Urteil vom Finanzgericht Münster - 15 K 8610/98 E
Tenor
Die Klage wird abgewiesen.
Die Kosten des Verfahrens werden der Klägerin auferlegt.
Die Revision wird zugelassen.
1
G r ü n d e:
2I.
3Streitig sind die Berücksichtigung eines verdeckten Treuhandverhältnisses sowie die Zurechnung von verdeckten Gewinnausschüttungen, die von einem nahen Angehörigen vereinnahmt worden sind.
4Die damals 22-jährige Klin. schloss am 21.02.1984 einen notariell beurkundeten Gesellschaftsvertrag über die Gründung einer GmbH. Sie war laut dem Gesellschaftsvertrag (UR-Nr. 1/84), auf den verwiesen wird, alleinige Gesellschafterin. Als Geschäftsführer wurde ihr damals 75-jähriger Großvater, B , bestellt und ins Handelsregister eingetragen. Der Unternehmensgegenstand war die Vermietung von Anlagen, Geräten und Einrichtungen für die Bauwirtschaft, ferner die Bauplanung sowie Durchführung von Aufträgen der Bauausführung und der Bauüberwachung.
5Am selben Tag schloss die Klin. vor demselben Notar mit ihrem im Vermögensverfall befindlichen Vater, C., einen notariellen "Treuhandvertrag über die Innehabung von Gesellschaftsanteilen". Nach diesem Vertrag (UR-Nr. 2/84), auf den Bezug genommen wird, sollte die Klin. nach außen im eigenen Namen, im Innenverhältnis aber als Treuhänderin für C. auf dessen Gefahr und für dessen Rechnung handeln. § 6 des Vertrags lautete:
6"1. Fräulein .... ist gehalten, das Treuhandverhältnis gegenüber jedem Dritten vertraulich zu behandeln und nicht zu offenbaren.
72. Beide Parteien wurden von dem beurkundenden Notar darauf hinge- wiesen, daß die aus der Begründung des Treuhandverhältnisses ent- stehenden steuerlichen Folgen von ihm nicht verantwortet werden, sondern jede Haftung hierfür ausgeschlossen ist. Beide sind damit ein- verstanden.
83. Die Erschienenen wurden darauf hingewiesen, daß die Rechte aus dem Treuhandvertrag durch Gläubiger des Erschienenen zu 2. (= C.) gepfändet und zur Einziehung überwiesen werden können. Sie sind darüber einigt, daß dann, wenn die Rechte gepfändet werden, der Treuhandvertrag erlischt, wenn nicht die Pfändung binnen eines Mo- nats nach Zustellung des insoweitigen Beschlusses aufgehoben wird. Rechte aus dem Treuhandvertrag bestehen dann zwischen beiden Vertragsparteien nicht mehr. Fräulein ... ist aber verpflichtet, mit diesem Zeitpunkt ihrer Schwester 50 % der
9Stammanteile zu übertragen. Insoweit gilt die Vorschrift oben § 3 ent- sprechend."
10Der Beklagte (Bekl.) hatte von dem Treuhandvertrag keine Kenntnis.
11Am 31.03.1988 wurde C. als Geschäftsführer der GmbH in das Handelsregister eingetragen. Für die Jahre 1984 bis 1990 erklärte die GmbH Verluste. Für 1991 wurde ein Gewinn i. H. v. 40.423,83 DM erklärt. Danach wurden keine Bilanzen und Steuererklärungen mehr eingereicht. In den Körperschaftssteuererklärungen (Anlage WA) war jeweils nur die Klin. als alleinige Gesellschafterin angegeben. C. gab seine ESt-Erklärung für 1990 in 1991 und für 1991 in 1992 ab.
12Die Klin. gab in 1991 ihre Einkommensteuererklärung für 1990 ab. Die Einkommensteuer (ESt) wurde mit ESt-Bescheid 1990 vom 28.11.1991 erklärungsgemäß festgesetzt. Für 1991 gab die Klin. ihre ESt-Erklärung in 1992 ab. Kapitaleinkünfte aus der GmbH-Beteiligung erklärte sie nicht. Die ESt 1991 wurde mit Bescheid vom 02.09.1992 erklärungsgemäß festgesetzt.
13In 1994 begann eine Betriebsprüfung (Bp) bei der GmbH für 1988 - 1991. Dabei wurde festgestellt, dass zahlreiche Geschäftsvorfälle nicht in der Buchführung der GmbH enthalten waren. Der Prüfer behandelte die von ihm festgestellten Schwarzeinnahmen abzüglich der damit im Zusammenhang stehenden Betriebsausgaben als verdeckte Gewinnausschüttungen. Er ging davon aus, dass C. die Schwarzbeträge vereinnahmt hatte. Es wird auf Tz. 15 des Bp-Berichts vom 27.02.1995 Bezug genommen. Die nach Maßgabe des Bp-Berichts ergangenen Körperschaftssteuerbescheide 1988 - 1991 wurden bestandskräftig. Am 22.12.1995 wurde die Eröffnung des Konkursverfahrens über das Vermögen der GmbH mangels Masse abgelehnt. Die Firma wurde wegen Vermögenslosigkeit im Handelsregister gelöscht.
14Am 28.12.1995 erging für 1990 und am 01.04.1996 erging für 1991 jeweils ein auf § 173 Abs. 1 Nr. 1 AO gestützter ESt-Änderungsbescheid gegen die Klin. Darin wurden der Klin. die in Tz. 15 des o. g. Berichts dargestellten verdeckten Gewinnausschüttungen als Einkünfte aus Kapitalvermögen zugerechnet. Die dagegen eingelegten Einsprüche waren erfolglos (Einspruchsentscheidung - EE - vom 23.11.1998).
15Dagegen richtet sich die Klage, mit der die Klin. erstmals den mit C. abgeschlossenen Treuhandvertrag vorlegt. Die Klin. trägt vor, die GmbH-Anteile seien C. zuzurechnen. Der Treuhandvertrag sei auch tatsächlich durchgeführt worden, was sich daraus ergebe, dass W. sämtliche Rechte und Pflichten aus der Gesellschafterstellung selbst ausgeübt habe und die Klin. hierüber nicht einmal Mitteilungen erhalten habe. Der Klin. sei auch nicht bekannt gewesen, in welcher Form die Stammeinlage i. H. v. 50.000,00 DM erbracht worden sei. Unterlagen der GmbH hätten ihr nicht vorgelegen. Die späte Offenlegung des Treuhandverhältnisses sei unbeachtlich. Eine buchmäßige Darstellung des Treuhandverhältnisses habe nicht erfolgen müssen, weil die GmbH-Gesellschaftsanteile Privatvermögen gewesen seien. Die Klin. genieße außerdem Vertrauensschutz nach § 176 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 AO. Das vom Bekl. herangezogene Urteil des BFH vom 18.12.1996 in BStBl II 1997, 301 zur Zurechnung von verdeckten Gewinnausschüttungen sei nämlich erst nach Erlass der angefochtenen ESt-Änderungsbescheide ergangen. Nach der bis dahin geltenden Rechtsprechung sei eine verdeckte Gewinnausschüttung nur dann anzunehmen gewesen, wenn die Zuwendung eines Vermögensvorteils an eine nahe stehende Person einen Vorteil für den Gesellschafter selbst zur Folge gehabt habe. Dies sei im Streitfall nicht der Fall.
16Die Klin. beantragt,
17die ESt-Bescheide 1990 vom 28.12.1995 und 1991 vom 01.04.1996 in Gestalt der EE vom 23.11.1998 dergestalt zu ändern, dass die ESt ohne Berücksichtigung der als Einnahmen aus Kapitalvermögen ange- setzten verdeckten Gewinnausschüttungen festgesetzt wird, hilfsweise für den Unterliegensfall, die Revision zuzulassen.
18Der Bekl. beantragt,
19die Klage abzuweisen und hilfsweise für den Unterliegensfall, die Revision zuzulassen.
20Er verweist auf seine EE und trägt ergänzend vor, der Treuhandvertrag sei vor dem Bekl. geheim gehalten worden. Die Klin. habe nicht nachgewiesen, dass sie in fremdem Interesse gehandelt habe, und das Treuhandverhältnis sei auch buchmäßig nicht zum Ausdruck gekommen. Aufwendungsersatz habe die Klin. entgegen der Regelung im Treuhandvertrag nicht erhalten. Die Berücksichtigung des Treuhandverhältnisses sei auch verwirkt, weil es erst aufgedeckt worden sei, nachdem beim Treugeber Festsetzungsverjährung eingetreten sei. Es sei daher nicht § 39 Abs. 2 Satz 2 AO, sondern § 159 Abs. 1 AO einschlägig.
21Die Sache wurde am 01.10.2001 vor dem Berichterstatter erörtert und am 18.12.2001 vor dem Senat mündlich verhandelt. Es wird auf die Protokolle Bezug genommen.
22II.
23Die Klage ist unbegründet. Die verdeckten Gewinnausschüttungen sind der Klin. als Gesellschafterin der GmbH zuzurechnen.
241)
25Das Treuhandverhältnis zwischen der Klin. und C. kann steuerlich für die Streitjahre nicht anerkannt werden.
26Steuerlich berücksichtigungsfähige Treuhandverhältnisse müssen auf ernst gemeinten und klar nachweisbaren Vereinbarungen zwischen Treugeber und Treuhänder beruhen und tatsächlich durchgeführt sein. Das Handeln des Treuhänders in fremdem Interesse muss wegen der vom zivilrechtlichen Eigentum abweichenden Zurechnungsfolge eindeutig erkennbar sein (BFH-Urteil vom 15. Juli 1997 VIII R 56/93, BFHE 183, 518, BStBl II 1998, 152). Die Feststellungslast für das Bestehen eines Treuhandverhältnisses trägt derjenige, der sich auf das Treuhandverhältnis beruft, hier also die Klin. (§ 159 AO).
27Im Streitfall fehlt es am Erfordernis der eindeutigen Erkennbarkeit des Treuhandverhältnisses. Weder in den Bilanzen noch in den Steuererklärungen für die GmbH noch in den Erklärungen der Klin. gibt es irgendeinen Hinweis auf das bestehende Treuhandverhältnis. In der Anlage WA zur Körperschaftssteuererklärung für die GmbH ist ausschließlich die Klin. als Anteilseignerin vermerkt. Auch der im Klageverfahren vorgelegte notarielle Treuhandvertrag 2/84 erlaubt keine eindeutige Aussage darüber, ob das Treuhandverhältnis in den Streitjahren 1990 und 1991 noch bestand. In § 6 Abs. 3 Satz 2 des Vertrags ist nämlich eine auflösende Bedingung des Treuhandverhältnisses für den Fall vereinbart, dass Gläubiger von C. im Wege der Zwangsvollstreckung auf seine Gesellschaftsanteile oder seine Herausgabeansprüche gegen die Klin. Zugriff nehmen wollen. Ob ein solcher Zugriffsversuch erfolgte, ist weder aus dem Vertrag noch aus anderen Umständen erkennbar.
28Der Senat hält die Geltendmachung des Treuhandverhältnisses - wenn es denn steuerlich anzuerkennen wäre - darüberhinaus auch für verwirkt. Das Treuhandverhältnis wurde erst aufgedeckt, nachdem bei C. für die Streitjahre die regelmäßige Festsetzungsverjährungsfrist abgelaufen war. Eine verspätete Aufdeckung des bis dahin geheim gehaltenen Treuhandverhältnisses bewirkt, dass die bisher durchgeführte Besteuerung bei den Beteiligten des Treuhandverhältnisses beibehalten wird, weil andernfalls wegen der inzwischen eingetretenen Festsetzungsverjährung mit Steuerausfällen zu rechnen ist oder diese jedenfalls nicht auszuschließen sind. Sowohl der Treuhänder wie auch der Treugeber haben den Finanzbehörden gegenüber die sich aus §§ 90, 153, 159 AO ergebende Pflicht, das Treuhandverhältnis wahrheitsgemäß und zeitnah aufzudecken. Eine verspätete Darlegung, die erst nach Ablauf der für die Steuerfestsetzung des Treugebers geltenden regelmäßigen Festsetzungsverjährungsfrist erfolgt, kann nach den Grundsätzen von Treu und Glauben zurückgewiesen werden. Ob den Treuhänder an der verspäteten Darlegung ein Verschulden trifft, ist unerheblich. Der Senat folgt insoweit der Entscheidung des FG Berlin, Urteil vom 03. November 1987 V 228/83, EFG 1988, 369. Dieses Urteil wurde vom BFH (Urteil vom 13. Oktober 1992 IX R 17/88, BFH/NV 1993, 227) zwar aufgehoben, die Aufhebung erfolgte aber aus anderen Gründen. Zur Frage der Verwirkung der Geltendmachung von Treuhandverhältnissen hat der BFH a.a.O. keine Ausführungen gemacht.
292)
30Die verdeckten Gewinnausschüttungen der GmbH sind trotz des Umstandes, dass C. die von der GmbH erwirtschafteten Schwarzbeträge vereinnahmt hat und ein direkter Vorteil für die Klin. nicht erkennbar ist, der Klin. zuzurechnen (sogenannte mittelbare verdeckte Gewinnausschüttung). Nach herrschender Auffassung (BFH-Urteil vom 29. September 1981 VIII R 8/77, BFHE 135/31, BStBl II 1982, 248; Gosch, DStR 1998, 1550; BMF-Schreiben vom 08. März 1999, BStBl I 1999, 514), der der Senat sich anschließt, ist eine verdeckte Gewinnausschüttung, die einer einem Gesellschafter nahe stehenden Person, die an der Gesellschaft nicht selbst beteiligt ist, zufließt, regelmäßig dem Gesellschafter zuzurechnen. Dieser erfüllt den Tatbestand der Einkünfteerzielung aus Kapitalvermögen, und nur so kann die Einnahme mit dem entsprechenden Anrechnungsguthaben korrelieren (Gosch a.a.O.)
31Die Klin. kann sich im Hinblick auf die Zurechnung der verdeckten Gewinnausschüttungen auch nicht auf Vertrauensschutz nach § 176 Abs. 1 Nr. 3 AO berufen. Denn zur Zurechnung von verdeckten Gewinnausschüttungen, die ein naher Angehöriger des Gesellschafters vereinnahmt hat, gibt es bislang keine geänderte Rechtsprechung des BFH. Im BFH-Urteil BFHE 135/31, BStBl II 1982, 248 wurde die Zurechnung der verdeckten Gewinnausschüttungen an den Gesellschafter bejaht. Im BFH-Urteil vom 18. Dezember 1996 I R 139/94, BFHE 182, 184, BStBl II 1997, 301, das die Besteuerung der Körperschaft und nicht des Gesellschafters betraf, wurde die o.g. Streitfrage ausdrücklich offen gelassen.
323)
33Die Nebenentscheidungen beruhen auf § 135 Abs. 1 FGO und § 13 Gerichtskostengesetz. Die Zulassung der Revision erfolgt gemäß § 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO wegen grundsätzlicher Bedeutung der Frage, ob die Zurechnung von verdeckten Gewinnausschüttungen beim Gesellschafter voraussetzt, dass dieser selbst einen Vorteil aus der verdeckten Gewinnausschüttung gezogen hat.
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