Urteil vom Finanzgericht Köln - 2 K 3594/11
Tenor
Die Klage wird abgewiesen.
Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens.
Der Streitwert wird auf 32.808,- € festgesetzt.
1
Tatbestand
2Die Beteiligten streiten nunmehr über die Vergütung von Vorsteuern für den Zeitraum Januar bis Dezember 2009 in einer Höhe von 16.788,12 € für die Rechnungen mit den Nummern 1-15 der Anlage zum Vergütungsantrag, nachdem im ursprünglichen Klageantrag die Vergütung von 32.694,92 € begehrt wurde.
3Die Klägerin ist eine Logistikunternehmerin mit Sitz in Bulgarien.
4Am 16.6.2010 stellte sie für den Streitzeitraum einen Antrag auf Vorsteuervergütung über das bulgarische Onlineportal.
5Mit Bescheid vom 14.1.2011 vergütete der Beklagte Vorsteuern i.H.v. 113,44 € und lehnte den Antrag im Übrigen ab, da Rechnungen nicht auf elektronischem Weg vorgelegt worden seien.
6Hiergegen wandte sich die Klägerin mit Einspruch vom 18.1.2011. In diesem Zusammenhang übersandte sie die eingescannten Originalrechnungen der Nr. 16-27 laut Anlage zum Antrag ohne die dazugehörigen Unterlagen per E-Mail an den Beklagten.
7Der Beklagte wies den Einspruch mit Einspruchsentscheidung vom 18.10.2011 als unbegründet zurück.
8Die Rechnungen mit den laufenden Nummern 1-15,30, 31,33, 35,36, 38,39, 41 und 42 seien nicht auf elektronischem Weg vorgelegt worden. Zu den Rechnungen der laufenden Nummern 16-27 der Anlage zum Antrag sei ersichtlich, dass weitere Unterlagen Bestandteil dieser Rechnungen sei, welche aber nicht vorgelegt worden seien. Daher habe der Einspruch keinen Erfolg haben können.
9Hiergegen richtet sich die Klage vom 21.11.2011.
10Die Klägerin trägt vor, mit einer ersten E-Mail vom 18.1.2011 um 8:57 Uhr die Rechnungen der laufenden Nummern 16-27 ohne die dazugehörigen Anlagen versandt zu haben. Um 9:01 Uhr bzw. 9:02 Uhr desselben Tages seien aufgrund der Größenbeschränkungen zwei weitere E-Mails versandt worden und zwar mit den weiteren Rechnungen sowie den Anlagen zu den bereits übersandten Rechnungen.
11Die Klägerin habe außer dem Bescheid vom 14.1.2011 keine Nachrichten vom Beklagten erhalten, insbesondere nicht ein Schreiben vom 6.7.2011, mit welchen auf die Sach- und Rechtslage hingewiesen worden sein solle.
12Die Klägerin habe ihren Vergütungsantrag fristgerecht gestellt. Es sei nicht notwendig, dass die Rechnungen zusammen mit dem Antrag innerhalb der Antragsfrist übersandt werden müssten. Art. 15 Abs. 1 der Richtlinie 2008/9/EG verweise ausdrücklich nur auf die Art. 8, 9 und 11, nicht aber auf Art. 10, in dem die Vorlage der Rechnungskopien geregelt sei.
13Dass nur die erste E-Mail vom 18.1.2011 beim Beklagten eingegangen sei, könne nicht nachvollzogen werden. Alle drei E-Mails seien von der gleichen Absenderin an die gleiche E-Mail gesendet worden. Es sei keine Fehlermeldung über eine fehlende Zustellung aufgetreten. Die Klägerin habe nicht erkennen können, dass Fehler bei der Übertragung aufgetreten sein könnten.
14Jedenfalls lägen die Voraussetzungen für die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand vor. Der Wegfall des Hindernisses könne erst im Zeitpunkt der Einspruchsentscheidung vom 18.10.2011 eingetreten sein, da die Klägerin vorher keine Kenntnis von Problemen mit dem Zugang Ihrer E-Mails gehabt habe. Eine E-Mail vom 6.7.2011, mit welchem bereits eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gewährt worden sein solle, habe die Klägerin nicht erhalten. Die E-Mail sei auch nicht an die von der Klägerin im Antrag genannte Adresse (...@...org), sondern an eine andere E-Mail-Adresse (...@...com) gesandt worden. Die Klägerin habe durch Vorlage der Rechnungen in Papierform als Anlage zur Klage innerhalb der Wiedereinsetzungsfrist ihren Antrag vervollständigt. Die Vorlage der Originalrechnungen erfülle die Formerfordernisse, da der Beklagte diese Unterlagen besser prüfen könne, als eingescannte Dokumente.
15Die Klägerin beantragt,
16den Bescheid vom 14.1.2011 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 18.10.2011 dahingehend abzuändern, dass der Beklagte verpflichtet wird, weitere Vorsteuern für den Vergütungszeitraum Januar bis Dezember 2009 i.H.v. 16.788,12 € zu vergüten.
17Der Beklagte beantragt,
18die Klage abzuweisen.
19Er trägt vor, dass innerhalb der Antragsfrist kein wirksamer Antrag auf Vorsteuervergütung im Hinblick auf die streitgegenständlichen Rechnungen gestellt worden sei. § 61 Abs. 2 S. 3 UStDV beruhe auf Art. 10 der Richtlinie 2008/9/EG, welche ausdrücklich eine Ermächtigungsgrundlage beinhalte, wonach ein Mitgliedstaat verlangen könne, dass der Antragsteller zusammen mit seinem Erstattungsantrag auf elektronischem Wege eine Rechnungskopie vorlege. Insoweit habe die Klägerin bereits mit Antragstellung sämtliche Unterlagen vorlegen müssen.
20Die von ihr behaupteten drei E-Mails seien beim Beklagten nicht eingegangen, sondern nur eine E-Mail. Diese sei auch nicht wie von der Klägerin behauptet um 8:57 Uhr versandt worden, sondern beim Beklagten erst um 9:07 Uhr eingegangen. Die Klägerin habe nicht den Beweis dafür erbracht, dass die angeblich gesendeten E-Mails den Beklagten tatsächlich erreicht hätten.
21Der Klägerin könne auch keine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gewährt werden, da mit E-Mail vom 6.7.2011 darauf hingewiesen worden sei, dass noch Unterlagen fehlten. Das Schreiben sei an dieselbe E-Mail-Adresse gesendet worden, wie der bisherige Schriftverkehr. Technische Störungen seien nicht ersichtlich gewesen. Insbesondere sei der Hinweis an die Adresse geschickt worden, von welcher der Einspruch abgesendet worden sei. Demzufolge sei das Hindernis aufgrund der Monatsfrist von § 110 Abs. 2 AO spätestens am 8.8.2011 weggefallen. Bis zu diesem Zeitpunkt seien keine Unterlagen beim Beklagten eingegangen.
22Entscheidungsgründe
23Die Klage ist unbegründet.
241. Der angefochtene Verwaltungsakt ist rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten. Die Klägerin hat keinen Anspruch auf Vergütung der begehrten Vorsteuern.
25Die Klägerin hat zu keinem Zeitpunkt wirksam die für eine Vorsteuervergütung notwendigen Rechnungsunterlagen auf elektronischem Wege an den Beklagten übermittelt.
26a. Gemäß § 18 Abs. 9 Satz 2 Nr. 2 UStG i.V.m. § 61 Abs. 2 Satz 1 UStDV in der im Streitjahr gültigen Fassung ist der Vergütungsantrag eines im Gemeinschaftsgebiet ansässigen Unternehmers – wie im Streitfall der Klägerin – binnen neun Monaten nach Ablauf des Kalenderjahres zu stellen, in dem der Vergütungsanspruch entstanden ist. Der Unternehmer hat die Vergütung selbst zu berechnen (§ 18 Abs. 9 Satz 2 Nr. 2 UStG i.V.m. § 61 Abs. 2 Satz 2 UStDV). Dem Vergütungsantrag sind auf elektronischem Weg die Rechnungen und Einfuhrbelege in Kopie beizufügen, wenn das Entgelt für den Umsatz oder die Einfuhr mindestens 1.000 €, bei Rechnungen über den Bezug von Kraftstoff mindestens 250 € beträgt (§ 18 Abs. 9 Satz 2 Nr. 2 UStG i.V.m. § 61 Abs. 2 Satz 3 UStDV).
27b. Der Wortlaut ist dahingehend zu verstehen, dass Rechnungen mit dem Antrag einzureichen sind, denn sie sind ausdrücklich „beizufügen“. Die Frist für die Antragseinreichung gilt damit auch für die Einreichung der Rechnungen (vgl. FG Köln, Urteil vom 15. April 2015 – 2 K 2705/12, EFG 2015,1401).
28c. Für ein solches Verständnis spricht der Zusammenhang von § 61 Abs. 2 Sätze 1 und 2 UStDV, die beide den Vergütungsantrag betreffen. Dies hat der Bundesfinanzhof (BFH) zur Vorgängerregelung dieser Norm auch schon bestätigt: § 18 Abs. 9 UStG a.F. sah in Satz 3 die Antragsfrist und in Satz 4 die eigene Berechnung sowie „Vorlage“ der Rechnungen vor (vgl. BFH-Urteile vom 18. Januar 2007 – V R 23/05, BFHE 217, 32, BStBl II 2007, 430; vom 14. Mai 2008 – XI R 58/06, BFHE 221, 505, BStBl II 2008, 831). Zwar hat der BFH u.a. darauf abgestellt, dass auch Satz 5 des § 18 Abs. 9 UStG a.F., der die Unterschrift des Antrags forderte, den Antrag betrifft und das Erfordernis der Einreichung der Originalrechnungen somit zwischen Sätzen eingebettet war, die den Antrag betrafen. Allerdings hat das Verständnis des BFH zur Einreichung der Originalrechnungen innerhalb der Antragsfrist nach § 18 Abs. 9 Satz 4 UStG a.F. auch für die neue Regelung des § 61 Abs. 2 Satz 3 UStDV Geltung. § 18 Abs. 9 Sätze 3 und 4 UStG a.F. entsprechen vom Regelungsgegenstand her dem § 61 Abs. 2 Sätze 1 bis 3 UStDV n.F. Die Regelung des § 18 Abs. 9 Satz 5 UStG a.F., die das Erfordernis der eigenhändigen Unterschrift vorsah, ist in § 61 Abs. 2 UStDV nicht übernommen worden, da diese bei einem Antrag in elektronischer Form naturgemäß nicht möglich ist. Dass die systematische „Einbettung“ des Erfordernisses der Rechnungseinreichung im alten Recht damit entfallen ist, findet seine Ursache folglich darin, dass mangels Papierantrages nicht mehr an dem Erfordernis der eigenhändigen Unterschrift festgehalten wurde. Es ist nicht erkennbar, dass hierdurch die systematische Verbindung zwischen Antrag und Rechnungseinreichung aufgelöst werden sollte.
29Auch die Gesetzesmaterialien stützen dieses Verständnis. In den Gesetzesmaterialien werden die Unterschiede zwischen alter und neuer Regelung dargelegt. Soweit es um die Einreichung der Rechnungen geht, wird als Neuregelung lediglich hervorgehoben, dass nicht mehr die Originalrechnungen bzw. Einfuhrdokumente vorzulegen sind, da nunmehr auf elektronischem Wege Rechnungskopien einzureichen sind (vgl. BT-Drucks. 16/11108, Seite 40). Auch wird dargelegt, dass Rechnungen in Kopie auf elektronischem Wege dem Antrag nur beizufügen sind, wenn bestimmte Mindestbeträge überschritten werden (vgl. BT-Drucks. 16/11108, Seite 43). Im Umkehrschluss ist aus den vom Gesetzgeber dargelegten Änderungen durch das neue Vorsteuervergütungsverfahren zu schließen, dass das Erfordernis der Einreichung der Rechnungen zusammen mit dem Antrag innerhalb der Antragsfrist nicht entfallen ist, sondern sich insoweit nichts geändert hat.
30d. Diese Auslegung ist auch gemeinschaftsrechtlich geboten (vgl. zur richtlinienkonformen Auslegung der nationalen Vorschriften über das Vorsteuer-Vergütungsverfahren: BFH-Urteile vom 22. Mai 2003, V R 97/01, BFHE 203, 193, BStBl II 2003, 819; vom 22. Oktober 2003, V R 95/01, BFH/NV 2004, 828; vom 23. Oktober 2003, V R 48/01, BFHE 203, 531, BStBl II 2004, 196; vom 10. Februar 2005, V R 56/03, HFR 2005, 1208; vom 18. Januar 2007, V R 23/05, BFHE 217, 32, BStBl II 2007, 430).
31Nach Art. 10 der Richtlinie 2008/9/EG vom 12. Februar 2008 kann der Mitgliedstaat der Erstattung verlangen, dass der Antragsteller zusammen mit dem Erstattungsantrag auf elektronischem Wege eine Kopie der Rechnung oder des Einfuhrdokuments einreicht, falls sich die Steuerbemessungsgrundlage auf einer Rechnung oder einem Einfuhrdokument auf mindestens 1.000 €, im Falle von Rechnungen für Kraftstoff auf mindestens 250 € beläuft. Auch die EG-Richtlinie sieht damit die Einreichung der Rechnung zusammen mit dem Antrag vor. Der deutsche Gesetz- bzw. Normgeber hat diese optionalen Vorgabe in § 61 Abs. 2 Satz 3 UStDV übernommen.
32Der Erstattungsantrag muss dem Mitgliedstaat, in dem der Steuerpflichtige ansässig ist, nach Art. 15 Abs. 1 Satz 1 der Richtlinie 2008/9/EG spätestens am 30. September des auf den Erstattungszeitraum folgenden Kalenderjahres vorliegen. Daraus folgt, dass auch die zusammen mit dem Antrag einzureichenden Rechnungen innerhalb dieser Frist einzureichen sind.
33Entgegen der Auffassung der Klägerin steht dem nicht entgegen, dass der Erstattungsantrag nach Art. 15 Abs. 1 Satz 2 der Richtlinie 2008/9/EG nur dann als vorgelegt gilt, wenn der Antragsteller alle in den Artikeln 8, 9 und 11 geforderten Angaben gemacht hat. Hieraus ist nicht zu schließen, dass der Antrag auch ohne Beifügung der Rechnungen nach Art. 10 als vorgelegt gilt. Art. 15 Abs. 1 Satz 2 der Richtlinie 2008/9/EG betrifft lediglich die Angaben im Antrag und stellt sicher, dass ein Vordruck, der nicht die genannten Angaben enthält, als nicht vorgelegt gilt. Nicht betroffen sind von dieser Regelung die Anlagen, zu denen auch die Rechnungen gehören.
34Nichts anderes ergibt sich auch aus Art. 20 Abs. 1, Unterabsatz 3 der Richtlinie 2008/9/EG. Hiernach können die innerhalb von vier Monaten ab Antragseingang angeforderten Informationen zwar die Einreichung des Originals oder der Durchschrift der einschlägigen Rechnung erfassen. Diese Regelung betrifft indes den Fall, dass der Mitgliedstaat der Erstattung begründete Zweifel am Bestehen einer Forderung hat. In diesem Fall kann die Einreichung des Originals oder der Durchschrift der Rechnung in Papierform verlangt werden. Hiervon bleibt die Pflicht zur Einreichung der Rechnungskopien zusammen mit dem Erstattungsantrag auf elektronischem Wege nach Art. 10 Satz 1 der Richtlinie 2008/9/EG unberührt.
353. Der Klägerin ist für die Einreichung der Rechnungen keine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand nach § 110 AO zu gewähren.
36War jemand ohne Verschulden verhindert, eine gesetzliche Frist einzuhalten, so ist ihm nach § 110 Abs. 1 Satz 1 AO auf Antrag Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren. Das Verschulden eines Vertreters ist dem Vertretenen zuzurechnen (§ 110 Abs. 1 Satz 2 AO). Der Antrag ist innerhalb eines Monats nach Wegfall des Hindernisses zu stellen (§ 110 Abs. 2 Satz 1 AO). Die Tatsachen zur Begründung des Antrags sind bei der Antragstellung oder im Verfahren über den Antrag glaubhaft zu machen. Innerhalb der Antragsfrist ist die versäumte Handlung nachzuholen (§ 110 Abs. 2 Satz 3 AO).
37Unstreitig sind die Rechnungsdokumente für den streitgegenständlichen Vergütungsanspruch zu keinem Zeitpunkt bei dem Beklagten auf elektronischem Weg eingegangen. Die Klägerin hat nach dem ersten Versuch auch keine weiteren Übermittlungsversuche unternommen. Insbesondere hat sie im Zusammenhang mit der Klageerhebung die Rechnungen nur im Original in Papierform vorgelegt. Dies entspricht aber gerade nicht der gesetzlich vorgesehenen Einreichungsform, so dass die versäumte Handlung zu keinem Zeitpunkt nachgeholt wurde und daher eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand nicht möglich ist. Ziel der Neuregelung war es unter anderem, die Arbeit der Verwaltung durch die elektronische Übersendung der Dokumente zu vereinfachen. Insoweit erleichtert die Übersendung von Originalrechnungen die Arbeit des Beklagten gerade nicht, so dass nicht davon ausgegangen werden kann, dass die Klägerin den Erfordernissen des Gesetztes genüge getan hätte.
384. Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO.
395. Die Entscheidung über den Streitwert beruht auf den §§ 52, 63 GKG.
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