Urteil vom Finanzgericht München - 1 K 2318/17

Gründe

Die Klägerin ist eine Rechtsanwaltspartnerschaftsgesellschaft mit beschränkter Berufshaftung nach dem Partnerschaftsgesellschaftsgesetz (PartGG). Sie besteht aus 5 Gesellschaftern, die als Rechtsanwälte bei der Rechtsanwaltskammer zugelassen sind. Gegenstand der Gesellschaft ist die Erbringung von Rechtsdienstleistungen. Die Klägerin ermittelt ihren Gewinn durch Einnahme-Überschussrechnung.

Der Betrieb der Klägerin war nach der Betriebsprüfungsordnung (BpO 2000) ab dem Veranlagungszeitraum 2007 als Großbetrieb eingestuft.

Das Finanzamt erließ für die Veranlagungszeiträume 2012 - 2014 eine Prüfungsanordnung für die Klägerin. Geprüft werden sollte die gesonderte und einheitliche Feststellung von Grundlagen für die Einkommensbesteuerung einschließlich des Gewerbesteuermessbetrages und die Umsatzsteuer 2012 bis 2014.

Zusammen mit der Prüfungsanordnung bat der für die Außenprüfung vorgesehene Prüfer um die Überlassung eines Datenträgers nach GDPdU, den Grundsätzen zum Datenzugriff und zur Prüfbarkeit digitaler Unterlagen, zu Beginn der Betriebsprüfung.

Den Einspruch der Klägerin, den sie im Wesentlichen damit begründete, dass der uneingeschränkt geforderte Datenzugriff zur Prüfbarkeit digitaler Unterlagen rechtswidrig sei, wies das Finanzamt mit Einspruchsentscheidung zurück.

Mit ihrer hiergegen erhobenen Klage trägt die Klägerin vor, die Prüfungsanordnung sei schon deswegen rechtswidrig, da sie nicht die Einschränkung enthalte, dass die Herausgabe der Daten nur zur Speicherung und Auswertung auf dem Rechner des Prüfers während der Prüfung in den Geschäftsräumen der Klägerin oder zur Mitnahme durch den Prüfer für die Speicherung und Auswertung der Daten auf einem Rechner in den Diensträumen des Finanzamtes bis zum Abschluss des Besteuerungsverfahrens erfolgen werde.

Die Anforderung eines Datenträgers sei auch nicht verhältnismäßig und nehme keine zutreffende Interessenabwägung vor.

Bei den vorangegangenen Prüfungen sei auf die Vorlage eines Datenträgers verzichtet und auf eine davon in Zukunft abweichende Handhabung nicht hingewiesen worden. Es sei sogar bekräftigt worden, so weiterzumachen. In der Vergangenheit hätten die Prüfer jeweils lediglich eine Auswahl getroffen und Honorarrechnungen und Kontoauszüge für einzelne Monate der jeweiligen Jahre konkret angefordert. Hierdurch sei der Aufwand für die Klägerin zur Anonymisierung von mandatsbezogenen Daten noch in vertretbarem Rahmen gewesen. Es sei bei Datenbeständen, ob in Papierform oder elektronisch, für den Datenzugriff die Einhaltung der Verschwiegenheitspflicht durch geeignete Zugriffsbeschränkungen sicherzustellen. Beim elektronischen Datenzugriff sei ein Schwärzen von mandatsbezogenen, der Verschwiegenheit unterliegenden Unterlagen technisch höchst aufwendig bzw. sogar unmöglich und mit einem immensen Aufwand verbunden. Die Klägerin verwende für die Erfassung der Buchführung das Buchführungsprogramm A, welches nach Rücksprache mit dem Hersteller jedenfalls eine rückwirkende Anonymisierung von Mandantendaten nicht zuließe.

Die Klägerin beantragt,

den Bescheid über die Anforderung eines Datenträgers vom 2. Januar 2017 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 11.August 2017 aufzuheben,

hilfsweise die Revision zuzulassen.

Das Finanzamt beantragt,

die Klage abzuweisen,

hilfsweise die Revision zuzulassen.

Es verweist im Wesentlichen auf die Ausführungen in der Einspruchsentscheidung und darauf, dass davon ausgegangen werden könne, dass die Buchhaltung der Klägerin mittels eines Datenverarbeitungssystems erstellt werde. Damit habe das Finanzamt auch das Recht, Einsicht in die gespeicherten Daten zu nehmen und das Datenverarbeitungssystem zur Prüfung dieser Unterlagen zu nutzen. Die Verfahrensweise aus den bisherigen Prüfungen der Klägerin sei für künftige Prüfungen nicht bindend.

Auf das Protokoll zur mündlichen Verhandlung vom 27. Juni 2018 wird Bezug genommen.

II.

1. Die Klage ist zulässig.

Die Aufforderung des Finanzamtes zur Datenüberlassung vom 2. Januar 2017 ist ein eigenständiger Verwaltungsakt (§ 118 Satz 1 Abgabenordnung -AO-), gegen den Einspruch und Klage zulässig sind.

2. Die Klage ist auch begründet.

Die Aufforderung zur Überlassung eines Datenträgers zu Beginn der Betriebsprüfung geht über die in § 147 Abs. 6 AO eingeräumte Befugnis hinaus und ist daher rechtswidrig.

Sind Unterlagen nach § 147 Abs. 1 AO mit Hilfe eines Datenverarbeitungssystems erstellt worden, hat die Finanzbehörde im Rahmen einer Außenprüfung das Recht, Einsicht in die gespeicherten Daten zu nehmen und das Datenverarbeitungssystem zur Prüfung dieser Unterlagen zu nutzen (§ 147 Abs. 6 Satz 1 AO). Unterlagen in diesem Sinne sind insbesondere Buchhaltungsunterlagen und alle sonstigen Unterlagen, soweit sie für die Besteuerung von Bedeutung sind, § 147 Abs. 1 AO. Gemäß § 147 Abs. 6 Satz 2 Alt. 2 AO hat die Finanzbehörde im Rahmen einer Außenprüfung unter Ausübung ihres pflichtgemäßen Ermessens das Recht, die Überlassung der gespeicherten Unterlagen und Aufzeichnungen auf einem maschinell verwertbaren Datenträger zu verlangen (vgl. auch BFH vom 24. Juni 2009 VIII R 80/06, BStBI II 2010,452).

Im Zusammenhang mit einer Außenprüfung stehen der Finanzbehörde die Befugnisse aus § 147 Abs. 6 AO auch - wie im Streitfall bei einer Gewinnermittlung nach § 4 Abs. 3 Einkommensteuergesetz (EStG)- zu.

Das Recht auf informationelle Selbstbestimmung steht diesem Datenzugriff grundsätzlich nicht entgegen. Der freiberuflich tätige Steuerpflichtige bleibt ungeachtet seiner Pflicht zur Wahrung des Berufsgeheimnisses auf der Grundlage des § 200 Abs. 1 Satz 2 AO zur Mitwirkung verpflichtet (vgl. auch BFHUrteil vom 16. Dezember 2014 VIII R 52/12, BFH/NV 2015, 1455).

Allerdings darf eine Mitwirkung des Steuerpflichtigen nur verlangt werden, soweit sie zur Feststellung des steuererheblichen Sachverhalts notwendig, verhältnismäßig, erfüllbar und zumutbar ist (vgl. auch BFH-Urteil vom 28. Oktober 2009 VIIIR 78/05, BFH/NV 2010,705). Der Umfang der Ermittlungspflicht des Finanzamtes wie auch der der Mitwirkungspflichten des Steuerpflichtigen bestimmt sich jeweils nach den Umständen des Einzelfalls (§§ 88 Abs. 1 S. 3, 90 Abs. 1 S. 3, 200 AO).

Der generell zu beachtende Grundsatz der Verhältnismäßigkeit gebietet es allerdings, dass die Finanzverwaltung in Ausübung ihres legitimen Interesses an einer Überlassung digitalisierter Daten im Rahmen einer Außenprüfung nicht übermäßig in Rechte des Steuerpflichtigen eingreift und deshalb ihre Befugnisse aus § 147 Abs. 6 AO nur in dem durch die Zwecke der Außenprüfung gebotenen zeitlichen und sachlichem Umfang unter Berücksichtigung der berechtigten Interessen der Steuerpflichtigen am Schutz ihrer persönlichen Daten ausübt.

Ausgehend von diesen Grundsätzen wurde im Streitfall der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit nicht ausreichend beachtet.

Die Aufforderung des Finanzamtes, einen Datenträger nach GDPdU zu Beginn der Prüfung zu überlassen, lässt nicht erkennen, wo Datenzugriff und Auswertung erfolgen soll, etwa nur bei der Klägerin oder auch im Finanzamt.

Die Aufforderung enthält auch keine Regelung darüber, ob, wo, und wie lange die durch die Überlassung des angeforderten Datenträgers erhaltenen Daten gespeichert werden sollen.

Der Verweis auf die GDPdU in dem streitgegenständlichen Verwaltungsakt vermag die Bestimmtheit und Verhältnismäßigkeit hinsichtlich Verwertung und Speicherung von Daten der Klägerin in zeitlicher und örtlicher Hinsicht nicht ausreichend zu begründen.

Zwar enthalten die GDPdU (vgl. Bundesministerium der Finanzen, VV DEU BMF 2001-07-16 IV D 2 - S. 0316-136/01 vom 16. Juli 2001, BStBl I 2001,415) eine Begründung der Auffassung der Finanzverwaltung zum Datenüberlassung. Insbesondere regelt der im Streitfall anwendbare Abschnitt I. 1.c) der GDPdU, dass der überlassene Datenträger spätestens nach Bestandskraft der aufgrund der Außenprüfung ergangenen Bescheide an den Steuerpflichtigen zurückzugeben oder zu löschen ist.

Aber die Regelungen in der GDPdU enthalten nichts darüber, wie und wo die Auswertung des überlassenen Datenträgers erfolgen soll. Es ist insbesondere nicht geregelt, ob die Auswertung und Speicherung des überlassenen Datenträgers lediglich in den Räumen der Klägerin oder in den Räumen des Finanzamtes oder eventuell auch auf Rechnern außerhalb der Diensträume des Finanzamtes, etwa auf dem Laptop des Betriebsprüfers, erfolgen kann.

Dies jedoch gebietet der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit. Denn es gilt, der Gefahr einer missbräuchlichen Verwendung der Daten Rechnung zu tragen und hierbei nach Möglichkeit auch dafür zu sorgen, dass die in einem Datenträger komprimierten Daten außerhalb der Geschäftsräume des Steuerpflichtigen oder der Diensträume der Finanzverwaltung, etwa infolge von Diebstahl des Prüfer-Laptops nicht in fremde Hände geraten können. Dieses Bedürfnis ist ohne nennenswerte Beeinträchtigung einer rechnergestützten Außenprüfung angemessen berücksichtigt, wenn die Daten des Steuerpflichtigen nur in seinen Geschäftsräumen oder auch an Amtsstelle erhoben werden. Der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit gebietet es auch, dass die nach § 147 Abs. 6 AO überlassenen Daten nach dem tatsächlichen Abschluss der Außenprüfung nicht weiter auf dem Laptop des Prüfers gespeichert bleiben, sondern nur noch - bis zum Abschluss eines möglicherweise stattfindenden Rechtsbehelfsverfahrens - in den Diensträumen der Finanzverwaltung gespeichert bleiben.

Dem angegriffenen Verwaltungsakt lässt sich hierzu nichts entnehmen. Dem Finanzamt war hierzu auch in der mündlichen Verhandlung keine konkrete Aussage möglich.

Da das Vorlageverlangen des Finanzamtes nicht nachträglich im Wege der Auslegung auf einen gesetzlich zulässigen Verwaltungsakt eingeschränkt werden kann, waren die Aufforderung des Finanzamtes vom 2. Januar 2017 und die Einspruchsentscheidung vom 11. August 2017 aufzuheben.

3. Die Frage einer zumutbaren Anonymisierung von mandatsbezogenen Daten kann damit dahingestellt bleiben.

4. Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 135 Finanzgerichtsordnung.

5. Im Hinblick auf das zu § 147 Abs. 6 AO anhängige Revisionsverfahrens X R 8/18 war die Revision zuzulassen.

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