Beschluss vom Finanzgericht Münster - 8 V 5640/01 E
Tenor
Der Antrag wird abgelehnt.
Die Kosten des Verfahrens werden den Antragstellern auferlegt.
1
G r ü n d e:
2Es ist über die Zulässigkeit eines AdV-Antrages zu entscheiden.
3Der Antragsgegner (das Finanzamt - FA -) hat mit Einspruchsentscheidung vom 13.09.2001 den von den Antragstellern (Ast.) eingelegten Einspruch gegen den Einkommensteuer (ESt) -Änderungsbescheid 2000 vom 27.07.2001 als unbegründet zurückgewiesen, da die Ast. den Einspruch trotz Aufforderung nicht näher begründet haben.
4Mit Schreiben vom 14.09.2001 bat die Prozessbevollmächtigte um nochmalige Überprüfung des Steuerbescheides und um weitere schriftliche Erläuterung. Das FA erläuterte darauf hin mit Schreiben vom 17.09.2001 ausführlich, aus welchem Grund der ursprüngliche ESt-Bescheid geändert worden ist. Mit Schreiben vom 27.09.2001 bat die Prozessbevollmächtigte u.a. um Aussetzung der Vollziehung (AdV) während des schwebenden Verfahrens gemäß § 80 Abs. 4 VwGO. In dem am 28.09.2001 mit der Prozessbevollmächtigten geführten Telefonat wurde die steuerliche Rechtslage nochmals erörtert. Hinsichtlich der beantragten AdV wurde diese abgelehnt, da zum Zeitpunkt des Telefonates kein Verfahren zur ESt 2000 anhängig gewesen sei.
5Die Ast. wenden sich gegen die Einspruchsentscheidung mit der am 11.10.2001 bei Gericht eingegangen Klage, die unter dem Az. 8 K 5638/01 E anhängig ist und über die der Senat noch nicht entschieden hat. Mit der Klage begehren sie die Herabsetzung der ESt 2000 in Höhe von 8.018 DM auf 5.677,61 DM.
6Gleichzeitig beantragen sie mit dem vorliegenden Antrag die AdV des ESt-Bescheides 2000 vom 27.07.2001 soweit über den gezahlten Betrag hinaus weitere Steuern von 2.890,29 DM verlangt würden.
7Die Ast. verweisen darauf, dass sie bereits mit Schreiben vom 27.09.2001 beim Finanzamt AdV beantragt hätten. Sie meinen, das FA habe nicht nachvollziehbar begründet, aus welchem Grunde der ursprüngliche Bescheid vom 11.05.2001 durch den neuen Steuerbescheid vom 27.07.2001 geändert worden sei, und warum die Ast. einen Nachzahlungsbetrag in Höhe von 2.376 DM zahlen müssten. Im Übrigen sei der Erstattungsbetrag laut Bescheid vom 11.05.2001 verbraucht und insoweit liege keine Bereicherung mehr vor.
8Die Ast. beantragen,
9den ESt-Bescheid 2000 vom 27.07.2001 insoweit auszusetzen, als über den gezahlten Betrag hinaus weitere Steuern in Höhe von 2.890,29 DM verlangt würden.
10Das FA beantragt,
11den Antrag auf AdV als unzulässig abzuweisen.
12Der gleichzeitig mit der Klage eingereichte AdV-Antrag vom 10.10.2001 und auch der AdV-Antrag vom 19.10.2001 sind unzulässig.
13Die Zugangsvoraussetzung für einen zulässigen AdV-Antrag bei Gericht gemäß § 69 Abs. 4 FGO liegen nicht vor. Nach dieser Vorschrift ist ein Antrag beim Gericht nur zulässig, wenn die Behörde einen Antrag auf Aussetzung der Vollziehung ganz oder zum Teil abgelehnt hat. Das gilt nicht, wenn
14- die Finanzbehörde über den Antrag ohne Mitteilung eines zureichenden Grundes in angemessener Frist sachlich nicht entschieden hat oder
- eine Vollstreckung droht.
Im vorliegenden Fall steht zwar fest, dass das FA am 27.09.2001 den AdV-Antrag, den die Prozessbevollmächtigte der Ast. am 27.09.2001 gestellt hat, telefonisch abgelehnt hat. Dies geschah aber lediglich aus verfahrensrechtlichen Gründen, weil das FA zu jenem Zeitpunkt einem AdV-Antrag gemäß § 361 AO nicht entsprechen konnte, weil er unzulässig war.
16Eine AdV ist nur zulässig, wenn gegen einen Verwaltungsakt ein Rechtsbehelf eingelegt worden ist, d.h. es muss ein außergerichtlicher Rechtsbehelf oder eine Klage erhoben worden sein (vgl. Tipke/Kruse, AO/FGO Kommentar, Stand Oktober 1997, § 69 Rdn. 44, 45).
17Beides war zu dem Zeitpunkt, als die Ast. am 27.09.2001 den Antrag auf AdV beim Finanzamt stellten, nicht der Fall. Den zuvor eingelegten Einspruch hatte das FA mit der Einspruchsentscheidung vom 13.09.2001 abschliessend bearbeitet. Eine Klage haben die Ast. erst am 10.10.2001 erhoben.
18Nach Sinn und Zweck der Regelungen in § 69 Abs. 4 FGO kann nur die Ablehnung eines zulässigerweise beim FA gestellten AdV-Antrages als Zugangsvoraussetzung für einen bei Gericht gestellten AdV-Antrag ausreichend sein. Nur bei einem zulässigen AdV-Antrag kann sich das FA mit dem vom Ast. vorgetragenen Gründen für die AdV befassen. Bei einer anderen Auslegung des Gesetzes müsste sich das Gericht entgegen Sinn und Zweck des Gesetzes mit den Aussetzungsgründen befassen, ohne dass das FA zuvor in der Sache überprüft hat, ob auf Grund der vorgetragenen Gründe eine AdV in Frage kommt. Gerade dieses soll mit den in § 69 Abs. 4 FGO geregelten Zugangsvoraussetzungen vermieden werden.
19Auch hinsichtlich des am 19.10.2001 gestellten AdV-Antrages liegen die Zugangsvoraussetzungen des § 69 Abs. 4 FGO nicht vor.
20Zwar hatte das FA den Ast. zuvor mit Schreiben vom 15.10.2001 mit dem üblichen Formular eine Vollstreckungsankündigung zugeschickt. Eine derartige Vollstreckungsankündigung ist aber nicht als drohende Vollstreckung im Sinne des § 69 Abs. 4 Satz 2 Nr. 2 FGO anzusehen. Da dem Steuerpflichtigen regelmäßig noch eine Karenzzeit zur Begleichung seiner Steuerschulden eingeräumt wird, wird ihm dieser Zeitraum nach den tatsächlichen Verhältnissen auch genügen, um einen Aussetzungsantrag beim FA anzubringen. Unter Berücksichtigung des Entlastungszweckes wird man deshalb die Zugangsvoraussetzung erst dann als gegeben ansehen können, wenn nach den Verhältnissen des Einzelfalles die Antragstellung bei der Finanzbehörde nicht mehr geeignet erscheint, die Vollstreckung vorerst abzuwenden (Tipke/Kruse a. a. O. § 69 RdN. 80 m. w. N.). Es sind hier keine Anhaltspunkte vorhanden, dass im vorliegenden Fall ein sofort beim FA gestellter und begründeter AdV-Antrag nicht geeignet gewesen wäre, die Vollstreckung vorerst abzuwenden.
21Die Kostenentscheidung folgt aus § 135 Abs. 1 FGO
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