Urteil vom Finanzgericht Münster - 8 K 4479/96 GrE
Tenor
Die Klage wird abgewiesen.
Die Kosten des Verfahrens trägt der Kläger.
1
T a t b e s t a n d
2Streitig ist, ob ein grunderwerbsteuerrechtlicher Erwerbsvorgang gemäß § 3 Nr. 5 Grunderwerbsteuergesetz (GrEStG) von der Besteuerung auszunehmen ist.
3Der Kläger (Kl.) und seine mit Urteil vom 04.12.1984 geschiedene Ehefrau (E.) waren Miteigentümer zu je ½ an dem im Grundbuch des Amtsgerichts T eingetragenen Grundbesitz Parzelle Gemarkung R Flur 12 Nr. 334 nebst aufstehendem Gebäude und zu je ¼ an der Parzelle R Flur 12 Nr. 426. Mit notariellem Vertrag vom 01.08.1996 (UR-Nr. 325/96 des Notars N, T) verkaufte E. ihren Miteigentumsanteil zum Kaufpreis von 147.000 DM an den Kl.. Der Beklagte (das Finanzamt -FA-) sah in dem Kaufvertrag einen grunderwerbsteuerpflichtigen Rechtsvorgang und setzte dementsprechend die Grunderwerbsteuer (GrESt) in Höhe von 2.940 DM fest.
4Den hiergegen eingelegten Einspruch begründete der Kl. damit, der Rechtsvorgang sei gemäß § 3 Nr. 5 GrEStG von der Besteuerung auszunehmen, weil er im Rahmen der Vermögensauseinandersetzung nach einer Scheidung erfolgt sei. Die Vermögensauseinandersetzung sei erst jetzt von E. und ihm betrieben worden, da sie zunächst die Anteile an dem Haus im Rahmen der natürlichen Erbfolge hätten übergeben wollen. Da E. jedoch nunmehr ihren Anteil gegen Aufrechnung aller weiteren Ansprüche habe abgeben wollen, sei es zu dem Auseinandersetzungsvertrag gekommen. In ihrem Scheidungsverfahren seien nicht Zugewinnausgleich und Unterhalt des geschiedenen Ehegatten zeitgleich mit dem Scheidungsverfahren durchgeführt worden (Hinweis auf das Scheidungsurteil vom 04.12.1984 und auf den Beschluß vom 25.02.1985 des Amtsgerichts T über den Versorgungsausgleich). Da die Kinder noch minderjährig gewesen seien, sei eine vollständige Vermögensauseinandersetzung zunächst zurückgestellt worden, damit die geschiedene Ehefrau mit den Kindern in dem elterlichen Hause hätten wohnen bleiben können. Das Protokoll des Amtsgerichts T vom 14.06.1984 enthalte folgenden Hinweis:
5"Die Anwälte erklärten übereinstimmend, daß bzgl. Unterhalt, Hausrat und Zugewinn noch außergerichtliche Verhandlung schweben würde."
6Dieser Zustand habe bis zum Vertrag vom 01.08.1996 angedauert. Erst jetzt, da alle Kinder eine eigene Existenz hätten, hätten er und E. aus den in seinem Einspruch geschilderten Gründen sich entschlossen, eine endgültige Vermögensauseinandersetzung zu betreiben. Um nicht jeden Zugewinn ermitteln zu müssen, hätte er E. den Anteil an dem während der Ehe erworbenen Haus abgekauft. Sie habe im Gegenzug erklärt, daß mit dem entgeltlichen Erwerb des gemeinsamen Hauses durch ihn, alle möglichen weiteren Ansprüche aus der Ehe erfüllt seien (Hinweis auf § 12 des Kaufvertrages). Erst jetzt - freilich nach ungewöhnlich langer Dauer - sei die eigentliche Vermögensauseinandersetzung abgeschlossen worden.
7Das FA wies den Einspruch als unbegründet zurück (Einspruchsentscheidung -EE- vom 13.09.1996). Es meinte, im Streitfall würden die im Zusammenhang mit der Scheidung ergangenen Urteile bzw. Beschlüsse nicht erkennen lassen, daß der vorliegende Grundstücksübergang im Rahmen einer Vermögensauseinandersetzung nach der Scheidung erfolgt sei. Soweit bereits bzgl. Zugewinn, Unterhalt und Versorgungsausgleich eine Auseinandersetzung stattgefunden habe, halte es eine Vermögensauseinandersetzung für abgeschlossen. Nach diesem Abschluß sei eine Steuerbefreiung nicht mehr möglich. Es sei davon auszugehen, daß sich Ehegatten dann wie fremde Dritte gegenüber treten würden, um einen Erwerb zu tätigen. Das sei hier der Fall. Aus den vorgelegten Dokumenten gehe hervor, daß die Vermögensauseinandersetzung bereits in den Jahren 1984 und 1985 erfolgt sei.
8Hiergegen wendet sich der Kl. mit der vorliegenden Klage. Er trägt vor, entgegen der Auffassung des FA sei die endgültige Vermögensauseinandersetzung erst mit der entgeltlichen Veräußerung des Hausanteils geregelt worden (Hinweis auf § 12 des Kaufvertrages).
9Der Kl. beantragt,
10den Grunderwerbsteuerbescheid vom 09.08.1996 sowie die EE vom 13.09.1996 aufzuheben.
11Das FA beantragt,
12die Klage abzuweisen.
13Es beruft sich zur Begründung auf die Ausführungen in der EE und trägt ergänzend vor, nach der eigenen Einlassung im Schreiben vom 13.08.1996 hätten der Kl. und E. seinerzeit vereinbart, daß beide Parteien ihren Grundstücksanteil behalten sollten, um diesen im Rahmen der Erbfolge auf die gemeinsamen Kinder zu übertragen. Damit hätten sich die Eheleute bzgl. der Verwendung des Grundstücks bereits auseinandergesetzt. Wenn die geschiedene Ehefrau nunmehr nach ca. 12 Jahren sich anders entschieden habe und ihren Grundstücksanteil - gegen Aufrechnung aller weiterer Ansprüche - auf den Kl. übertragen habe, handele es sich insoweit nicht mehr um eine Grundstücksübertragung, die gemäß § 3 Nr. 5 GrEStG von der Besteuerung auszunehmen sei. Auch der Hinweis in den §§ 7 und 12 des Kaufvertrages lasse keine andere Entscheidung zu.
14Der Berichterstatter hat mit Schreiben vom 05.08.1999 den Kl. unter Hinweis auf die Rechtslage und auf die auf ihn entfallende Beweislast zunächst darauf hingewiesen, daß er - falls der Kl. nichts gegenteiliges vortrage und beweise - davon ausgehe, daß hier ein Kaufpreis gezahlt worden ist, der den zum Zeitpunkt des Abschlusses des Kaufvertrages herrschenden Marktverhältnissen entsprochen habe. Außerdem hat er den Kl. gebeten, die von ihm im Einspruchsschreiben vom 13.08.1996 angesprochenen weiteren Ansprüche, gegen die E. bei Übertragung ihres Grundstücksanteils aufrechnen wollte, im einzelnen darzulegen und hierzu entsprechende Beweisunterlagen (z.B. Schriftverkehr mit E.) vorzulegen. Zu beiden Punkten enthält der Schriftsatz des Kl. vom 29.09.1999 keine Ausführungen.
15Weiterhin hat der Berichterstatter in seinem Schreiben den Kl. gebeten, zu der Behauptung bzgl. Unterhalt, Hausrat und Zugewinn hätten seit der Scheidung bis zum Vertrag vom 01.08.1996 Verhandlungen geschwebt, Beweisunterlagen vorzulegen. Er solle in diesem Zusammenhang u.a.
16a) angeben, welchen Unterhalt er in der Zeit nach der Scheidung bis zum Abschluß des Grundstückskaufvertrages an seine geschiedene Ehefrau und die Kinder geleistet habe,
17b) angeben, auf welcher vertraglichen Grundlage diese Leistungen erfolgt seien,
18c) mitteilen, wer den zum Zeitpunkt der Scheidung vorhandenen Hausrat in der Folgezeit genutzt habe,
19d) angeben, ob über die Höhe eines möglichen Zugewinns nach der Scheidung in 1984 Gespräche geführt worden seien und welche Forderungen er bzw. E. damals hinsichtlich eines Zugewinns gestellt habe und
20e) den bei ihm vorhandenen Schriftverkehr hinsichtlich der Punkte a) bis d) vorlegen.
21In seinem Schreiben vom 29.09.1999 hat der Kl. Ausführungen dazu gemacht, daß das Hausgrundstück zunächst bis zum 01.07.1987 von E. zusammen mit dem damals noch minderjährigen Sohn D (geb. am 00.00.1971) und danach - nach Renovierung durch ihn mit einem Kostenaufwand in Höhe von 15.000 DM - von ihm genutzt worden sei. Der Sohn D sei zunächst mit seiner Mutter ausgezogen und im März 1989 zu ihm ins Haus gezogen. Desweiteren enthält das Schreiben Ausführungen zu den zwischen ihm und E. einvernehmlich geregelten Unterhaltspflichten. Zur Hausratsaufteilung enthält der Schriftsatz ebensowenig Ausführungen wie darüber, ob über die Höhe eines möglichen Zugewinns nach der Scheidung in 1984 Gespräche geführt worden sind und welche Forderungen er bzw. E. damals hinsichtlich eines Zugewinns gestellt haben.
22Wegen der weiteren Einzelheiten zum Sachverhalt wird auf die Gerichtsakte und auf die vom FA vorgelegte Steuerakte Bezug genommen.
23Der Senat entscheidet im Einverständnis der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung.
24E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e
25Die Klage ist unbegründet.
26Das FA hat zu Recht im Grunderwerbsteuerbescheid vom 09.08.1996 2.940 DM GrESt gegenüber dem Kl. festgesetzt. Der in dem Kaufvertrag vom 01.08.1996 liegende grunderwerbsteuerpflichtige Vorgang war nicht gemäß § 3 Nr. 5 GrEStG von der Besteuerung ausgenommen.
27Nach dieser Vorschrift ist ein Grundstückserwerb durch den früheren Ehegatten des Veräußerers im Rahmen der Vermögensauseinandersetzung nach der Scheidung von der Besteuerung ausgenommen. Der Rahmen der Vermögensauseinandersetzung nach der Scheidung ist weit gespannt. Er endet dort, wo sich die geschiedenen Ehegatten wie fremde Dritte gegenüber treten, um einen Erwerb zu tätigen. Zu Vermögensauseinandersetzungen nach der Scheidung gehören insbesondere Regelungen über den Ausgleich des Zugewinns (§§ 1372 ff. Bürgerliches Gesetzbuch -BGB-), den Unterhalt des geschiedenen Ehegatten (§§ 1569 ff. BGB) und den Versorgungsausgleich (§§ 1587 ff. BGB). § 3 Nr. 5 GrEStG sieht keine zeitliche Befristung der Befreiung vor. Der Wert auseinanderzusetzender vermögensrechtlicher Ansprüche muß allerdings die Übertragung des Grundstücks noch rechtfertigen, wenn der Rahmen der Vermögensauseinandersetzung nicht überschritten werden soll. Nach Beendigung der Auseinandersetzung ist eine Befreiung von Erwerben gemäß § 3 Nr. 5 GrEStG nicht mehr möglich (vgl. Fischer in Boruttau, GrESt-Kommentar, 14. Aufl. § 3 Rdn. 379 und 386).
28Die Voraussetzungen des § 3 Nr. 5 GrEStG liegen hier nicht vor. Der Grundstückserwerb durch Kaufvertrag vom 01.08.1996 erfolgte nicht im Rahmen der Vermögensauseinandersetzung nach der Scheidung. Der Senat ist davon überzeugt, daß geraume Zeit vor Abschluß des Kaufvertrages am 01.08.1996 die Vermögensauseinandersetzung zwischen dem Kl. und E. bereits abgeschlossen war. Er läßt sich dabei von folgenden Erwägungen leiten: Der Versorgungsausgleich als ein Teil der Vermögensauseinandersetzung ist bereits mit Beschluß des Amtsgerichts T vom 25.02.1985 geregelt worden. Den Unterhalt, den die geschiedenen Eheleute ihrem bis zum 00.00.1989 minderjährigen Sohn D gewähren mußten, haben sie einvernehmlich durch Barunterhalt und durch unentgeltliche Zurverfügungstellung ihres Grundstücksanteils gewährt. Als nicht geklärter Teil der Vermögensauseinandersetzung hätte ab diesem Zeitpunkt demnach hier nur noch die Frage des Zugewinns übrigbleiben können. Über den Zugewinn haben zwischen dem Kl. und E. aber offenbar keine Auseinandersetzungen stattgefunden. Dies offenbar deshalb nicht, weil nach Auffassung der geschiedenen Eheleute ein (weiterer) Ausgleich des Zugewinns nicht erforderlich war. Trotz Aufforderung des Berichterstatters im Schreiben vom 05.08.1999 anzugeben, ob über die Höhe eines möglichen Zugewinns nach der Scheidung in 1984 Gespräche geführt worden sind, und welche Forderungen der Kl. bzw. E. damals hinsichtlich des Zugewinns gestellt haben, hat der Kl. hierzu in seinem Schriftsatz vom 29.09.1999 keine Angaben gemacht.
29Das Ergebnis, daß der Kl. und E. gegenseitig keine Forderungen hinsichtlich eines Zugewinns gestellt haben, wird auch durch den übrigen Sachverhalt bestätigt. Die Notwendigkeit eines Ausgleichs eines Zugewinns hinsichtlich eines gemeinsamen angeschafften Hauses ist normalerweise nicht gegeben, wenn - wie hier - den geschiedenen Eheleuten das Haus ohnehin je zur Hälfte gehörte. Dementsprechend hat der Kl. im Einspruchsverfahren auch vorgetragen, daß er und E. beabsichtigt hätten, ihre Anteile an dem Haus an ihre drei Kinder im Rahmen der natürlichen Erbfolge zu übergeben. Eine Vermögensauseinandersetzung nach einer Scheidung ist bei einer derartigen Konstellation nur denkbar, wenn einer der beiden geschiedenen Eheleute aus seinem Vermögen über den auf ihn entfallenden hälftigen Anteil hinaus etwas in das Haus investiert hat und dann dieser Unterschiedsbetrag im Rahmen der hälftigen Grundstücksübertragung von einem auf den anderen der geschiedenen Eheleute ausgeglichen wird. Für einen derartigen Grund gibt es hier aber keine Anhaltspunkte. Wie vom Kl. nicht bestritten worden ist, hat der Kl. für die Übertragung der Grundstückshälfte von E. auf ihn, einen Kaufpreis gezahlt, der den zum Zeitpunkt des Abschlusses des Kaufvertrages herrschenden Marktverhältnissen entsprach. Demnach standen sich die Kl. wie zwei fremde Miteigentümer gegenüber, die sich über ein gemeinsames Grundstück in der Weise auseinandergesetzt haben, daß der eine dem anderen seine Grundstückshälfte gegen einen angemessenen Kaufpreis überträgt. Im Rahmen eines solchen Vertrages mußten sich die Vertragsbeteiligten auch über die anfallenden Kosten verständigen. Dabei ist das Ergebnis nicht in irgendeiner Weise vorgegeben sondern Verhandlungssache. Entgegen der Auffassung des Kl. können aus der im vorliegenden Fall vereinbarten Kostenteilung in § 7 des Kaufvertrages keine Rückschlüsse dahingehend gezogen werden, daß hier objektiv die Übertragung der Grundstückshälfte im Rahmen einer Vermögensauseinandersetzung nach einer Scheidung erfolgt ist. Nichts anderes ergibt sich aus der Regelung in § 4 Abs. 2 des Vertrages, wonach sich die Vertragsbeteiligten darüber einig gewesen sind, daß gegenseitige Ansprüche - das Vertragsobjekt betreffend - damit nicht mehr bestehen bzw. abgegolten sind. Denn eine derartige Regelung dürfte sich hinsichtlich eines Vertrages, bei dem sich zwei Miteigentümer als Vertragsbeteiligte gegenüberstehen, und bei dem der Verkauf der Grundstückshälfte des einen an den anderen vereinbart wird, sehr häufig empfehlen. Der Kl. kann schließlich auch nichts für sich daraus herleiten, daß zu Beginn des Vertrages darauf hingewiesen worden ist, daß die Vertragsbeteiligten seit dem Jahre 1984 geschiedene Eheleute sind.
30Das gleiche gilt für die Regelung in § 7 Abs. 2 des Kaufvertrages, in dem die Vertragsbeteiligten Befreiung von der GrESt beantragen, da es sich hier noch um einen Teil der vermögensmäßigen Auseinandersetzung anläßlich der Scheidung handele. Dies ist lediglich die Wiedergabe einer Rechtsansicht der Vertragsbeteiligten. Dies kann das Ergebnis der objektiv vorzunehmenden Prüfung des Vorliegens der Voraussetzungen des § 3 Nr. 5 GrEStG ebensowenig vorprägen wie die Regelung in § 12 des Vertrages, wonach zwischen den Vertragsbeteiligten Einigkeit besteht, daß damit sämtliche Ansprüche unter den Vertragsbeteiligten - gleich aus welchem Grund und gleich ob bekannt oder nicht bekannt - erledigt sind. Denn diese allgemeine salvatorische Klausel läßt keinen Rückschluß darauf zu, ob einer der an dem Vertrag Beteiligten früheren Eheleute gegenüber dem anderen eine konkrete Forderung wegen eines Zugewinnausgleichs gestellt hat. Von einer Absicht, daß der Kl. als Käufer über den der Veräußerin nach den Marktverhältnissen zustehenden Kaufpreis noch einen Zugewinnausgleich im Hinblick auf die geschiedene Ehe zahlen sollte, ist in dem Kaufvertrag an keiner Stelle die Rede. Im übrigen spricht außerdem auch der lange Zeitablauf zwischen der Scheidung am 04.12.1984 und dem vorliegenden Kaufvertrag vom 01.08.1996 dagegen, daß es sich im vorliegenden Fall noch um eine vermögensmäßige Auseinandersetzung nach der Scheidung handelt.
31Die Kostenentscheidung folgt aus § 135 Abs. 1 FGO.
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