Urteil vom Finanzgericht Münster - 3 K 2387/98 Erb
Tenor
Unter Änderung der Erbschaftsteuerbescheide vom 15.09.1997 in der Fassung der Einspruchsentscheidung vom 06.02.1998 wird die Erbschaftsteuer für jeden der Kläger auf 431.483 DM festgesetzt.
Im übrigen wird die Klage abgewiesen.
Die Kosten des Rechtsstreits tragen die Kläger als Gesamtschuldner.
Die Revision wird zugelassen.
1
G r ü n d e:
2Die Parteien streiten darüber, ob der Freibetrag gem. § 13 Abs. 2 a Erbschaftsteuergesetz (ErbStG) für ererbtes Betriebsvermögen wegfällt, wenn die Kommanditgesellschaft, deren Anteile vererbt wurden, innerhalb von 5 Jahren nach dem Erbfall in Konkurs fällt.
3Die Kläger (Kl.) beerbten die am 24.03.1994 verstorbene Frau I******* B******zu je 1/2. Bestandteil des Nachlasses war ein Kommanditanteil an der Firma B*****************GmbH &Co. KG, ********.
4Für Zwecke der Erbschaftsbesteuerung gaben die Kl. den Wert des Kommanditanteils mit 613.221 DM an. Zur Ermittlung dieses Betrages wurde der Anteil der Verstorbenen am Einheitswert des Betriebsvermögens auf den 01.01.1994 in Höhe von 715.438 DM um die durch Entnahmen entstandenen Veränderungen auf dem Gesellschafterdarlehenskonto Januar bis März 1994 von 6.264,50 DM sowie um den Anteil am vorläufigen Jahresfehlbetrag 1994 zeitanteilig für 3 Monate von 95.952 DM gemindert.
5Der Beklagte übernahm den so ermittelten Wert und setzte mit Bescheiden vom 12.01.1996 die ErbSt für jeden Kl. auf 406.341 DM fest. Dabei rechnete der Beklagte den Wert des ererbten Betriebsvermögens entsprechend der Erbquote zu und gewährte jedem Kl. ebenfalls entsprechend der Erbquote den Freibetrag für Betriebsvermögen im Sinne des § 13 Abs. 2 a ErbStG. In der Anlage zum Bescheid verwies der Beklagte darauf, daß die Steuerbefreiung mit Wirkung für die Vergangenheit wegfalle, soweit innerhalb von 5 Jahren nach dem Erwerb der Anteil an der B**************** GmbH &Co. KG veräußert oder aufgegeben werde.
6Am 28.11.1995 wurde das Konkursverfahren über das Vermögen der Firma B*******************GmbH &Co. KG eröffnet. Auf Anfrage des für die Besteuerung der KG zuständigen Finanzamts erklärte der Konkursverwalter mit Schreiben vom 04.07.1996, daß die Konkursmasse unzulänglich sei und weder die bevorrechtigten noch die einfachen Konkursgläubiger mit einer Konkursquote rechnen könnten (Bl. 36 der Vollstreckungsakte der B*****************GmbH &Co KG).
7Mit gem. §§ 13 Abs. 2 a Satz 3 ErbStG und 175 Abs. 1 Nr. 2 Abgabenordnung (AO) geänderten ErbSt-Bescheiden vom 15.09.1997 setzte der Beklagte die ErbSt der Kl. ohne Berücksichtigung des Freibetrages gem. § 13 Abs. 2 a ErbStG fest. Die hiergegen gerichteten Einsprüche der Kl. wurden durch Einspruchsentscheidung (EE) vom 06.02.1998 zurückgewiesen.
8Mit ihrer am 09.03.1998 beim Finanzgericht Düsseldorf erhobenen und durch Beschluß vom 02.04.1998 an das Finanzgericht Münster verwiesenen Klage verfolgen die Kl. ihr Begehren weiter. Sie sind der Auffassung, daß die Eröffnung des Konkursverfahrens über das Vermögen der B*****************GmbH &Co KG weder eine Veräußerung noch eine Aufgabe des Gewerbebetriebs im Sinne des § 13 Abs. 2 a ErbStG darstelle.
9Die Kl. beantragen,
10die geänderten ErbSt-Bescheide vom 15.09.1997 in der Fassung der
11EE vom 06.02.1998 ersatzlos aufzuheben,
12hilfsweise, die Revision zuzulassen.
13Der Beklagte beantragt,
14das Betriebsvermögen insgesamt mit nur noch 500.000 DM anzusetzen
15und anteilig auf die Kl. zu verteilen und im übrigen die Klage abzuweisen;
16hilfsweise, die Revision zuzulassen.
17Zur Begründung verweist er darauf, daß nach dem Erlaß des Finanzministers des Landes Nordrhein-Westfalen vom 11.03.1994 (S 3812-20-VA 2) als Aufgabe des Gewerbebetriebes im Sinne des § 13 Abs. 2 a Satz 3 ErbStG auch der Konkurs gelte. Es könne kein Unterschied gemacht werden, ob die Weitergabe des Betriebsvermögens freiwillig oder erzwungenermaßen erfolge. Maßgeblich sei die ertragsteuerliche Betrachtungsweise, wonach die Aufgabe eines Gewerbebetriebes als Veräußerung des gesamten Gewerbebetriebes gelte (§ 16 Abs. 3 Satz 1 EStG).
18Der Senat hat am 19.07.2001 mündlich verhandelt. Dabei sind die Parteien übereingekommen, daß das ererbte Betriebsvermögen für beide Erben zusammen tatsächlich mit 500.000 DM zu bewerten ist. Zu den Einzelheiten wird auf das Sitzungsprotokoll Bezug genommen.
19Die Klage ist zulässig. Sie ist insbesondere fristgemäß erhoben. Daß die Klage zunächst beim örtlich unzuständigen Finanzgericht Düsseldorf eingereicht wurde, ist unschädlich (vgl. Tipke/Kruse, § 47 FGO, Rz. 11 mit Verweis auf die Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts).
20Die Klage ist jedoch nur insoweit begründet, als das ererbte Betriebsvermögen für beide Kl. zusammen nur mit 500.000 DM zu bewerten ist.
21Darüber hinaus ist die Klage unbegründet.
22Der Beklagte hat zu Recht durch gem. § 13 Abs. 2 a Satz 3 ErbStG i.V.m. § 175 Abs. 1 Nr. 2 AO geänderte ErbSt-Bescheide vom 15.09.1997 die Gewährung des Freibetrages für Betriebsvermögen rückgängig gemacht und die ErbSt entsprechend höher festgesetzt.
23Gemäß § 13 Abs. 2 a Satz 3 ErbStG fällt die Steuerbefreiung mit Wirkung für die Vergangenheit weg, soweit innerhalb von 5 Jahren nach dem Erwerb ein Gewerbebetrieb, ein Teilbetrieb oder ein Anteil an einer Gesellschaft im Sinne des § 15 Abs. 1 Nr. 2 des EStG veräußert wird; als Veräußerung gilt auch die Aufgabe des Gewerbebetriebes.
24Die Nachsteuerregelung des § 13 Abs. 2 a ErbStG knüpft hinsichtlich der Tatbestandsmerkmale an die §§ 14 und 16 Einkommensteuergesetz (EStG) und an vom Ertragsteuerrecht geprägte Begriffe an. Das rechtfertigt es, für die Auslegung der Vorschrift die Auslegung der entsprechenden Begriffe im Ertragsteuerrecht heranzuziehen (vgl. Troll / Gebel / Jülicher, Erbschaftsteuer- und Schenkungsteuergesetz, § 13 a Rz. 250). Danach ist die Veräußerung eines Gewerbebetriebs oder Mitunternehmeranteils die entgeltliche Übertragung des gesamten Betriebes mit seinen wesentlichen Grundlagen auf einen Erwerber, der den Betrieb fortführen kann. Dagegen liegt die Aufgabe eines Gewerbebetriebes vor, wenn alle wesentliche Betriebsgrundlagen innerhalb kurzer Zeit und damit in einem einheitlichen Vorgang entweder in das Privatvermögen überführt oder an verschiedene Erwerber veräußert oder teilweise veräußert und teilweise in das Privatvermögen überführt werden und damit der Betrieb als selbständiger Organismus des Wirtschaftslebens nicht mehr besteht. Soweit es im Falle eines Konkursverfahrens zu einer Betriebsaufgabe kommt, erfolgt diese nicht bereits mit Eröffnung des Konkursverfahrens, sondern maßgeblich ist auch hier, wann die Veräußerung der wesentlichen Betriebsgrundlagen erfolgt ( vgl. BFH - Urteil vom 19.01.1993 VIII R 128 / 84, BStBl. II 1993, 594).
25Danach wurde der Betrieb der Firma B*****************GmbH &Co KG im Laufe des Jahres 1996 aufgegeben, da in diesem Zeitraum infolge des Konkursverfahrens die wesentlichen Betriebsgrundlagen des Unternehmens veräußert wurden. (Auf die Bilanz zum 31.12.1996 in den Steuerakten der KG wird Bezug genommen). Die tatbestandlichen Voraussetzungen für den Wegfall des Freibetrages gem. § 13 Abs. 2 a Satz 3 ErbStG sind damit erfüllt.
26Der Senat teilt nicht die von den Kl. vertretene Auffassung, § 13 Abs. 2 a Satz 3 ErbStG sei dann dem Wortlaut gegenüber einschränkend auszulegen, wenn die Veräußerung oder Aufgabe des ererbten Betriebsvermögens wie hier im Rahmen eines Konkursverfahrens erzwungenermaßen erfolge.
27Die Kommentierungen zu § 13 Abs. 2 a bzw. zu § 13 a ErbSt gehen überwiegend davon aus, daß es für den Wegfall des Freibetrages ohne Belang ist, welche Ursachen oder Motive für die Veräußerung bzw. die Aufgabe von ererbten Betriebsvermögen vorlagen (vgl. Moench, Erbschaft- und Schenkungsteuer, § 13 a Rz. 111; Meincke, Erbschaftsteuer- und Schenkungsteuergesetz, § 13 a Rz. 22; Kapp / Ebeling, Erbschaftsteuer- und Schenkungsteuergesetz, § 13 a Rz. 116). Jülicher dagegen (DStR 1997, 1949) und Troll / Gebel / Jülicher (Erbschaftsteuer- und Schenkungsteuergesetz, § 13 a Rz. 252 bis 254) halten unter Hinweis auf die Auslegung nach dem Sinn und Zweck der Vorschrift in einer Reihe von Einzelfällen, insbesondere auch bei einer Betriebsaufgabe infolge Konkurses, eine einschränkende Auslegung für geboten.
28Die Auslegung der Vorschrift des § 13 Abs. 2 a ErbSt hat sich ausgehend vom Wortlaut am Gesetzeszweck zu orientieren.
29§ 13 Abs. 2 a ErbStG wurde durch das Standortsicherungsgesetz mit Wirkung vom 01.01.1994 in das ErbStG eingeführt. Der Erwerb von Betriebsvermögen sollte erbschaftsteuerlich entlastet werden, um der verminderten Leistungsfähigkeit der Erwerber von Betriebsvermögen Rechnung zu tragen. Der Gesetzgeber hält betrieblich gebundenes Vermögen für weniger fungibel; seinen Erwerbern falle es demgemäß schwerer als den Erwerbern anderer Vermögensarten, aus diesem erworbenen Vermögen Beträge zur Zahlung der ErbSt aufzubringen. Darüber hinaus sei Betriebsvermögen in besonderer Weise gemeinwohlgebunden und gemeinwohlverpflichtet, da es Produktivität und Arbeitsplätze sichere (vgl. dazu Weinmann, DStR 1993, 1238 und Jülicher, DStR 1997, 1949 mit entsprechenden Nachweisen zum Gesetzgebungsverfahren). Aus eben diesen Erwägungen hat auch das Bundesverfassungsgericht in seinem Beschluß vom 22.06.1995 (II BvR 552/91, BStBl. II 1995, 671/674) darauf hingewiesen, der Gleichheitssatz (Art. 3 Abs. 1 Grundgesetz) gebiete es, die ErbSt-Last eines Erben, der einen Betrieb in seiner Sozialgebundenheit aufrecht erhalte, so zu bemessen, daß die Fortführung des Betriebes steuerlich nicht gefährdet werde.
30Zur Absicherung des Gesetzeszwecks, durch die Freibetragsregelung ererbtes Betriebsvermögen aus den oben genannten Gründen zu entlasten, hat der Gesetzgeber die Gewährung der Begünstigung an eine Behaltensregelung gekoppelt. Dabei ist zu berücksichtigen, daß die gesetzliche Regelung die gesamte Bandbreite von Fällen erfaßt, in denen Betriebsvermögen vererbt wird. Die Begünstigung kommt jedem Erben von Betriebsvermögen zugute, sei es, daß er das Betriebsvermögen als einen Vermögensgegenstand unter vielen erwirbt, sei es, daß das ererbte Betriebsvermögen auch dem Erben als Existenzgrundlage dient. Je nach Lage des Einzelfalls stehen dabei die mit dem Gesetz verfolgten Zwecke der Erhaltung von Betriebsvermögen im Interesse der Allgemeinheit und der Berücksichtigung der Leistungsfähigkeit des Erben in einem unterschiedlichen Spannungsverhältnis.
31Insofern hat der Gesetzgeber zulässigerweise eine typisierende Regelung geschaffen, die zunächst allen Erben von Betriebsvermögen zugutekommt und die daran anknüpft, daß die "Versilberung" des Betriebsvermögens entweder durch Veräußerung oder Aufgabe des Gewerbebetriebes regelmäßig dem Gesetzeszweck zuwiderläuft. Veräußert nämlich der Erbe das Betriebsvermögen gegen entsprechendes Entgelt, so unterscheidet er sich nicht mehr von einem Erben, der im Erbgang Kapitalvermögen oder auch Grundvermögen erhält. Seine Leistungsfähigkeit ist nicht mehr in dem Maße beeinträchtigt, wie sie es durch die Fortführung des ererbten Betriebes in seiner Sozialgebundenheit wäre. Aber auch wenn der ererbte Betrieb aufgegeben wird, sei es freiwillig und mit Gewinn, sei es gezwungenermaßen mit Verlust, so ist auf jeden Fall der Gesetzeszweck, Betriebsvermögen auch im Erbfall in seiner Sozialgebundenheit zu erhalten und fortzuführen, verfehlt.
32Unabhängig davon, auf welche Weise und aus welchen Gründen sich der Erbe von ererbtem Betriebsvermögen trennt, kommt es also zur Verfehlung beider oder zumindest eines der gesetzgeberischen Zwecke. Unterschiede ergeben sich dahingehend, ob im Einzelfall mehr die Leistungsfähigkeit des Erben oder mehr die Sozialgebundenheit des Betriebes tangiert ist.
33Zur Lösung dieses Spannungsverhältnisses bedarf es nach Auffassung des Senats keiner einschränkenden Auslegung der Vorschrift des § 13 Abs. 2 a Satz 3 ErbStG. Eine Wertigkeit der von ihm mit der Regelung des § 13 Abs. 2 a ErbStG verfolgten Zwecke hat der Gesetzgeber nicht vorgegeben, so daß sie im Grundsatz gleichwertig nebeneinander stehen. Der Senat verkennt nicht, daß es in Fällen der durch einen Konkurs erzwungenen Betriebsaufgabe regelmäßig nicht zu einer Erhöhung der Leistungsfähigkeit des Erben kommt, die es rechtfertigt, ihm weitere Steuerlasten aufzuerlegen. Jedoch sind die in derartigen Fällen zur Verfügung stehenden Billigkeitsmaßnahmen der Abgabenordnung geeignet und auch ausreichend, das generelle Interesse des Gesetzgebers an der Verwirklichung seiner gesetzgeberischen Ziele und das Interesse des betroffenen Einzelnen an der zutreffenden Berücksichtigung seiner Leistungsfähigkeit in Einklang zu bringen.
34Darüber hinaus birgt die von den Kl. erstrebte einschränkende Auslegung des § 13 Abs. 2 a Satz 3 ErbStG die Gefahr, daß derjenige bevorzugt wird, der das Unternehmen bis zum Konkurs fortführt, gegenüber demjenigen, der durch rechtzeitige Veräußerungs- oder Vergleichsmaßnahmen unter Hintanstellung seiner eigenen Leistungsfähigkeit zumindest die Sozialgebundenheit des Betriebsvermögens erhält. Eine derartige Verfahrensweise widerspricht dem Gleichheitssatz des Art. 3 GG.
35Die Kostenentscheidung beruht auf § 136 Abs. 1 Satz 3 Finanzgerichtsordnung (FGO).
36Die Revision wird gem. § 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache zugelassen.
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