Urteil vom Finanzgericht Münster - 8 K 7113/01 F
Tenor
Die Einspruchsentscheidung vom 04.12.2001 wird aufgehoben.
Unter Änderung des Einkommensteuerbescheides vom 13.10.2003 wird die Einkommensteuer für 1999 auf 0,00 DM herabgesetzt.
Unter Änderung des Bescheides zum 31.12.1999 über die gesonderte Feststellung des verbleibenden Verlustabzuges zur Einkommensteuer vom 30.01.2001 in der Fassung der geänderten Bescheide vom 13.05.2002, 20.03.2003, 28.08.2003 und 13.10.2003 wird der verbleiben-de Verlust auf 428.238,00 DM festgestellt.
Die Kosten des Verfahrens trägt der Beklagte.
Das Urteil ist wegen der Kostenentscheidung ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte kann die Vollstreckung durch Si-cherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des Kostenerstattungsan-spruchs des Klägers abwenden, soweit nicht der Kläger zuvor Sicher-heit in derselben Höhe leistet.
1
T a t b e s t a n d :
2Zu entscheiden ist, ob dem Kläger (Kl.) ein im Jahre 1999 erzielter Veräußerungsgewinn steuerfrei zu belassen ist, den er aus dem Verkauf seiner Anteile an einer Kapitalgesellschaft erzielt hat, oder ob dieser Veräußerungsgewinn steuerpflichtig ist, weil der Gesetzgeber die für die Steuerpflicht maßgebende Grenze einer wesentlichen Beteiligung (§ 17 Einkommensteuergesetz -EStG-) ab dem Veranlagungszeitraum 1999, dem Streitjahr, von bisher 25 v. H. auf 10 v. H. herabgesetzt hat.
3Die Kl. werden gemeinsam zur Einkommensteuer veranlagt. Der Kl. war bis in das Jahr 1999 hinein Anteilseigner der "A AG". Bis Mitte August 1998 betrug sein Anteil 18,5 %. Durch Verkäufe von Aktien reduzierte sich dieser Anteil zu diesem Zeitpunkt, also noch im Jahre 1998, auf 8 %. Mit Vertrag vom 16.02.1999 veräußerte der Kl. seine verbliebenen 93.000 Aktien an der genannten Gesellschaft für 930.000,00 DM an seine Ehefrau. Seine Anschaffungskosten hatten 465.000,00 DM betragen, so dass ein Veräußerungsgewinn in Höhe von 465.000,00 DM entstand.
4Der Beklagte (Bekl.) hatte zunächst die Einkommensteuer für das Jahr 1999 mit Bescheid vom 23.06.2000 im Wesentlichen antragsgemäß festgesetzt. Infolge eines Verlustvortrages aus dem Jahre 1998 betrug die Einkommensteuer zum damaligen Zeitpunkt 0,00 DM. In der Folgezeit ergingen am 25.07.2000 und 30.01.2001 geänderte Einkommensteuerbescheide, mit denen die Einkommensteuer jeweils bei 0,00 DM verblieb, jedoch die Berechnungsgrundlagen zur Einkommensteuer geändert worden waren. Im Rahmen des dazu erfolgten Schriftwechsels hatte der Kl. den Veräußerungsvorgang angezeigt, der erstmalig in den Besteuerungsgrundlagen für die Einkommensteuerfestsetzung vom 30.01.2001 seinen Niederschlag gefunden hatte. Ein Einspruchsverfahren gegen die Einkommensteuerfestsetzung wurde durch Rücknahme des Einspruches im November des Jahres 2001 abgeschlossen.
5Mit Bescheid vom 30.01.2001 hatte der Bekl., ausgehend von einem verbleibenden Verlustabzug zum 31.12.1998, auch einen verbleibenden Verlustabzug zum 31.12.1999 festgestellt. Das hiergegen gerichtete Einspruchsverfahren, mit dem der Kl. eine Erhöhung des verbleibenden Verlustabzuges zum 31.12.1999 erstrebte, weil er den Gewinn aus der Veräußerung der Aktien nicht als steuerpflichtig ansah, war ohne Erfolg. Mit Einspruchsentscheidung vom 04.12.2001 wurde der Einspruch als unbegründet zurückgewiesen.
6Mit der daraufhin erhobenen Klage verfolgt der Kl. sein Begehren weiter.
7Im Rahmen des Klageverfahrens ergingen am 13.05.2002 und am 20.05.2003 geänderte Bescheide zur Feststellung des verbleibenden Verlustes zum 31.12.1999. Ferner war am 20.02.2003 auch ein geänderten Einkommensteuerbescheid aus anderen Gründen erlassen worden, mit dem die Einkommensteuerfestsetzung jedoch bei 0,00 DM verblieb.
8Aufgrund weiterer Änderungen von Beteiligungseinkünften ergingen am 28.08.2003 und 13.10.2003 weitere Änderungsbescheide zur Einkommensteuer 1999, die unter denselben Daten wiederum geänderte Bescheide zum 31.12.1999 über die gesonderte Feststellung des verbleibenden Verlustes zur Einkommensteuer nach sich zogen. Die geänderten Einkommensteuerbescheide für 1999 beließen die Einkommensteuer nicht mehr bei 0 DM, sondern setzten sie auf 3.094,34 DM (Bescheid vom 28.08.2003) bzw. 1.404,01 DM (Bescheid vom 13.10.2003) fest. Dementsprechend wurden mit den Verlustfeststellungsbescheiden vom 28.08.2003 und 13.10.2003 die verbleibenden Verlustabzüge zum 31.12.1999 auf jeweils 0 DM festgestellt.
9Die Kl. hatten gegen den geänderten Einkommensteuerbescheid vom 28.08.2003, der in seinen Erläuterungen u. a. den Hinweis enthält, dass "das laufende Klageverfahren gegen den Verlustfeststellungsbescheid auf den 01.01.1999" durch diese Festsetzung nicht erledigt sei, zunächst Einspruch eingelegt. Diesen Einspruch haben sie am 13.10.2003 zurückgenommen, nachdem der Bekl. den telefonischen Hinweis gegeben hatte, die Frage der Steuerpflicht des Veräußerungsgewinnes sei bereits beim Finanzgericht anhängig, so dass ein Einspruch nicht notwendig sei. Gegen den Einkommensteueränderungsbescheid für 1999 vom 13.10.2003 wurde zunächst kein Einspruch eingelegt. Auf Antrag des Kl. wurde der Einkommensteueränderungsbescheid für 1999 vom 13.10.2003 jedoch von der Vollziehung ausgesetzt. Mit Schriftsatz vom 30.03.2004 hat der Bevollmächtigte der Kl. nunmehr gegen den Einkommensteuerbescheid vom 13.10.2003 ausdrücklich Einspruch eingelegt und Wiedereinsetzung beantragt.
10Die Kl. meinen, dass nicht nur die geänderten Bescheide zur Feststellung des verbleibenden Verlustes nach § 68 FGO Gegenstand des vorliegenden Klageverfahrens geworden seien, sondern auch die beiden Änderungsbescheide vom 28.08.2003 und 13.10.2003 zur Einkommensteuer 1999, mit denen erstmals eine Steuer festgesetzt worden ist, die mehr als 0 DM beträgt. Auf die formelle Rücknahme des Einspruches gegen den Bescheid vom 28.08.2003 komme es daher nicht an. Hilfsweise müsse jedoch auch insoweit und bzgl. des Einkommensteueränderungsbescheides vom 13.10.2003 Wiedereinsetzung gewährt werden. Der Bekl. habe durch sein Verhalten signalisiert, dass über die Frage der Steuerpflicht des Veräußerungsgewinnes nach § 17 EStG im anhängigen Klageverfahren noch zu entscheiden sei. Einsprüche seien daher aus damaliger Sicht nicht notwendig gewesen. Wegen der dadurch offenen Einkommensteuerfestsetzung für 1999 könne damit in jedem Fall auch im Rahmen des Verfahrens zur Feststellung des verbleibenden Verlustes trotz formell positiver Einkommensteuerfestsetzung für 1999 noch entschieden werden.
11Zur Frage der Versteuerung des Gewinnes aus der Beteiligung verweist der Kl. im Wesentlichen darauf, dass zum Zeitpunkt der gesetzlichen Herabsetzung der Wesentlichkeitsgrenze im Sinne des § 17 EStG mit Wirkung zum 01.01.1999 eine wesentliche Beteiligung an der Gesellschaft nicht mehr bestanden habe. Ein Veräußerungsgewinn dürfe daher steuerlich nicht erfasst werden. Das ergebe sich zum Einen direkt aus dem Wortlaut des § 17 Abs. 1 EStG, wonach ein Veräußerungsgewinn nur dann steuerpflichtig ist, wenn der Anteilseigner zu dem nach dem jeweiligen Zeitpunkt geltenden Recht wesentlich beteiligt ist. Zum Anderen würde die gegenteilige Auffassung, die Wesentlichkeitsgrenze auf frühere Zeiträume auszudehnen, einen Verstoß gegen das verfassungsrechtliche Rückwirkungsverbot darstellen. Wegen weiterer Einzelheiten wird auf die Klageschrift vom 21.12.2001 und die Schriftsätze an das Gericht und den Bekl. vom 30.03.2004 Bezug genommen.
12Der Kl. beantragt, die Einspruchsentscheidung vom 04.12.2001 aufzuheben sowie unter Änderung des geänderten Bescheides vom 13.10.2003 zur Einkommensteuer 1999 die Einkommensteuer auf 0,00 DM herabzusetzen und unter Änderung des Bescheides über die gesonderte Feststellung des verbleibenden Verlustabzuges zur Einkommensteuer zum 31.12.1999 vom 30.01.2001 in der Fassung der geänderten Bescheide vom 13.05.2002, 20.02.2003 und 28.08.2003 und 13.10.2003 den verbleibenden Verlust zum 31.12.1999 auf 428.238,00 DM festzustellen, die Hinzuziehung eines Bevollmächtigten für das Vorverfahren für notwendig zu erklären und hilfsweise, die Revision zuzulassen.
13Der Bekl. beantragt, die Klage abzuweisen, hilfsweise, die Revision zuzulassen.
14Er meint, neben den geänderten Bescheiden zur Feststellung des verbleibenden Verlustabzuges seien auch die Änderungsbescheide zur Einkommensteuer 1999 vom 28.08.2003 und 13.10.2003 Gegenstand des Klageverfahrens geworden. Die Festsetzung einer positiven Einkommensteuer sei an die Stelle des bis dahin allein streitigen Bescheides zum 31.12.1999 über die Feststellung des verbleibenden Verlustes getreten (§ 68 FGO). Zur materiell-rechtlichen Seite trägt er im Wesentlichen vor, dass nach der geänderten Wesentlichkeitsgrenze in § 17 EStG, die ab dem 01.01.1999 gilt, von einer wesentlichen Beteiligung des Kl. ausgegangen werden müsse. Zwar sei die Beteiligung des Kl. im Streitjahr 1999 mit 8 Prozent nominell unter der neuen Wesentlichkeitsgrenze (Relevanzschwelle) von 10 %. Dieses sei jedoch nicht entscheidend, denn nach dem Gesetzeswortlaut sei eine wesentliche Beteiligung auch dann gegeben, wenn der Veräußerer innerhalb der letzten 5 Jahre mit mindestens 10 v. H. am Stammkapital der Gesellschaft beteiligt gewesen sei. Dieses treffe für den Kl. zu, denn seine Beteiligung habe bis Mitte August 1998 18,5 % betragen. Wegen des Gesetzeswortlautes sei es, unerheblich dass diese Beteiligung danach, noch vor der Gesetzesänderung, auf unter 10 % abgesenkt worden sei. Wegen weiterer Einzelheiten wird auf die Ausführungen in der Einspruchsentscheidung vom 04.12.2001 verwiesen.
15Im Übrigen wird auf die die Bescheide zur Einkommensteuer 1999, die Bescheide zum 31.12.1999 über die Feststellung des verbleibenden Verlustabzuges und auf die Niederschrift über die mündliche Verhandlung vom 31.03.2004 Bezug genommen.
16E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e :
17Die Klage ist zulässig und begründet.
18Zu Recht gehen die Beteiligten davon aus, dass der Bescheid vom 28.08.2003 zur Änderung der Einkommensteuerfestsetzung für 1999 auf einen Betrag, der größer als 0 DM ist, ohne ein weiteres Vorverfahren Gegenstand des vorliegenden Klageverfahrens geworden war (§ 68 FGO). Da der Einkommensteueränderungsbescheid für 1999 vom 13.10.2003 an die Stelle des Bescheides vom 28.08.2003 getreten ist, ist dieser Bescheid (ebenfalls) nach § 68 FGO Gegenstand der gerichtlichen Prüfung.
19Damit kann auch über die streitige materiell-rechtliche Frage zu § 17 FGO sowohl bei der Überprüfung der Einkommensteuerfestsetzung für 1999 als auch bei der Überprüfung der Rechtmäßigkeit des unter Berücksichtigung des § 68 FGO zuletzt geltenden Bescheides vom 13.10.2003 über den verbleibenden Verlustabzugs zum 31.12.1999 entschieden werden. Die Rechtsprechung (vgl. BFH-Urteil vom 09. Dezember 1998 IX R 62/97, BFHE 187, 523, BStBl. II 2000, 3), nach der keine Feststellung eines verbleibenden Verlustes mehr erfolgen kann, wenn eine Einkommensteuerfestsetzung für das betreffende Jahr mit einem positiven Gesamtbetrag der Einkünfte nicht mehr änderbar ist, steht daher der Überprüfung des Bescheides vom 13.10.2003 über die Feststellung des verbleibenden Verlustabzuges zum 31.12.1999 nicht entgegen. Hinsichtlich des letztgenannten Bescheides würde das im Übrigen auch dann geltend, wenn man die Einkommensteuerfestsetzung für 1999 nicht nach § 68 FGO als Gegenstand des Klageverfahrens ansieht, denn auch in diesem Fall wäre die Einkommensteuerfestsetzung für 1999 noch als offen anzusehen.
20Entgegen der Auffassung des Bekl. ist jedoch der Veräußerungsgewinn aus dem im Jahre 1999 durchgeführten Verkauf der Beteiligung des Kl. an der "Gesellschaft für Kommunalleasing AG" kein steuerpflichtiger Gewinn im Sinne des § 17 EStG, denn der Kl. war kein wesentlicher Beteiligter im Sinne des § 17 EStG. Die Herabsetzung der Wesentlichkeitsgrenze (Relevanzschwelle) ab dem 01.01.1999 auf 10 v. H. begründet im Streitfall bei verfassungskonformer Auslegung dieser Neuregelung keine Steuerpflicht für den Gewinn des Kl., weil er auch zuvor unter Geltung der bisherigen Wesentlichkeitsgrenze (Beteiligung von mehr als 25 v. H.) kein wesentlich Beteiligter dieser Gesellschaft war. Die Einkommensteuerfestsetzung für 1999 und die Feststellung des verbleibenden Verlustabzuges zum 31.12.1999, die von der gegenteiligten Rechtsauffassung ausgehen, verletzen den Kl. daher in seinen Rechten (§ 100 Abs. 1 Satz 1 FGO).
21I.
22Die Klage ist zulässig.
23Das betrifft nicht nur die Anfechtung der Feststellung des verbleibenden Verlustabzuges zum 31.12.1999, sondern auch die Anfechtung der Einkommensteuerfestsetzung für 1999. Unerheblich ist, dass hinsichtlich der Einkommensteuerfestsetzung für 1999 ein außergerichtliches Vorverfahren fehlt, denn die Zulässigkeit ergibt sich insoweit aus § 68 FGO.
24Nach § 68 FGO wird der neue Verwaltungsakt Gegenstand des Verfahrens, wenn der angefochtene Verwaltungsakt nach Bekanntgabe der Einspruchsentscheidung geändert oder ersetzt wird. Die Begriffe Änderung und Ersetzung sind weit auszulegen. Diese Auslegung hat sich am Sinn des § 68 FGO zu orientieren (vgl. Tipke-Kruse, Kommentar zur Abgabenordnung und zur Finanzgerichtsordnung, Stand: November 2003, § 68 FGO, Tz. 11 und Gräber, 5. Aufl., Kommentar zur Finanzgerichtsordnung 2002, § 68 FGO, Tz. 60). § 68 FGO soll verhindern, dass der Kl., der einen Änderungs- oder Ersatzbescheid während des Klageverfahrens erhält, sich erneut in das außergerichtliche Rechtsbehelfsverfahren begeben muss. Die Regelung stellt für den Kl. eine Schutznorm dar. Die Finanzbehörde soll nicht durch Ersetzen oder Änderung bewirken können, dass der Kl. aus dem gerichtlichen Verfahren gedrängt wird und zum verfahrensrechtlichen Ausgangspunkt (außergerichtliches Vorverfahren) zurückkehren muss. Darüber hinaus dient die Regelung der Verfahrensvereinfachung, -konzentration und -beschleunigung (vgl.Tipke-Kruse, § 68 FGO, Tz. 3). Eine Ersetzung oder Änderung des angefochtenen Verwaltungsaktes kann dann angenommen werden, wenn dieselbe Steuersache durch beide Verwaltungsakte betroffen ist - diese Voraussetzungen sind hier auch durch die im Klageverfahren ergangenen Änderungsbescheide vom 13.05.2002, 20.05.2003, 28.08.2003 und 13.10.2003 zur Feststellung des verbleibenden Verlustabzuges zum 31.12.1999 erfüllt. Ausreichend ist aber auch, dass die Regelungsbereiche zweier Verwaltungsakte teilweise identisch sind (vgl. Gräber, § 68 FGO, Tz. 75).
25Im Streitfall ersetzen die Einkommensteuerfestsetzungen vom 28.08.2003 und 13.10.2003 den bis dahin angefochtenen Bescheid über die Feststellung des verbleibenden Verlustabzuges zum 31.12.1999 vom 30.01.2001 in der Fassung der geänderten Bescheide vom 13.05.2003 und 20.02.2003 teilweise - die danach ergangenen Änderungsbescheide vom 28.08.2003 und 13.10.2003 treten dann gemäß § 68 FGO wiederum an die Stelle des vorher ergangenen Bescheides. Zwar ist der vordergründige Regelungsbereich der Einkommensteuerfestsetzung die Festsetzung der Steuerschuld. Grundlage dieser Festsetzung sind aber die Besteuerungsgrundlagen, u. a. der Gesamtbetrag der Einkünfte. Dieser kann wiederum Auswirkungen auf die Verlustfeststellung nach § 10 d EStG haben.
26Zwar gilt das nicht für einen Einkommensteuerbescheid, der eine Einkommensteuerfestsetzung auf 0,00 DM enthält, denn derartige Festsetzungen entfalten keine bindende Wirkung für eine Feststellung des verbleibenden Verlustabzuges (vgl. BFH-Urteil vom 9. Mai 2001, XI R 25/99, BFHE 195, 545, BStBl. II 2002, 817 und vom 14. Juni 2000, XI R 4/00, BFH/NV 2000, 1465).
27Anderes gilt jedoch, wenn der Gesamtbetrag der Einkünfte in dem Einkommensteuerbescheid des Streitjahres, für das eine Feststellung des verbleibenden Verlustes begehrt wird, positiv ist. In diesem Fall kann nach der Rechtsprechung des BFH keine Feststellung des verbleibenden Verlustes erfolgen, wenn die entsprechende Einkommensteuerfestsetzung nicht mehr änderbar ist (vgl. BFH-Urteil vom 9. Dezember 1998, XI R 62/97, BFHE 187, 523, BStBl. II 2000, 3 sowie Urteile der Finanzgerichte Münster vom 28. August 1997, 13 K 6054/96 F, EFG 1997, 1435 und des Niedersächsischen Finanzgerichtes vom 25. April 1996, XII 82/95, EFG 1997, 276). Aus diesem Grunde entfällt durch einen Einkommensteuerbescheid, der abweichend von einem früheren Bescheid einen positiven Gesamtbetrag der Einkünfte enthält und damit auch zu einer Änderung des Bescheides über die Feststellung des verbleibenden Verlustes für das betreffende Jahr führt, inhaltlich gesehen, auch der zuvor im Klageverfahren angefochtene Bescheid über die Feststellung des verbleibenden Verlustes insoweit teilweise, als der bis dahin geltende Bescheid über die Feststellung des verbleibenden Verlustes noch von einem negativen Gesamtbetrag der Einkünfte und damit von einem festzustellenden Verlust ausgeht. Eine derartige geänderte Einkommensteuerfestsetzung ersetzt daher insoweit den bisherigen Bescheid über die Feststellung des verbleibenden Verlustes (§ 68 FGO).
28II.
29Die Klage ist auch begründet.
30Der Gewinn des Kl. aus der Veräußerung seiner Beteiligung im Jahre 1999 an der "A AG" unterliegt, entgegen der Auffassung des Bekl., nicht der Besteuerung nach § 17 Abs. 1 EStG. Die Prüfung dieser materiell-rechtlichen Frage hat hier selbst dann zu erfolgen, wenn man die Auffassung des Senats nicht teilt, dass die Änderungsbescheide vom 28.08.2003 und 13.10.2003 zur Einkommensteuer 2003 gemäß § 68 FGO Gegen-stand des Klageverfahrens geworden sind, denn in diesem Falle sind die Fragen zu § 17 Abs. 1 EStG im Rahmen der Überprüfung der Rechtmäßigkeit des geänderten Bescheides vom 13.10.2003 über die Feststellung des verbleibendes Verlustabzuges zum 31.12.1999 zu prüfen und zu entscheiden. Die Rechtsprechung, wonach keine Feststellung eines verbleibenden Verlustes mehr erfolgen kann, wenn der Gesamtbetrag der Einkünfte in dem Einkommensteuerbescheid des betreffenden Streitjahres positiv ist und wenn diese Einkommensteuerfestsetzung nicht mehr änderbar (vgl. BFH-Urteil vom 09. Dezember 1998, XI R 62/97, BFHE 187, 523, BStBl. II 2000, 3), steht dem nicht entgegen, denn die Einkommensteuerfestsetzung für 1999 wäre auch ohne Anwendung des § 68 FGO als änderbar anzusehen, weil sie auch dann nicht bestandskräftig geworden ist. Zwar wurde vom Bevollmächtigten des Kl. ein Einspruch gegen den Einkommensteueränderungsbescheid für 1999 vom 28.08.2003, mit dem erstmals eine positive Einkommensteuer festgesetzt worden ist, wieder zurückgenommen. Auch liegt innerhalb der gesetzlichen Monatsfrist kein weiterer Einspruch gegen den Änderungsbescheid zur Einkommensteuer vom 13.10.2003 vor. Die Monatsfrist zur Einlegung von Einsprüchen gegen die genannten Einkommensteuerfestsetzungen sind in diesem Fall jedoch als gewahrt anzusehen, denn dem Kl. wäre nach § 110 AO Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren. Zwar wird von berufsmäßigen Vertretern, zu denen die Bevollmächtigten des Kl. zählen, erwartet, dass sie das Verfahrensrecht grundsätzlich kennen. Ein Verfahrensrechtsirrtum ist daher grundsätzlich als schuldhafter Irrtum anzusehen, der eine Wiedereinsetzung ausschließt. Anderes gilt jedoch, wenn Unklarheiten über das einzuschlagende Verfahren bestehen, die Gesetzeslage unübersichtlich ist und es der Betroffene aufgrund vertretbarer rechtlicher Erwägungen unterlässt, sein Recht innerhalb der gesetzlichen Frist geltend zu machen (vgl. nur Tipke/Kruse, § 110 AO Tz. 42 und 43 m. w. N.). Im Streitfall müssten diese Voraussetzungen bejaht werden, wenn man nicht den Weg über § 68 FGO geht. Das gilt hier umso mehr, als selbst der Bekl. in seinem ersten Änderungsbescheid zur Einkommensteuer 1999 vom 28.08.2003 ausdrücklich darauf hingewiesen hat, dass das Klageverfahren zur Feststellung des verbleibenden Verlustabzuges zum 31.12.1999 dadurch nicht erledigt ist, sondern auch materiell-rechtlich noch offen ist, zumal der Bekl. diese, seine Auffassung auch dadurch beibehalten hat, dass er eine entsprechende telefonische Auskunft gegeben hat und den Bescheid über die Einkommensteuerfestsetzung für 1999, die einen positiven Steuerbetrag ausweist, von der Vollziehung ausgesetzt hat. Damit hat der Senat in jedem Fall über die Frage zu entscheiden, ob der Kl. nach der Neufassung des § 17 Abs. 1 EStG durch den Verkauf seiner Beteiligung auch wesentlich Beteiligter im Sinne dieser Regelung war.
31Gemäß § 17 Abs. 1 Satz 4 EStG in der bis zum Veranlagungszeitraum 1998 geltenden Fassung ist eine wesentliche Beteiligung gegeben, wenn der Veräußerer an der Gesellschaft zu mehr als einem Viertel unmittelbar oder mittelbar beteiligt war. In der für den streitigen Veranlagungszeitraum 1999 geltenden Fassung des Steuerentlastungsgesetzes 1999/2000/2002 vom 24. März 1999 (Bundesgesetzblatt I 1999, 402) gilt bereits eine unmittelbare oder mittelbare Beteiligung von mindestens 10 v. H. als wesentliche Beteiligung. In einer erneut geänderten Fassung, die ab dem Veranlagungszeitraum 2001 Geltung erlangt hat, hat der Gesetzgeber das Merkmal der wesentlichen Beteiligung ganz fallen gelassen. Er sieht nunmehr Gewinne aus der Veräußerung von Beteiligungen in Höhe von mindestens 1 v. H. als steuerpflichtig an (§ 17 Abs. 1 Satz 1 EStG in der Fassung des Steuersenkungsgesetzes vom 23. Oktober 2000 Bundesgesetzblatt I 2000, 1433, nochmals teilweise geändert durch das Gesetz zur Änderung des Steuersenkungsgesetzes vom 19.12.2000, Bundesgesetzblatt I 2000, 1812).
32Im vorliegenden Fall entscheidet sich die Frage, ob der Veräußerungsgewinn von 465.000 DM ein steuerpflichtiger Veräußerungsgewinn ist oder nicht, danach, wie man die neue Gesetzesfassung auslegt. Betrachtet man alleine § 17 Abs. 1 Satz 4 EStG, ist der Gewinn als steuerfrei zu behandeln, denn der Kl. unterschreitet im Veranlagungszeitraum die nach § 17 Abs. 1 Satz 4 EStG maßgebende Beteiligungshöhe (Wesentlichkeitsgrenze/Relevanzschwelle) von mindestens 10 v. H.; er war seit August 1998 nur mit 8 v. H. beteiligt. Nimmt man den Teilwortlaut des § 17 Abs. 1 Satz 1 EStG hinzu, wonach der Gewinn zu erfassen ist, wenn der Veräußerer innerhalb der letzten 5 Jahre wesentlich Beteiligter war, kann der Veräußerungsgewinn des Kl. unter Umständen als steuerpflichtig angesehen werden. Zwar war der Kl. nach der bis 1998 geltenden Fassung kein wesentlich Beteiligter, weil seine Beteiligung die bis dahin geltende Relevanzschwelle von mehr 25 v. H. nicht erreicht und zwar auch nicht in den Jahren vor 1998. Die bis 1998 bestehende Beteiligungshöhe von 18,5 v. H. überschreitet aber zum Einen die Relevanzschwelle von 10 v. H. der ab dem Veranlagungszeitraum 1999 geltenden Fassung. Zum anderen liegt diese Überschreitung auch innerhalb der 5-Jahresfrist des § 17 Abs. 1 Satz 1 EStG. Gegen diese, am reinen Wortlaut orientierte Auslegung der Neufassung des § 17 Abs. 1 EStG spricht jedoch, dass der Gesetzgeber die Relevanzschwelle erst ab dem 01.01.1999 herabgesetzt hat. Folgt man mit der Finanzverwaltung der reinen Wortlautauslegung würde im Streitfall ein Gewinn im Jahre 1999 steuerlich erfasst, obwohl der Kl. bis zu seinem Verkauf am 16.02.1999 nach der bis dahin geltenden Gesetzeslage davon ausgehen konnte, die Veräußerung sei steuerfrei - er war ja bis dahin weder mit seinen 8 v. H. zum Verkaufstag noch mit der davor bestehenden Beteiligung im Jahre 1998 in Höhe von 18,5 v. H. wesentlich Beteiligter im Sinne des § 17 EStG. Die Regelung des § 52 EStG in der Fassung des Steuerentlastungsgesetzes 1999/2000/2002 vom 24. März 1999 (Bundesgesetzblatt I 1999, 402) zur allgemeinen zeitlichen Anwendung neuer bzw. geänderter steuerrechtlicher Regelungen löst diesen Widerspruch nicht, denn sie enthält für diese Problemfälle keine Übergangsregelung.
33Nach der zu § 17 Abs. 1 EStG in der bis 1998 geltenden Fassung wird eine wesentliche Beteiligung bereits dann angenommen, wenn die (damals geltende Beteiligungshöhe von mehr als 25 v. H.) zu irgendeinem Zeitpunkt innerhalb der letzten fünf Jahre vor der Veräußerung erreicht oder überschritten worden ist (vgl. z. B. BFH-Beschluss vom 18. Januar 1999, VIII B 80/98, BFHE 187, 565, BStBl. II 1999 486 und BFH-Urteile vom 20. April 1999, VIII R 58/97, BFHE158, 362, BStBl. II 1999, 650 und vom 10. November 1992, VIII R 40/89, BFHE 173, 17, BStBl. II 1994, 222, 224 m. w. N). Zweck dieser Regelung ist, die Besteuerung eines wesentlich Beteiligten der Besteuerung eines Mitunternehmers anzugleichen. Mit der zeitlichen Begrenzung soll ein gewisser Ausgleich für die Erfassung von Mehrwerten geschehen, die sich innerhalb der Fünfjahresfrist nach Absinken der Beteiligung auf 25 v. H. und darunter gebildet haben.
34Die Finanzverwaltung und mit ihr der Bekl. berufen sich letztlich auch auf diese Rechtsprechungsgrundsätze, um ihre Auffassung zu rechtfertigen, die Neuregelung sei nach dem reinen Wortlaut auch in den Fällen anzuwenden, in denen weder nach der früheren Gesetzeslage noch im Veräußerungsjahr selbst eine wesentliche Beteiligung bestand, sondern in denen,wie im Streitfall, eine wesentliche Beteilgung nur deshalb angenommen werden kann, weil die niedrigere Wesentlichkeitsgrenze/Relevanzgrenze des § 17 Abs. 1 Satz 4 EStG in dem 5-jährigen Zeitraum des § 17 Abs. 1 Satz 1 EStG vor dieser Neuregelung überschritten ist (vgl. R 140 (2) und H 140 (2) der amtlichen Einkommensteuerhandbücher 2000 und 2001). Auch das Finanzgericht Nürnberg (Urteil vom 5. September 2003, IX 229/2002, EFG 2004, 105) geht grundsätzlich von dieser wörtlichen Auslegung aus. Das Urteil betrifft allerdings einen Fall, in dem der Kl. mit 20 v. H. im Veranlagungszeitraum 1999 beteiligt war. Verfassungsrechtliche Bedenken sieht das Finanzgericht Nürnberg nicht. Es nimmt eine tatbestandliche Rückanknüpfung (sog. unechte Rückwirkung) an, bei der in dem von ihm entschiedenen Streitfall ein schutzwürdiges Vertrauen des Kl. ebenfalls nicht gegeben ist. Verwiesen wird darauf, dass der Beschluss über das Steuerentlastungsgesetz (4. März 1999) vor dem Veräußerungsvorgang (notarieller Vertrag vom 11. März 1999) schon gefasst worden war.
35Eine grundlegend andere Auslegung als die der Finanzverwaltung wird dagegen von allen anderen Finanzgerichten vertreten, die bisher Entscheidungen zu diesem Problemkreis veröffentlicht haben (vgl. Finanzgericht Baden-Württemberg, Beschluss vom 8. Dezember 2000, 9 V 85/00, EFG 2001, 292, Finanzgericht Düsseldorf, Beschluss vom 6. Juli 2001, 7 V 3499/01 A (E), EFG 2001, 1216, Finanzgericht München, Beschluss vom 11. Februar 2002, 13 V 3920/01, EFG 2002, 556 und Finanzgericht München, Beschluss vom 28. April 2003, 2 V 474/03, EFG 2003, 1162). Nach der Auffassung dieser Gerichte enthält das Merkmal der wesentlichen Beteiligung "innerhalb der letzten fünf Jahre" einen Rückbezug auf die Beteiligungsverhältnisse der letzten fünf Jahre und wirkt damit auf abgeschlossene Jahre zurück. Dieses Tatbestandsmerkmal soll wegen der verschärfenden Besteuerung des Gesetzgebers durch das Steuerentlastungsgesetz 1999/2000/2002 vom 24. März 1999 (Bundesgesetzblatt I 1999, 402) in der Weise ausgelegt werden, dass die Frage der wesentlichen Beteiligung innerhalb der letzten fünf Jahre für jeden abgeschlossenen Veranlagungszeitraum der fünf Jahre vor der Veräußerung nach der in diesem Veranlagungszeitraum jeweils geltenden Beteiligungsgrenze zu bestimmen sei. Diese Auslegung sei aus verfassungsrechtlichen Gründen geboten, weil nur dadurch gewährleistet werde, dass die einkommensteuerliche Qualifikation der wesentlichen Beteiligung sich nicht nachträglich belastend verändert. Teilweise wird die gesetzliche Änderung als belastende Anknüpfung des Gesetzgebers an einen abgeschlossenen Tatbestand und damit an eine bisher schon eingetretene Rechtsfolge angesehen (sog. echte Rückwirkung).
36Der Senat folgt im Ergebnis der herrschenden Meinung auf finanzgerichtlicher Ebene. Das Tatbestandsmerkmal der "wesentlichen Beteiligung innerhalb der letzten 5 Jahre" in § 17 Abs. 1 Satz 1 EStG ist für jeden abgeschlossenen Veranlagungszeitraum nach der in diesem Veranlagungszeitraum jeweils geltenden Beteiligungsgrenze zu bestimmen. Nur diese Auffassung berücksichtigt in ausreichendem Maße, dass durch dieses Tatbestandsmerkmal in § 17 Abs. 1 Satz 1 EStG i. V. m. der neuen Wesentlichkeitsgrenze von 10 v. H. in § 17 Abs. 1 Satz 4 EStG nach dem Steuerentlastungsgesetz 1999/2000/2002 vom 24. März 1999 (Bundesgesetzblatt I 1999, 402) für die Veranlagungszeiträume vor 1999 die Qualifikation einer Beteiligung als wesentliche Beteiligung auch dann noch nachträglich belastend verändert wird, wenn die Beteiligung im Jahre 1999 verkauft wurde, sie aber durch die bis dahin geltende Regelung des § 17 Abs. 1 EStG nicht steuerverstrickt war. Der Senat sieht sich mit dieser Auslegung nicht im Widerspruch zur ständigen Rechtsprechung des Bundesfinanzhofes zu der bis zum Veranlagungszeitraum 1998 geltenden Fassung des § 17 Abs. 1 EStG, denn diese Rechtsprechung erging nur zu Sachverhalten, in denen keine nachträgliche, belastende Veränderung durch den Gesetzgeber vorgenommen wurde. Vielmehr hatte es Steuerpflichtige selbst in der Hand, ob er durch eine Erhöhung seiner Beteiligung auf mehr 25 v. H. oder den Erwerb einer derart hohen Beteiligung eine Steuerverstrickung seiner Beteiligung bewirkte, die dann bei einem Verkauf die Erfassung des Veräußerungsgewinnes zur Folge hatte. Die uneingeschränkte Übernahme der am Wortlaut des § 17 Abs. 1 Satz 1 EStG orientierten strengen Rechtsprechung des Bundesfinanzhofes auf Fälle, in denen der 5-Jahreszeitraum in abgeschlossene Veranlagungszeiträume reicht, die vor der Herabsetzung der Wesentlichkeitsgrenze in § 17 Abs. 1 Satz 4 EStG auf 10 v. H. liegen, würde nach Auffassung des Senats den Willen des Gesetzgebers missachten. Dieser hat zwar mit der ab 1999 geltenden Gesetzesänderung in § 17 Abs. 1 Satz 4 EStG die Wesentlichkeitsgrenze auf 10 v. H. herabgesetzt. Gleichwohl hat er aber für die bis dahin verwirklichten Veranlagungszeiträume die Wesentlichkeitsgrenze gerade nicht verändert. § 17 Abs. 1 Satz 4 EStG in der geänderten Fassung (Wesentlichkeitsgrenze bei 10 v. H.) gilt nach § 52 Abs. 1 EStG in der Fassung des Steuerentlastungsgesetzes 1999/2000/2002 vom 24. März 1999 (Bundesgesetzblatt I 1999, 402) erst ab dem Veranlagungszeitraum 1999. Die Finanzverwaltung unterstellt mit ihrer anderen Auffassung gleichsam, der Gesetzgeber habe für alle Beteiligungsverkäufe ab dem Jahre 1999 mit der neuen Wesentlichkeitsgrenze von 10 v. H. zugleich auch die früher geltende Wesentlichkeitsgrenze für die Jahre 1994 bis 1998 von mehr als 25 v. H. auf 10 v. H. herabsetzen wollen. Dieses hält der Senat nicht für zutreffend. Das gilt umso mehr, als der Hauptzweck der 5-Jahresfrist in § 17 Abs. 1 Satz 1 EStG die Missbrauchsbekämpfung durch gezielte, sukzessive Veränderungen des Beteiligungsanteiles vor einem Verkauf ist. Dieser Hauptzweck bleibt auch bei der vom Senat vorgenommenen, verfassungskonformen Auslegung gewahrt, denn der Steuerpflichtige kann seine Beteiligungsverhältnisse vor 1999 ebenfalls nicht nachträglich, rückwirkend ändern. Die Auffassung der Finanzverwaltung würde dagegen bei Lebenssachverhalten, wie sie im Streitfall zu beurteilen sind, zu einer verfassungsrechtlich unzulässigen, belastenden Rückwirkung führen.
37Nach der überkommenen Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichtes entscheidet sich die Frage der echten oder unechten Rückwirkung danach, ob zum Zeitpunkt der Entstehung der Steuer, also mit Ablauf jeweils des 31.12. eines Jahres, auf einen davor abgelaufenen Veranlagungszeitraum zurückgegriffen wird (echte Rückwirkung= Rückbewirkung von Rechtsfolgen) oder ob lediglich ein Sachverhalt im laufenden Veranlagungszeitraum durch den Gesetzgeber anders geregelt wird (sog. unechte Rückwirkung= tatbestandliche Rückanknüpfung). Während die echte Rückwirkung grundsätzlich unzulässig ist, ist bei der unechten Rückwirkung die Abwägung vorzunehmen, ob die öffentlichen Belage überwiegen oder das Vertrauen des Bürgers auf die bestehende Rechtslage und die Verlässlichkeit der bis zur Änderung geltenden Rechtsordnung überwiegt. Auch der Bundesfinanzhof folgt dieser grundsätzlichen Unterscheidung zwischen echter und unechter Rückwirkung (vgl. BFH-Beschluss vom 16. Dezember 2003, XI R 46/02, BFHE 203, ..., BStBl. II 2004, 284 - vorhergehend BFH-Beschluss vom 05. März 2001, IX B 90/00, BFHE 195, 205, BStBl. II 2001, 405 - Vorlagebeschluss zur Frage der Verfassungsmäßigkeit der Besteuerung privater Grundstücksveräußerungsgeschäfte nach § 23 Abs. 1 EStG). Darüber hinaus wird dem Vertrauensschutz des Bürgers in eine bestehende Rechtslage, auf die er sich eingerichtet hat, ein besonders hoher Stellenwert eingeräumt. Selbst wenn man wegen der in § 36 Abs. 1 EStG gesetzlich bestimmten Entstehung der Einkommensteuer mit dem Ablauf des jeweiligen Kalenderjahres in den Fällen, in denen das für den laufenden Veranlagungszeitraum maßgebende Einkommensteuerrecht noch im Laufe dieses Veranlagungszeitraumes geändert wird, von einer unechten Rückwirkung (tatbestandliche Rückanknüpfung) auszugehen hat, genießt der Betroffene Steuerpflichtige einen starken Vertrauensschutz, wenn der Gesetzgeber in einen ansonsten (bis auf die formelle Entstehung der Steuerschuld) abgeschlossenen, der Vergangenheit angehörenden Sachverhalt belastend eingreift, denn ein derartiger Eingriff ist besonders einschneidend. Das gilt unabhängig davon, ob der Steuerpflichtige im Vertrauen auf die für ihn im laufenden Jahr erkennbare Gesetzeslage Dispositionen getroffenen hat oder nicht, denn der Gesetzgeber verstößt durch die Gesetzesänderung auch gegen das verfassungsrechtliche Gebot der Rechtssicherheit. Dieser, als rechtsstaaliches Kontinuitätsgebot bezeichnete Vertrauensgrundsatz ist in die Abwägung einzubeziehen, ob das Änderungsinteresse des Staates das Vertrauen des Steuerpflichtigen überwiegt (vgl. nur BFH-Beschluss vom 16. Dezember 2001, IX R 46/02, BFHE 203, ... BStBl. II 2004, 284 m. w. N. insbesondere zu den Grundsätzen der Rückwirkungsproblematik).
38Im Streitfall würde eine unechte Rückwirkung/tatbestandliche Rückanknüpfung anzunehmen sein, wenn man die von der Finanzverwaltung vertretene Auffassung zur Auslegung des § 17 Abs. 1 Satz 1 und 4 EStG in der Fassung dese Steuerentlastungsgesetzes 1999/2000/2002 vom 24. März 1999 (Bundesgesetzblatt I 1999, 402) folgen würde, da die Steuerschuld für 1999 erst mit Ablauf des 31.12.1999 entstanden war. Die Beteiligungshöhe der 5 Jahre vor dem Veranlagungszeitraum 1999 abgelaufenen Jahre 1994 bis 1998, für die nach der Auslegung der Finanzverwaltung eine wesentliche Beteiligung nicht mehr nach früherem Recht erst bei einem Anteil von mehr als 25 v. H. anzunehmen wäre, sondern bereits bei einem Anteil zwischen 10 v. H. und 25 v. H., lässt sich für den Steuerpflichtigen nicht mehr ändern. Ein bisher steuerfreier, im Jahre 1999 durch Verkauf realisierter Wertzuwachs wird erstmals auch dann der Besteuerung unterworfen, wenn er im Verkaufsjahr 1999 oder später die neue Wesentlichkeitsgrenze nach § 17 Abs. 1 Satz 4 EStG von 10 v. H. gar nicht erreicht. Für den zu beurteilenden Lebenssachverhalt des Streitfalles kommt, wie für alle Verkaufsfälle bis zum 04.03.1999 - dem Datum der Beschlussfassung des Bundestages über die neue Wesentlichkeitsgrenze - noch hinzu, dass die Beteiligung bereits vor der Beschlussfassung des Bundestages verkauft worden war. Der zu beurteilende Grundsachverhalt war auch insoweit bereits abgeschlossen. Zum Zeitpunkt des Verkaufes galt noch die bisherige Gesetzesfassung mit der höheren Wesentlichkeitsgrenze von mehr als 25 v. H.. Damit konnte und durfte der Kl. davon ausgehen, dass ein Gewinn aus dem Verkauf nicht der Besteuerung unterliegt. Der bei einer Zugrundelegung der Auffassung der Finanzverwaltung bestehende gesetzgeberische Eingriff würde sich daher besonders einschneidend auswirken.
39Das öffentliche Interesse an der Absenkung der Wesentlichkeitsgrenze beschränkt sich dagegen im Wesentlichen darauf, durch Verbreiterung der Besteuerungsgrundlage höhere Steuereinnahmen zu erzielen. Nach Auffassung des Senats wiegt dieses öffentliche Interesse deutlich weniger als das Interesse des Steuerpflichtigen, dass an den für ihn abgeschlossenen, nicht mehr änderbaren Lebenssachverhalt nachträglich keine Besteuerungsfolge geknüpft wird. Sein Vertrauen in den Fortbestand der Rechtslage, dass die in den abgeschlossenen Veranlagungszeiträumen bis 1998 bisher nicht steuerverstrickte Beteiligung auch in Zukunft für diesen Veranlagungszeitraum als nicht steuerverstrickt behandelt wird, ist schützenswerter, als das allgemeine öffentliche Interesse, ab 1999 mehr Steuereinnahmen erzielen zu können. Der weitere Zweck der Absenkung der Wesentlichkeitsgrenze (Relevanzschwelle) auf 10 v. H., eine Angleichung an andere gesetzliche Regelungen zu erreichen, führt ebenfalls nicht dazu, eine unechte Rückwirkung (tatbestandliche Rückanknüpfung) verfassungsrechtlich als zulässig anzusehen. Weiterer Zweck war nämlich, die Beteiligungsgrenze an die in § 9 Nr. 2 a Gewerbesteuergesetz (besonderer Kürzungsbetrag bei der Berechnung der Gewerbesteuer) und in § 26 Abs. 2 Körperschaftsteuergesetz (antragsgebundene Anrechnungsregelung bei der Besteuerung ausländischer Einkunftsanteile) - vgl. insoweit FG Nürnberg, Urteil vom 15. September 2003, IV 229/2002, EFG 2004, 105, 107 - geltende Grenze (jeweils 10 %) anzugleichen. Bei diesem Zweck liegt es auf der Hand, dass dieser auch ohne die weite, am reinen Wortlaut orientierte Auslegung der Neuregelung des § 17 Abs. 1 EStG erreicht werden kann.
40Als Ergebnis kann festgestellt werden, dass § 17 Abs. 1 EStG in der Fassung des Steuerentlastungsgesetzes 1999/2000/2002 vom 24. März 1999 (Bundesgesetzblatt I 1999, 402) hinsichtlich des Tatbestandsmerkmales in § 17 Abs. 1 Satz 1 EStG auch unter Berücksichtigung seines Wortsinnes zwei Auslegungsmöglichkeiten eröffnet. Zum Einen die Auslegungsmöglichkeit der Finanzverwaltung, die zur Überzeugung des Senats zu einer verfassungswidrigen Besteuerung führen würde und zum Anderen die Auslegung, die auf finanzgerichtlicher Ebene vorherrscht und mit der ein verfassungswidriges Ergebnis vermieden wird (sogenannte verfassungskonforme Auslegung). Bei dieser Sachlage ist der verfassungskonformen Auslegung der Vorzug zu geben. Auch für Veräußerungen von Beteiligungen ab dem Jahre 1999 gilt daher, dass für die Frage, ob in den 5 Jahren vor der Veräußerung eine wesentliche Beteiligung in den bis zum 31.12.1998 abgelaufenen Veranlagungszeiträumen bestanden hat, die bis zu diesem Zeitpunkt gesetzlich festgelegte Wesentlichkeitsgrenze von mehr als 25 v. H. gilt.
41Für den Streitfall bedeutet das, dass der Veräußerungsgewinn von 465.000,00 DM nicht der Besteuerung unterliegt, weil die Wesentlichkeitsgrenze nicht überschritten wurde. Im Veranlagungszeitraum 1999, in dem die Wesentlichkeitsgrenze auf 10 % abgesenkt worden ist, lag die Beteiligung des Kl. unter 10 %. In den davor liegenden Jahren, in denen eine wesentliche Beteiligung erst bei mehr als 25 % anzunehmen ist, lag die Beteiligung zu keinem Zeitpunkt über diesem Wert.
42Setzt man bei der Einkommensteuerfestsetzung für 1999 den Gewinn aus den privaten Veräußerungsgeschäften von 465.000,00 DM nicht an, sinkt die Einkommensteuer auf 0,00 DM - das zu versteuernde Einkommen nach Berücksichtigung des Verlustabzuges laut Einkommensteuerbescheid vom 13.10.2003 beträgt 36.762,00 DM. Dementsprechend verbleibt als festzustellender Verlust zum 31.12.1999 ein Betrag in Höhe von (465.000,00 DM - 36.762,00 DM =) 428.238,00 DM. Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 135 Abs. 1 FGO. Die Entscheidung zur Vollstreckbarkeit folgt aus § 155 FGO i. V. m. § 708 Nr. 11 und § 711 ZPO.
43Die Revision ist wegen grundsätzlicher Bedeutung zuzulassen. Die im Streitfall aufgeworfenen Fragen sowohl zur verfahrensrechtlichen wie auch zur materiell-rechtlichen Seite sind nicht geklärt.
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