Urteil vom Finanzgericht Münster - 15 K 5495/98 U, 15 K 5496/98 U
Tenor
Unter Änderung der Umsatzsteuer-Änderungsbescheide 1991 bis 1994 in der Fassung der Einspruchsentscheidung vom 24.07.1998 und des Umsatzsteuer-Änderungsbescheides 1995 in der Fassung der Einspruchsentscheidung vom 20.07.1998 werden die Umsatzsteuer 1991 auf 608.996,67 DM, die Umsatzsteuer 1992 auf 555.591,85 DM, die Umsatzsteuer 1993 auf 555.099,96 DM, die Umsatzsteuer 1994 auf 546.926,62 DM und die Umsatzsteuer 1995 auf 464.387,90 DM festgesetzt.
Die Kosten des Verfahren trägt das Finanzamt.
Das Urteil ist wegen der Kostenentscheidung ohne Sicherheitsleistung
vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des Kostenerstattungsanspruchs der Klägerin abwenden, soweit nicht die Klägerin zuvor Sicherheit in derselben Höhe leistet.
1
Tatbestand:
2Streitig ist, ob die mit einer Bade-Sauna-Freizeit-Anlage erzielten Umsätze dem ermäßigten Umsatzsteuer-(USt)-Satz unterliegen und ob der Erlass der USt-Änderungsbescheide zulässig ist.
3Die Klägerin (Klin.) betreibt in A****************die "**********Therme" (Therme), laut Eigenwerbung ein "Bade-Sauna-Freizeit-Paradies, in dem Freizeitträume wahr werden". Die Therme ist jährlich an 363 Tagen jeweils von 9 Uhr bis 23 Uhr für Besucher gegen Zahlung eines nach Personenzahl und Verweildauer gestaffelten Eintrittsgeldes - laut Preisprospekt einschließlich Saunanutzung - geöffnet. In der Erlebnishalle befinden sich ein großes, mit 30 Grad warmem Thermalwasser gespeistes Wasserbecken mit Wasserfall und Wasserorgel, Liegemulden mit Sprudeldüsen, Sitzbänke mit Massagedüsen, Strömungskreisel, vier Warmwassersprudelbecken sowie ein 25-m Becken mit Sprungturm und ein Ausschwimmkanal zum ganzjährig betriebenen Außenschwimmbecken. Auf der Dachterrasse wird ein Schwimmbecken und ein großer Ruhebereich mit Liegemöglichkeiten angeboten. In der Erlebnishalle gibt es auf drei Ebenen eine Saunawelt mit finnischen Saunakabinen, Dampfbad, Eukalyptus-Inhalation, Bio-Saunarium, zwei gemäß Preisprospekt gesondert entgeltpflichtige Salzwasser-Schwebebäder, eine finnische Block-Sauna, Warmsprudel-Bäder, die im Freien um ein Kalt-Tauchbecken ergänzt werden. In der Halle besteht zusätzlich ein Jugendbereich mit je einer nicht gesondert entgeltpflichtigen Doppelrutsche von 150 m bzw. 70 m Länge, Jumps und Lichteffekten sowie einer Disko-Tanzfläche am Strömungskreisel, eine Spielzone mit Tischfußball und Geschicklichkeitsspielen sowie eine Kleinkinderzone mit Babybecken, Spielgeräten, Rutsche und Kinderkino.
4Den Schwimm- und Saunabereichen sind in der Erlebnishalle verschiedene Restaurants und Bars, Geschäfte für Bademoden und Badebedarf sowie Dienstleistungsunternehmen wie Massagepraxis, Kosmetikinstitut, Friseur und Sonnenbänke angegliedert, deren Angebote bzw. Dienste gesondert entgeltpflichtig sind. Das "****-Restaurant" ist auch ohne Entrichtung eines Eintritts für die Therme über eine Außentreppe erreichbar.
5In der Halle befindet sich das vom Kleinkinderbereich zugängliche "***********"- Fitnesscenter. Der Sportpädagoge *********(B.) betreibt das Fitnesscenter seit 1989 in von der Klin. gemieteten Räumen auf eigene Rechnung, nachdem nach Eröffnung der Therme der gesamte Sport- und Fitnessbereich zunächst von Angestellten der Klin. betrieben wurde. Gemäß § 2 b und c des Vertrages vom 24.07.1989 mit der Klin. war B. verpflichtet, während der Öffnungszeiten jederzeit ein kostenloses Probe-Training unter sachkundiger Anleitung zu gewährleisten und täglich mindestens eine Trocken- und eine Wassergymnastik für die Besucher der Therme anzubieten. Ein Flyer des (Fittnes-Center) bot gegen monatliche Clubbeiträge, mit denen auch die Bad- und Saunabenutzung abgegolten werde, täglich bzw. mehrfach wöchentlich Wasser-, Früh- und Wirbelsäulengymnastik, Stretching und verschiedene Formen von Aerobic an.
6Für die Streitjahre fand im Jahr 1997 eine USt-Sonderprüfung (Sp, Bericht vom 10.06.1997) statt, nachdem das Finanzamt für Großbetriebsprüfung ********für die Jahre 1990 bis 1993 mit Verfügung vom 21.11.1994 von einer Außenprüfung bei der Klin. abgesehen hatte. Laut Vermerk des Sonderprüfers über eine von ihm am 30.01.1997 durchgeführte Ortsbesichtigung war der Fitnessbereich für die Besucher der Therme frei zugänglich. Die vorhandenen Glaseingangstüren zum Fitnesscenter waren unverschlossen und der Prüfer traf keine die Zugangsberechtigung zum Fitnessbereich kontrollierende Aufsicht an. Die rechts im Eingangsbereich des Fitnesscenters gelegene Theke mit Rezeption und Bar war nicht besetzt. Laut Aktenvermerk fehlte ein Hinweis auf eine gesonderte Entgeltspflicht für die Nutzung der Fitnessgeräte und bestätigte der bei der Ortsbesichtigung anwesende Betriebsleiter der Therme, der Zeuge B*****, dass die Angebote des Fitnesscenters allen Besuchern der Therme ohne Entrichtung eines gesonderten Entgeltes zur Verfügung ständen, dass aber der Fitnessraum überwiegend durch die Mitglieder des (Fitness-Center) genutzt werde, die an B. einen Mitgliedsbeitrag entrichteten, den der B. der Regelversteuerung unterwerfe. In seiner informatorischen Anhörung vom 25.11.2003 in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat erläuterte der Prüfer seinen Vermerk vom 30.01.1999 dahingehend, dass die Räume des Fitnesscenters in zwei Bereiche unterteilt gewesen seien. Er habe allein den vorderen, frei zugänglichen Teil besichtigt, in dem nur einfache Geräte, beispielsweise ein Fahrrad, gestanden hätten. Den hinteren größeren Teil, in dem der B. sein Fitnesscenter betrieben habe und in dem die von B. eingesetzten "eigentlichen qualifizierten" Fitnessgeräte gestanden hätten, habe er nicht besichtigt.
7Der Prüfer vertrat in seinem Bericht vom 10.06.1997 die Auffassung, dass die Klin. den Besuchern gegenüber keine unmittelbar mit dem Betrieb eines Schwimmbades verbundene Umsätze nach § 12 Abs. 2 Nr. 9 Umsatzsteuergesetz (UStG) erbringe, weil die Besucher für ihr Eintrittsgeld u.a. auch die Angebote des "(Fittnes-Center)" nutzen könnten. Folglich seien die Umsätze aus dem Thermenbetrieb dem Regelsteuersatz zu unterwerfen (Bericht Tz.10).
8Abweichend von den USt-Erklärungen erließ das beklagte Finanzamt (FA) daraufhin am 12.09.1997 für 1991 und 1992 und am 30.06.1997 für 1993 bis 1995 USt-Änderungsbescheide.
9Gegen die Änderungsbescheide legte die Klin. mit der Begründung Einspruch ein, dass sie an ihre Besucher gegen Zahlung eines Pauschaleintritts nur steuerbegünstigte Hauptleistungen erbracht habe, nämlich den Betrieb eines Schwimmbades und die Verabreichung von Heilbädern (Sauna). Entgegen dem Sp-Bericht hätten die Besucher der Therme nur gegen gesondertes Entgelt bzw. als Mitglied des (Fitness-Center) dessen Räume und Angebote nutzen können. Bei nicht besetzter Rezeption sei der Zugang zu den Fitnessgeräten durch eine Kette und ein Hinweisschild versperrt gewesen, dass der Zugang nur für Mitglieder des (Fitness-Center) erlaubt sei. Zwar sei theoretisch eine kostenlose Mitbenutzung der Fitnessgeräte durch die Besucher der Therme möglich; praktisch werde dies aber durch eine ständige Kontrolle der Besucher verhindert. Die Geräte könnten und dürften nicht mit nasser Badekleidung benutzt werden. Die Trockengymnastik sei für Clubmitglieder kostenfrei und Nichtmitglieder könnten an einer Kursstunde teilnehmen, sofern sie Interesse an einer Clubmitgliedschaft bekundeten und in der Kursstunde genügend Freiplätze vorhanden seien, während in allen anderen Fällen von den Nichtmitgliedern je Übungsstunde ein Entgelt von zur Zeit 5 DM erhoben werde. Für die Nutzung der im (Fittnes-Center) aufgestellten Bauch- und Rückenbänke sowie eines Rudergerätes werde Nichtmitgliedern eine Nutzungspauschale von zur Zeit 5 DM berechnet und auf deren Erhebung nur verzichtet, wenn der (Fitness-Center) ein Schnupper- bzw. ein Probetraining mit dem Ziel der Mitgliederwerbung durchführe. Lediglich vier auf engstem Raum im vorderen Bereich aufgestellte, aber nur sehr selten genutzte Standardgeräte seien ohne Prüfung der Verwendungsberechtigung nutzbar. Es liege im Interesse des B., auf das Entgelt für das Probetraining zu verzichten, falls der Teilnehmer ernsthaft an einem Eintritt in den (Fittnes-Center) interessiert sei.
10Bei einer erneuten Ortsbesichtigung im Einspruchsverfahren war das Fitnesscenter durch zwei nicht abgeschlossene Türen zugänglich. Im Zeitpunkt der Besichtigung um circa 9.40 Uhr waren weder die Rezeption besetzt noch ein Übungsleiter anwesend und erst ab 10 Uhr beaufsichtigten Mitarbeiter des (Fittnes-Center) den Fitnessbereich. Zur Raumaufteilung innerhalb des Fitnesscenters dienten in Holz-Stahlrohrkonstruktion gefertigte verschiebbare Trennelemente. In dem nichtabgetrennten Bereich des Fitnesscenters befand sich ein Sportgerät. Der Zugang zu dem hinteren Bereich war durch ein Tau abgesperrt, an dem ein Stopp-Schild mit dem Hinweis angebracht war, dass dieser Zugang nur für Mitglieder des (Fittnes-Center)s gestattet sei. Auf einer Tafel wurde ein Probetraining für 5 DM angeboten bzw. auf die Möglichkeit eines kostenlosen Probetrainings hingewiesen. Laut Auskunft des Geschäftsführers habe der Prüfer bei seiner Ortsbesichtigung im Januar 1997 die Verbots- und Hinweisschilder übersehen.
11Der Einspruch blieb erfolglos. Das FA legte in der Einspruchsentscheidung (EE) vom 24.07.1998 betreffend die USt 1990 bis 1994 und in der EE vom 20.07.1997 betreffend die USt 1995 dar, dass die Klin. den Besuchern der Therme gegen Zahlung eines Entgelts die Möglichkeit eingeräumt habe, die angebotenen Einrichtungen einschließlich des Fitnesscenters zu benutzen. Nach den unwiderlegten Feststellungen der Prüfer im Rahmen des Ortstermins vom 10.01.1997 sei für die Angebote im Fitnesscenter kein gesondertes Entgelt erhoben worden. In welchem Umfang die Besucher der Therme das Fitnessangebot genutzt hätten, sei unerheblich. Die Änderung der Steueranmeldungen für 1991 bis 1993 sei zulässig. Bei der Klin. habe vor der in 1997 durchgeführten USt-Sp keine anderweitige Betriebsprüfung für die Jahre 1991 bis 1993 stattgefunden.
12Mit ihren hiergegen erhobenen, zur gemeinsamen Verhandlung und Entscheidung verbundenen Klagen begehrt die Klin. die Besteuerung ihrer Leistungen an die Thermenbesucher mit dem ermäßigten Steuersatz mit folgender Begründung: Sie betreibe ein freizeitorientiertes Gesundheitsbad, in dem sie für einen als "Eintritt" bezeichneten Pauschalpreis die Nutzung verschiedener Schwimmbecken und Saunen anbiete. Zusätzlich könnten die Besucher die auf dem Gelände von Dritten angebotenen Leistungen gegen ein gesondertes, an die Anbieter zu zahlendes Entgelt in Anspruch nehmen. Zu den Drittunternehmern gehöre auch der B. mit seinen im Fitnesscenter (Fittnes-Center) erbrachten Leistungen. Soweit am 30.01.1997 ein abweichender Sachverhalt festgestellt worden sei, sei dieser unzutreffend. Es sei zwar nicht auszuschließen, dass im Zeitpunkt der Besichtigung der Fitnessbereich von der Therme aus frei zugänglich gewesen sei, weil die Glasabschlusstür zwar geschlossen, aber nicht abgeschlossen gewesen sei; das bedeute aber nicht, dass die Besucher der Therme die Einrichtungen des Fitnesscenters ohne Zahlung eines gesonderten Entgelts nutzen könnten. Die vom Prüfer anlässlich der Ortsbesichtigung vermerkte Erklärung des Betriebsleiters der Therme sei missverständlich wiedergegeben worden. Dessen Aussage, dass die Thermenbesucher den Fitnessbereich mitbenutzten, sei so zu verstehen, dass die Besucher diesen Bereich nur gegen Zahlung des von B. geforderten Entgeltes nutzen könnten. Das Angebot eines Schnuppertrainings könne nicht mit einem allgemeinen Angebot an die Besucher der Therme gleichgesetzt werden, alle Angebote des Fitnesscenters kostenlos mitzubenutzen. Das Fitnesscenter spiele vom Umfang seiner Nutzung her nur eine untergeordnete Rolle. Während sich im Schwimmbadbereich gleichzeitig bis zu 1.000 Personen aufhalten könnten, böten die Räume des Fitnesscenters gleichzeitig höchstens 30 Personen Platz. Selbst wenn die Klin. die im Fitnesscenter erbrachten Leistungen ohne gesondertes Entgelt und in eigenem Namen an die Thermennutzer ausgeführt hätte, handele es sich um Nebenleistungen, die das rechtliche Schicksal der steuerbegünstigten Hauptleistungen teilten. Auf Grund des gewandelten Freizeitverhaltens der Bevölkerung sei ein Schwimmbad nur dann überlebensfähig zu betreiben, wenn es neben der Hauptleistung "Schwimmen und Wasserspringen" weitere Nebenleistungen anbiete. Da bereits vor der USt-Sp eine Außenprüfung stattgefunden haben, sei der Erlass der Änderungsbescheide für die Jahre 1991 bis 1993 unzulässig. Dass nach dieser Außenprüfung die Vorbehalte der Nachprüfung nicht aufgehoben worden seien, sei unerheblich. Das FA müsse sich so behandeln lassen, als wenn es die Vorbehalte der Nachprüfung aufgehoben habe.
1314
Die Klin. beantragt,
15unter Änderung der USt-Änderungsbescheide 1991
16bis 1994 in der Fassung der EE vom 24.07.1998
17und des USt-Änderungsbescheides 1995 in der Fassung
18der EE vom 20.07.1998 die USt 1991 auf 608.996,67
19DM, die USt 1992 auf 555.591,85 DM, die USt 1993
20auf 555.099,96 DM, die USt 1994 auf 546.926,62 DM
21und die USt 1995 auf 464.387,90 DM herabzusetzen,
22hilfsweise, die Revision zuzulassen.
23Das FA beantragt,
24die Klage abzuweisen
25hilfsweise, die Revision zuzulassen.
26Der Senat hat Beweis erhoben durch Vernehmung des Zeugen B************. Wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme bzw. der informatorischen Anhörung des Prüfers C*********wird auf die Sitzungsniederschrift vom 25.11.2003 verwiesen.
27Entscheidungsgründe:
28Die Klage ist begründet.
29Die angefochtenen Bescheide sind rechtswidrig und verletzen die Klin. in ihren Rechten, § 100 Abs. 1 Satz 1 Finanzgerichtsordnung (FGO).
30I.) Dem Erlass der angefochtenen Änderungsbescheide standen zwar keine verfahrensrechtlichen Hindernisse entgegen. Die Änderungsbefugnis ergab aus § 164 Abs. 2 Abgabenordnung 1977 (AO). Als die angefochtenen Bescheide ergingen, standen die Steueranmeldungen Steuerfestsetzungen unter dem Vorbehalt der Nachprüfung gleich (§ 168 Satz 1 AO). Ein Vorbehalt der Nachprüfung entfällt erst im Zeitpunkt seiner ausdrücklichen Aufhebung, die bis zur Änderung der Steuerfestsetzungen nicht erfolgt war. Auch der Grundsatz von Treu und Glauben stand dem Erlass der Änderungsbescheide nicht entgegen. Ob bereits vor der in 1997 durchgeführten USt-Sp eine Außenprüfung für die Jahre 1991 bis 1993 stattgefunden hat, ist ebenso ein unerheblicher Umstand wie die Annahme der Klin., das FA werde vor Erlass der streitigen Bescheide den Vorbehalt der Nachprüfung aufheben. Ein bestehender Vorbehalt der Nachprüfung verhindert das Entstehen eines für die Bindung an Treu und Glauben erforderlichen Vertrauenstatbestandes. Soweit das FA seine eventuell bestehende Pflicht zur Aufhebung des Vorbehalts nicht erfüllte, hätte die Klin. auf die Erfüllung dieser Pflicht durch entsprechende Anträge einschließlich der Erhebung einer Verpflichtungsklage hinwirken können (vgl. zum Ganzen BFH in BFH/NV 1995, 938 Ziffer 2).
31II.) Die angefochtenen Bescheide sind jedoch materiell rechtswidrig. Die von der Klin. an die Besucher der Therme gegen Zahlung des Pauschalentgelts erbrachten Leistungen unterliegen der Besteuerung mit dem ermäßigten Steuersatz. Nach § 12 Abs. 2 Nr. 9 UStG ermäßigt sich die Steuer auf sieben vom Hundert für die unmittelbar mit dem Betrieb von Schwimmbädern verbundene Umsätze sowie für die Verabreichung von Heilbädern.
32Die Klin. hat entgegen der Ansicht des Bekl. keine einheitliche Leistung eigener Art ausgeführt, auf die der allgemeine Steuersatz anzuwenden ist. Die mit dem Betrieb eines Schwimmbades und der Verabreichung von Heilbädern einschließlich Saunabädern (BFH in BFH/NV 1999, 992; vgl. auch BFH in BFH/NV 2002, 824) erzielten Umsätze stellen nur dann eine einheitliche und nicht aufteilbare Leistung dar, wenn sie wirtschaftlich zusammengehören und als ein Ganzes anzusehen sind. Dazu müssen die einzelnen Leistungen so aufeinander abgestimmt sein, dass sie bei natürlicher Betrachtungsweise ein selbständiges Drittes im Sinne eines einheitlichen wirtschaftlichen Vorgangs bilden. Eine einheitliche wirtschaftliche Betrachtungsweise ist nicht zwingend allein schon durch eine zivilrechtliche Verknüpfung der Leistungen geboten (BFH in BStBl II 1994, 959; in BStBl II 2001, 78 = BFH/NV-V 2001, 131; in BFH/NV 1999, 992). Der Betreiber eines Freizeitzentrums erbringt dann einheitliche, der Regelbesteuerung unterliegende Leistungen und keine unmittelbar mit dem Betrieb des Schwimmbades verbundene Umsätze und verabreicht keine Heilbäder, wenn er gegen das Pauschalentgelt seinen Besuchern außer Schwimmbad und Sauna noch weitere, nicht von § 12 Abs. 2 Nr. 9 UStG erfasste Leistungen zur Verfügung stellt. Durch die Vorhaltung verschiedener Angebote einschließlich der nichtsteuerbegünstigten in ihrer Gesamtheit zur Nutzung nach eigener Wahl durch die Besucher und ohne Rücksicht auf deren tatsächliche Inanspruchnahme bietet der Unternehmer eine Dienstleistung eigener Art von besonderem Spaß- und Freizeitgestaltungswert, die allein auf der Breite der Auswahlmöglichkeiten beruht und bei der die einzelne Nutzungsmöglichkeit in den Hintergrund tritt. Nur ein solches (einheitliches) Leistungsangebot überschreitet den in § 12 Abs. 2 Nr. 9 Satz 1 UStG gesetzten Rahmen, der aus gesundheitspolitischen Zwecken eine Begünstigung der mit dem Betrieb von Schwimmbädern unmittelbar zusammenhängenden Umsätze bzw. der Verabreichung von Heilbädern an Privatleute bezweckt (vgl. FG München in EFG 1998, 417, bestätigt durch BFH in BFH/NV 1999, 1523; Birkenfeld, Das Große USt-Handbuch Band II § 147 Rz. 30 und 31; Offerhaus/Söhn/Lange UStG, § 12 Abs. 2 Nr. 9 Rdn. 20). Bietet der Unternehmer hingegen lediglich eine kombinierte Schwimmbad- und Saunabenutzung an, liegen unter Beachtung des mit § 12 Abs. 2 Nr. 9 UStG verfolgten Zwecks der Gesundheitsfürsorge für die Bevölkerung der Steuerbegünstigung unterfallende Leistungen vor. Unerheblich ist, ob für die Schwimmbad- und/oder die Saunanutzung ein einheitliches Pauschalentgelt gezahlt wird. Die aufgrund dieser Preisgestaltung verbundene wirtschaftliche Verknüpfung der einzelnen Teile des Leistungspaketes macht aus dem Angebot noch kein selbständiges Drittes im Sinne eines einheitlichen wirtschaftlichen Vorganges, weil die verschiedenen Teile des Pakets eindeutig von einander abgrenzbar sind und auch getrennt angeboten werden können. Der Nutzer dieses Pakets kann sich gegen Zahlung eines Pauschalentgeltes lediglich eine Auswahl zwischen "Schwimmen und Sauna" erkaufen. Unabhängig von der anders lautenden Werbung für ein solches Angebot vermittelt eine solche nur beschränkte Auswahlmöglichkeit keinen besonderen, über die Nutzung eines Schwimmbades bzw. einer Sauna hinausgehenden Freizeitgestaltungswert. Dieser Bewertung steht nicht entgegen, dass es sich im Streitfall nicht um ein "schlichtes" Schwimmbad mit Sauna, sondern um ein - wie im Tatbestand wiedergegeben - modern ausgestattetes Schwimmbad mit Sauna handelt.
33Für den von der Klin. erhobenen Eintritt stand den Besuchern nur eine Schwimmbad- bzw. Saunanutzung zu und sie konnten zusätzlich an der laut Vertrag vom 24.07.1989 von B. kostenlos anzubietenden Trocken- und Wassergymnastik teilnehmen bzw. ohne Überprüfung ihrer Nutzungsberechtigung die im Vorderbereich des Fitnesscenters aufgestellten einfachen Fahrräder und dergleichen in Gebrauch nehmen. Diese Zusatzangebote rechtfertigen aber nicht die vom FA vertretene Annahme, dass die Klin. eine der Regelbesteuerung unterliegende Leistung erbracht habe, wobei dahinstehen kann, ob nach der Verkehrsauffassung die Klin. oder der B. diese Leistungen in eigenem Namen und für eigene Rechnung erbracht hat. Selbst wenn die Klin. diese Leistungen an die Besucher erbracht haben sollte, handelte es sich um das Schicksal der Hauptleistung - Schwimmbad- und Saunabetrieb - teilende Nebenleistungen. Nach der geänderten Rechtsprechung des BFH (in BStBl II 2003, 378) ist eine Leistung dann eine Nebenleistung zu einer Hauptleistung, wenn sie aus der Sicht des Durchschnittsverbrauchers für den Leistungsempfänger keinen eigenen Zweck hat, sondern lediglich das Mittel darstellt, die Hauptleistung unter optimalen Bedingungen in Anspruch zu nehmen. Die Gymnastik bzw. die Gerätenutzung ermöglichten den Besuchern höchstens ein Kreislauf- bzw. Konditionstraining nur geringen Umfangs mit dem Ziel, im Schwimmbad bzw. in der Sauna eine Ertüchtigung ihres Körpers bzw. die Stärkung ihrer Gesundheit unter optimierten Bedingungen betreiben zu können. Die im Vorraum aufgestellten wenigen Geräte dienten nach der überzeugenden Aussage des Zeugen B******der Kundenwerbung für den Fitnessclub des B., waren aber für ein Fitnesstraining, wie es im eigentlichen von B. betriebenen Fitnesscenter angeboten wurde, nicht geeignet. Auch die Nutzung der Doppelrutschen stellt nach den vorgenannten Grundsätzen die Inanspruchnahme einer Nebenleistung zu der steuerbegünstigten Hauptleistung der Klin. dar.
34Die Annahme einer von der Klin. erbrachten einheitlichen Leistung, auf die der allgemeine Steuersatz anzuwenden wäre, ist darüber hinaus auch nicht wegen der Nutzungsmöglichkeit des Fitnesscenters gerechtfertigt. Aufgrund des Ergebnisses der Beweisaufnahme steht zur Überzeugung des Senats nämlich fest, dass es sich bei den Angeboten im Fitness-Center (Fittnes-Center) um von B. auf eigene und für eigene Rechnung angebotene Dienstleistungen handelte, die nicht mit dem von der Klin vereinnahmten Eintrittsgeld abgegolten waren. Der Zeuge B******hat insoweit in Übereinstimmung mit der vom Prüfer in der mündlichen Verhandlung gemachten Aussage bekundet, dass der (Fittnes-Center) in gesonderten, durch eine Zugangstür abgetrennten Räumen untergebracht und dass die Räume des (Fittnes-Center) wiederum durch eine Absperrung in zwei Teile unterteilt waren, wobei im größeren, hinteren Teil die nur unter Aufsicht des B. nutzbaren "eigentlichen" Fitnessgeräte standen, während sich im vorderen, erheblich kleineren Teil nur einfache Geräte wie ein Fahrrad zur aufsichts- und entgeltlosen Benutzung befanden. Ergänzend hat der Zeugen bekundet, dass B. aus eigenwirtschaftlichen Interessen und haftungsrechtlichen Überlegungen (Unfallgefahr durch Gerätenutzung in nasser Badekleidung und Kostenlast für die Beseitigung von Wasserlachen in den Räumen des Fitnessclubs) seine Dienste nur gegen ein an ihn zu entrichtendes Entgelt angeboten habe und daran interessiert gewesen sei, dass nur zahlende Gäste in Sportkleidung die zur Nutzung unter Aufsicht bzw. nach Einweisung vorgehaltene Geräte in Gebrauch nahmen bzw. das übrige Angebot des Fitnesscenters nutzten und dass durch eine möglichst lückenlose Kontrolle allen übrigen Besuchern der Therme die Nutzung der Fitnessgeräte und der sonstigen Angebote des Fitnessclubs verwehrt wurde. Wie es für das Publikum auf der Hand liegt, dass in einer Freizeiteinrichtung die Nutzung der Restaurants und der von Drittunternehmern vorgehaltenen Angebote nicht in dem an den Betreiber der Anlage gezahlten Eintritt enthalten ist, geht jeder Besucher einer Freizeiteinrichtung als selbstverständlich davon aus, dass die Angebote eines in der Einrichtung betriebenen und in gesonderten Räumen untergebrachten Fitnesscenters gesondert entgeltpflichtig sind. Nach der vom FA nicht in Abrede gestellten glaubhaften Aussage des Zeugen wurde im Streitfall zudem jeder Besucher bereits am Eingang der Therme durch gesonderte Preisaushänge für die Benutzung der Therme einschließlich Sauna einerseits und für die Nutzung der in den Räumen des (Fittnes-Center) angebotenen Dienstleistungen andererseits darüber aufgeklärt, dass nicht die Klin., sondern der B. die in den Räumen des Fitness-Treffs vorgehaltenen Dienstleistungen anbot und dass die im Fitnessstudio gemachten Angebote nicht mit dem für die Thermennutzung geschuldeten Eintrittspreis bezahlt waren. Nachvollziehbar ist die vom Zeugen geschilderte Handhabung der Preisfindung des B. gegenüber den an einem Probetraining Interessierten. Solchen Interessenten musste der B. nicht den für eine Clubmitgliedschaft geschuldeten vollen Mindestbeitrag berechnen. Die entfernte verwandtschaftliche Beziehung des Zeugen zum Geschäftsführer der Klin. gibt dem Senat keinen Anlass, der Aussage des Zeugen nicht zu folgen, weil sie in sich schlüssig und folgerichtig ist. Zudem hat der Zeuge seine im Vermerk des Prüfers vom 30.01.1997 niedergelegte Aussage in für den Senat nachvollziehbarer Weise erläutert hat. Er hat glaubhaft bekundet, seine Aussage sei dahingehend zu verstehen, dass der B. den an einer Probenutzung Interessierten entsprechend dem verminderten Nutzungsumfang nur ein reduziertes Entgelt berechnet bzw. ein kostenloses Training ermöglicht habe. Auch das FA hat die Richtigkeit der Aussagen des Zeugen nicht (substantiiert) in Abrede gestellt. Soweit das FA die Anwendung des Regelsteuersatzes mit dem Ergebnis der Außenprüfung zu rechtfertigen versucht, vermag der Senat dem nicht zu folgen. Dem Prüfungsbericht kommt kein Beweiswert zu, nachdem sich bei der informatorischen Anhörung des Prüfers in der mündlichen Verhandlung am 25.11.2003 herausgestellt hat, dass die im Bericht dokumentierten Ermittlungsergebnisse auf einer völlig unvollständig durchgeführten Ortsbesichtigung des Prüfers und der daraufhin unterbliebenen Aufklärung des Sachverhaltes hinsichtlich der Frage beruhen, welcher Anbieter - die Klin. oder der B. - in den Streitjahren welche Dienstleistungen gegen welches (Zusatz-)Entgelt angeboten hat.
35Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 Finanzgerichtsordnung.
36Die Revision war nicht zuzulassen, weil der Senat einen Einzelfall ohne grundsätzliche Bedeutung unter Beachtung der BFH-Rechtsprechung entschieden hat.
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Referenzen
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