Urteil vom Finanzgericht Münster - 9 K 468/01 K,F
Tenor
Unter Änderung der Körperschaftsteuerbescheide 1995- 1997 vom 05.11.1999/26.11.1999 und der Bescheide für die Feststellung der Teilbeträge des verwendbaren Eigenkapitals gem. § 47 Abs. 1 KStG a.F. zum 31.12.1995 - 31.12.1997 vom 26.11.1999, wird die Körperschaftsteuer 1995 - 1997 dergestalt festgesetzt und die Teilbeträge des verwendbaren Eigenkapitals werden dergestalt festgestellt, dass die bislang angesetzten verdeckten Gewinn-ausschüttungen im Sinne des § 8 Abs. 3 KStG um 31.300 DM im Jahr 1995, um 7.800 DM im Jahr 1996 und um 6.300 DM im Jahr 1997 sowie die anderen Ausschüttungen i.S.d. § 27 Abs. 3 KStG um 31.300 DM im Jahr 1996 und um 7.800 DM im Jahr 1997 gemindert werden.
Die weitere Berechnung der festzusetzenden Steuern und festzustellenden Besteuerungsgrundlagen wird dem Beklagten übertragen.
Die Revision wird zugelassen.
Die Kosten des Verfahrens trägt der Beklagte.
Das Urteil ist wegen der Kostenentscheidung ohne Sicherheitsleistung vorläu-fig vollstreckbar. Der Beklagte kann die Vollstreckung durch Sicherheitslei-stung oder Hinterlegung in Höhe des Kostenerstattungsanspruchs der Klägerin abwenden, soweit nicht die Klägerin zuvor Sicherheit in derselben Höhe leistet.
1
G r ü n d e:
2I.
3Streitig ist, ob eine Nur - Tantieme als Geschäftsführergehalt des alleinigen Gesellschafters und Geschäftsführers steuerlich anzuerkennen ist.
4Alleiniger Gesellschafter und Geschäftsführer der Klägerin (Kl.) ist seit dem Jahre 1986 (wieder) *****************(A). Nach dem Geschäftsführeranstellungsvertrag vom 15.01.1990 sollte A eine reine gewinnabhängige Vergütung i.H.v. "50 % des Gewinns aus Gewerbebetrieb (vor Gewerbesteuer und Körperschaftsteuer)" erhalten.
5Die Kl. war ursprünglich im Verlags- sowie im Filmgeschäft tätig. In den Streitjahren erzielte sie ihre Umsätze ganz überwiegend durch Leistungen gegenüber der ******************************GmbH &Co. KG (A-KG). Für diese hatte sie aufgrund von Verträgen vom 19.01.1993 und 22.12.1993 die gesamte Werbung und Öffentlichkeitsarbeit übernommen.
6Gesellschafter der A-KG sind seit dem Jahre 1976 die A********-Beteiligungs-GmbH (Alleingesellschafter A) als Komplementärin und die Ehefrau des A als alleinige Kommanditistin. Geschäftsführer der Beteiligungs-GmbH und der A-KG ist A. Der zwischen diesem und der Beteiligungs-GmbH am 07.01.1988 abgeschlossene Geschäftsführervertrag sah ein Festgehalt von mtl. 6.000 DM (brutto) und eine Tantieme mit einem gestaffelten Satz zwischen 33 1/3 und 66 2/3 v.H. vor. Das Festgehalt wurde im Oktober 1991 auf mtl. 9.500 DM und im Januar 1992 auf mtl. 15.000 DM erhöht. Außerdem wurde A zum Jahreswechsel 1990/1991 eine Altersrente i.H.v. 8.000 DM zugesagt. Des Weiteren bezog A (zumindest in den Streitjahren) ein Weihnachtsgeld von rd. 7.500 DM und ab dem Jahr 1996 stand ihm ein PKW zur Privatnutzung zur Verfügung. Die A-KG stellt überwiegend *************her und erzielte in den Jahren 1995 bis 1997 Umsätze i.H.v. ca. 2,5 bis 2,9 Mio. DM. Die A zustehenden Tantiemen schwankten in den Jahren 1988 bis 1994 zwischen rd. 11.000 DM und 182.000 DM (durchschnittlich rd. 99.000 DM) und betrugen im Jahr 1995 347.000 DM, im Jahr 1996 269.000 DM und im Jahr 1997 211.730 DM. Unter dem Az. 14 K 2584/00 ist beim Finanzgericht Münster ein Klageverfahren anhängig, in dem zwischen der A-KG und dem beklagten FA um die Frage gestritten wird, ob A als Mitunternehmer der A-KG anzusehen ist.
7Die wirtschaftliche Situation der Kl. und die Höhe der von ihr an A gewährten Tantiemen ergibt sich aus den nachfolgenden Daten (gerundet):
81992 | 1993 | 1994 | 1995 | 1996 | 1997 | |||||
Umsatz | 466 TDM | 342 TDM | 220 TDM | 244 TDM | 264 TDM | 178 TDM | ||||
Jahresüber- schuss | 16.170 DM | ./. 7.534 DM | 12.566 DM | 13.212 DM | 3.272 DM | 14.285 DM | ||||
Tantieme | 44.800 DM | - | 27.084 DM | 31.300 DM | 7.800 DM | 6.300 DM |
Im Anschluss an eine Betriebsprüfung (Bp) für die Jahre 1995 bis 1997 vertrat der Beklagte (das Finanzamt - FA -) die Auffassung, dass die zwischen der Kl. und A vereinbarte Geschäftsführervergütung in Form einer Nur - Tantieme zu einer vGA im Sinne des § 8 Abs. 3 des Körperschaftsteuergesetzes (KStG) i.H.v. 31.300 DM im Jahr 1995, 7.800 DM im Jahr 1996 und 6.300 DM im Jahr 1997 führe. Im Zeitpunkt des Abflusses dieser Tantieme liege außerdem eine andere Ausschüttung im Sinne des § 27 Abs. 3 KStG a.F. vor (31.300 DM im Jahr 1996 und 7.800 DM im Jahr 1997). Gestützt auf § 164 Abs. 2 der Abgabenordnung (AO) erließ das FA mit Datum vom 05.11.1999 entsprechend geänderte Körperschaftsteuer (KSt)-Bescheide 1995 - 1997 und geänderte Bescheide über die Feststellung der Teilbeträge des verwendbaren Eigenkapitals (vEK) gem. § 47 Abs. 1 KStG zum 31.12.1995 bis 31.12.1997. Aufgrund geänderter Teilbeträge des vEK zum 31.12.1994 ergingen mit Datum vom 26.11.1999 gem. § 175 Abs. 1 Nr. 1 AO geänderte vEK-Bescheide zum 31.12.1995 bis 31.12.1997 und - insoweit ohne Änderung der Steuerfestsetzung und der Feststellungen nach § 47 Abs. 2 KStG - geänderte KSt-Bescheide 1995 - 1997.
10Die Kl. legte mit Schriftsatz vom 01.12.1999 Einspruch gegen die KSt-Bescheide 1995 - 1997 und die vEK-Bescheide zum 31.12.1995 bis 31.12.1997, jeweils vom 05.11.1999, Einspruch ein. Mit Schriftsatz vom 14.12.1999 legte sie nochmals Einspruch gegen die KSt-Bescheide 1995 - 1997 und die vEK-Bescheide vom 31.12.1994 bis 31.12.1997 ein, ohne nunmehr das Datum der Bescheide zu bezeichnen.
11Durch drei Einspruchsentscheidungen jeweils vom 02.01.2001 wies das FA die Einsprüche gegen die vEK-Bescheide zum 31.12.1995 - 1997 vom 05.11.1999, gegen die vEK-Bescheide zum 31.12.1995 bis 31.12.1997 vom 26.11.1999 und gegen die KSt-Bescheide 1995 - 1997 vom 05.11.1999 als unbegründet zurück. Dabei ging das FA verfahrensrechtlich davon aus, dass die KSt-Bescheide 1995 - 1997 vom 26.11.1999 lediglich den Regelungsinhalt der alten Bescheide wiederholten, so dass insoweit keine Änderungsbescheide im Sinne des § 365 Abs. 3 AO vorlägen. Der Einspruch vom 14.12.1999 sei hinsichtlich der KSt-Bescheide 1995 - 1997 deshalb lediglich als ergänzendes Vorbringen in dem bereits anhängigen Einspruchsverfahren zu werten.
12Materiellrechtlich nahm das FA weiterhin an, dass die Nur-Tantieme zu einer vGA führe. Ob eine vGA vorliege, sei nach der BFH-Rechtsprechung aufgrund eines Fremdvergleichs zu entscheiden. Dieser Fremdvergleich fordere auch die Einbeziehung des Vertragspartners der Kapitalgesellschaft. Die Vereinbarung einer Nur-Tantieme beruhe in der Regel auf gesellschaftlichen Überlegungen, weil ein fremder Dritter sich nicht auf das Risiko einlassen würde, keinerlei Bezüge aus dem Arbeitsverhältnis zu erhalten, wenn die Gesellschaft über Jahre Verluste erwirtschafte. Außerdem würde ein fremder Arbeitnehmer grundsätzlich auf monatlichen Zahlungen bestehen. Besondere Umstände, welche ausnahmsweise zur steuerlichen Anerkennung einer Nur-Tantieme führen könnten, lägen im Streitfall nicht vor. Des Weiteren fehle eine zeitliche Begrenzung der Nur-Tantieme, wie sie die BFH-Rechtsprechung für Gehaltsvereinbarungen fordere, die ihrer Art nach nur in Ausnahmefällen und nur zeitlich befristet steuerlich anzuerkennen seien. Ein fremder Dritter würde sich auch ausgehend von den tatsächlichen Verhältnissen des Streitfalles nicht auf eine Nur-Gewinntantieme eingelassen haben. Die Ertragsaussichten der Kl. hingen entscheidend vom Aufwand für die Betreuung der A-KG ab und seien deshalb von vornherein begrenzt gewesen. Zwar behaupte die Kl., dass die Geschäftsführungstätigkeit sehr unregelmäßig und zeitlich begrenzt gewesen sei. Angesichts der getroffenen Vereinbarung habe der Geschäftsführer jedoch gerade ein großes Interesse daran haben müssen, seine ganze Arbeitskraft (und Arbeitszeit) in das Geschäft zu investieren, da er ja (ausschließlich) am wirtschaftlichen Erfolg beteiligt gewesen sei. Schließlich hätte sich ein fremder Geschäftsführer selbst dann nicht auf die mit einer Nur-Tantieme verbundenen Risiken eingelassen, wenn er anderweitig finanziell abgesichert gewesen wäre. Die von der Kl. zitierten Entscheidungen des Finanzgerichts Hamburg vom 18.11.1998 (EFG 1999, 727) und des FG Brandenburg vom 08.10.1998 (DStRE 1999, 510) beträfen nicht vergleichbare Sachverhalte. Im Übrigen erscheine fraglich, ob die Tantiemezahlungen überhaupt korrekt ermittelt worden seien.
13Mit ihrer Klage begehrt die Kl. weiterhin, die Tantiemeaufwendungen als Geschäftsführervergütung zu berücksichtigen. Aufgrund der besonderen Umstände des Streitfalles halte die vereinbarte Nur-Tantieme einem Fremdvergleich stand. A sei nur unregelmäßig und in einem eher untergeordneten Umfang für die Kl. tätig geworden. Den ganz überwiegenden, nahezu ausschließlichen Teil seiner Arbeitszeit habe er - zumindest in den letzten 10 Jahren - für seine Geschäftsführertätigkeit bei der A-KG verwandt. Da ein Fixgehalt jedoch überlicherweise an eine regelmäßige, zeitlich in etwa konstante Tätigkeit anknüpfe, sei es sachgerecht gewesen, die nur sporadische und von Fall zu Fall ausgeübte Geschäftsführungstätigkeit für die Kl. durch eine Nur-Tantieme zu vergüten. Außerdem sei die Ertragssituation der Kl. zum Zeitpunkt der Vergütungsvereinbarung "nicht sehr rosig" gewesen (Verlust im Jahr 1989: 12.068,00 DM) und habe auch in den Folgejahre stark geschwankt (5 Verlustjahre in den letzten 13 Jahren; Ergebnisse zwischen ./. 23.852,00 DM im Jahr 2001 und + 32.423,00 DM im Jahr 1990). Die von der Kl. für die Jahre 1995 - 1997 gezahlten Tantiemen i.H.v. insgesamt 45.400,00 DM, d.h. durchschnittlich jährlich 15.000,00 DM, könnten keinenfalls als überhöhte Vergütung angesehen werden. Schließlich habe A. bei der A-KG ein angemessenes, seine Existenz sicherndes Festgehalt zuzüglich einer Gewinntantieme bezogen. Aufgrund dieser besonderen Gesamtumstände erschienen die Chancen und Risiken der Nur-Tantiemevereinbarung wirtschaftlich durchaus zwischen Anteilseigner und Geschäftsführer ausgeglichen.
14Soweit das FA die Berechnung der Tantieme beanstande, müsse berücksichtigt werden, dass bei Dauerschuldverhältnissen zu Auslegungszwecken auf die tatsächliche Übung ab dem Zeitpunkt zurückgegriffen werden könne, ab dem sie objektiv erkennbar nach außen in Erscheinung getreten sei. Bereits in den vergangenen Jahren sei die letztlich zu zahlende Tantieme bei der Ermittlung der Bemessungsgrundlage wieder hinzugerechnet worden.
15Die Kl. beantragt sinngemäß,
16unter Änderung der KSt-Bescheide 1995- 1997 vom 05.11.1999/26.11.1999 und der Bescheide für die Feststellung der Teilbeträge des verwendbaren Eigenkapitals gem. § 47 Abs. 1 KStG a.F. zum 31.12.1995 - 31.12.1997 vom 26.11.1999, die KSt 1995 - 1997 der Gestalt festzusetzen und die Teilbeträge des verwendbaren Eigenkapitals der Gestalt festzustellen, dass die bislang angesetzten vGA im Sinne des § 8 Abs. 3 KStG um 31.300 DM im Jahr 1995, um 7.800 DM im Jahr 1996 und um 6.300 DM im Jahr 1997 sowie die anderen Ausschüttungen i.S.d. § 27 Abs. 3 KStG um 31.300 DM im Jahr 1996 und um 7.800 DM im Jahr 1997 gemindert werden,
17hilfweise für den Fall des Unterliegens, die Revision zuzulassen.
18Das FA beantragt,
19die Klage abzuweisen,
20hilfsweise für den Fall des Unterliegens, die Revision zuzulassen.
21Zwar geht das FA nunmehr ebenfalls davon aus, dass die Höhe der Gesamtausstattung angemessen ist, die Bemessungsgrundlage der Tantieme durch die tatsächliche Handhabung klargestellt worden ist und die rechnerische Ermittlung der Tantieme von der Klägerin bis auf geringfügige Differenzen zutreffend ist. Die Vereinbarung der Nur-Tantieme ist jedoch nach Ansicht des FA aus den in der Einspruchsentscheidung dargelegten Gründen dem Grunde nach durch das Gesellschaftsverhältnis veranlasst und führe deshalb zu vGA. Ergänzend weist das FA daraufhin, dass die Kl. in den Streitjahren aus einer aktiven Tätigkeit Erlöse zwischen 177.000 DM (1997) und 264.000 DM (1996) erzielt habe und dies mit einem nicht unwesentlichen Arbeitsaufwand des A verbunden gewesen sein dürfte.
22Die Finanzgerichtsakte und die Steuerakten des Klageverfahrens vor dem FG Münster unter dem Az. 14 K 2584/00 wurden beigezogen.
23II.
24Die Klage ist begründet. Die dem alleinigen Gesellschafter und Geschäftsführer A gewährten Nur-Tantiemen führten weder zu vGA i.S. des § 8 Abs. 3 KStG noch zu anderen Ausschüttungen i.S. des § 27 Abs. 3 KStG a.F.
251. Unter einer vGA i.S. des § 8 Abs. 3 KStG ist bei einer Kapitalgesellschaft eine Vermögensminderung (verhinderte Vermögensmehrung) zu verstehen, die durch das Gesellschaftsverhältnis veranlasst ist, sich auf die Höhe des Einkommens auswirkt und in keinem Zusammenhang mit einer offenen Ausschüttung steht. Für den größten Teil der entschiedenen Fälle hat der Bundesfinanzhof (BFH) eine Veranlassung durch das Gesellschaftsverhältnis angenommen, wenn die Kapitalgesellschaft ihrem Gesellschafter einen Vermögensvorteil zuwendet, den sie bei Anwendung der Sorgfalt eines ordentlichen und gewissenhaften Geschäftsleiters einem Nichtgesellschafter nicht gewährt hätte (vgl. z.B. BFH-Urteil vom 24. April 2002 I R 18/01, BStBl II 2002, 671). Das kann aber auch dann der Fall sein, wenn eine Kapitalgesellschaft mit ihrem Gesellschafter eine an sich für sie günstige Vereinbarung trifft, ein gedachter Fremder aber einer solchen Vereinbarung nicht zugestimmt hätte (BFH-Urteil vom 27. März 2001 I R 27/99, BStBl II 2002, 111). Ist der begünstigte Gesellschafter ein sogenannter beherrschender, kann die Vermögensminderung auch dann ihre Ursache im Gesellschaftsverhältnis haben, wenn der Leistung an den Gesellschafter keine klare und von vornherein abgeschlossene und tatsächlich durchgeführte Vereinbarung zugrunde liegt (vgl. BFH, BStBl II 2002, 111). Eine vGA ist zugleich eine andere Ausschüttung i.S. des § 27 Abs. 3 KStG a.F., wenn die der Vermögensminderung entsprechenden Mittel bei der Kapitalgesellschaft abfließen.
26Von einer (Mit-)Veranlassung einer Tantiemevereinbarung durch das Gesellschaftsverhältnis ist auszugehen, wenn ein ordentlicher und gewissenhafter Geschäftsleiter einem Geschäftsführer, der kein Gesellschafter ist und auch keinem Gesellschafter nahe steht, keine entsprechende Tantiemezusage erteilt hätte. Daneben kommt die Annahme einer vGA i.S. des § 8 Abs. 3 Satz 2 KStG dann in Betracht, wenn die Tantiemezahlungen im Einzelfall bei Würdigung aller Umstände die wirtschaftliche Funktion einer Gewinnausschüttung haben (BFH, BStBl II 2002, 111). Besteht die Vergütung ausschließlich in einer Gewinntantieme (sog. Nur-Gewinntantieme), ist dies ein Indiz für die Mitveranlassung der Tantiemevereinbarung durch das Gesellschaftsverhältnis. Solche Vereinbarungen werden mit Fremdgeschäftsführern i.d.R. nicht abgeschlossen. Ein Fremdgeschäftsführer wird - anders als ein Gesellschafter - grundsätzlich nicht bewusst das Risiko eingehen, für seine Arbeitsleistung keine Vergütung zu erhalten. Ein ordentlicher und gewissenhafter Geschäftsleiter wird dies bei der Ausgestaltung der Tantiemevereinbarung berücksichtigen. Er wird sich nicht ausschließlich von dem Interesse der Gesellschaft an einer Minderung der Fixkosten leiten lassen, sondern auch auf das berechtigte Interesse des Geschäftsführers Rücksicht nehmen, für seine Dienste in Verlustjahren eine Mindestvergütung zu erhalten (BFH-Beschluss vom 18. März 2002 I B 156/01, BFH/NV 2002, 1178). Allerdings können besondere Umstände es rechtfertigen, dass auch die Vereinbarung einer Nur-Tantieme nicht als gesellschaftlich veranlasst anzusehen ist. Dazu muss nachprüfbar dargelegt werden, dass diese Vereinbarung für die Gesellschaft wirtschaftlich sachgerecht ist und sich auch ein Fremdgeschäftsführer auf sie eingelassen hätte (BFH, BFH/NV 2002, 1178). Diese Rechtsprechung ist mit dem Grundgesetz vereinbar (vgl. BVerfG, Kammerbeschluss vom 07.03.2002 I BvR 1563/01, DStZ 2002, 342).
272. Ausgehend von diesen Grundsätzen führte die Vereinbarung einer Nur-Tantieme im Streitfall nicht zur Annahme von vGA bzw. von anderen Ausschüttungen i.S. des § 27 Abs. 3 KStG a.F.
28Mit den Beteiligten geht der erkennende Senat davon aus, dass in den Streitjahren eine klare und eindeutige Tantiemevereinbarung vorlag, weil die Bemessungsgrundlage zumindest durch die tatsächliche Handhabung in den Vorjahren klargestellt worden ist.
29Die Vereinbarung von Geschäftsführerbezügen in Form einer Nur-Tantieme hält aufgrund der Besonderheiten des Streitfalls dem Grunde und der Höhe nach einem Fremdvergleich stand. Auch kann nicht davon ausgegangen werden, dass die Tantiemezahlungen wirtschaftlich nur die Funktion einer Gewinnausschüttung haben sollten.
30Nach dem Sachvortrag der Kl., dem Verhältnis der Geschäftsführerbezüge des A für seine Tätigkeit bei der Kl. und bei der A-KG, einem Vergleich des Umsatzes/Gewinns der Kl. und des Umsatzes/Gewinns der A-KG und der Art der Tätigkeit der Kl. (zumindest ab dem Jahr 1993 ganz überwiegend Werbeleistungen für die A-KG) ist der erkennende Senat in der mündlichen Verhandlung zu der Überzeugung gelangt, dass A in den Jahren 1992 bis 1994 und in den Streitjahren 1995 bis 1997 jeweils (deutlich) weniger als 10 v.H. seiner Arbeitskraft für die Kl. einsetzen musste und eingesetzt hat und mehr als 90 v.H. seiner Arbeitskraft auf seine Tätigkeit für die A-KG entfällt. Diese gleichbleibenden Verhältnisse waren bereits Ende 1993, Anfang 1994 absehbar, also in dem Zeitraum, in dem die ursprüngliche Gehaltsvereinbarung aus dem Jahr 1990 spätestens zu überprüfen war (vgl. zur Überprüfungspflicht BFH-Urteil vom 5. Oktober 1994 I R 50/94, BStBl II 1995, 549). Unter den vorgenannten Umständen konnte A seine Arbeitskraft weit überwiegend anderweitig zur Erzielung von Einkünften einsetzen. Stellt sich eine Geschäftsführertätigkeit aber - wie hier - als bloße geringfügige Nebentätigkeit dar, weil der Geschäftsführer weniger als 10 v.H. seiner Arbeitskraft für diese Tätigkeit einsetzen muss, würde auch ein Fremdgeschäftsführer den mit einer Nur-Gewinntantieme verbundenen Verzicht auf regelmäßige monatliche Gehaltszahlungen und das Risiko, in Verlustjahren kein Gehalt zu beziehen, in Kauf nehmen, wenn er aufgrund der wirtschaftlichen Verhältnisse in den Vorjahren mit einer angemessenen Vergütung in den Folgejahren rechnen kann (vgl. auch BFH in BFH/NV 2002, 1178 zu einer auf zehn Wochenstunden bemessene Tätigkeit, die allerdings auf die Aufbauphase des Unternehmens begrenzt war). Im Streitfall schwankte zwar die Höhe der Tantiemen innerhalb eines Rahmens von 0 DM bis 44.800 DM erheblich, doch bestand keine Veranlassung, von einer längeren Verlustperiode der Kl. auszugehen. Bis auf das Jahr 1993 erzielte die Klägerin im Zeitraum 1992 bis 1997 (und auch in den Jahren 1990/1991) stets Gewinne (durchschnittliche Tantiemen bezogen auf die Jahre 1992 bis 1994 rd. 24.000 DM jährlich und bezogen auf die Streitjahre 1995 bis 1997 rd. 15.000 DM jährlich).
31Die Vereinbarung der Nur-Tantieme widersprach auch nicht den Interessen der Kl. Insbesondere führte die Nur-Gewinntantieme nicht zu einer Gewinnabsaugung durch den Alleingesellschafter. Mit den Beteiligten geht der erkennende Senat davon aus, dass die Gesamtausstattung des A (in Höhe der gezahlten Tantiemen) der Höhe nach angemessen war. Unter diesen Umständen war es für die Kl. wirtschaftlich vorteilhaft, eine Vergütung nur in Abhängigkeit von erzielten Gewinnen zahlen zu müssen.
32Die vorgenannten Umstände rechtfertigten die Vereinbarung einer Nur-Tantieme auch ohne zeitliche oder betragsmäßige Begrenzung. Derartige Begrenzungen waren wirtschaftlich nicht geboten, weil nach der Art der Tätigkeit der Kl. und den Erfahrungswerten der vorausgegangenen Jahre weder mit hohen Erträgen der Kl. noch damit zu rechnen war, dass A seine Arbeitskraft künftig zu mehr als 10 v.H. für die Kl. einsetzen würde (vgl. auch BFH in BFH/NV 2002, 1178 zur Frage der betragsmäßigen Begrenzung; a.A. möglicherweise BMF-Schreiben vom 1. Februar 2002, BStBl I 2002, 219 zur Frage der zeitlichen Befristung). Der erkennende Senat weicht mit dieser Beurteilung nicht von den Rechtsgrundsätzen ab, die dem BFH-Urteil in BStBl II 2002, 111 zugrunde liegen. Der hier zu beurteilende Sachverhalt ist nicht vergleichbar mit den Fällen, in denen ein Geschäftsführer während einer Aufbauphase oder während einer wirtschaftlichen Krise der Gesellschaft seine Arbeitskraft vollständig oder zumindest zu einem wesentlichen Teil der Kapitalgesellschaft unter Vereinbarung einer Nur-Tantieme zur Verfügung stellt. In einer derartigen Situation würde ein Fremdgeschäftsführer eine Vergütung in Form einer Nur-Tantieme allenfalls zeitlich befristet akzeptieren, und zwar sowohl wegen des Umfangs seiner zeitlichen Tätigkeit wie wegen des in derartigen Ausnahmesituationen besonders hohen Risikos, unter Umständen überhaupt keine Vergütung zu erhalten.
33Selbst wenn der geringe zeitliche Umfang einer Tätigkeit und die begründete Erwartung von Tantiemezahlungen allein nicht als ausreichenden Grund für die Vereinbarung einer Nur-Tantieme anzusehen sein sollte, sondern außerdem anderweitige existenzsichernde Einkünfte des Gesellschafter-Geschäftsführers verlangen wollte, wäre diese - vom erkennenden Senat nicht für erforderlich gehaltene - zusätzliche Voraussetzung im Streitfall erfüllt. A bezog für seine Tätigkeit bei der A-KG seit dem Jahr 1992 ein monatliches Festgehalt i.H.v. 15.000 DM (in den Jahren 1990/1991: 6.000 DM bzw. 9.500 DM DM) und erhielt daneben (u.a.) erhebliche Tantiemen (1992 bis 1994 durchschnittlich rd. 155.000 DM jährlich, 1995 bis 1997 durchschnittlich rd. 276.000 DM jährlich). Bereits die vorgenannten Festgehälter waren ausreichend, um einen angemessenen Lebensunterhalt des A und seiner Ehefrau sicherzustellen. Auf die weitergehende Frage, ob eine Nur-Tantieme stets bereits dann einem Fremdvergleich standhält, wenn ein Gesellschafter-Geschäftsführer für zwei verbundene Unternehmen tätig ist und mit der einen eine Nur-Tantieme und mit der anderen ein (existenzsicherndes) Festgehalt vereinbart (wohl bejahend FG Nürnberg, Entscheidung vom 17. Januar 2001 III R 113/1999, DStRE 2001, 787 zu einem Anstellungsvertrag mit einem Angehörigen der beherrschenden Gesellschafter einer Personengesellschaft; Brass, BB 2002, 1724; a.A. BMF-Schreiben vom 1. Februar 2002, BStBl I 2002, 219), kommt es im Streitfall wegen der zeitlich nur geringfügigen Tätigkeit des A für die Kl. nicht an.
343. Die Berechnung der festzusetzenden Steuern bzw. der festzustellenden Besteuerungsgrundlagen wird gemäß § 100 Abs. 2 Satz 2 der Finanzgerichtsordnung (FGO) dem FA übertragen.
35Die Kostenentscheidung folgt aus § 135 Abs. 1 FGO.
36Die Nebenentscheidungen beruhen auf § 155 FGO i.V.m. §§ 709, 711 der Zivilprozessordnung.
37Die Revision war wegen grundsätzlicher Bedeutung und zur Fortbildung des Rechts zuzulassen (§ 115 Abs. 2 Nr. 1 und Nr. 2 Alt. 1 FGO).
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