Urteil vom Finanzgericht Münster - 14 K 420/00 E,VSt
Tenor
Der Vermögensteuerbescheid auf den 01.01.1995 vom 08.07.1999 in Ge-stalt der Einspruchsentscheidung vom 03.01.2000 wird nach Maßgabe der Urteilsgründe geändert. Im Übrigen werden die Klagen abgewiesen.
Die Kosten des Verfahrens tragen die Kläger.
1
Tatbestand:
2Es ist zu entscheiden, ob die Zwischenschaltung einer Briefkastenfirma (Domizilgesellschaft oder Basisgesellschaft) den Tatbestand des Gestaltungsmissbrauchs erfüllt (§ 42 Abgabenordnung (AO)).
3Die Kläger (Kl.) sind Ehegatten, die zusammen zur Einkommensteuer (ESt) und mit ihren beiden Kindern E1. und E2. zusammen zur Vermögensteuer (VSt) veranlagt werden.
4Das Finanzamt für Großbetriebsprüfung E3. (FA für GroßBp) hatte im Rahmen der Prüfung der Fa. XXX. Zentrum E3. GmbH, in E3. (XXX) für die Jahre 1987 bis 1990 festgestellt, dass das Stammkapital der XXX 1 Mio. DM betrug und alleinige Gesellschafterin der XXX die Fa. N. Holding AG, in A. (Schweiz) (N.) war (Tz. 7 des Bp-Berichts vom 30.09.1993).
5Im Rahmen einer Anschluss-Bp bei der in Fa. Q. E3. GmbH, in E3. (Q.) umbenannten XXX für die Jahre 1991 bis 1995 stellte das FA für GroßBp Folgendes fest (Tz. 8 des Bp-Berichts vom 30.06.1997):
6Die Fa. A1. AG, in E4., T1. (Schweiz) (A1.) als alleinige Gesellschafterin der XXX hatte mit notariell beurkundetem Vertrag vom 13.09.1996 (UR-Nr. 398/1996 des Notars Dr. I1. F1., in N2.) ihre Geschäftsanteile an der XXX i. H. v. 1 Mio. DM mit Wirkung vom 01.01.1996 an die Fa. N3., Mineralölhandels-GmbH, in I2. (N3.) abgetreten. N3. hatte diesen Vertrag mit Schreiben vom 27.09.1996 dem Finanzamt E3.-Ost vorgelegt. Das Bundesamt für Finanzen (BfF) hat in seinem Schreiben vom 23.01.1995 Folgendes ermittelt:
7N. ist eine reine Briefkastenfirma (= Sitz- oder Domizilgesellschaft ohne eigenen wirtschaftlichen Geschäftsbetrieb). N. trägt seit ihrer Ersteintragung fast ununterbrochen einen sogenannten Domizilvermerk. Sämtliche Domizilgeber üben diese Funktion bei weiteren Gesellschaften aus. Bei den Anschriften handelt es sich um sog. Domiziladressen, unter denen eine Vielzahl von sog. Domizilgesellschaften ihren Sitz hat. Sämtliche Mitglieder des Verwaltungsrates (= Geschäftsführung) dürften als branchenfremd anzusehen sein, da sie - vermutlich - nicht über eine der vorgegebenen Geschäftstätigkeiten der N. entsprechende berufsspezifische Qualifikation verfügen. Alle Mitglieder des Verwaltungsrates sind von weiteren Unternehmen, zumeist Briefkastengesellschaften, als Verwaltungsrat eingesetzt worden. Die Sitzwechsel der N. erfolgten stets kurz nach dem Wechsel des Verwaltungsrates. N. verfügt über keine Kommunikationsmittel. Sie ist weder im Telefon- noch im Telefax- und/oder Telexverzeichnis aufgeführt.
8Der anfängliche alleinige Verwaltungsrat der N., E.M. (E.M.), war auch bei den beiden 100 %-igen Beteiligungsgesellschaften N. Q2. GmbH, in T4. und XXX als Geschäftsführer eingesetzt worden. Dass die Verwaltungstätigkeit der N. - wie z. B. die beherrschende Einflussnahme auf die Geschäftsführung der Beteiligungsgesellschaften - nicht gegeben ist, ergibt sich schon aus der Tatsache, dass E.M. bei weiteren schweizerischen Gesellschaften als Verwaltungsrat fungiert.
9Im Rahmen der Anschluss-Bp bei der Q. für die Jahre 1991 bis 1995 erlangte das FA für GroßBp Kenntnis von dem Protokoll der ordentlichen Generalversammlung der Aktionäre der N. vom 25.01.1989 (Tz. 37 des Bp-Berichts vom 30.06.1997). Darin heißt es:
10"...
11Zu Ziffer 1 der Tagesordnung
121.1. Konstituierung
13Den Vorsitz in der Versammlung führt der Verwaltungsrat Dr. M. W.; er stellt die Anwesenheit folgender Personen und die Vertretung der nachfolgend aufgeführten Aktien fest:
141. ...
152. Herr I. T. legt eine Hinterlegungsbestätigung, unterzeichnet von Herrn Rechtsanwalt V1. C2. in C3. vor, gemäß welcher bei Herrn C2. die Aktienzertifikate Nr. 1-40 zu je 10 Aktien, hinterlegt sind, insgesamt 400 Aktien.
16Als Berater von Herrn T. ist anwesend:
17Herr Rechtsanwalt M1. S2. aus C3. ...
183. ...
194. ...
20von 1.250 Aktien.
21..."
22Tz. 5 der Zusammenstellung von Fragen des FA für GroßBp vom 14.01.1997 lautet:
23"Bitte legen Sie den Anteilsübertragungsvertrag von N. Holding AG, A. (Schweiz) auf die Fa. A1. AG, E4. (Schweiz) vor. Die Höhe des Kaufpreises sind durch weitere Angaben und Unterlagen darzulegen".
24In Tz. 6 der Zusammenstellung von Fragen des FA für GroßBp vom 17.01.1997 heißt es:
25"... Aus dem Anteilsübertragungsvertrag vom 13.09.1996 ist ersichtlich, daß das gesamte Stammkapital von 1 Mio. DM von der Fa. A1. AG, G.-straße 1 in E4., T1. auf die Fa. N3. Mineralölhandels GmbH in I2. übertragen wurde. Die fehlenden Anteilsübertragungsverträge sind der Prüfung unverzüglich vorzulegen. ..."
26Das FA für GroßBp wiederholte in Tz. 3 seiner Zusammenstellung von Fragen vom 30.01.1997 seine Frage vom 17.01.1997.
27In dem Schreiben der Steuerberater der XXX vom 06.02.1997 heißt es:
28"Übertragung Anteile XXX GmbH
29Sehr geehrter Herr L3.,
30wunschgemäß bestätigen wir Ihnen, dass der Verkauf der Anteile an der XXX. Zentrum E3. GmbH erst in 1996 stattgefunden hat ...".
31In der vorläufigen Zusammenstellung der Schlussbesprechungspunkte des FA für GroßBp vom 14.02.1997 heißt es unter Tz. 17:
32"... Bitte geben Sie den genauen Zeitpunkt des Anteilsverkaufs der N. Holding an die A1. AG an (Bitte schriftliche Bestätigung). Bitte legen Sie ebenfalls die Genehmigung durch die Beschlussfassung der Gesellschaft vor. Liegt eine Durchschrift dieses Kaufvertrages der Bf vor? Wenn ja, bitte vorlegen."
33Das FA für GroßBp wiederholte vergeblich in Tz. 1 seiner Zusammenstellung der Schlussbesprechungspunkte vom 13.03.1997 diese Bitte.
34Mit den Schreiben vom 19.02.1997 und 03.03.1997 forderte das FA für GroßBp die XXX und den Kl. vergeblich auf, die hinter der N. stehenden Personen zu benennen und die Beteiligungsverhältnisse darzulegen.
35Das FA für GroßBp ermittelte den gemeinen Wert der Anteile der Q. auf den 31.12.1994 mit 188 v. H. des Nennwerts. Da N. eine in der Schweiz ansässige Domizilgesellschaft sei und die hinter ihr stehenden Personen nicht bekannt seien, sei der gemeine Wert der Anteile der Q. i. H. v. 400/1250 von einem Stammkapital i. H. v. 1 Mio. DM, d. h. 601.600 DM dem Kl. zuzurechnen (Tz. 37, Anlage XIII des Bp-Berichts vom 30.06.1997).
36Die Kl. waren bei Gründung der Fa. ET. GmbH (ET.) mit jeweils 50 v. H. an deren Stammkapital i. H. v. 50.000 DM beteiligt. Der Kl. war Geschäftsführer der ET.. Im Jahr 1986 wurde das Stammkapital der ET. auf 450.000 DM erhöht. Die N. leistete eine Einlage i. H. v. 400.000 DM und hielt 89 v. H. des Stammkapitals der ET..
37Das FA für GroßBp ermittelte in seiner Kontrollmitteilung an den Beklagten (Bekl.) - das Finanzamt (FA) - vom 30.06.1997 den Gewinn des Kl. aus der Veräußerung der XXX von der Domizilgesellschaft N. an A1. in dem Zeitraum zwischen 01.01.1996 und 13.09.1996 auf der Grundlage der Honorarrechnung des Dipl.-Ing. E6. A. I4., in C3. vom 20.05.1994 im Schätzungswege wie folgt:
38Veräußerungserlös 16.747.000,00 DM
39./. Anschaffungskosten (AK) (Neugründung) 1.000.000,00 DM
40./. Anschaffungsnebenkosten 50.000,00 DM
41./. Veräußerungskosten 50.000,00 DM
42Veräußerungsgewinn 15.647.000,00 DM
43400/1250 Anteil des Kl. 5.007.040,00 DM.
44Das FA E3.-Ost stellte mit Bescheid vom 02.10.1997 den gemeinen Wert der Anteile an der Q. auf den 31.12.1994 bestandskräftig auf 188 DM je 100 DM des Stammkapitals fest. Das FA E3.-Ost teilte mit, dass der Kl. am Stammkapital der Q. i. H. v. 1 Mio. DM mit einem Anteil i. H. v. 320.000 DM beteiligt ist.
45Der Bekl. stellte mit Bescheid vom 18.08.1999 den gemeinen Wert der Anteile an der ET. auf den 31.12.1994 bestandskräftig auf 100 DM je 100 DM des Stammkapitals fest. Der Bekl. rechnete die Anteile dem Kl. zu 94,44 v. H. (= 425.000 DM) und der Klägerin (Klin.) zu 5,56 v. H. (= 25.000 DM) zu.
46Nachdem die Kl. trotz Aufforderung keine ESt-Erklärung für das Streitjahr 1996 und keine VSt-Erklärung auf den Streitzeitpunkt 01.01.1995 abgegeben hatten, schätzte der Bekl. in dem ESt-Bescheid für 1996 vom 20.07.1998 und in dem VSt-Bescheid auf den 01.01.1995 vom 02.09.1998 die Besteuerungsgrundlagen. Die Bescheide ergingen nach § 164 Abs. 1 AO unter dem Vorbehalt der Nachprüfung. In dem ESt-Bescheid setzte der Bekl. einen Gewinn des Kl. aus Gewerbebetrieb i. H. v. 5.007.040 DM und in dem VSt-Bescheid Anteile an Kapitalgesellschaften mit Beteiligungswerten i. H. v. 1.051.600 DM an.
47In den beiden Einspruchsverfahren reichten die Kl. ihre ESt-Erklärung für das Streitjahr und ihre VSt-Erklärung auf den Streitzeitpunkt ein. Sie erklärten keinen Gewinn aus der Veräußerung der XXX als Einkünfte nach § 17 EStG und keine Beteiligungen an der Q. und an der ET. als sonstiges Vermögen nach § 110 Abs. 1 Nr. 3 Bewertungsgesetz (BewG). In einem vorgelegten Schreiben des Rechtsanwalts Dr. V2. U3., in A4. (Schweiz), vom 12.03.1998 heißt es:
48"... Die N. Holding AG hat nur Inhaber-Aktien ausstehend, es ist deshalb für den Verwaltungsrat in der Regel nicht möglich, zu wissen, wer Aktionär der Gesellschaft ist. Das wird jeweils, zum Teil, klar an Generalversammlungen, wenn die anwesenden Aktionäre sich über das Eigentum an den Aktien ausweisen.
49In dieser Hinsicht kann ich Ihnen bestätigen, dass während meiner Amtszeit als Verwaltungsrat der N. Holding AG, d. h. seit 1991, Herr oder Frau T. nie als Aktionäre an einer Generalversammlung aufgetreten sind. ...
50Das FA für GroßBp minderte den Gewinn des Kl. aus der Veräußerung der XXX im Schreiben vom 12.11.1998 auf einen Betrag i. H. v. 1.510.000 DM wie folgt:
51Veräußerungspreis geschätzt 5.820.000 DM
52- DM
Anschaffungsnebenkosten geschätzt 50.000 DM
54Veräußerungskosten geschätzt 50.000 DM
55Veräußerungsgewinn 4.720.000 DM
56davon 400/1250 1.510.000 DM.
57Das FA für GroßBp hatte Kenntnis erlangt, dass A1. die Anteile an der XXX im Streitjahr gegen einen Betrag i. H. v. rund 5,82 Mio. DM an die N3. abgetreten hatte. Der Bekl. erfasste in dem geänderten ESt-Bescheid für 1996 vom 30.12.1998 einen Gewinn des Kl. aus Gewerbebetrieb i. H. v. 1.510.000 DM. Der Bekl. berücksichtigte in dem geänderten VSt-Bescheid auf den 01.01.1995 vom 08.07.1999 die Beteiligungen an Q. und an ET. mit Beträgen i. H. v. 601.600 DM und i. H. v. 450.000 DM, d. h. insgesamt i. H. v. 1.051.600 DM als sonstiges Vermögen der Kl. In der Einspruchsentscheidung (EE) wegen ESt 1996 vom 20.12.1999 gewährte der Bekl. für den geschätzten Veräußerungsgewinn i. H. v. 1.510.000 DM die Tarifermäßigung nach § 34 Abs. 2 Nr. 1 i. V. m. Abs. 1 Satz 1 EStG. Im Übrigen blieben die beiden Einsprüche erfolglos.
58Im Klageverfahren verfolgen die Kl. ihr Begehren weiter. Der Bekl. erließ den nach § 164 Abs. 2 AO geänderten ESt-Bescheid für das Streitjahr vom 04.02.2002. Er erhöhte die Einnahmen des Kl. aus Kapitalvermögen (KapV) i. H. eines Betrages von 19.205 DM auf 54.661 DM. Er hatte festgestellt, dass die ET. der N. verzinsliche Darlehen gewährt aber auf die Zinszahlungen i. H. v. insgesamt 60.017,97 DM im Streitjahr verzichtet hatte. Die in dem Zinsverzicht liegende verdeckte Gewinnausschüttung (vGA) der ET. an die N. rechnete der Bekl. i. H. v. 32 v. H. (= 400 von 1.250 Anteilen) dem Kl. zu.
59Die Kl. sind der Ansicht, dass der Bekl. nicht nachgewiesen habe, dass der Kl. einen steuerbegründenden Veräußerungsvorgang nach § 17 EStG verwirklicht habe. N. sei keine Domizilgesellschaft. Eine Holdinggesellschaft, deren Tätigkeit sich im Halten von Beteiligungen erschöpfe, werde in der Regel keine wirtschaftlichen Aktivitäten wie ein operatives Unternehmen entfalten. Der Kl. sei nicht Gesellschafter der N.. Er sei lediglich als Vertreter der israelischen Staatsbürgerin F6. Y. in der Aktionärsversammlung der N. vom 25.01.1989 aufgetreten. Er könne keine Vollmacht vorlegen, da Frau Y. inzwischen verstorben sei. Sie - die Kl. - hätten ihre Mitwirkungspflichten erfüllt. Wegen fehlender Gesellschaftereigenschaft könnten sie keinen Vertrag zwischen N. und A1. vorlegen. Aus dem Schreiben des Rechtsanwalts Dr. V2. U3. vom 12.03.1998 folge, dass sie nicht Gesellschafter der N. gewesen seien.
60Der Bekl. verstoße mit seinen Nachweisforderungen gegen den Grundsatz von Treu und Glauben. Bei früheren Betriebsprüfungen habe der Bekl. nicht ermittelt, wer Gesellschafter der N. ist. Die Finanzverwaltung habe erst acht Jahre nach dem Protokoll der Gesellschafterversammlung der N. vom 25.01.1989 Anfang des Jahres 1997 ihre diesbezüglichen Ermittlungen begonnen.
61Die Kl. legten ein Schreiben der Steuerberater der XXX vom 31.03.2004 vor.
62Darin heißt es:
63"Übertragung Anteile XXX GmbH
64Unser Schreiben vom 06.02.1997 an das Finanzamt für Großbetriebsprüfung, Herrn L3.
65Sehr geehrter Herr T.,
66das oben genannte Schreiben bezieht sich auf den Erwerb der Anteile an der XXX. Zentrum E3. GmbH durch die Marinepex I2. ..."
67Das Schreiben der Steuerberater der XXX vom 06.02.1997 könne nicht als Antwort auf die Frage des FA für GroßBp vom 17.01.1997 nach dem Anteilsübertragungsvertrag von N. auf die A1. angesehen werden. Dieses Schreiben und das Schreiben der steuerlichen Beratung der XXX vom 31.03.2004 bezögen sich nach Wortlaut und Inhalt auf die Veräußerung der XXX-Anteile durch A1. an N3..
68Die Kl. beantragen,
69unter Aufhebung des ESt-Bescheids für 1996 vom 04.02.2002 die Einkünfte aus Gewerbebetrieb i. H. des festgesetzten Veräußerungsgewinns nach § 17 EStG von 1.510.000 DM und die Einkünfte des Kl. aus KapV (vGA) i. H. v. 19.205 DM zu mindern,
70und unter Aufhebung des VSt-Bescheids auf den 01.01.1995 vom 08.07.1999 in Gestalt der EE vom 03.01.2000 das sonstige Vermögen der Kl. i. H. der angesetzten Beteiligungswerte an der Q. von 601.600 DM und an der ET. von 400.000 DM, d. h. insgesamt 1.001.600 DM zu mindern.
71Der Beklagte beantragt,
72die Klagen abzuweisen.
73Die bisherigen Feststellungen reichten aus, von der Verwirklichung des Veräußerungsgewinns im Streitjahr ausA.ehen. Auf eine gezielte Anfrage des FA für GroßBp vom 17.01.1997 nach dem Zeitpunkt der Veräußerung der XXX-Anteile von N. an A1. habe die steuerliche Beratung der XXX mit dem Schreiben vom 06.02.1997 bestätigt, dass die Veräußerung der XXX-Anteile erst im Streitjahr stattgefunden habe. Das nunmehr gegenteilige Schreiben der steuerlichen Beratung vom 31.03.2004 stehe im Widerspruch zum tatsächlichen Geschehensablauf. Dem FA für GroßBp sei aufgrund des vorliegenden Vertrages vom 13.09.1996 der Zeitpunkt der Abtretung der XXX-Anteile von A1. an N3. hinlänglich bekannt gewesen.
74Nachdem den Beteiligten eine Äußerung zu der Frage anheim gestellt worden war, ob der Übertragung der Sache auf den Einzelrichter Gründe entgegen stehen, hat der Senat mit Beschluss vom 17.07.2001 die Entscheidung des Rechtsstreits dem Einzelrichter übertragen (§ 6 Finanzgerichtsordnung (FGO)).
75Nachdem der Senat das Verfahren 3 K 617/00 VSt wegen VSt auf den 01.01.1995 übernommen hatte, hat der Senat mit Beschluss vom 17.08.2001 die Entscheidung des Rechtsstreits dem Einzelrichter übertragen (§ 6 FGO).
76Mit Beschluss vom 22.08.2001 hat der erkennende Richter die beiden Verfahren zu gemeinsamer Verhandlung und Entscheidung verbunden.
77Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt der gewechselten Schriftsätze und die Steuerakten verwiesen.
78Der erkennende Richter hat in dieser Sache am 11.11.2004 und 19.07.2005 verhandelt. Auf die Sitzungsniederschriften wird BeA. genommen.
79Entscheidungsgründe:
80Die Klage wegen ESt 1996 ist nicht begründet. Die Klage wegen VSt auf den 01.01.1995 ist insoweit begründet, als der Bekl. zu Unrecht die Beteiligung der Kl. an der ET. mit einem Betrag i. H. v. 450.000 DM anstatt richtigerweise mit einem Betrag i. H. v. 178.000 DM als sonstiges Vermögen der Kl. angesetzt hat. Im Übrigen ist die Klage wegen VSt auf den 01.01.1995 nicht begründet.
81Der Bekl. hat zu Recht in dem angefochtenen ESt-Bescheid für 1996 dem Kl. einen tarifbegünstigten Gewinn aus der Veräußerung der XXX i. H. v. 1.510.000 DM und Einnahmen aus KapV wegen einer vGA i. H. v. 19.205 DM A.erechnet.
82Nach § 17 Abs. 1 Satz 1 EStG gehört zu den Einkünften aus Gewerbebetrieb der Gewinn aus der Veräußerung von Anteilen an einer Kapitalgesellschaft, wenn der Veräußerer innerhalb der letzten fünf Jahre am Kapital der Gesellschaft wesentlich beteiligt war. Eine wesentliche Beteiligung ist nach § 17 Abs. 1 Satz 4 EStG i. d. F. des Streitjahres gegeben, wenn der Veräußerer zu mindestens 25 v. H. unmittelbar oder mittelbar beteiligt war.
83Der Kl. hat nach dem Gesamtergebnis des Verfahrens zur Überzeugung des erkennenden Richters im Streitjahr 1996 seine Beteiligung an der XXX, die 400/1250 des Stammkapitals umfasste, an die A1. veräußert und hierbei den vom Bekl. angesetzten Gewinn erzielt.
84Eine Veräußerung i. S. v. § 17 EStG ist mit der Übertragung des rechtlichen oder wirtschaftlichen Eigentums auf den Erwerber verwirklicht (stdg. Rspr.; Bundesfinanzhof (BFH), Urteil vom 01.03.2005 - VIII R 92/03 - BFH/NV 2005, 964 m. w. N.). Zwar liegt dem Gericht ein Vertrag, der die Übertragung der Anteile des Kl. an der XXX auf die A1. im Streitjahr beinhaltet, nicht vor. Aber zur Überzeugung des Gerichts handelt es sich bei der N. um eine zwischengeschaltete Briefkastenfirma, an welcher der Kl. i. H. v. 400/1250 beteiligt war, und die ihre 100 v. H. Anteile an der XXX im Streitjahr an die A1. veräußert hat.
85Der Bekl. ist zu Recht davon ausgegangen, dass die Zwischenschaltung der N. den Tatbestand des § 42 AO erfüllt. Es liegt ein Gestaltungsmissbrauch des Rechts mit der Folge vor, dass der in Rede stehende Veräußerungsgewinn nicht der N. sondern unmittelbar dem Kl. zuzurechnen ist und bei diesem der inländischen Besteuerung unterliegt.
86Nach § 42 Abs. 1 Sätze 1 und 2 AO kann durch Missbrauch von Gestaltungsmöglichkeiten des Rechts das Steuergesetz nicht umgangen werden. Liegt ein Missbrauch vor, so entsteht der Steueranspruch so, wie er bei einer den wirtschaftlichen Vorgängen angemessenen rechtlichen Gestaltung entsteht. Ein Missbrauch von rechtlichen Gestaltungsmöglichkeiten liegt vor, wenn eine rechtliche Gestaltung gewählt wird, die zur Erreichung des erstrebten wirtschaftlichen Ziels unangemessen ist, der Steuerminderung dienen soll und durch wirtschaftliche oder sonst beachtliche außersteuerliche Gründe nicht zu rechtfertigen ist. Die Zwischenschaltung von Basisgesellschaften in der Rechtsform einer Kapitalgesellschaft im niedrig besteuernden Ausland erfüllt den Tatbestand des Rechtsmissbrauchs, wenn für ihre Zwischenschaltung wirtschaftliche oder sonst beachtliche Gründe fehlen. Diese stdg. Rspr. des BFH (Urteil vom 20.03.2002 - I R 63/99 - Bundessteuerblatt (BStBl.) II 2003, 50, 52 m. w. N.) ist Ausdruck des Grundsatzes, dass das Steuerrecht in der Regel die gewählte zivilrechtliche Gestaltung respektiert. Dies gilt jedoch nicht für solche Gestaltungen, die nur der Manipulation dienen. Sie können der Besteuerung nur dann A.runde gelegt werden, wenn mit ihnen ein angemessener wirtschaftlicher Zweck verfolgt wird.
87Nach dem Gesamtergebnis des Verfahrens steht zur Überzeugung des Gerichts fest (§ 96 FGO), dass der Kl. die N. in Steuerumgehungsabsicht zwischengeschaltet hat. Nach dem Schreiben des BfF vom 23.01.1995 handelt es sich bei der N. um eine reine Briefkastenfirma (= Sitz- oder Domizilgesellschaft ohne eigenen wirtschaftlichen Geschäftsbetrieb). N. trägt seit ihrer Ersteintragung fast ununterbrochen einen sog. Domizilvermerk. Sämtliche Domizilgeber üben diese Funktion bei weiteren Gesellschaften aus. Bei den Anschriften handelt es sich um sog. Domiziladressen, unter denen eine Vielzahl von sog. Domizilgesellschaften ihren Sitz hat. Sämtliche Mitglieder des Verwaltungsrates (= Geschäftsführung) dürften als branchenfremd anzusehen sein, da sie - vermutlich - nicht über eine der vorgegebenen Geschäftstätigkeiten der N. entsprechende berufsspezifische Qualifikation verfügen. Alle Mitglieder des Verwaltungsrates sind von weiteren Unternehmen, zumeist Briefkastengesellschaften, als Verwaltungsrat eingesetzt worden. Die Sitzwechsel der N. erfolgten stets kurz nach dem Wechsel des Verwaltungsrates. N. verfügt über keine Kommunikationsmittel. Sie ist weder im Telefon- noch im Telefax- und/oder Telex-Verzeichnis aufgeführt.
88Nach dem Schreiben des BfF vom 23.01.1995 fehlen Anhaltspunkte für eine eigene wirtschaftliche Tätigkeit der N.. Sie ist nicht als Holdinggesellschaft unternehmerisch tätig.
89Angesichts dieser ungewöhnlichen Gestaltung wäre es die Aufgabe des Kl. gewesen, die wirtschaftliche Betätigung der N. und die Voraussetzungen für ihre rechtliche Anerkennung nachzuweisen und vor allem die hinter ihr stehenden Personen zu benennen (stdg. Rspr.; BFH, Urteil vom 20.03.2002 - I R 38/00 - BFH/NV 2002, 1202; BFH, Urt. vom 19.01.1994 - I R 40/92 - BFH/NV 1995, 181; FG Nürnberg, Urt. vom 10.07.2003 - IV 71/2001 - EFG 2005, 631, rkr.). Dem ist der Kl. nicht nachgekommen. Er hat insbesondere seine bei Sachverhalten der vorliegenden Art nach § 90 Abs. 2 AO bestehende erhöhte Mitwirkungspflicht verletzt.
90Der Kl. hat nicht nachgewiesen, dass er in der Aktionärsversammlung der N. vom 25.01.1989 lediglich als Vertreter der israelischen Staatsbürgerin F6. Y. aufgetreten ist. Er hat keine Vollmacht der F6. Y. vorgelegt. Aus dem Schreiben des Rechtsanwalts Dr. V2. U3. vom 12.03.1998 folgt entgegen der Ansicht der Kl. nicht, dass der Kl. im Streitjahr nicht Gesellschafter der N. war. Dieses Schreiben verhält sich nicht zu der Gesellschaftereigenschaft der Kl. bzgl. der N. im Streitjahr. Es bestätigt lediglich, dass seit dem Jahr 1991 die Kl. nie als Aktionäre an einer Generalversammlung der N. aufgetreten sind.
91Aus dem Schreiben der Steuerberater der XXX vom 06.02.1997, in dem es heißt:
92"... wunschgemäß bestätigen wir Ihnen, dass der Verkauf der Anteile an der XXX. Zentrum E3. GmbH erst in 1996 stattgefunden hat ..."
93ergibt sich zur Überzeugung des Gerichts, dass N. die Anteile an der XXX in dem Zeitraum vom 01.01.1996 - 13.09.1996 an A1. veräußert hat. Dieses Schreiben kann nur als Antwort auf die Fragen des FA für GroßBp in Tz. 5, 6 und 3 seiner Zusammenstellungen vom 14.01.1997, 17.01.1997 und 30.01.1997 verstanden werden. In diesen Fragen bat das FA für GroßBp, den Anteilsübertragungsvertrag von N. auf A1. vorzulegen und die Höhe des Kaufpreises durch weitere Anlagen und Unterlagen darzulegen.
94Aus diesen tatsächlichen Gegebenheiten folgt zur Überzeugung des erkennenden Richters, dass dem Kl. der Gewinn aus der Veräußerung der N. an die A1. im Streitjahr i. H. v. 400/1250 zuzurechnen ist. Nach Ziffer 1 Nr. 2 des Protokolls der ordentlichen Generalversammlung der Aktionäre der N. vom 25.01.1989 legte der Kl. eine Hinterlegungsbestätigung bezüglich 400 von insgesamt 1250 Aktien der N. vor.
95Der Veräußerungsgewinn wurde auch in der zutreffenden Höhe geschätzt (§ 96 Abs. 1 Satz 1 FGO i. V. m. § 162 AO). Als Veräußerungsgewinn ist nach § 17 Abs. 2 Satz 1 EStG i. d. Fassung des Streitjahres der Betrag anzusetzen, um den der Veräußerungspreis nach AbA. der Veräußerungskosten die Anschaffungskosten übersteigt. Der Bekl. hat diesen Veräußerungsgewinn auf der Grundlage des Schreibens der GroßBp vom 12.11.1998 zutreffend geschätzt. Das FA für GroßBp hatte Kenntnis erlangt, dass A1. die Anteile an der XXX im Streitjahr gegen einen Betrag i. H. v. rund 5,82 Mio. DM an die N3. abgetreten hatte. Der Bekl. legte diesen Betrag wegen der fehlenden Besteuerungsgrundlagen - der Vertrag zwischen N. und A1. bezüglich der Abtretung der Anteile an der XXX wurde nicht vorgelegt - als Veräußerungspreis A.runde, zog davon die historischen Anschaffungskosten der Anteile an der XXX (vgl. BFH, Urteil vom 01.03.2005 - VIII R 92/03 - BFH/NV 2005, 964) und geschätzte Anschaffungsnebenkosten und Veräußerungskosten i. H. v. jeweils 50.000 DM ab und rechnete dem Kl. den ermittelten Veräußerungsgewinn i. H. v. 4.720.000 DM mit 400/1250 (= 1.510.000 DM) zu.
96Entgegen der Ansicht der Kl. steht der Grundsatz von Treu und Glauben dem Ansatz des Veräußerungsgewinns nicht entgegen. Das FA muss eine als falsch erkannte Rechtsauffassung zum frühest möglichen Zeitpunkt aufgeben, auch wenn der Steuerpflichtige auf diese Rechtsauffassung vertraut haben sollte. Dies gilt selbst dann, wenn die - fehlerhafte - Auffassung im Prüfungsbericht niedergelegt worden ist, die Finanzbehörde über eine längere Zeitspanne eine rechtsirrige, für den Steuerpflichtigen günstige Auffassung vertreten hat oder der Steuerpflichtige im Vertrauen darauf disponiert hat (stdg. Rspr.; BFH, Beschluss vom 02.08.2004 - IX B 41/04 - BFH/NV 2005, 68 m. w. N.).
97Der Bekl. hat zu Recht den Verzicht der ET. im Streitjahr, Darlehenszinsen gegenüber der N. i. H. v. insgesamt 60.017,97 DM geltend zu machen, als vGA behandelt und dem Kl. anteilig als Einkünfte aus KapV i. S. des § 20 Abs. 1 Nr. 1 Satz 2 EStG i. d. Fassung des Streitjahres A.erechnet.
98Eine vGA i. S. des § 20 Abs. 1 Nr. 1 Satz 2 EStG i. d. Fassung des Streitjahres ist gegeben, wenn eine Kapitalgesellschaft ihrem Gesellschafter außerhalb der gesellschaftsrechtlichen Gewinnverteilung einen Vermögensvorteil zuwendet und diese Zuwendung ihren Anlass im Gesellschaftsverhältnis hat. Im Rahmen des § 20 Abs. 1 Nr. 1 EStG ist die vGA bei dem Gesellschafter zu erfassen, wenn ihm der Vermögensvorteil zufließt (stdg. Rspr.; BFH, Urteil vom 25.05.2004 - VIII R 4/01 - BFH/NV 2005, 105 m. w. N.).
99Die Voraussetzungen einer vGA sind im Streitfall erfüllt. Dem Kl. ist über den Zinsverzicht A.unsten der N. durch die ET. ein Vermögensvorteil A.ewendet worden. Er hat aus der Zuwendung zwar selbst keinen unmittelbaren Vorteil gezogen. Eine vGA kann jedoch auch dann gegeben sein, wenn der Vorteil dem Gesellschafter mittelbar in der Weise A.ewendet wird, das eine ihm nahe stehende Person aus der Vermögensverlagerung Nutzen zieht. Das "Nahestehen" in diesem Sinne kann familienrechtlicher, gesellschaftsrechtlicher, schuldrechtlicher oder auch rein tatsächlicher Art sein (BFH, in BFH/NV 2005, 105, 106). Die N., an welcher der Kl. zu 32 v. H. beteiligt war, war danach eine dem Kl. nahe stehende Person.
100Die Zuwendung des Zinsverzichts war auch durch das Gesellschaftsverhältnis veranlasst (vgl. BFH, in BFH/NV 2005, 105, 106). Der Kl. war Gesellschafter-Geschäftsführer der ET..
101Der Bekl. hat zu Recht die vGA mit ihrem Nettobetrag i. H. v. 19.205,75 DM (= 32 v. H. von 60.017,97 DM) als Einnahmen des Kl. aus KapV angesetzt. Der Kl. legte eine Bescheinigung zur Körperschaftsteuer (KSt)-Anrechnung nach § 36 Abs. 2 Satz 4 EStG i. d. Fassung des Streitjahres nicht vor. Die KSt war deshalb auch nicht als Einnahme nach § 20 Abs. 1 Nr. 3 EStG i. d. Fassung des Streitjahres anzusetzen.
102Der Bekl. hat den Kl. in dem VSt-Bescheid auf den 01.01.1995 dem Grunde nach zu Recht die Beteiligungen an Q. und an ET. als sonstiges Vermögen nach § 110 Abs. 1 Nr. 3 BewG A.erechnet.
103Der Betrag der Zurechnung bzgl. der Q. i. H. 601.600 DM ist nicht zu beanstanden. Das FA E3.-Ost hat mit Bescheid vom 02.10.1997 den gemeinen Wert der Anteile an der Q. auf den 31.12.1994 bestandskräftig auf 188 DM je 100 DM des Stammkapitals festgestellt. Da der Kl. an dem Stammkapital der Q. i. H. v. 1 Mio. DM über die Domizilgesellschaft N. am 01.01.1995 mit einem Anteil von 400/1250 beteiligt war, ist ihm ein Betrag i. H. v. 601.600 DM (= 32 v. H. von 1.880.000 DM) zuzurechnen.
104Der Betrag der Zurechnung bzgl. der ET. i. H. v. 450.000 DM ist zu beanstanden. Der Bekl. hat mit Bescheid vom 18.08.1999 den gemeinen Wert der Anteile an der ET. auf den 31.12.1994 bestandskräftig auf 100 DM je 100 DM des Stammkapitals festgestellt. Da der Kl. und die Klin. an dem Stammkapital der ET. i. H. v. 450.000 DM unmittelbar mit jeweils 25.000 DM und der Kl. über die Domizilgesellschaft N. am 01.01.1995 mit weiteren 128.000 DM (= 400/1250 der Einlage der N. i. H. v. 400.000 DM) beteiligt waren, ist ihnen insgesamt lediglich ein Betrag i. H. v. 178.000 DM zuzurechnen.
105Die Festsetzung der VSt wird dem Bekl. übertragen (§ 100 Abs. 2 Satz 2 FGO).
106Die Kostenentscheidung folgt aus § 135 Abs. 1 und 5, § 136 Abs. 1 Satz 3 FGO.
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