Urteil vom Finanzgericht Münster - 5 K4696/00 Kg
Tenor
Die Klage wird abgewiesen.
Die Kosten des Verfahrens trägt der Kläger.
1
G r ü n d e:
2I.
3Streitig ist, ob die Teilnahme am Ausbildungsprogramm der Organisation "Up with People" (UwP) als Berufsausbildung i.S. des Kindergeldrechts anzusehen ist.
4Der Kläger hat u.a. zwei Töchter, N und D, die beide am XX. YY. 1979 geboren sind.
5N nahm nach bestandener Abiturprüfung vom 15. Juli 1997 bis 30. Juni 1998 an einem einjährigen Ausbildungsprogramm von UwP im Ausland teil.
6UwP ist eine eigenständige, unpolitische und unreligiöse Gruppierung, die für Jugendliche aller Nationen von 17-25 Jahren ein einjähriges Ausbildungsprogramm mit dem Ziel der Verständigung aller Nationen und der interkulturellen Kommunikation anbietet. Inhalt dieses Programms ist, dass die Organisation in mehreren Gruppen mit jeweils 130-150 Mitgliedern zu über 80 Städten weltweit reist. Die Teilnehmer wohnen dabei in Gastfamilien. In jeder Stadt tritt die Gruppe mit einer zweistündigen musikalischen Familien-Unterhaltungsshow auf. Da die Gruppen keiner zentralen Organisation unterliegen, planen sie ihre Arbeit, ihre Reisen und die Aufenthalte einschließlich Unterbringung selbst. Darüber hinaus besuchen die Gruppenteilnehmer in den jeweiligen Städten Krankenhäuser, Kindergärten, Behinderten- und Altenheime, Gefängnisse, Schulen und weitere kommunale soziale Einrichtungen aller Art; zum Teil leisten sie in den sozialen Einrichtungen zudem auch kurzzeitig gemeinnützige Arbeit. Die von den Teilnehmern zu zahlenden Kosten (Teilnahmegebühr einschl. Reisekosten und Verpflegung und Unterkunft in den Gastfamilien) betrug 24.500,- DM.
7Am 1. Oktober 1998 begann N mit der Ausbildung zur Kinderkrankenpflegerin.
8Mit Bescheid vom 6. November 1998 lehnte der Beklagte (das Arbeitsamt - AA -) den Antrag des Klägers vom 6. Oktober 1998 auf Zahlung von Kindergeld für N für die Zeit von Juli 1997 bis einschließlich Juni 1998 ab. Zur Begründung führte es aus, N habe das 18. Lebensjahr vollendet gehabt und habe sich erst ab Juli 1998 in einer Berufsausbildung befunden, da die Teilnahme an dem Programm von UwP keine Berufsausbildung i.S. des Einkommensteuergesetzes (EStG) sei. Hiergegen legte der Kläger keinen Einspruch ein.
9Mit Bescheid vom 12. Januar 1999 hob das AA die Festsetzung des Kindergeldes für N mit Ablauf des Monats Dezember 1998 auf, da Ns Ausbildungsvergütung im darauf folgenden Jahr den Grenzbetrag von 13.020,- DM überstieg. Auch hiergegen legte der Kläger keinen Einspruch ein.
10D absolvierte nach bestandener Abiturprüfung eine Ausbildung zur Arzthelferin, die sie mit bestandener Prüfung am 8. Juni 1999 beendete. In der Zeit vom 15. Juli 1999 bis 30. Juni 2000 nahm sie ebenfalls an einem einjährigen Ausbildungsprogramm der UwP mit identischen Inhalten wie zuvor dargelegt teil. Im Anschluss hieran war sie weitere sechs Monate hauptamtlich für UwP tätig. Danach nahm sie eine Tätigkeit als Arzthelferin in einer Facharztpraxis auf.
11Mit Antrag vom 30. Dezember 1999, der beim AA am 21. Februar 2000 einging, beantragte der Kläger Kindergeld für seine Tochter D, seinen Sohn und eine weitere Tochter. Diesem Antrag entsprach das AA insoweit nicht, als es das Kindergeld für D und N mit Bescheid vom 15. März 2000 auf 0,- DM monatlich festsetzte. Zur Begründung führte es an, das Programm von UwP könne nicht als Berufsausbildung anerkannt werden, da es nicht auf ein bestimmtes Berufsziel ausgerichtet sei oder mit einem Berufsabschluss ende.
12Hiergegen hat der Kläger nach erfolglosem Einspruchsverfahren Klage erhoben. Er ist der Ansicht, bei dem von UwP durchgeführten Programm handele es sich sehr wohl um eine Berufsausbildung. Die Teilnahme hieran werde in den USA an Universitäten angerechnet. Die Organisation habe die Absicht, Jugendliche verschiedener Nationalitäten zusammen zu führen und dabei Kompetenz im persönlichen und sozialen Bereich zu erlernen und zu erhalten. Die erforderlichen und eingesetzten Techniken seien japanischen und amerikanischen Managementmethoden entnommen. Im Rahmen der Organisation UwP werde versucht, diese Grundsätze auf die Ausbildung zu übertragen. Die jeweiligen Teilnehmer hätten sich einer Aufgabe zu stellen, für die sie sich interessieren, der sie sich dann nicht mehr entziehen könnten. Um die Aufgabe zu bewältigen, seien die vorgenommenen Aufgaben zu planen. In der Regel finde eine Wochenplanung statt. Die Fertigkeiten sollten dann in Einzelaufgaben als auch in Gemeinschaftsaufgaben im experimentellen Lernen und im learning by doing erworben werden. Wegen der Einzelheiten wird auf das Einspruchsschreiben vom 12. April 2000 (Bl. 125 ff. Kg-Akte) und die Schriftsätze des Klägers vom 13. September 2000, 15. März 2001 und 30. Juli 2001 Bezug genommen.
13Der Kläger beantragt,
14den Bescheid des Beklagten vom 15. März 2000 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 30. Juni 2000 aufzuheben und das AA zu verurteilen, Kindergeld für die Kinder D und N weiterhin zu gewähren.
15Das AA beantragt,
16die Klage abzuweisen.
17Es ist der Ansicht, bezüglich des Kindergelds für N sei die Klage schon deswegen unbegründet, weil es den Kindergeldanspruch bereits mit Bescheid vom 6. November 1998 abgelehnt habe. Es seien keine neuen Beweismittel oder Tatsachen bekannt geworden, die eine Änderung des bestandskräftigen Bescheides rechtfertigen würden. Die erneute Nullfestsetzung stelle nur eine wiederholende Verfügung dar und besitze keinen Regelungsinhalt. Hinsichtlich des Kindergelds für D sei die Klage unbegründet, da die Teilnahme am Programm von UwP auch nach der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) nicht als Abschnitt einer Berufsausbildung gewertet werden könne, da ein bestimmtes Berufsziel nicht angestrebt werde. Anrechnungen auf Studienzeiten erfolgten nicht in allen Fällen, und seien dem Grunde und dem Umfang nach stets Einzelfallentscheidungen der Universitäten.
18II.
19Die Klage kann keinen Erfolg haben. Zu Recht hat das AA dem Kläger die Zahlung von Kindergeld im streitigen Umfang verweigert.
20Hinsichtlich des Begehrens des Klägers auf Zahlung von Kindergeld für seine Tochter N ist die Klage deshalb unbegründet, weil das AA einen entsprechenden Antrag für die Zeit von Juli 1997 bis einschließlich Juni 1998 durch bestandskräftigen Bescheid vom 6. November 1998 bereits abgelehnt hat. Der Kläger hat gegen diesen Bescheid weder Einspruch eingelegt, noch - entgegen seiner anderslautenden Behauptung im Klageverfahren - innerhalb der Rechtsbehelfsfrist in dieser Sache Unterlagen eingereicht, aus denen sich ergeben könnte, dass er mit dem Regelungsinhalt des Ablehnungsbescheids nicht einverstanden war. Neue Tatsachen oder Beweismittel, die eine Änderung des bestandskräftigen Bescheides rechtfertigen würden, sind ebenfalls nicht erkennbar.
21Für die Zeit ab Januar 1999 hat das AA die Festsetzung des Kindergeldes für N durch ebenfalls bestandskräftigen Bescheid vom 12. Januar 1999 aufgehoben, da deren Einkünfte und Bezüge den Grenzbetrag nach § 32 Abs. 4 Satz 2 EStG im nächsten Kalenderjahr überschritten. Zum einen hat der Kläger nicht dargelegt, dass sich Ns Einkünfte und Bezüge in der Folgezeit dergestalt ermäßigt hätten, dass der jeweils maßgebende Grenzbetrag unterschritten wurde und ein Anspruch auf Kindergeld für N daher wieder aufgelebt ist. Zum anderen folgt aus dem gesamten Vorbringen des Klägers im Vorverfahren und im Klageverfahren, dass er ausschließlich die Zahlung von Kindergeld für die Zeit der Teilnahme seiner Töchter an den Programmen der UwP begehrt.
22Die Klage ist ebenfalls unbegründet, soweit der Kläger die Zahlung von Kindergeld für seine Tochter D für die Zeit ihrer Teilnahme am vorbezeichneten Programm begehrt.
23Ein Kind, das - wie D im Streitzeitraum - das 18. Lebensjahr, jedoch noch nicht das 27. Lebensjahr vollendet hat, wird gemäß § 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 Buchstabe a EStG bei der Festsetzung von Kindergeld als Kind berücksichtigt, wenn es für einen Beruf ausgebildet wird. Dies war hinsichtlich der Teilnahme von D am Programm der UwP nicht der Fall.
24Nach zwischenzeitlich ständiger Rechtsprechung des BFH ist unter Berufsausbildung i.S. von § 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 Buchstabe a EStG die Ausbildung zu einem künftigen Beruf zu verstehen. Der Vorbereitung auf ein Berufsziel dienen danach alle Maßnahmen, bei denen es sich um den Erwerb von Kenntnissen, Fähigkeiten und Erfahrungen handelt, die als Grundlagen für die Ausübung des angestrebten Berufs geeignet sind (vgl. BFH-Urteil vom 16. April 2002 VIII R 58/01, BStBl II 2002, 523 m.w.N.).
25Dabei kommt es nicht darauf an, ob die Ausbildungsmaßnahme in einer Ausbildungs- oder Studienordnung vorgeschrieben ist oder -mangels solcher Regelungen- jedenfalls dem Erwerb von Kenntnissen und Fähigkeiten dienen muss, die für den angestrebten Beruf zwingend notwendig sind. Denn den Eltern und dem Kind kommt bei der Gestaltung der Ausbildung von Verfassungs wegen ein weiter Entscheidungsspielraum zu. Kindern muss daher zugebilligt werden, zur Vervollkommnung und Abrundung von Wissen und Fähigkeiten auch Maßnahmen außerhalb eines fest umschriebenen Bildungsgangs zu ergreifen. Unerheblich ist schließlich auch, ob die Ausbildungsmaßnahme Zeit und Arbeitskraft des Kindes überwiegend in Anspruch nimmt (vgl. BFH-Urteil vom 14. Januar 2000 VI R 11/99, BFHE 191, 50, BStBl II 2000, 199 m.w.N.).
26Dem gemäß weist auch eine planmäßige fremdsprachliche Ausbildung grundsätzlich den erforderlichen Bezug zu einem später auszuübenden Beruf auf. Dies gilt nicht nur im Rahmen einer schulischen Ausbildung (z.B. Fremdsprachenkurs im Ausland, Austauschprogramme), sondern auch im nachschulischen Bereich, da nach der Lebenserfahrung davon auszugehen ist, dass gute Fremdsprachenkenntnisse eine bessere Ausgangsposition für den Erwerb eines Ausbildungsplatzes und für das spätere berufliche Fortkommen schaffen (vgl. BFH-Urteil vom 9. Juni 1999 VI R 33/98, BFHE 189, 88, BStBl II 1999, 701).
27Allerdings ist dem Tatbestandsmerkmal "für einen Beruf ausgebildet wird" zu entnehmen, dass hierunter nicht jeder Auslandsaufenthalt zu fassen ist, der zu einer Verbesserung der Kenntnisse in der jeweiligen Landessprache, der sozialen Kompetenz und Persönlichkeitsbildung führt. Aufenthalte im Ausland können vielmehr nur dann als Berufsausbildung anerkannt werden, wenn sie entweder mit anerkannten Formen der Berufsausbildung verbunden (z.B. Besuch eines Colleges oder einer Universität) oder von einem theoretisch-systematischen Unterricht begleitet werden, der mit Rücksicht auf seinen Umfang den Schluss auf eine hinreichend gründliche Ausbildung rechtfertigt (vgl. für Sprachunterricht BFH-Urteil vom 19. Februar 2002 VIII R 83/00, BFHE 198, 192, BStBl II 2002, 469 m.w.N.).
28Diese Voraussetzungen sind im Streitfall nicht erfüllt.
29Zum einen befand sich D nicht mehr in der Ausbildung zu einem künftigen, von ihr angestrebten Beruf. Sie hatte ihre Ausbildung als Arzthelferin vor Beginn der Teilnahme am Programm von UwP bereits vollständig mit bestandener Prüfung abgeschlossen. Der Kläger hat weder vorgetragen, noch ist anderweitig erkennbar, dass D eine höhere Qualifikation in diesem Berufsbild anstrebte, oder den Wechsel in ein anderes Berufsbild plante, für das ihre Ausbildung als Arzthelferin und darauf aufbauend oder ergänzend die Teilnahme am Programm der UwP fördernd oder dienlich sein konnten. Nach Beendigung ihrer Tätigkeit bei UwP hat sie vielmehr eine - ihrer bereits zuvor abgeschlossenen Ausbildung entsprechende - Tätigkeit als Arzthelferin in einer Facharztpraxis aufgenommen. Sofern D aus ihrer Teilnahme am Programm von UwP insoweit Nutzen für ihre spätere Tätigkeit als Arzthelferin zu ziehen vermag, als diese Teilnahme ihre Gesamtpersönlichkeit und Selbständigkeit gefördert haben mag, kann dies nicht dazu führen, die Teilnahme am Programm der UwP als nach abgeschlossener Berufsausbildung fortgesetzte Ausbildung für ihren Beruf als Arzthelferin anzusehen.
30Zum anderen genügte ihre Teilnahme am Programm von UwP auch nicht den Anforderungen an eine hinreichend gründliche theoretisch-systematische Ausbildung im vorstehend dargelegten Sinne.
31Der Schwerpunkt der Betätigung innerhalb des Programms von UwP liegt nach den Angaben des Klägers und den vorgelegten Beschreibungen darin, im Rahmen des Zusammenlebens mit Gleichaltrigen aus unterschiedlichen Nationen und der Planung und Durchführung von Familien-Unterhaltungsshows an unterschiedlichen Orten in verschiedenen Ländern, den Teilnehmern zum einen das Leben und Arbeiten in größeren Gruppen zu vermitteln, sie mit verschiedenen Kulturen, Ländern und Lebensweisen bekannt zu machen, und sie zum anderen im Rahmen der aktiven Mitarbeit an den Projekten zum Bearbeiten der sich dabei ergebenden tatsächlichen Probleme aus dem Bereich des Marketing, der Betriebswirtschaft, Bühnentechnik, Werbung, Politik, Geschichte und Kommunikation anzuhalten. Darüber hinaus werden durch die Vorbereitungen und Durchführungen der Shows die Tanz- und Musikdarbietungsfähigkeiten der Teilnehmer verbessert.
32Diese Art der Zusammenfassung von gesellschafts- und sozialpolitischer Fortbildung, Steigerung der sozialen Kompetenz, der politischen und geschichtlichen Bildung und der Vermittlung von Problemlösungsstrategien auf den anderen vorgenannten Gebieten trägt zwar zu einer unbestreitbaren Verbesserung des Allgemeinwissens der Teilnehmer bei und bewirkt neben einer Persönlichkeitsentfaltung und positiven -entwicklung sicherlich auch eine Verbesserung der organisatorischen und kognitiven Fähigkeiten der Teilnehmer. Dies reicht jedoch nicht aus, um von dem Erfordernis einer systematisch und theoretisch fundierten Vervollkommnung der bereits vorhandenen Fähigkeiten abzurücken und das Programm als Berufsausbildung i.S. von § 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 Buchstabe a EStG anzusehen.
33Der Senat vermag nicht zu erkennen, ob und ggf. in welchem Umfang die vorgenannten Fähigkeiten der Teilnehmer des Programms der UwP systematisch und insbesondere theoretisch gefördert und verbessert wurden.
34Hinsichtlich der Systematik der Ausbildung hat der Kläger lediglich pauschal behauptet, die in dem Programm vermittelte Ausbildung folge amerikanischen und japanischen Managementmethoden. Hieraus, wie auch aus den weiteren Angaben des Klägers, den vorgelegten Bestätigungen und den im Internet erhältlichen Informationen über die Programme von UwP vermag der Senat jedoch nicht zu entnehmen, dass die Ausbildung innerhalb des Programms systematisch aufgebaut ist. Ein Curriculum ist ebenso wenig erhältlich, wie andere Angaben über Umfang und Inhalte der Ausbildung.
35Ebenso vermag der Senat den genannten Unterlagen und Angaben nicht zu entnehmen, dass und ggf. in welchem zeitlichen Umfang und mit welchen Inhalten theoretische Wissensvermittlungen innerhalb des Programms durchgeführt worden sind. Angaben hierzu fehlen vollständig. Eine Anerkennung des allgemeinbildenden Programms von UwP als Berufsausbildung im Sinne des Kindergeldrechts kommt daher nicht in Betracht.
36Die Kostenentscheidung folgt aus § 135 Abs. 1 der Finanzgerichtsordnung (FGO).
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