Urteil vom Finanzgericht Köln - 2 K 2193/14
Tenor
Die Klage wird abgewiesen.
Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens.
Der Streitwert wird auf 198.943,00 € festgesetzt.
1
Tatbestand
2Die Beteiligten streiten über die Vergütung von Vorsteuern für den Zeitraum Januar bis Dezember 2010.
3Die Klägerin ist eine japanische Unternehmerin.
4Am 15.06.2011 stellte sie einen Antrag auf Vergütung von Vorsteuern i.H.v. 198.943,05 €. Hintergrund war im Wesentlichen eine Rechnung des deutschen Architekten A für Planungstätigkeiten im Zusammenhang mit einem Bauprojekt in Deutschland. Unterzeichnet wurde der Antrag am 14.06.2011 in B durch den Steuerberater C, der seiner Unterschrift das Kürzel „i. A.“ voranstellte sowie durch Herrn D. Herr D wurde durch die Direktorin der Klägerin am 01.12.2010 als Vertreter der Klägerin in Deutschland mit einer Zuständigkeit für die Abwicklung von Steuerformalitäten eingesetzt (Bl. 24 Verwaltungsakte).
5Mit Bescheid vom 07.05.2012 lehnte der Beklagte die Vergütung der Vorsteuern ab, da keine Originalrechnung vorgelegt worden sei, es an einer Unternehmerbescheinigung fehle und der Antrag auf Vorsteuervergütung nicht von dem antragstellenden Unternehmer eigenhändig unterschrieben worden sei.
6Hiergegen wandte sich die Klägerin mit Einspruch vom 16.05.2012.
7Hierin trug sie unter anderem vor, dass Herr D zeichnungsberechtigt sei.
8Der Beklagte wies den Einspruch mit Einspruchsentscheidung vom 01.07.2014 als unbegründet zurück.
9Der Antrag sei nicht durch einen gesetzlichen Vertreter der Klägerin eigenhändig unterschrieben worden. Gemäß § 61a Abs. 2 S. 4 UStDV sei eine solche eigenhändige Unterschrift allerdings Voraussetzung für einen wirksamen Vorsteuervergütungsantrag. Weiterhin fehle es an einer gültigen Unternehmerbescheinigung.
10Hiergegen wandte sich die Klägerin mit ihrer Klage vom 31.07.2014.
11Zur Begründung trug sie vor, die Klägerin habe den Vorsteuervergütungsantrag durch einen gewillkürten Vertreter unterschreiben lassen dürfen. Dass Eigenhändigkeiterfordernis gemäß § 61a Abs. 2 S. 4 UStDV verstoße gegen höherrangiges Recht. Das Erfordernis stehe nicht im Einklang mit der Richtlinie 86/560/EWG (Dreizehnte Richtlinie). Nach der Präambel der Richtlinie solle eine harmonische Entwicklung der Handelsbeziehungen zwischen der europäischen Gemeinschaft und Drittländern dadurch gewährleistet werden, dass man sich an der Achten Richtlinie des Rates vom 06.12.1979 (79/1072/EWG) ausrichte. Zu dieser Achten Richtlinie habe der EuGH am 03.12.2009 entschieden, dass ein Antrag auf Vergütung von Vorsteuern nicht zwingend vom Unternehmer zu unterzeichnen sei (Entscheidung Yaesu Europe, C‑433/08).
12Die Klägerin sei eine in einem Drittland ansässige Unternehmerin. Das Erfordernis, dass sie einen Vorsteuervergütungsantrag durch einen gesetzlichen Vertreter eigenhändig unterzeichnen lassen müsse, verstoße gegen den Sinn und Zweck, den die Präambel zur Richtlinie 86/560/EWG (Dreizehnte Richtlinie) vorgebe. Aus Art. 2 Abs. 3 der Richtlinie ergebe sich, dass die Unterschrift durch einen gewillkürten Vertreter zulässig sei, da nach dieser Regelung die Mitgliedsstaaten die Benennung eines steuerlichen Vertreters verlangen könnten. Soweit Art. 3 Abs. 1 der Richtlinie den Mitgliedstaaten die Aufgabe übertrage, die Modalitäten für die Antragstellung festzulegen, so müssten diese erforderlich sein, um die Begründetheit des Antrags zu beurteilen oder um Steuerhinterziehungen zu vermeiden. Die Unterschrift durch einen Steuerberater genüge den Erfordernissen, da ein Steuerberater aufgrund seiner berufsrechtlichen Anforderungen die Steuerehrlichkeit wahren müsse.
13Im Übrigen verstoße das Erfordernis der Eigenhändigkeit gegen das unionsrechtliche Verhältnismäßigkeitsprinzip. Die Richtlinie 86/560/EWG habe die Vermeidung von bestimmten Formen der Steuerhinterziehung als Ziel. Eine Unterschrift diene jedoch in erster Linie der Identifizierung des Unterzeichners und in zweiter Linie der Übernahme der Verantwortung für die im Antrag abgegebenen Erklärungen. Die Eigenhändigkeit der Unterschrift durch einen gesetzlichen Vertreter sei nicht geeignet, das angestrebte Ziel der Richtlinie zu erreichen. Jedenfalls sei die pauschale Ablehnung aufgrund einer fehlenden eigenhändigen Unterschrift ohne Prüfung der konkreten Umstände des Einzelfalles unverhältnismäßig.
14Die vom BFH in der Entscheidung vom 08.08.2013 (V R 3/11) dargelegten Überlegungen ließen sich nicht auf den vorliegenden Fall übertragen. Die Klägerin habe Leistungen eines deutschen Architekten in Bezug auf ein in Deutschland belegenes Bauwerk erhalten. Es bestehe kein Risiko, dass es zu Steuerumgehungen oder Mehrfachvergütungen komme. Architekturleistungen hätten nicht dieselbe Flüchtigkeit wie Waren in grenzüberschreitenden Verkehr.
15Im Übrigen sei nicht bekannt, dass japanische Unternehmen in Deutschland in signifikanter Weise Steuerhinterziehungen begingen. Außerdem sei eine eigenhändige namens Zeichnung in Japan weder üblich noch vorgesehen. Geschäftsführer würden nach außen nur mit einem Siegel handeln.
16Die Entscheidung des BFH sei überdies noch zur alten Fassung von § 18 Abs. 9 S. 5 UStG ergangen. Die Durchführungsverordnung zum UStG definiere nicht entsprechend der gesetzlichen Anordnung, in welchen Fällen eine eigenhändige Unterschrift notwendig sei, sondern fordere dies pauschal für alle Fälle.
17Weiterhin verstoße das Erfordernis der Eigenhändigkeit gegen den Effektivitätsgrundsatz, da der Klägerin die Verwirklichung von Rechten wesentlich erschwert werde. Die Formulare seien unübersichtlich und ausländische Unternehmer wüssten häufig nicht, wer zu Unterschrift befugt sei.
18Schließlich habe die europäische Kommission beschlossen, wegen des Erfordernisses der eigenhändigen Unterschrift die Bundesrepublik vor dem EuGH zu verklagen.
19Darüber hinaus verstoße das Erfordernis der Eigenhändigkeit gegen das deutsch-japanische Doppelbesteuerungsabkommen. Nach Art. 24 Abs. 1 des Abkommens dürften die Steuerpflichtigen eines Staates nicht belastenderen Verpflichtungen unterworfen werden, als die Steuerpflichtigen des anderen Staates. Eine den deutschen Vorschriften entsprechende Verpflichtung zur Unterschrift gebe es in Japan nicht.
20Sodann liege ein Verstoß gegen Art. 3 Abs. 1 GG vor. Die Klägerin könne sich auf dieses Grundrecht berufen. Hinsichtlich der Vergütung von Vorsteuern seien ausländische Unternehmen genauso treffen wie sonstige Grundrechtsträger. Ein Verstoß gegen Art. 3 Abs. 1 GG liege vor, da ein gleicher Sachverhalt (Antrag auf Vergütung von Vorsteuern) im Hinblick auf verschiedene Antragsteller unterschiedlich behandelt werde, ohne dass hierfür ein Grund vorläge. Die Bekämpfung von Steuerumgehungen könne hiermit nicht gemeint sein. Es sei nicht ersichtlich, dass Unternehmen aus Drittstaaten generell ein höheres Risiko darstellten, dass es zu Steuerstraftaten komme. Darauf komme es aber nicht an, da im vorliegenden Fall Architektenleistungen betroffen seien, in deren Zusammenhang Betrugsmöglichkeiten ausgeschlossen seien.
21Die Klägerin beantragt,
22den Bescheid vom 07.05.2011 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 01.07.2014 abzuändern und den Beklagten zu verpflichten, Vorsteuern i.H.v. 198.943,05 € zu vergüten.
23Der Beklagte beantragt,
24die Klage abzuweisen.
25Die Klage habe keine Aussicht auf Erfolg, da nicht innerhalb der gesetzlichen Ausschlussfrist ein Antrag mit der eigenhändigen Unterschrift eines gesetzlichen Vertreters der Klägerin vorgelegt worden sei. Das Erfordernis der eigenhändigen Unterschrift für Unternehmen aus Drittstaaten sei rechtmäßig und verstoße nicht gegen das Europarecht. Anders als in der Achten Richtlinie seien die Mitgliedstaaten gemäß Art. 4 Abs. 2 der Dreizehnte Richtlinie berechtigt, die Erstattung der Vorsteuer von zusätzlichen Bedingungen abhängig zu machen. Gemäß Art. 3 Abs. 1 der Dreizehnte Richtlinie seien die Mitgliedstaaten berechtigt die Modalitäten des Erstattungsverfahrens selbst festzulegen. Das Europarecht gebe den Mitgliedstaaten keine Vorgabe bezüglich des Unterschriftserfordernisses. § 61a Abs. 2 S. 4 UStDV mache von diesem Handlungsspielraum Gebrauch. Ob im Herkunftsland Unterschriften üblich seien, sei für das Erfordernis einer eigenhändigen Unterschrift im Gebiet der Bundesrepublik unerheblich. Die Ausführungen des BFH seien grundlegender Natur gewesen. Eine Beschränkung auf besondere Sachverhaltskonstellationen lasse sich nicht ableiten. Die Möglichkeit, einen steuerlichen Vertreter gemäß Art. 2 Abs. 3 der Dreizehnte Richtlinie zu verlangen, ermögliche es nicht, eine Unterschrift durch einen Bevollmächtigten vornehmen zu lassen. Die Bundesrepublik habe von der Möglichkeit des Art. 2 Abs. 3 der Dreizehnte Richtlinie keinen Gebrauch gemacht.
26Die Erforderlichkeit einer eigenhändigen Unterschrift sei auch verhältnismäßig, da es dem legitimen Ziel der Vermeidung von Steuerhinterziehungen diene. Zudem begründe die Eigenhändigkeit der Unterschrift auch die strafrechtliche Verantwortung des Unternehmers.
27Das Erfordernis der Eigenhändigkeit verstoße auch nicht gegen Art. 3 Abs. 1 GG. Das Grundrecht gelte nicht für juristische Personen aus einem Drittland. Abgesehen davon bestehe für die eigenhändige Unterschrift ein vernünftiger Grund, da die Kontrollmöglichkeiten seitens der Finanzverwaltung in Drittländern erheblich beschränkt seien.
28Die von der europäischen Kommission in einer Pressemitteilung mitgeteilte Rechtsauffassung decke sich nicht mit der Auffassung der Bundesrepublik Deutschland.
29Entscheidungsgründe
30Die Klage ist unbegründet.
31Der Ablehnungsbescheid und die hierzu ergangene Einspruchsentscheidung sind rechtmäßig und verletzen die Klägerin nicht in ihren Rechten (§ 101 Satz 1 FGO).
32Der Klägerin steht kein Anspruch auf die beantragte Vorsteuervergütung zu, weil sie innerhalb der in § 18 Abs. 9 UStG i. V. m. § 61a Abs. 2 UStDV genannten Frist keinen rechtswirksamen Vergütungsantrag gestellt hat und ihr insoweit auch keine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren ist.
33I. Die Klägerin hat innerhalb der Frist des § 18 Abs. 9 UStG i. V. m. § 61a Abs. 2 UStDV keinen rechtswirksamen Vergütungsantrag beim Beklagten gestellt.
341. Nach § 18 Abs. 9 UStG i. V. m. § 61a Abs. 2 UStDV ist der Vergütungsantrag binnen sechs Monaten nach Ablauf des Kalenderjahres zu stellen, in dem der Vergütungsanspruch entstanden ist. Bei der Sechs-Monats-Frist des § 18 Abs. 9 UStG i. V. m. § 61a Abs. 2 UStDV handelt es sich um eine nicht verlängerbare Ausschlussfrist (vgl. BFH-Beschlüsse vom 9. Januar 2014 – XI B 11/13, abrufbar über Juris; vom 14. Dezember 2012 – V B 19/12, BFH/NV 2013, 602; vom 14. Dezember 2012 – V B 20/12, BFH/NV 2013, 996; vom 24. Juli 2012 – V B 76/11, BFH/NV 2012, 1840; Urteil vom 21. Oktober 1999, V R 76/98, BStBl II 2000, 214; so auch durch den EuGH bestätigt, Urteil vom 21. Juni 2012, C-294/11 – Elsacom, Abl EU 2012, Nr. C 250, 8; DStR 2012, 1272). Der Vergütungsantrag ist vom Unternehmer eigenhändig zu unterschreiben § 18 Abs. 9 UStG i. V. m. § 61a Abs. 2 UStDV).
35Diese nationalen Vorschriften beruhen auf der Achten EG-Richtlinie (vom 6. Dezember 1979, 79/1072/EWG, ABl.EG Nr. L 331/1979, 11). Zwar gilt die Achte Richtlinie nur für die Erstattung von Vorsteuern an im Gemeinschaftsbiet ansässige Steuerpflichtige. Auf die nicht im Gemeinschaftsgebiet ansässigen Steuerpflichtigen – wie im Streitfall die Klägerin – findet hingegen die Dreizehnte Richtlinie des Rates vom 17. November 1986 (86/560/EWG, ABl. L 326/1986, 40) Anwendung (Art. 171 Abs. 2 der Richtlinie 2006/112/ EG des Rates vom 28. November 2006 – Mehrwertsteuersystemrichtlinie), worauf auch die Klägerin zu Recht hinweist. Entgegen der Auffassung der Klägerin besteht jedoch – wie im folgenden darzulegen sein wird – kein Verstoß gegen die Richtlinie.
36Gemäß Art. 3 Abs. 1 Satz 2 der Dreizehnten Richtlinie bestimmen die Mitgliedstaaten die Modalitäten für die Antragstellung zur Erstattung der Mehrwertsteuer. Die Erstattung darf nach Art. 3 Abs. 2 der Dreizehnten Richtlinie nicht zu günstigeren Bedingungen erfolgen als für in der Gemeinschaft ansässige Steuerpflichtige. Dabei können die Mitgliedstaaten gemäß Art. 4 Abs. 2 der Dreizehnten Richtlinie die Erstattung von zusätzlichen Bedingungen abhängig machen.
372. Im Streitfall hat die Klägerin die Ausschlussfrist des § 18 Abs. 9 UStG i. V. m. § 61a Abs. 2 UStDV, die für den streitigen Vergütungszeitraum Januar bis Dezember 2010 am 30. Juni 2011 ablief, nicht gewahrt.
38a. Der Vergütungsantrag vom 15. Juni 2010 wurde zwar innerhalb der Frist eingereicht. Er ist indes nicht geeignet, die Frist zu wahren, da er mangels eigenhändiger Unterschrift der Klägerin nicht rechtswirksam ist. Er wurde von ihren Bevollmächtigten und nicht von ihrem gesetzlichen Vertreter unterschrieben.
39aa. Da juristische Personen als Unternehmer zwar antragsberechtigt, verfahrensrechtlich aber nicht handlungsfähig sind, ist die eigenhändige Unterschrift ihres gesetzlichen Vertreters oder eines besonders Beauftragten erforderlich (§ 79 Abs. 1 Nr. 3 AO). Gesetzlicher Vertreter ist bei einer juristischen Person deren Vorstand oder Geschäftsführer (vgl. BFH-Urteil vom 8. August 2013 – V R 3/11, BStBl II 2014, 46, BFHE 242, 535 m.w.N.). Ein Antrag durch einen Bevollmächtigten - wie im Streitfall - ist daher unwirksam.
40bb. Vom Erfordernis der eigenhändigen Unterschrift bei in Drittstaaten ansässigen Unternehmern kann weder aufgrund der EuGH-Rechtsprechung in der Sache Yaesu Europe BV (Urteil vom 3. Dezember 2009 – C-433/08, Slg. 2009, I-11487) noch nach der Dreizehnten EG-Richtlinie abgewichen werden.
41(1) Im Urteil Yaesu Europe BV (a.a.O.) hat der EuGH zwar entschieden, dass das Erfordernis einer „eigenhändigen Unterschrift“ nach § 18 Abs. 9 Satz 5 UStG a. F. (inhaltsgleich mit § 61a Abs. 2 S. 4 UStDV) gegen Art. 6 i.V.m. Anhang A der Achten EG-Richtlinie verstoße und dass die Unterschrift eines Bevollmächtigten ausreichend sei.
42Allerdings betrifft der dem EuGH-Urteil zugrunde liegende Sachverhalt einen im Gemeinschaftsgebiet ansässigen Unternehmer. Es ist nicht auf Unternehmer zu erstrecken, die – wie die Klägerin – im Drittlandgebiet ansässig sind (vgl. BFH-Urteil vom 8. August 2013 – V R 3/11, BStBl II 2014, 46, BFHE 242, 535). Auf diese ist nicht die Achte EG-Richtlinie, sondern die Dreizehnte EG-Richtlinie anwendbar.
43(2) Aus der für die Klägerin als Drittlandunternehmen geltenden Dreizehnten EG‑Richtlinie lässt sich – entgegen der Auffassung der Klägerin – nicht ableiten, dass die eigenhändige Unterschrift entbehrlich wäre.
44(a) Zwar ist nach der Präambel der Dreizehnten EG-Richtlinie eine „harmonische Entwicklung der Handelsbeziehungen zwischen der Gemeinschaft und den Drittländern“ beabsichtigt und zur Erreichung dieses Ziels eine Ausrichtung an der Achten EG-Richtlinie vorgesehen (vgl. BFH-Urteil vom 8. August 2013 – V R 3/11, a.a.O.). Hieraus kann allerdings nicht gefolgert werden, dass die Vorsteuervergütung für Unternehmer in Drittstaaten identisch ist mit der für Unternehmer im Gemeinschaftsgebiet. Denn aus der Dreizehnten EG-Richtlinie folgt nicht, dass die beiden Vergütungsverfahren gleich ausgestaltet sind: Während die Achte EG-Richtlinie regelt, dass die Mitgliedstaaten den Steuerpflichtigen außer den in Art. 3 und 4 bezeichneten Pflichten keine anderen Pflichten auferlegen dürfen, geht die Dreizehnte EG-Richtlinie weit darüber hinaus, indem diese den Mitgliedstaaten – insbesondere in Art. 3 und Art. 4 Abs. 2 – nicht unerhebliche Umsetzungsspielräume einräumt (vgl. BFH-Urteil vom 8. August 2013 – V R 3/11, a.a.O.). Im Hinblick auf diese Umsetzungsspielräume der Mitgliedstaaten gibt die Dreizehnte EG-Richtlinie den Mitgliedstaaten - im Unterschied zur Achten EG-Richtlinie (Anhang A) - kein zu verwendendes Antragsmuster mit der Rubrik „Unterschrift“ vor (vgl. BFH-Urteil vom 8. August 2013 – V R 3/11, a.a.O.).
45(b) Dem steht auch die Regelung des Art. 2 Abs. 3 der Dreizehnten EG-Richtlinie nicht entgegen. Hiernach können die Mitgliedstaaten die Benennung eines steuerlichen Vertreters verlangen. Diese Regelung spricht jedoch nicht für die Zulässigkeit einer Bevollmächtigtenunterschrift, sondern bedeutet lediglich, dass es den Mitgliedstaaten frei steht, von dieser Möglichkeit durch nationales Recht Gebrauch zu machen oder stattdessen die eigenhändige Unterschrift des antragstellenden Unternehmers zu verlangen (vgl. BFH-Urteil vom 8. August 2013 – V R 3/11, a.a.O.). Machen sie von der Ermächtigung - wie die Bundesrepublik Deutschland - keinen Gebrauch und fordern die Eigenhändigkeit der Unterschrift, kann auch nicht von einem Wahlrecht des Unternehmers ausgegangen werden (vgl. BFH-Urteil vom 8. August 2013 – V R 3/11, a.a.O.). Vielmehr ist für Drittlandunternehmen am Erfordernis der Eigenhändigkeit des § 18 Abs. 9 UStG i. V. m. § 61a Abs. 2 UStDV festzuhalten.
46cc. Diese Unterscheidung hinsichtlich der Antragsunterzeichnung durch Unternehmen in den Mitgliedstaaten einerseits und solchen in Drittstaaten andererseits ist unionsrechtlich nicht zu beanstanden.
47(1) Entgegen der Auffassung der Klägerin verstößt das Erfordernis der eigenhändigen Unterschrift des Unternehmers nicht gegen das unionsrechtliche Verhältnismäßigkeitsprinzip. Es ist zur Erreichung eines legitimen Zieles geeignet und geht nicht über das erforderliche Maß hinaus (vgl. (vgl. BFH-Urteil vom 8. August 2013 – V R 3/11, a.a.O.).
48(a) Das Unterschriftserfordernis ist zur Erreichung eines legitimen Zieles geeignet. Nach der Präambel der Dreizehnten EG-Richtlinie sowie Art. 4 Abs. 1 der Dreizehnten EG-Richtlinie müssen bestimmte Formen der Steuerhinterziehung und Steuerumgehung vermieden werden. Durch die eigenhändige Unterschrift übernimmt der vergütungsberechtigte Unternehmer – wie allgemein bei Steuererklärungen – die Verantwortung für die Richtigkeit der erklärten Tatsachen und eingereichten Belege (vgl. BFH-Urteil vom 8. August 2013 – V R 3/11, a.a.O.). Das Erfordernis der Eigenhändigkeit geht mit der strafrechtlichen Verantwortlichkeit des Unternehmers für die erklärten Tatsachen einher und trägt daher zur Vermeidung von Steuerhinterziehungen bei (vgl. BFH-Urteil vom 8. August 2013 – V R 3/11, a.a.O.). Angesichts dessen handelt es sich – entgegen der Auffassung der Klägerin – nicht um eine bloße Förmlichkeit.
49(b) Das Erfordernis der Eigenhändigkeit der Unterschrift ist nicht unverhältnismäßig, denn es gilt nach nationalem Recht nicht ausnahmslos, vielmehr sieht § 150 Abs. 3 Satz 1 AO Ausnahmen hiervon vor, wenn der Steuerpflichtige infolge seines körperlichen oder geistigen Zustands oder durch längere Abwesenheit an der Unterschrift gehindert ist (vgl. BFH-Urteil vom 8. August 2013 – V R 3/11, a.a.O.).
50(2) Soweit die Klägerin die Verletzung des Effektivitätsgrundsatzes einwendet, vermag dies nicht zu überzeugen. Der Effektivitätsgrundsatz verlangt, dass die Ausübung der durch die Unionsrechtsordnung verliehenen Rechte nicht praktisch unmöglich gemacht oder übermäßig erschwert werden dürfen (vgl. EuGH-Urteil vom 26. Januar 2012, C-218/10, ADV Allround, DB 2012, 384). Das Erfordernis der eigenhändigen Unterschrift verstößt hiergegen nicht. Es ist nicht ersichtlich, weshalb hierdurch die Vorsteuervergütung praktisch unmöglich oder übermäßig erschwert würde. Dies gilt insbesondere unter Berücksichtigung der Ausnahmeregelung des § 150 Abs. 3 Satz 1 AO für den Fall der Verhinderung des gesetzlichen Vertreters aufgrund Erkrankung oder längerer Abwesenheit.
51Der Effektivitätsgrundsatz verbietet nicht schon dem Grunde nach jegliche Formanforderungen eines Antrags. So sehen auch die Achte und Dreizehnte Richtlinie eigene Formerfordernisse des Vorsteuervergütungsantrages vor.
52Die Mitgliedstaaten dürfen auch die erforderlichen Maßnahmen ergreifen, um sicherzustellen, dass der Steuerpflichtige seine Verpflichtungen zur Erklärung und Zahlung erfüllt, oder weitere Pflichten vorsehen, die sie für eine genaue Erhebung der Steuer und zur Vermeidung von Steuerhinterziehungen als erforderlich erachten (vgl. EuGH-Urteil vom 8. Mai 2008, C-96/07, Ecotrade, Slg 2008, I-3457, Rn. 65). Diese Maßnahmen dürfen dabei nur nicht über das hinausgehen, was zur Erreichung der dieser Ziele erforderlich ist. Solche Maßnahmen dürfen daher nicht so eingesetzt werden, dass sie das Recht auf Vorsteuerabzug, das ein Grundprinzip des durch das einschlägige Gemeinschaftsrecht geschaffenen gemeinsamen Mehrwertsteuersystems ist, systematisch in Frage stellen (vgl. EuGH-Urteil vom 8. Mai 2008, C-96/07, Ecotrade, Slg 2008, I-3457, Rn. 66).
53Diese durch den Effektivitätsgrundsatz gezogenen Grenzen werden durch das Erfordernis der eigenhändigen Unterschrift für Unternehmen aus Drittstaaten nicht überschritten. Denn die Eigenhändigkeit der Unterschrift dient der strafrechtlichen Verantwortlichkeit des Unternehmers für die erklärten Tatsachen und daher der Vermeidung von Steuerhinterziehungen. Dieses Ziel wird nicht bereits anderweitig im Antrag erreicht, so dass die eigenhändige Unterschrift zur Erreichung dieses Ziels nicht entbehrlich ist. Das Erfordernis der eigenhändigen Unterschrift stellt den Anspruch auf Vorsteuervergütung auch nicht systematisch in Frage.
54(3) Es liegt weiterhin kein Verstoß gegen das Verbot der Diskriminierung nach Art. 12 EGV (nunmehr Art. 18 AEUV) vor. Hiernach ist unbeschadet besonderer Bestimmungen der Verträge in ihrem Anwendungsbereich jede Diskriminierung aus Gründen der Staatsangehörigkeit verboten. Dieses Diskriminierungsverbot setzt voraus, dass ein Angehöriger eines Mitgliedstaats nur aufgrund seiner Staatsangehörigkeit gegenüber den Angehörigen eines anderen Mitgliedstaats anders behandelt wird. Das Verbot findet somit - wie im Streitfall - keine Anwendung im Falle einer Ungleichbehandlung zwischen Angehörigen der Mitgliedstaaten und Drittstaatsangehörigen (vgl. EuGH-Urteil vom 4. Juni 2009, C-22/08 und C-23/08, Vatsouras Koupatantze, Slg. 2009, I-4585, Rdnr. 52; BFH-Urteil vom 8. August 2013 – V R 3/11, BStBl II 2014, 46, BFHE 242, 535).
55dd. Weiterhin kommt auch ein Verstoß gegen den allgemeinen Gleichbehandlungsgrundsatz nach Art. 3 Abs. 1 GG nicht in Betracht.
56(1) Art. 19 Abs. 3 GG sieht eine Anwendung von Grundrechten nur für inländische juristische Personen vor. Die Grundrechtsberechtigung des Art. 19 Abs. 3 GG erstreckt sich zwar aufgrund des Anwendungsvorrangs der Grundfreiheiten im Binnenmarkt (Art. 26 Abs. 2 AEUV) und des allgemeinen Diskriminierungsverbots wegen der Staatsangehörigkeit (Art. 18 AEUV) auch auf juristische Personen aus dem EU-Raum, nicht dagegen auf im Drittland ansässige Personen - wie im Streitfall die Klägerin (vgl. BVerfG-Beschluss vom 19. Juli 2011 - 1 BvR 1916/09, BVerfGE 129, 78; BFH-Urteil vom 8. August 2013 – V R 3/11, BStBl II 2014, 46, BFHE 242, 535).
57(2) Im Übrigen ist Art. 3 Abs. 1 GG nur verletzt, wenn sich ein vernünftiger, sich aus der Natur der Sache ergebender oder sonst wie einleuchtender Grund für die gesetzliche Differenzierung nicht finden lässt, also zwischen den Vergleichsgruppen keine Unterschiede von solcher Art und solchem Gewicht bestehen, dass sie die unterschiedliche Behandlung rechtfertigen können (vgl. BVerfG-Beschlüsse vom 8. Juni 2004, 2 BvL 5/00, BVerfGE 110, 412; vom 21. Juli 2010, 1 BvR 611/07 u.a., BVerfGE 126, 400; BFH-Urteil vom 8. August 2013 – V R 3/11, BStBl II 2014, 46, BFHE 242, 535). Das ist nicht der Fall, denn in Bezug auf Unternehmen, die in einem Drittland ansässig sind, sind die Kontrollmöglichkeiten beschränkt, während in Bezug auf die in den Mitgliedstaaten ansässigen Unternehmen deren Verwaltungsbehörden zur Zusammenarbeit, insbesondere auch zur Betrugsbekämpfung, verpflichtet sind (vgl. BFH-Urteil vom 8. August 2013 – V R 3/11, BStBl II 2014, 46, BFHE 242, 535 unter Verweis auf die Verordnung (EU) Nr. 904/2010 des Rates vom 7. Oktober 2010, ABlEG Nr. L 268/1 bzw. die VO Nr. 1798/2003 vom 7. Oktober 2003, ABlEG Nr. L 264, jeweils über die Zusammenarbeit der Verwaltungsbehörden und die Betrugsbekämpfung auf dem Gebiet der Mehrwertsteuer).
58ee. Soweit sich die Klägerin darauf beruft, dass die EU-Kommission ein Vertragsverletzungsverfahren gegen Deutschland wegen des zu strengen Unterschriften-Erfordernis bei der Vorsteuervergütung für Unternehmen aus Drittstaaten eingeleitet und beschlossen habe, Deutschland insoweit zu verklagen, ist dem entgegenzuhalten, dass die EU-Kommission bislang – soweit ersichtlich – keine Klage beim EuGH eingereicht hat.
59In der Sache ist der Senat auch nicht an die Rechtsauffassung der Kommission, die in der – knappen – Pressemitteilung vom 25. September 2014 (IP/14/1038, abrufbar über http://europa.eu/rapid/press-release_IP-14-1038_de.htm; Bl. 278 der FG-Akte) zum Ausdruck kommt, gebunden. Dies gilt umso mehr, als die EU-Kommission ihre Rechtsauffassung in der Pressemitteilung auch nicht näher begründet hat.
60ff. Das Erfordernis der eigenhändigen Unterschrift kollidiert auch nicht mit Art. 24 Abs. 1 DBA Japan. Danach dürfen Staatsangehörige eines Vertragsstaats im anderen Vertragsstaat keiner Besteuerung oder damit zusammenhängenden Verpflichtung unterworfen werden, die anders oder belastender ist als die Besteuerung und die damit zusammenhängenden Verpflichtungen, denen Staatsangehörige des anderen Staates unter gleichen Verhältnissen, insbesondere hinsichtlich der Ansässigkeit, unterworfen sind oder unterworfen werden können. Diese Bestimmung gilt ungeachtet des Artikels 1 auch für Personen, die in keinem Vertragsstaat ansässig sind.
61Die Vorschrift knüpft an die Staatsangehörigkeit an. Auf § 61a Abs. 2 UStDV findet die Norm somit bereits keine Anwendung, da hier auf die Ansässigkeit abgestellt wird und nicht auf die Staatsangehörigkeit (Rust in Vogel/Lehner, DBA, Art. 24 Rn. 36). Eine Diskriminierung im Sinne von Art. 24 Abs. 1 liegt nicht vor, da deutsche Staatsangehörige, die in Japan ihr Unternehmen betreiben und dort ansässig, sind in Deutschland bei Anträgen auf Vorsteuervergütung ebenfalls eine eigenhändige Unterschrift leisten müssen (vgl. BFH vom 08.08.2013 – V R 3/11, BStBl. II 2014,46).
62gg. Im Streitfall war die Unterzeichnung durch einen Bevollmächtigten auch nicht ausnahmsweise nach § 150 Abs. 3 Satz 1 AO zulässig.
63Ordnen Steuergesetze an, dass der Steuerpflichtige die Steuererklärung eigenhändig zu unterschreiben hat, so ist die Unterzeichnung durch einen Bevollmächtigten nach § 150 Abs. 3 Satz 1 AO nur dann zulässig, wenn der Steuerpflichtige infolge seines körperlichen oder geistigen Zustands oder durch längere Abwesenheit an der Unterschrift gehindert ist. Im Streitfall bestehen keine Anhaltspunkte dafür, dass diese Voraussetzungen erfüllt wären. Dies wurde auch von der Klägerin nicht vorgetragen.
64II. Der Klägerin ist im Hinblick auf die versäumte Ausschlussfrist nach § 18 Abs. 9 UStG i. V. m. § 61a Abs. 2 UStDV keine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gemäß § 110 AO zu gewähren.
651. War jemand ohne Verschulden verhindert, eine gesetzliche Frist einzuhalten, so ist ihm nach § 110 Abs. 1 Satz 1 AO auf Antrag Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren. Das Verschulden eines Vertreters ist dem Vertretenen zuzurechnen (§ 110 Abs. 1 Satz 2 AO). Der Antrag ist innerhalb eines Monats nach Wegfall des Hindernisses zu stellen (§ 110 Abs. 2 Satz 1 AO). Die Tatsachen zur Begründung des Antrags sind bei der Antragstellung oder im Verfahren über den Antrag glaubhaft zu machen. Innerhalb der Antragsfrist ist die versäumte Handlung nachzuholen (§ 110 Abs. 2 Satz 3 AO). Ist dies geschehen, so kann Wiedereinsetzung in den vorigen Stand auch ohne Antrag gewährt werden (§ 110 Abs. 2 Satz 4 AO).
662. Diese Voraussetzungen sind im Streitfall nicht erfüllt. Es mangelt bereits an der Nachholung der versäumten Handlung, da die Klägerin auch nach Ablauf der Antragsfrist für die Vorsteuervergütung keinen von ihrem gesetzlichen Vertreter unterzeichneten Vorsteuervergütungsantrag eingereicht hat.
67Darüber hinaus sind sowohl die Monatsfrist nach § 110 Abs. 2 Satz 1 AO als auch die Jahresfrist nach § 110 Abs. 3 AO abgelaufen. Entgegen der Auffassung der Klägerin steht dem Ablauf der Jahresfrist nicht das Verhalten des Beklagten entgegen. Es liegt kein behördliches Verhalten vor, das mit höherer Gewalt gleichzusetzen wäre. Eine Fristversäumnis darf dem Betroffenen nämlich dann nicht angelastet werden, wenn er durch arglistiges Verhalten seines Gegners an der rechtzeitigen Einlegung des Rechtsbehelfs gehindert worden ist oder wenn die Fristversäumnis auf das rechts- oder treuwidrige Verhalten der Behörde zurückgeführt werden kann (vgl. BFH-Urteil vom 12. Januar 2011 – I R 37/10, BFH/NV 2011, 1281). Ein solches Verhalten des Beklagten ist im Streitfall nicht gegeben. Er hat keinen mitursächlichen Beitrag zur Einreichung des nicht ordnungsgemäß unterzeichneten Antrags geleistet. Allein der mangelnde Hinweis auf die Unwirksamkeit des eingereichten Antrags binnen einer bestimmten Frist reicht insoweit nicht aus.
68III. Die Kostenentscheidung folgt aus § 135 Abs. 1 FGO.
69IV. Die Streitwertfestsetzung beruht auf §§ 52, 63 GKG.
70V. Die Revision wird nicht zugelassen. Der Rechtssache kommt insbesondere keine grundlegende Bedeutung i.S.d. § 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO zu.
Verwandte Urteile
Keine verwandten Inhalte vorhanden.
Referenzen
This content does not contain any references.