten Veräußerungsgeschäften im Sinne des § 23 Abs. 1 Nr. 2 EStG. Sie sind nicht mit den positiven Einkünften der übrigen Einkunftsarten auszugleichen. Der Beklagte hat den Ausgleich der aus den Wertpapiergeschäften angefallenen Verluste mit den übrigen positiven Einkünften der Kläger aus anderen Einkunftsarten zu Recht nach § 23 Abs. 3 Satz 8 EStG in der in den Streitjahren geltenden Fassung versagt.
41a)
42Es liegen Einkünfte aus privaten Veräußerungsgeschäften im Sinne des §§ 22 Nr. 2, 23 Abs. 1 Nr. 2 EStG vor. Die vom Kläger getätigten Wertpapiergeschäfte fallen unter § 23 Abs. 1 Nr. 2 EStG, da der Zeitraum zwischen der Anschaffung und der Veräußerung des jeweiligen Wertpapiers weniger als ein Jahr betrug. Die Veräußerungsverluste sind auch nicht im Rahmen einer anderen Einkunftsart zu erfassen (vgl. § 23 Abs. 2 EStG); insbesondere liegen insoweit keine gewerblichen Einkünfte im Sinne des § 15 EStG vor (siehe oben). Die Höhe der in den Streitjahren angefallenen Verluste aus den Wertpapiergeschäften (für 2002: 270.735 Euro, für 2003: 38.620 Euro, für 2004: 30.654 Euro und für 2005: 33.756 Euro) ist zwischen den Beteiligten zu Recht unstreitig. Der Senat sieht daher insoweit von weiteren Ausführungen ab.
43Nach dem eindeutigen Wortlaut des § 23 Abs. 3 Satz 8 EStG dürfen Verluste aus privaten Veräußerungsgeschäften nur bis zur Höhe des Gewinns, den der Steuerpflichtige im gleichen Kalenderjahr aus privaten Veräußerungsgeschäften erzielt hat, ausgeglichen werden; sie dürfen nicht nach § 10d EStG abgezogen werden. Die Verluste mindern gemäß § 23 Abs. 3 Satz 9 EStG in der in den Streitjahren geltenden Fassung jedoch nach Maßgabe des § 10d EStG die Einkünfte, die der Steuerpflichtige in dem unmittelbar vorangegangenen Veranlagungszeitraum oder in den folgenden Veranlagungszeiträumen aus privaten Veräußerungsgeschäften nach Absatz 1 erzielt hat oder erzielt. Der eindeutige Gesetzeswortlaut lässt eine hiervon abweichende Anwendung der Norm nicht zu.
44b)
45Gegen die Beschränkung des vertikalen Verlustausgleichs bestehen keine verfassungsrechtlichen Bedenken. Der Senat ist mit Blick auf die in diesem Zusammenhang bereits ergangene Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (vgl. z.B. BFH-Urteile vom 18.10.2006 IX R 28/05, BStBl. II 2007, 259; vom 7.11.2006 IX R 45/04, BFH/NV 2007, 1473 und vom 6.3.2007 IX R 31/04, BFH/NV 2007, 1478; BFH-Beschluss vom 27.7.2011 VI B 160/10, BFH/NV 2011, 1869) insbesondere nicht von der Verfassungswidrigkeit des § 23 Abs. 3 Satz 8 und 9 EStG in der in den Streitjahren geltenden Fassung überzeugt, die eine Vorlage dieser Regelung an das Bundesverfassungsgericht nach Art 100 Abs. 1 GG in Verbindung mit §§ 13 Nr. 11, 80 ff. BVerfGG rechtfertigen könnte.
46aa)
47Die Verlustausgleichsbeschränkung des § 23 Abs. 3 Satz 8 und 9 EStG in der in den Streitjahren geltenden Fassung verstößt nicht gegen den allgemeinen Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG.
48Der allgemeine Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG gibt dem Gesetzgeber auf, wesentlich Gleiches gleich und wesentlich Ungleiches ungleich zu behandeln. Er ist nur dann verletzt, wenn sich ein vernünftiger, aus der Natur der Sache ergebender oder sonst einleuchtender Grund für die gesetzliche Differenzierung oder Gleichbehandlung nicht finden lässt oder wenn eine Gruppe von Normadressaten oder Normbetroffenen im Vergleich zu einer anderen anders behandelt wird, obwohl zwischen beiden Gruppen keine Unterschiede von solcher Art und solchem Gewicht bestehen, dass sie die unterschiedliche Behandlung rechtfertigen können (vgl. BVerfG-Urteil vom 6.3.2002 2 BvL 17/99, BStBl. II 2002, 618). Im Rahmen bereichsspezifischer Konkretisierung der allgemeinen gleichheitsrechtlichen Maßstäbe wird die Freiheit des Gesetzgebers, diejenigen Sachverhalte tatbestandlich zu bestimmen, an die das Gesetz dieselben Rechtsfolgen knüpft und die es so als rechtlich gleich qualifiziert, auf dem Gebiet des Steuerrechts und speziell des Einkommensteuerrechts durch die Gebote der Ausrichtung der Steuerlast am Prinzip der finanziellen Leistungsfähigkeit und der Folgerichtigkeit begrenzt (vgl. BVerfG-Urteil vom 6.3.2002 2 BvL 17/99, BStBl. II 2002, 618). Für die gleichheitsrechtliche Abwägung fällt hierbei insbesondere ins Gewicht, in welchem Umfang dem Steuerpflichtigen die Möglichkeit eröffnet ist, zwischen verschiedenen Begünstigungs- oder Belastungsalternativen zu wählen (vgl. BVerfG-Beschluss vom 26.10.2004 2 BvR 246/98, HFR 2005, 56).
49Die privaten Veräußerungsgeschäfte und ihre einkommensteuerrechtliche Erfassung in § 23 Abs. 1 Nr. 2 EStG weisen Besonderheiten auf, die es rechtfertigen, für daraus erzielte Verluste nicht die für Verluste aus anderen Einkunftsarten geltenden Regelungen für den Verlustabzug (einschließlich des vertikalen Verlustausgleichs) anzuwenden, sondern Regelungen wie diejenigen in § 23 Abs. 3 Satz 8 und 9 EStG vorzusehen (vgl. zum Ganzen BFH-Urteile vom 18.10.2006 IX R 28/05, BStBl. II 2007, 259; vom 7.11.2006 IX R 45/04, BFH/NV 2007, 1473 und vom 6.3.2007 IX R 31/04, BFH/NV 2007, 1478; BFH-Beschluss vom 27.7.2011 VI B 160/10, BFH/NV 2011, 1869).
50Zu den diese abweichende Behandlung rechtfertigenden Besonderheiten zählt der Umstand, dass der Gesetzgeber die Gewinne und Verluste aus privaten Veräußerungsgeschäften im Sinne des § 23 Abs. 1 Nr. 2 EStG – anders als bei den Gewinneinkunftsarten – nicht uneingeschränkt der Einkommensbesteuerung unterwirft, sondern nur insoweit, als sie durch Veräußerungsgeschäfte innerhalb einer bestimmten Frist nach Erwerb der Veräußerungsgegenstände entstanden sind. Nach der gesetzlichen Grundentscheidung sollen im Rahmen des § 23 EStG nur Wertmehrungen aus verhältnismäßig kurzfristigen Wertdurchgängen eines Wirtschaftsguts im Privatvermögen des Steuerpflichtigen der Einkommensteuer unterworfen werden (vgl. BFH-Urteil vom 7.11.2006 IX R 45/04, BFH/NV 2007, 1473 m.w.N.). Der Gesetzgeber hat die Begründung des Steuertatbestands für den Bereich der privaten Veräußerungsgeschäfte im Sinne des § 23 Abs. 1 EStG allein an die Abwicklung von Veräußerungen innerhalb eines bestimmten Zeitraums nach dem Erwerb des später veräußerten Objekts geknüpft. Veräußerungen außerhalb dieses Zeitraums mit oder ohne Realisierung von Wertsteigerungen sollen danach – anders als bei den Gewinneinkunftsarten – grundsätzlich nicht steuerbar sein (vgl. BFH-Urteil vom 18.10.2006 IX R 28/05, BStBl. II 2007, 259 m.w.N.); nur die innerhalb der Fristen des § 23 Abs. 1 EStG durch Veräußerung realisierten Wertveränderungen werden der Einkommensteuer unterworfen. Vor diesem Hintergrund räumt § 23 EStG dem Steuerpflichtigen – anders als die Regelungen anderer Einkunftsarten – die grundsätzliche Möglichkeit ein, durch die Wahl des Veräußerungszeitpunkts über den Eintritt des Steuertatbestands zu entscheiden und damit sein Grundrecht der wirtschaftlichen Betätigungsfreiheit aus Art. 2 Abs. 1 GG in Anspruch zu nehmen (vgl. BFH-Urteil vom 18.10.2006 IX R 28/05, BStBl. II 2007, 259 m.w.N.). Diese grundsätzliche Dispositionsmöglichkeit rechtfertigt es, die Einkünfte im Sinne des § 23 Abs. 1 Nr. 2 EStG von dem vertikalen Verlustausgleich nach Maßgabe des § 10d EStG auszuschließen und den Verlustausgleich nur durch die Verrechnung mit positiven Einkünften aus privaten Veräußerungsgeschäften in früheren oder späteren Veranlagungszeiträumen nach § 23 Abs. 3 Satz 9 EStG zuzulassen (vgl. BFH-Urteile vom 18.10.2006 IX R 28/05, BStBl. II 2007, 259; vom 7.11.2006 IX R 45/04, BFH/NV 2007, 1473 und vom 6.3.2007 IX R 31/04, BFH/NV 2007, 1478; BFH-Beschluss vom 27.7.2011 VI B 160/10, BFH/NV 2011, 1869; siehe auch FG Münster, Urteil vom 17.3.2011 11 K 2624/09 E, EFG 2011, 1702 m.w.N.; FG Düsseldorf, Urteil vom 18.11.2008 13 K 2614/05 E, juris; FG Saarbrücken, Urteil vom 23.4.2014 2 K 1157/11, EFG 2014, 1592). Denn ohne den Ausschluss des vertikalen Verlustausgleichs hätte es der Steuerpflichtige grundsätzlich in der Hand, einerseits Verluste steuermindernd geltend zu machen, aber andererseits Gewinne durch die entsprechende Disposition über den Zeitpunkt der Veräußerung steuerfrei vereinnahmen zu können. Damit würde der Steuerpflichtige mit seinen Einkünften aus privaten Veräußerungsgeschäften gegenüber Steuerpflichtigen mit (ausschließlichen) Einkünften aus anderen Einkunftsarten im Hinblick auf den Grundsatz der Besteuerung nach der Leistungsfähigkeit ohne hinreichenden sachlichen Grund begünstigt.
51Vor diesem Hintergrund greift der Einwand der Kläger nicht durch, dass der im Zeitpunkt des Erwerbs der Wertpapiere bereits (rechtlich) vorgegebene Veräußerungszeitraum weniger als ein Jahr betragen habe und für den Kläger daher keine Dispositionsmöglichkeit bestanden habe. Denn unabhängig davon, dass die grundsätzliche Dispositionsfreiheit des Steuerpflichtigen im Rahmen des § 23 EStG durch diese Vorgabe nicht eingeschränkt, sondern allenfalls auf den Erwerbszeitpunkt vorgezogen wird, ist zu berücksichtigen, dass der Bundesfinanzhof die vom Gesetzgeber zugrunde gelegte grundsätzliche Dispositionsfreiheit des Steuerpflichtigen als Rechtfertigung ausreichen lässt und einer aufgrund äußerer Umstände im Einzelfall bestehenden (faktischen) Zwangslage, die Einfluss auf diese Dispositionsfreiheit nehmen kann, bei der Beurteilung der Verfassungsmäßigkeit der Verlustausgleichsbeschränkung keine Bedeutung zumisst (vgl. BFH-Urteil vom 6.3.2007 IX R 31/04, BFH/NV 2007, 1478). Der faktische Ausschluss des eigenen Wahlrechts im Veräußerungszeitpunkt ergibt sich für den Kläger im vorliegenden Fall alleine durch den von ihm aufgrund seiner eigenen Entscheidung vorgenommenen Erwerb eines Wertpapiers mit einem Verfalls- bzw. Einlösedatum von weniger als einem Jahr ab dem Anschaffungszeitpunkt. Dadurch hat der Kläger seine Dispositionsfreiheit im Zeitpunkt des Erwerbs mit Blick auf die spätere Möglichkeit der Verlagerung von Einkünften in den nicht steuerbaren Bereich bewusst selbst eingeschränkt. Im Übrigen ist zu berücksichtigen, dass die außerhalb der Fristen des § 23 Abs. 1 Satz 2 EStG – und damit im nicht steuerbaren Bereich – erzielten Einkünfte für den Beklagten mangels steuerlicher Relevanz ohnehin nicht bzw. nicht sicher ermittelt werden können. Vor diesem Hintergrund kann der Beklagte nicht überprüfen, ob und gegebenenfalls in welchem Umfang in dem jeweiligen Veranlagungszeitraum neben (steuerlich relevanten) Verlusten im Sinne des § 23 Abs. 1 Nr. 2 EStG auch (nicht steuerbare) Gewinne aus der Veräußerung von privaten Vermögensgegenständen erzielt wurden, bei denen der Zeitraum zwischen der Anschaffung und der Veräußerung mehr als ein Jahr betrug. Durch das dem § 23 EStG zugrunde liegende Gesamtkonzept soll unter anderem verhindert werden, dass Gewinne in den nicht steuerbaren Bereich verschoben werden und Verluste im steuerlich relevanten Bereich verbleiben. Das Gesamtkonzept des § 23 EStG lässt sich daher nicht in seine einzelnen, untrennbar miteinander verknüpften Teilbereiche der Gewinnerfassung einerseits und der Verlustberücksichtigung andererseits aufspalten, um diese beiden Bereiche jeweils gesondert zu betrachten und rechtlich zu würdigen. Dies berücksichtigen die Kläger in dem von ihnen mit Blick auf die Entscheidung des Bundesfinanzhofs vom 18.10.2006 (IX R 28/05, BStBl. II 2007, 259) gezogenen „Umkehrschluss“ nicht hinreichend.
52bb)
53Die Verlustausgleichbeschränkung verstößt ferner nicht gegen das sogenannte Nettoprinzip als einer Ausprägung des allgemeinen Leistungsfähigkeitsprinzips.
54Das objektive Nettoprinzip gebietet zwar den Abzug von (erwerbssichernden) Aufwendungen, die mit der Einkunftserzielung in einem unmittelbaren Sachzusammenhang stehen. Eine Beschränkung des vertikalen Verlustausgleichs wird durch das allgemeine Leistungsfähigkeitsprinzip allerdings nicht grundsätzlich ausgeschlossen, solange nur tatsächlich entstandene Verluste überhaupt, gegebenenfalls sogar in einem anderen Veranlagungszeitraum, steuerlich berücksichtigt werden können (vgl. BFH-Urteile vom 18.10.2006 IX R 28/05, BStBl. II 2007, 259 und vom 7.11.2006 IX R 45/04, BFH/NV 2007, 1473, jeweils m.w.N.). Denn Art. 3 Abs. 1 GG entfaltet seine Wirkung grundsätzlich veranlagungszeitraumübergreifend (vgl. nur BFH-Urteil vom 11.2.1998 I R 81/97, BStBl. II 1998, 485). Diesen Anforderungen genügt die nach § 23 Abs. 3 Satz 9 EStG mögliche Verlustverrechnung mit Gewinnen aus privaten Veräußerungsgeschäften in Rücktrags- und Vortragsjahren; sie führt im Ergebnis hinsichtlich der Einkünfte aus privaten Veräußerungsgeschäften zu einer zutreffenden Ermittlung des Totalgewinns (vgl. BFH-Urteile vom 18.10.2006 IX R 28/05, BStBl. II 2007, 259 und vom 7.11.2006 IX R 45/04, BFH/NV 2007, 1473, jeweils m.w.N.).
55Auch ein Verstoß gegen das subjektive Nettoprinzip ist nicht gegeben. Dem steht der Einwand der Kläger nicht entgegen, dass § 23 Abs. 3 Satz 8 EStG echte – mit dem Entzug von Liquidität verbundene – negative Einkünfte einstweilen unberücksichtigt lasse, die höher seien als die positiven Einkünfte aus anderen Einkunftsarten. Dieser Einwand kann mit Blick auf Art. 3 Abs. 1 GG allenfalls die Notwendigkeit eines uneingeschränkten vertikalen Verlustausgleichs zwischen den sich in ihrer Struktur entsprechenden Einkunftsarten begründen (vgl. BFH-Urteile vom 18.10.2006 IX R 28/05, BStBl. II 2007, 259 und vom 7.11.2006 IX R 45/04, BFH/NV 2007, 1473, jeweils m.w.N.). Dem entspricht § 23 Abs. 3 Satz 8 und 9 EStG, da die Vorschrift die Berücksichtigung der infolge der Verluste verminderten Leistungsfähigkeit des Steuerpflichtigen innerhalb der Einkunftsart über den Veranlagungszeitraum hinaus ermöglicht und auf diese Weise dem verfassungsrechtlichen Gebot der Steuerfreistellung des Existenzminimums mit Blick auf die Besonderheiten der Einkünfte aus privaten Veräußerungsgeschäften hinreichend Rechnung trägt (vgl. auch FG Düsseldorf, Urteil vom 18.11.2008 13 K 2614/05 E, juris). Hieraus ergibt sich aber nicht die Notwendigkeit einer Gleichbehandlung von Verlusten aus anderen Einkunftsarten mit Verlusten aus privaten Veräußerungsgeschäften, weil die bei den Einkünften aus privaten Veräußerungsgeschäften bestehenden Besonderheiten nach Maßgabe des Art. 3 Abs. 1 GG eine von den anderen Einkunftsarten abweichende Sonderregelung für den Verlustausgleich rechtfertigen (vgl. BFH-Urteile vom 18.10.2006 IX R 28/05, BStBl. II 2007, 259 und vom 7.11.2006 IX R 45/04, BFH/NV 2007, 1473, jeweils m.w.N.).
56Ohne Bedeutung für das Verlustausgleichsverbot in den Streitjahren ist schließlich der Umstand, ob die vorgetragenen Verluste nur über einen bestimmten Zeitraum mit Gewinnen derselben Art verrechnet werden können. Dabei kommt es auch nicht darauf an, ob die Kläger in den Jahren ab 2006 überhaupt mit entsprechend hohen Gewinnen aus Veräußerungsgeschäften rechnen konnten (vgl. BFH-Urteil vom 7.11.2006 IX R 45/04, BFH/NV 2007, 1473). Wenn überhaupt, kann sich diese Frage insgesamt vielmehr erst in dem Veranlagungszeitraum stellen, in dem die noch vorhandenen verrechnungsfähigen Verluste (§ 23 Abs. 3 Satz 9 EStG in der in den Streitjahren geltenden Fassung) tatsächlich endgültig wegfallen sollten und für die Kläger eine Ausgleichsmöglichkeit daher nicht mehr bestünde.
573.
58Die Kostenentscheidung folgt aus § 135 Abs. 1 FGO.
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