Beschluss vom Finanzgericht Münster - 1 K 4173/04 E
Tenor
Die Gerichtsakte wird gemäß § 86 Abs. 3 FGO dem Bundesfinanzhof zur Entscheidung im In-Camera-Verfahren über den Antrag des Klägers auf unbeschränkte Akteneinsicht vorgelegt.
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G r ü n d e:
2I.
3Streitig ist die Vorlage von Akten durch den Beklagten.
4Der Kläger wendet sich im vorliegenden Verfahren gegen die Nichtberücksichtigung von Ausgaben im Zusammenhang mit der Auflösung der A und Partner GbR. Diesbezüglich hat er nach erfolglosem Einspruchsverfahren gegen die Einkommensteuerfestsetzung 1996 am 4.8.2004 Klage eingereicht.
5Mit Schreiben vom 7.8.2004 beantragte er in diesem Verfahren, den Beklagten seitens des Gerichts aufzufordern, sämtliche Steuerakten vorzulegen. Der Beklagte übersandte darauf hin mit Schreiben vom 23.8.2004 Kopien der Aktenausfertigungen der Einkommensteuerbescheide vom 7.12.1998 und 19.7.2000 an den Kläger.
6Mit Schreiben vom 8.9.2004 wiederholte der Kläger sein Begehren, alle Steuerakten einschließlich der Handakten des Betriebsprüfers im laufenden Verfahren einsehen zu wollen. Er begründete dies damit, dass diese Akteneinsicht insbesondere zur Vorbereitung der noch ausstehenden Klagebegründung nötig sei. Ihm seien verschiedene, nicht näher bezeichnete Unterlagen abhanden gekommen bzw. bislang nicht vorgelegt worden.
7Mit Schreiben vom 3.9.2004 übersandte der Beklagte daraufhin die folgenden Akten:
8- Einkommensteuerakte StNr. xxxx/xxx1 für die Jahre 1995 bis 1997
9- Betriebsprüfungsakte StNr. xxxx/xxx1 mit dem Betriebsprüfungsbericht für die Jahre 1996 und 1997
10- Gewinnermittlungsakte StNr. xxxx/xxx1 für das Jahr 1996
11- Feststellungsakte für die Gemeinschaft A/T StNr. xxxx/xxx2 für das Jahr 1996 einschließlich der Entscheidung vom 20.8.2004 über den Einspruch gegen den Bescheid über die Ablehnung des Antrags auf einheitliche und gesonderte Feststellung von Besteuerungsgrundlagen zur Einkommensteuer 1996
12Anlasslich eines Telefonats mit dem Berichterstatter am 16.9.2004 wiederholte der Kläger seine Behauptung, dass seine Unterlagen unvollständig seien und er deshalb die Akten einsehen möchte, um so eine vollständige Klagebegründung einreichen zu können. Die BP-Handakte benötige er, da die Ergebnisse der BP mit dem Einkommensteuerbescheid 1996 umgesetzt worden seien. Der Berichterstatter bat in diesem Telefonat um Übersendung einer vorläufigen Klagebegründung sowie um eine Begründung, warum die BP-Handakte beim Beklagten anzufordern sei.
13Die Akteneinsicht in die vom Beklagten übersandten Akten erfolgte am 18.9.2004 im Beisein des Klägervertreters. Mit Schreiben vom 19.10.2004 reichte der Kläger eine vorläufige Klagebegründung ein und wiederholte seinen Antrag auf Einsicht in die Prüferhandakte. Er verwies auf die Entscheidung des BFH vom 16.5.2000 VII B 200/98.
14Mit Schreiben vom 11.11.2004 hat der Berichterstatter den Beklagten gebeten, die Prüferhandakte einzureichen. Mit Schreiben vom 6.1.2005 übersandte der Beklagte daraufhin die folgenden Handakten der Betriebsprüfer zu den Betriebsprüfungen bei der A & Partner GbR und bei dem Kläger. Er erklärte, dass er der Akte für die A & Partner GbR die folgenden Unterlagen entnommen habe:
15Aus der Prüferhandakte der A & Partner GbR
16Blätter 30, 31, 32, 36 bis 40, 44, 47, 48, 53, 57, 59 bis 63, 67 bis 75, 79 bis 85, 87, 91 bis 94, 98 bis 101, 105 bis 108, 111 bis 115, 159 bis 195, 208 bis 210
17Aus der Prüferhandakte des Klägers:
18Blätter 50, 51, 55, 60 bis 65, 69 bis 73, 77, 82 bis 84
19Begründet wurden diese Herausnahmen damit, dass diese Blätter Vermerke und Auskünfte zu steuerlichen Verhältnissen Dritter enthielten. Sie beträfen die Bearbeitung von Anfragen zum Vorsteuerabzug (Blätter in der Akte der GbR von 31 bis 115 bzw. Blätter in der Akte des Klägers von 50 bis 84) oder Kontrollmitteilungen über Geschäftsbeziehungen des Klägers mit Dritten (Blätter in der Akte der GbR von 159 bis 210). Sämtliche herausgenommenen Blätter unterlägen dem Steuergeheimnis.
20Der Kläger stellte daraufhin mit Schreiben vom 17.1.2005 den Antrag auch in diese Blätter Einsicht nehmen zu können.
21Mit Schreiben vom 2.2.2005 bat der Berichterstatter den Kläger vor Entscheidung über seinen Antrag vom 17.1.2005 um Übersendung einer abschließenden Klagebegründung, welche der Kläger – überschrieben als vorläufige Klagebegründung – mit Schreiben vom 16.3.2005 einreichte. Hinsichtlich des aufrecht gehaltenen Antrags auf Akteneinsicht verneinte er das Vorliegen des Steuergeheimnisses.
22Nach erfolgter Erörterung der Sach- und Rechtslage auch unter Beachtung des Antrags auf Akteneinsicht in die herausgenommenen Blätter der Handakten übersandte der Beklagte diese Blätter dem Klägervertreter in geschwärzter Form.
23Aus Sicht des Klägers reicht diese Art der Übersendung nicht aus. Er hält deshalb seinen Antrag auf Akteneinsicht in diese Unterlagen aufrecht und verweist auf seinen bisherigen Vortrag.
24Der Kläger beantragt sinngemäß,
25festzustellen, dass das Verhalten des Beklagten, die aus der Prüferhandakte der A & Partner GbR entnommenen Blätter 30, 31, 32, 36 bis 40, 44, 47, 48, 53, 57, 59 bis 63, 67 bis 75, 79 bis 85, 87, 91 bis 94, 98 bis 101, 105 bis 108, 111 bis 115, 159 bis 195, 208 bis 210 sowie die aus der Prüferhandakte des Klägers entnommenen Blätter 50, 51, 55, 60 bis 65, 69 bis 73, 77, 82 bis 84 dem Gericht nicht vorzulegen, rechtswidrig ist.
26Der Beklagte beantragt sinngemäß,
27festzustellen, dass das Verhalten des Beklagten, die aus der Prüferhandakte der A & Partner GbR entnommenen Blätter 30, 31, 32, 36 bis 40, 44, 47, 48, 53, 57, 59 bis 63, 67 bis 75, 79 bis 85, 87, 91 bis 94, 98 bis 101, 105 bis 108, 111 bis 115, 159 bis 195, 208 bis 210 sowie die aus der Prüferhandakte des Klägers entnommenen Blätter 50, 51, 55, 60 bis 65, 69 bis 73, 77, 82 bis 84 dem Gericht nicht vorzulegen, rechtmäßig ist.
28Der Beklagte ist der Ansicht, dass die Vorlage der genannten Unterlagen zur Gerichtsakte das Steuergeheimnis verletzte und er deshalb nicht zur Vorlage verpflichtet sei.
29Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten wird auf die Gerichtsakte und die beigezogenen Verwaltungsvorgänge Bezug genommen.
30II.
31Dem Bundesfinanzhof ist aufgrund des Antrags des Klägers gemäß § 86 Abs. 3 Satz 1 FGO die Gerichtsakte vorzulegen.
32Gemäß § 86 Abs. 3 Satz 1 FGO hat der Bundesfinanzhof in einem sogenannten In-Camera-Verfahren zu prüfen, ob das Verhalten des Beklagten, die in den Anträgen genannten Blätter nicht zur Gerichtsakte zu übersenden, rechtmäßig ist oder nicht. Der hierfür notwendige Antrag gemäß § 86 Abs. 3 Satz 1 FGO ist vom nichtberatenen Kläger bereits am 7.8.2004 dadurch gestellt worden, dass die Akteneinsicht in alle Steuerakten verlangt worden ist. Dies ist später entsprechend konkretisiert worden.
33Aufgrund der gesetzlichen Neuregelung des § 86 Abs. 3 FGO hat nunmehr der BFH über diesen Antrag zu entscheiden. Dies folgt aus der Neuregelung dieser Norm durch das Justizkommunikationsgesetz (JKomG) vom 22.3.2005 (BGBl I 2005, 837), welches zum 1.4.2005 ohne Übergangs- oder Anpassungsregelungen in Kraft getreten ist. Das Finanzgericht ist deshalb für Anträge i.S.d. § 86 Abs. 3 FGO a.F., die zwar vor dem 1.4.2005 gestellt worden sind, bislang aber noch nicht entschieden worden sind, nicht mehr entscheidungsbefugt (vgl. BFH-Beschluss vom 7.12.2006 V B 163/05, BStBl II 2007, 275).
34Aus diesem Grunde kann es das Finanzgericht dahinstehen lassen, ob die Regelung des § 86 Abs. 3 FGO a.F. aufgrund der Verletzung des Art 19 Abs. 4 GG wie die Parallelvorschrift des § 99 Abs. 1 Satz 2, Abs. 2 Satz 1 VwGO a.F. verfassungswidrig war (vgl. BVerfG-Beschluss vom 27.10.1999 1 BvR 385/90,BVerfGE 101, 106, NJW 2000, 1175) und welche Folgerungen daraus zu schließen waren.
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