Urteil vom Finanzgericht Münster - 1 K 1191/02 F
Tenor
Die Klage wird abgewiesen.
Die Kosten des Verfahrens trägt der Kläger.
Die Revision wird zugelassen.
1
G r ü n d e:
2Streitig ist, ob ein Bescheid über die gesonderte Feststellung der steuerpflichtigen Zinsen aus Kapitallebensversicherungen rechtmäßig ist.
3Der Kläger (Kl.) ist alleiniger Gesellschafter und Geschäftsführer der Firma J GmbH (GmbH). Gesellschaftszweck war ursprünglich die Konzeption, Planung, der Bau durch Auftragsvergabe der handwerklichen Tätigkeiten sowie der Handel von und mit Immobilien, Grundstücken und die Erbringung von Baudienstleistungen.
4Die GmbH erwarb im Kalenderjahr 1994 das damals unbebaute Grundstück in Gelsenkirchen, .... Auf diesem Grundstück projektierte sie ein Objekt als Mehrfamilienhaus mit 17 Einheiten und 14 Tiefgarageneinstellplätzen. In der Planungsphase wurden zunächst 3 Eigentumswohnungen in diesem Objekt veräußert, diese Verträge jedoch nicht durchgeführt, da die Eigentumswohnungen nicht fristgerecht erstellt werden konnten. Mit der tatsächlichen Herstellung des Objekts wurde dann im Herbst des Jahres 2000 begonnen. Das gesamte Bauvorhaben finanzierte die GmbH durch ein Darlehen der C Bank über 3.392.000 DM. Dieses Darlehen wurde am 28.11.00 durch die Abtretung einer Lebensversicherung der W Lebensversicherungs-AG besichert. Versicherungsnehmer der Versicherung mit Policen-Nr. I 84 579 D5 D - 478 ist der Kl.
5Am 12. Dezember 2000 zeigte die C Bank AG die Abtretung der Lebensversicherung nach § 29 Abs. 1 der Einkommensteuerdurchführungsverordnung (EStDV) dem Beklagten (Bekl.) an. Dieser erließ daraufhin am 26.03.2001 nach Anhörung des Kl. einen Bescheid über die gesonderte Feststellung der Steuerpflicht von Zinsen aus Kapitallebensversicherungen hinsichtlich der abgetretenen Lebensversicherung mit dem er die außerrechnungsmäßigen und rechnungsmäßigen Zinsen als insgesamt einkommensteuerpflichtig feststellte. Dabei vertrat er die Auffassung, die Lebensversicherung sei mit der Abtretung steuerschädlich verwendet worden. Bei dem zu finanzierenden Objekt handele es sich um ein Bauträgerobjekt, welches die GmbH bis zum 31.12. des Jahres 2000 selbst als Umlaufvermögen bilanziert habe. Bei einer Körperschaft, zu deren Geschäftszweck es gehöre, Grundbesitz durch Veräußerung zu verwerten, spreche eine Vermutung dafür, dass errichtete Immobilienobjekte regelmäßig zum Umlaufvermögen gehörten. Tatsächlich habe die Gesellschaft dann auch in der Folge zwei Eigentumswohnungen veräußert. Soweit der Kl. die übrigen Eigentumswohnungen vermietet habe, sei in fast allen Mietverträgen den Mietern ein Ankaufsrecht unter Anrechnung der Miete auf den Kaufpreis eingeräumt worden.
6Der Kl. legte gegen den Feststellungsbescheid am 26.03.2001 Einspruch ein. Zur Begründung führte er aus, die Abtretung der Lebensversicherung diene letztlich der Finanzierung des Immobilienobjektes ... der Gesellschaft. Die Abtretung von Darlehen zur Finanzierung von Sachanlagevermögen, insbesondere Grundvermögen, sei nach der Vorschrift des § 10 Einkommensteuergesetz (EStG) explizit steuerunschädlich.
7Der Bekl. wies den Einspruch des Kl. mit Einspruchsentscheidung vom 04.02.2002 als unbegründet zurück. Wegen der Begründung wird auf die Einspruchsentscheidung Bezug genommen.
8Mit der am 04.03.2002 erhobenen Klage verfolgt der Kl. sein Begehren weiter. Zur Begründung führt er aus, das Grundstück ... sei erstmals in der Bilanz zum 31.12.1994 als Umlaufvermögen der GmbH ausgewiesen worden. Seit diesem Zeitpunkt befinde es sich im Eigentum der GmbH. Allein der Zeitpunkt der Zugehörigkeit zum Betriebsvermögen indiziere die Eigenschaft als Anlagevermögen. Der Gesellschaftszweck der GmbH umfasse auch die Vermietung und Bewirtschaftung von Immobilien. Das Objekt sei zwar zunächst als Bauträgerobjekt geplant worden, später aber habe eine Umplanung in ein Vermietungsobjekt stattgefunden. Von den errichteten Wohnungen seien 17 Wohnungen vermietet und nur 2 veräußert worden. Wegen der Begründung im Einzelnen wird auf die Klageschrift sowie das Sitzungsprotokoll Bezug genommen.
9Der Kl. beantragt,
10den Feststellungsbescheid vom 26.03.2001 und die Einspruchsent-
11scheidung vom 04.02.2002 aufzuheben,
12hilfsweise für den Fall des Unterliegens die Revision zuzulassen.
13Der Bekl. beantragt,
14die Klage abzuweisen und für den Fall des Unterliegens
15die Revision zuzulassen.
16Er vertritt nach wie vor die Auffassung, bei der Abtretung der Lebensversicherung handele es sich um eine steuerschädliche Verwendung. Bereits die unstreitige Veräußerung von zwei Wohnungen führe im Streitfall zu einer Steuerschädlichkeit insgesamt. Wegen der Begründung im Einzelnen wird auf den Schriftsatz vom 10.11.2004 verwiesen.
17Die Klage ist nicht begründet.
18Der angefochtene Bescheid über die gesonderte Feststellung der Steuerpflicht der außerrechnungsmäßigen und rechnungsmäßigen Zinsen aus dem in den Beträgen zur Lebensversicherung des Kl. enthaltenen Sparanteil (§ 20 Abs. 1 Nr. 6 Einkommensteuergesetz in der im Streitjahr gültigen Fassung; - EStG - ) ist entgegen der Auffassung des Kl. rechtmäßig.
19Die Zulässigkeit der gesonderten Feststellung der Steuerpflicht ergibt sich aus §§ 179 Abs. 1 u. 180 Abs. 2 der Abgabenordnung (AO) i.V.m. § 9 der Verordnung über die gesonderte Feststellung von Besteuerungsgrundlagen nach § 180 Abs. 2 der AO in der Fassung der 2. Verordnung zur Änderung der Verordnung über die gesonderte Feststellung von Besteuerungsgrundlagen nach § 180 Abs. 2 AO vom 16. Dezember 1994 (BGBl I 1994, 3834, BStBl. I 1995, 3). Nach § 9 dieser Verordnung stellt das für die Einkommensbesteuerung des Versicherungsnehmers zuständige Finanzamt die Steuerpflicht der außerrechnungsmäßigen und rechnungsmäßigen Zinsen aus den in den Beträgen enthaltenen Sparanteilen (§ 20 Abs. 1 Nr. 6 EStG) gesondert fest, wenn für Beiträge zu Versicherungen auf den Erlebens- oder Todesfall die Voraussetzungen für den Sonderausgabenabzug nach § 10 Abs. 2 S. 2 EStG nicht erfüllt sind. Dies trifft im Streitfall zu.
20Grundsätzlich sind außerrechnungsmäßige und rechnungsmäßige Zinsen aus Sparanteilen, die in den Beiträgen zu Versicherungen auf den Erlebens- oder Todesfall enthalten sind, als Einkünfte aus Kapitalvermögen gemäß § 20 Abs. 1 Nr. 6 S. 1 EStG steuerpflichtig. Sie sind jedoch gemäß § 20 Abs. 1 Nr. 6 S. 2 EStG u.a. dann steuerfrei, wenn es sich um Zinsen aus Kapitalversicherungen i.S.d. § 10 Abs. 1 Nr. 2 b, dd EStG handelt. Denn die Beiträge für diese Versicherungen dienen der eigenverantwortlichen Vorsorge der Steuerpflichtigen und sollen als Sonderausgaben begünstigt sein. Dieser gesetzgeberischen Absicht soll nicht durch eine Steuerpflicht der Zinseinnahmen entgegen gewirkt werden (Blümich/Sturmann, EStG, § 20 Tz 287; Ahrenberg in Herrmann/Heuer/Raupach EStG, § 20 Tz 750). Jedoch bleibt die Steuerfreistellung der Zinsen nach § 20 Abs. 1 Nr. 6 S. 2 EStG nicht bestehen, wenn es sich um eine Versicherung handelt, die während der Vertragsdauer im Erlebensfall zur Tilgung oder Sicherung eines Darlehens dient, dessen Finanzierungskosten Betriebsausgaben oder Werbungskosten sind (sog. Policendarlehen), es sei denn mit dem Darlehen wird unmittelbar und ausschließlich ein Wirtschaftsgut angeschafft oder hergestellt, das dauernd zur Erzielung von Einkünften bestimmt ist (§ 20 Abs. 1 Nr. 6 S. 4 i.V.m. § 10 Abs. 2 S. 2 EStG). Mit dieser Regelung verfolgte der Gesetzgeber das Ziel, die steuerbegünstigte Investitionsfinanzierung über Policendarlehen (Aufblähung der Schuldzinsen als Betriebsausgaben bzw. Werbungskosten, Steuerfreiheit der angesparten Versicherungszinsen und Sonderausgabenabzug der Prämien) einzuschränken und damit die Steuerfreiheit der Zinsen auf den eigentlichen Vorsorgeförderungszweck der Lebensversicherung zurückzuführen (vgl. BFH-Urteil vom 13.07.2004, VIII R 61/03, BFH/NV 2005, 184; Schmidt/Heinicke EStG 23. Auflage 2004, § 10 Tz 186).
21Die im Streitfall abgeschlossene Lebensversicherung des Kl. ist unstreitig eine Versicherung i.S.d. § 10 Abs. 1 Nr. 2 b EStG, bei der gem. § 10 Abs. 2 S. 2 EStG die Ansprüche aus dieser Versicherung während der Dauer im Erlebensfall zur Sicherung oder Tilgung eines Darlehens dienen, dessen Finanzierungskosten Werbungskosten oder Betriebsausgaben sind.
22Aus Nr. 1 und 2 der Abtretungsvereinbarung vom 22.11.2000 ergibt sich, dass sämtliche Rechte aus der Kapitallebensversicherung zur Sicherung eines Darlehens der GmbH über den Nominalbetrag von 3.392.000 EUR dienen, mit dem diese das streitbefangene Bauvorhaben finanziert hat. Die Finanzierungskosten des Darlehens sind damit zwar nicht Werbungskosten oder Betriebsausgaben des Kl., da dieser nicht der Darlehensnehmer ist. Hierauf kommt es jedoch entscheidungserheblich nicht an. Die Abzugsbeschränkung nach § 10 Abs. 2 Nr. 2 a EStG ist nicht Personen bezogen, sodass auch die schädliche Verwendung durch oder für Dritte schädlich ist. Schädlich ist danach auch die Finanzierung von Betriebsausgaben oder Werbungskosten anderer Personen als der des Versicherungsnehmers - z.B. der Ehefrau, einer Kapitalgesellschaft - (vgl. hierzu Kirchhoff/Fischer EStG 2. Aufl., § 10 Rdz. 17, Schmidt/Heinicke, EStG, 23. Aufl., § 10 Rdz. 188; Finanzgericht Niedersachen, Urteil vom 14.02.2002, 14 K 206/97, EFG 2002, 762 jeweils m.w.N.).
23Entgegen der Auffassung des Kl. liegt auch keiner der in § 10 Abs. 2 S.2 a-c EStG aufgeführten Ausnahmetatbestände vor, sodass ein Sonderausgabenabzug und damit eine Steuerfreiheit nach § 20 Abs. 1 Nr. 6 S. 2 EStG nicht in Betracht kommt.
24Da die Ansprüche aus dem Versicherungsvertrag nicht für max. 3 Jahre zur Absicherung eines betrieblich veranlassten Darlehens abgetreten wurden (§ 10 Abs. 2 S. 2 c EStG) und es sich bei der Lebensversicherung des Kl. auch nicht um eine Direktversicherung handelt (§ 10 Abs. 2 S. 2 b EStG) entfällt die Steuerpflicht nur dann, wenn die Voraussetzungen des § 10 Abs. 2 S. 2 a EStG erfüllt sind. Das setzt ein Darlehen voraus, das unmittelbar und ausschließlich zur Finanzierung von Anschaffungs- oder Herstellungskosten eines Wirtschaftsgutes dient, das dauernd zur Erzielung von Einkünften bestimmt und keine Forderung ist. Daran fehlt es im Streitfall.
25Für diese Entscheidung ist nicht von Bedeutung, dass der Kl. das zunächst als Bauträgerobjekt geplante Bauvorhaben nach seinen Ausführungen im Klageverfahren auf Grund der schwierigen Marktlage beginnend in 1998 als reines Mietobjekt umgeplant hat und bereits damit das Bauvorhaben nach seiner Vorstellung Anlagevermögen der GmbH wurde. Hiergegen spricht zum einen, dass die GmbH selbst das Grundstück in ihren Bilanzen bis einschließlich 31.12.2000 als Umlaufvermögen ausgewiesen hat. Dagegen spricht auch, dass die GmbH nach Fertigstellung des Objekts und einer Aufteilung in Eigentumswohnungen diese Eigentumswohnungen zwar vermietet, den Mietern aber ein zeitlich befristetes Ankaufsrecht unter Anrechnung der Miete eingeräumt hat. Derartige Verträge indizieren nach Auffassung des Senates zumindest eine Alternativabsicht des Eigentümers hinsichtlich der zukünftigen Verwendung des finanzierten Bauvorhabens und legen eine Einordnung und einen entsprechenden Ausweis als Umlaufvermögen der GmbH nahe (vgl. hierzu BFH-Beschluss vom 04.10.2001, X B 61/00, BFH/NV 2002, 329 m.w.N.). In diesem Fall wäre die Lebensversicherung des Kl. insgesamt steuerschädlich verwendet.
26Eine zumindest teilweise steuerschädliche Verwendung der Lebensversicherung ergibt sich jedoch zwingend daraus, dass der Kl. bereits mit notariellem Vertrag vom 30.03.2000, also während der Bauphase, eine Eigentumswohnung veräußert hat. Hinsichtlich dieses Veräußerungsobjektes liegt in jedem Fall eine steuerschädliche Verwendung der Lebensversicherung vor, da insoweit das abgesicherte Darlehen zur Finanzierung von Umlaufvermögen und nicht zur Finanzierung von Anschaffungs- oder Herstellungskosten eines Wirtschaftsgutes gedient hat, das dauernd zur Erzielung von Einkünften bestimmt war.
27Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesfinanzhofes (vgl. BFH-Urteil vom 13.07.2004 VIII R 61/03, BFH/NV 2005, 184 mit Nachweisen der Rechtsprechung), der der Senat folgt, ist es ausreichend, dass nur ein Teilbetrag des Darlehens steuerschädlich verwendet worden ist. Denn nach § 10 Abs. 2 a EStG wird ein Darlehen, dessen Zinsen Betriebsausgaben oder Werbungskosten sind, neben weiteren Voraussetzungen nur begünstigt, wenn es unmittelbar und "ausschließlich" der Finanzierung von Anschaffungs- oder Herstellungskosten dient. Die Begünstigung tritt nach dem Gesetzeswortlaut nicht ein, "soweit" das Darlehen für den genannten Zweck verwendet wird; vielmehr hat der Gesetzgeber ausdrücklich nur ein solches Darlehen begünstigt, das "ausschließlich" diesem Zweck dient. Dient das Darlehen anteilig auch einem steuerschädlichen Zweck, entfällt die Begünstigung insgesamt. Eine teilweise steuerschädliche Verwendung "infiziert" somit das Gesamtdarlehen.
28Der angefochtene Feststellungsbescheid ist damit aus diesem Grunde rechtmäßig.
29Die Zulassung der Revision erfolgt nach § 115 Abs. 2 Nr. 2 Finanzgerichtsordnung (FGO).
30Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO.
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