Beschluss vom Finanzgericht Münster - 8 V 3326/02 E,Ki, 8 V 3789/02 G, U
Tenor
Die Anträge werden abgewiesen.
Die Kosten des Verfahrens tragen die Antragsteller.
1
G r ü n d e:
2Zu entscheiden ist über die Zulässigkeit von Anträgen auf Aussetzung der Vollziehung (AdV).
3Die Antragsteller (Ast.) sind Eheleute, die gemeinsam zur Einkommensteuer veranlagt werden. Der Ast. betreibt in N ein Restaurant. Die Ehefrau ist in seinem Betrieb als Angestellte beschäftigt. Sie erzielte in den Streitjahren 1998 bis 2000 Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit in Höhe von 42.550 DM (1998) 90.500 DM (1999) und 96.000 (2000).
4Im Rahmen einer Außenprüfung (Ap) beim Ast. sahen die Prüfer die Buchführung als nicht ordnungsgemäß an. Aufgrund eines durchgeführten Zeit-Reihen-Vergleichs nahmen sie Umsatz und Gewinnzuschätzungen in Höhe von 401.700 DM (1998), 175.900 DM (1999) und 250.200 DM (2000) vor. Wegen der Einzelheiten wird auf Ap-Bericht vom 05.04.2002 verwiesen.
5Entsprechend diesen Feststellungen erließ der Antragsgegner (Ag. - das Finanzamt -FA-) gegenüber den Ast. Einkommensteueränderungsbescheide 1998 bis 2000 vom 24.04.2002 sowie gegenüber dem Ast. Umsatzsteueränderungsbescheide 1998 bis 2000 vom 24.04.2002 sowie Gewerbesteuermessbetragsbescheide 1998 bis 2000 vom 06.06.2002, auf deren Inhalt verwiesen wird.
6Hiergegen legten die Ast. bzw. der Ast. (betreffend Umsatzsteuer und Gewerbesteuermessbeträge) Einspruch ein. Sie meinten, dass die Buchführung des Ast. ordnungsgemäß sei und bestritten die Höhe der Gewinnzuschätzung (Schreiben der Ast. vom 06.05.2002 und vom 26.03.2002).
7Gleichzeitig beantragten sie AdV dieser Bescheide.
8Diese Anträge lehnte das FA mit Bescheid vom 27.05.2002 betreffend Einkommensteuer 1998 bis 2000 und mit Bescheid vom 04.07.2002 betreffend Umsatzsteuer und Gewerbesteuermessbescheide 1998 bis 2000 ab.
9Nunmehr beantragen die Ast. AdV betreffend Einkommensteuer 1998 bis 2000 (Aktenzeichen 8 V 3326/02 E, Ki) und der Ast. AdV betreffend Umsatzsteuer (sowie Zinsen zur Umsatzsteuer) und Gewerbesteuermessbeträge 1998 bis 2000 bei Gericht.
10Sie meinen, es bestünden ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit der Bescheide, soweit diese die ursprünglichen Bescheide auf der Grundlage der Tz. 9 - 11 des Ap-Berichts vom 05.04.2002 ändern würden. Entgegen der Auffassung des FA sei die Kassenführung des Ast. formell und auch materiell ordnungsgemäß. Die Beweiskraft der Buchführung sei daher nicht eingeschränkt, da sie keine gravierenden Mängel aufweise. Es lägen allenfalls geringfügige Versäumnisse bei der Buchführung (hier: nicht jederzeitige Feststellung der Kassensturzfähigkeit) vor, die allenfalls die Berücksichtigung eines Sicherheitszuschlages nicht aber eine Vollschätzung rechtfertigen würden. Wegen der Einzelheiten wird auf die Schreiben vom 20.06.2002, 10.07.2002, 07.08.2002 im Verfahren 8 V 3326/02 E, Ki und auf die Schreiben vom 12.07.2002 und vom 07.08.2002 im Verfahren 8 V 3789/02 G, E sowie auf die diesen Schreiben beigefügten Anlagen verwiesen.
11Die Ast. beantragen,
12die Vollziehung folgender Bescheide auszusetzen:
13Einkommensteuerbescheide 1998 bis 2000 jeweils vom 24.04.2002,
14Umsatzsteuerbescheide (sowie Zinsen zur Umsatzsteuer) 1998 bis 2000 jeweils vom 24.04.2002 und
15Bescheide über den Gewerbesteuermessbetrag 1998 bis 2000 jeweils vom 06.06.2002.
16Das FA beantragt,
17die Anträge zurückzuweisen.
18Es meint, es bestünden keine ernstlichen Zweifel an der Rechtmäßigkeit der aufgrund der Ap ergangenen Steuerbescheide. Die Hinweise in den Schreiben der Ast. zu geringfügigen Mängeln in der Buchführung und der fehlenden Berechtigung zur Vollschätzung seien falsch. Denn zum einen handele es sich um erhebliche Mängel in der Kassen- und Buchführung und zum anderen seien die festgestellten Kalkulationsdifferenzen für eine Vollschätzung ausreichend. Wegen der Einzelheiten wird auf die Schreiben des FA vom 16.07.2002 und vom 23.08.2002 im Verfahren 8 V 3326/02 E, Ki und vom 06.09.2002 im Verfahren 8 V 3789/02 G, U verwiesen.
19Am 13.05.2002 hat das FA wegen rückständiger laufender Steuer in Höhe von 116.860 EUR den Antrag auf Eröffnung eines Insolvenzverfahrens gemäß § 17 Insolvenzordnung (InsO) über das Vermögen des Ast. beim Amtsgericht N gestellt.
20Mit Beschluss vom 23.07.2002 ordnete das Amtsgericht N in dem Insolvenzeröffnungsverfahren über das Vermögen des Ast. die Einholung eines schriftlichen Sachverständigengutachtens an. Mit weiterem Beschluss vom 02.08.2002 ordnete es zur Sicherung der zukünftigen Insolvenzmasse (§ 21 Abs. 2 Nr. 3, § 88 InsO) an:
21"Maßnahmen der Zwangsvollstreckung einschließlich der Vollziehung eines Arrest oder einer einstweiligen Verfügung gegen den Schuldner werden untersagt, soweit nicht unbewegliche Gegenstände betroffen sind; bereits begonnene Maßnahmen werden einstweilen eingestellt."
22Mit Beschluss vom 13.10.2002 betreffend die Bestellung des vorläufigen Insolvenzverwalters wurde u.a. die o.a. Sicherungsanordnung nochmals wiederholt.
23Die Sachbearbeiterin der Vollstreckungsstelle des FA Frau L hat auf telefonische Anfrage des Berichterstatters mitgeteilt, dass das FA wegen der Forderungen aus den in den Verfahren 8 V 3326/02 E, Ki und 8 V 3789/02 G, U streitigen Bescheiden bisher nicht in Grundstücke (unbewegliche Gegenstände) vollstreckt habe. Dies sei auch zukünftig nicht beabsichtigt, da ihr keine Grundstücke bekannt seien, die das FA zum Gegenstand von Vollstreckungsmaßnahmen machen könne.
24Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Inhalt der Gerichtsakten sowie auf den Inhalt der vom FA vorgelegten Steuerakten Bezug genommen.
25Die AdV-Anträge sind wegen Wegfalls des Rechtsschutzbedürfnisses unzulässig geworden.
26Nach der Rechtsprechung des BFH fehlt das Rechtsschutzbedürfnis für einen AdV-Antrag, wenn der Steuerpflichtige während eines Konkursverfahrens AdV wegen einer Forderung begehrt, die bei Eröffnung des Konkursverfahrens bereits entstanden war, so dass deren Einzelzwangsvollstreckung während des Konkursverfahrens nicht mehr in Betracht kommt. Eine wie immer geartete "Vollziehung" wegen dieser Ansprüche, insbesondere eine Zwangsvollstreckung finde während der Dauer des Konkursverfahrens weder in das zur Konkursmasse gehörige noch in das sonstige Vermögen des Gemeinschuldners statt (§ 14 Konkursordnung -KO-). Die Durchsetzung derartiger Ansprüche sei vielmehr nur nach Maßgabe der Vorschriften der KO möglich (§ 12 KO). Die bereits vor der Konkurseröffnung "begründeten" Steuerforderungen würden lediglich ein Recht zur Teilnahme am Konkursverfahren gewähren (vgl. BFH-Urteil vom 27.11.1974 I 185/73 BStBl. II 1975, 208).
27Dasselbe gilt im Rahmen der ab 01.01.1999 in Kraft getretenen InsO. So bald das Insolvenzverfahren über das Vermögen des Steuerpflichtigen eröffnet worden ist, findet während eines Insolvenzverfahrens keine Vollstreckung in das zur Insolvenzmasse gehörige oder in das sonstige Vermögen des Gemeinschuldners statt (§ 89 Abs. 1 InsO). Die Durchsetzung derartiger Ansprüche gemäß § 87 InsO ist nur nach Maßgabe der Vorschriften der InsO möglich (vgl. BFH-Urteil vom 11.08.2000 1 S 5/00 BFH/NV 2001, 314).
28Im vorliegenden Fall ist zwar das Insolvenzverfahren über das Vermögen des Ehemannes (Ast.) noch nicht eröffnet worden. Wegen der bereits vor einem evtl. noch folgenden Eröffnungsbeschluss ergangenen o. a. Beschlüsse des Amtsgerichts N im Rahmen des Insolvenzeröffnungsverfahrens ist der Senat der Auffassung, dass das Rechtschutzbedürfnis des Ast. für die Gewährung der AdV bereits jetzt entfallen ist. Aus diesen Beschlüssen ergibt sich, dass das FA aus den in diesen Verfahren streitigen Steuerbescheiden nicht in das bewegliche Vermögen des Ast. vollstrecken kann. Eine Vollstreckung wäre allenfalls nach den o.a. Beschlüssen in unbewegliche Gegenstände (Grundstücke) möglich. Hierzu hat jedoch die Sachbearbeiterin der Vollstreckungsstelle des FA auf telefonische Anfrage mitgeteilt, dass das FA wegen der Forderungen aufgrund der in diesen Verfahren streitigen Bescheiden bisher nicht in Grundstücke (unbewegliche Gegenstände) vollstreckt habe. Dies sei auch zukünftig nicht beabsichtigt, da dem FA keine Grundstücke bekannt seien, die das FA zum Gegenstand von Vollstreckungsmaßnahmen machen könne.
29Aufgrund dieses Sachverhaltes ist jedenfalls zur Zeit eine Vollziehung der angegriffenen Bescheide gegenüber dem Ast. ausgeschlossen. Für die Beurteilung der Frage, ob eine bestimmte Sachurteilsvoraussetzung fehlt, ist grundsätzlich auf den Zeitpunkt der Beschlussfassung abzustellen (vgl. BFH-Beschluss vom 17.01.1985 VII B 46/84 BStBl. II 1985, 302 m.w.N.).
30Zwar kommt hier evtl. eine Vollstreckung gegenüber der Ehefrau als Gesamtschuldner gemäß § 44 Abgabenordnung (AO) hinsichtlich der Einkommensteuerbeträge in Betracht. Das Insolvenzeröffnungsverfahren bezieht sich nämlich nur auf das Vermögen des Ast.. Die Vollstreckungsbeschränkungen in den o.a. Beschlüssen des Amtsgerichts N beziehen sich demgemäß nur auf das Vermögen des Ast..
31Der Senat verneint aber ebenfalls das Rechtschutzbedürfnis für den AdV-Antrag der Antragstellerin (Astin.) hinsichtlich der in den streitigen Bescheiden festgesetzten Einkommensteuerbeträge für 1998 bis 2000. Denn es ist bisher nichts dafür ersichtlich, dass das FA überhaupt in das Vermögen der Ehefrau vollstrecken wird und will. Zwar hat die Ehefrau eigene Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit in Höhe von 42.550 DM (1998), 90.500 DM (1999) und 96.000 DM (2000). Sie hat aber ohne weiteres die Möglichkeit, gemäß § 268 AO zu beantragen, dass die Vollstreckung wegen der hier streitigen Einkommensteuerbeträge 1998 bis 2000 jeweils auf den Betrag beschränkt wird, der sich nach Maßgabe der §§ 269 bis 278 AO bei einer Aufteilung der Steuern ergeben würde. Da dem FA diese Möglichkeit bekannt ist, geht der Senat davon aus, dass das FA nicht wegen der von den Ast. angegriffenen streitigen Einkommensteuerbeträge 1998 bis 2000 in das Vermögen der Astin. vollstrecken wird. Die Verteilung der Einkommensteuer gemäß § 268 ff. AO wirkt als materiell-rechtliche Schranke, die jegliche Verwirklichung der Gesamtschuld über den auf den jeweiligen Ehegatten entfallenden Aufteilungsbetrag hinaus ausschließt (vgl. BFH-Urteil vom 12.06.1990 VII 69/89 BStBl. II 1991, 493 m.w.N.). Der Senat geht davon aus, dass die Astin. den auf sie entfallenden Teil der Einkommensteuerbeträge 1998 bis 2000 bereits durch den Lohnabzug erfüllt hat.
32Die Kostenentscheidung folgt aus § 135 Abs. 1 Finanzgerichtsordnung.
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