Urteil vom Finanzgericht Münster - 12 K 1084/07 E,G
Tenor
Unter Aufhebung des Einkommensteuer- und des Gewerbesteuermessbescheids jeweils für 2004 jeweils vom 30.10.2006 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 14.02.2007 wird der Gewinn des Klägers aus Gewerbebetrieb um 26.595 EUR auf 59.122 EUR gemindert. Die daraus folgenden Änderungen werden dem Finanzamt übertragen.
Der Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens.
Das Urteil ist wegen der Kostenentscheidung ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des Kostenerstattungsanspruchs des Klägers abwenden, soweit nicht der Kläger zuvor Sicherheit in derselben Höhe leistet.
1
Tatbestand:
2Es ist zu entscheiden, ob die Verteilung des Gewinns, der bei dem Übergang von der Einnahmen-Überschussrechnung (§ 4 Abs. 3 Einkommensteuergesetz (EStG)) zu der Gewinnermittlung durch Vermögensvergleich (§ 4 Abs. 1 EStG) wegen Überschreitens der Gewinngrenze des § 141 Abs. 1 Abgabenordnung (AO) entstanden ist, auf drei Jahre aufzuheben ist, wenn der Einzelunternehmer seinen Betrieb in eine neugegründete Gesellschaft des bürgerlichen Rechts (GbR) zu Buchwerten einbringt (§ 24 Umwandlungssteuergesetz (UmwStG)).
3Der Kläger (Kl.) betrieb bis zum 31.12. des Streitjahres 2004 ein Einzelunternehmen zur Herstellung und zum Vertrieb von Nahrungsergänzungsfuttermitteln, insbesondere für Schweine. Zum 01.01.2005 brachte er sein Unternehmen zu Buchwerten in die N GbR ein. Er hielt einen Anteil i. H. v. 95 v. H. und seine Ehefrau einen unentgeltlich erlangten Anteil i. H. v. 5 v. H. an der Gesellschaft.
4Wegen Überschreitens der Gewinngrenze nach § 141 Abs. 1 AO ermittelte er ab dem 01.01. des Streitjahres 2004 seinen gewerblichen Gewinn nicht mehr durch Einnahmen-Überschussrechnung (§ 4 Abs. 3 EStG) sondern durch Bestandsvergleich (§ 4 Abs. 1 EStG). In seinen Einkommensteuer- (ESt.) und Gewerbesteuer- (GewSt.) Erklärungen für 2004 errechnete er einen Übergangsgewinn i. H. v. 41.377,75 EUR, den er beantragte, zu 1/3, d. h. i. H. v. 13.792 EUR, seinem laufenden Gewinn aus Gewerbebetrieb hinzuzurechnen. Der Beklagte (Bekl.) – das Finanzamt (FA) – berücksichtigte den Gewinn des Kl. aus Gewerbebetrieb i. H. v. 63.227 EUR erklärungsgemäß in dem ESt-Bescheid für 2004 vom 20.04.2006 und in dem GewSt-Messbescheid für 2004. Die Bescheide ergingen unter dem Vorbehalt der Nachprüfung (§ 164 Abs. 1 AO).
5Im Rahmen einer Betriebsprüfung (Bp) bei dem Kl. für die Jahre 2002 bis 2004 vertrat der Prüfer die Ansicht, dass der Übergangsgewinn über den Zeitpunkt der Betriebsbeendigung zum 31.12.2004 bzw. der Einbringung zum 01.01.2005 hinaus nicht verteilt werden könne (BFH, Urteil vom 13.09.2001 – IV R 13/01 – BStBl. II 2002, 287). Die Bp ermittelte einen Übergangsgewinn i. H. v. 39.892,45 EUR und erfasste ihn in voller Höhe im Streitjahr (wegen der Einzelheiten s. Textziffer 2.4 des Bp-Berichts vom 16.10.2006).
6Der Bekl. folgte der Ansicht der Bp. Er erfasste in den jeweils nach § 164 Abs. 2 AO geänderten ESt- und GewSt-Messbescheiden für 2004 jeweils vom 30.10.2006 den Übergangsgewinn des Kl. in voller Höhe. Der Bekl. hob jeweils den Vorbehalt der Nachprüfung auf. Die Einsprüche blieben erfolglos.
7Im Klageverfahren verfolgt der Kl. sein Begehren weiter. Er ist der Ansicht, dass im Streitfall – anders als im Fall des BFH, in BStBl. II 2002, 287 – die Gewinnballung aufgrund des Überschreitens der Gewinngrenze des § 141 Abs. 1 AO zum 01.01.2004 ohne seinen Willen geschehen sei. Deshalb sei eine Billigkeitsmaßnahme, d. h. die Verteilung des Übergangsgewinns i. H. v. 39.892 EUR auf drei Jahre, geboten (BFH, Urteil vom 07.12.1971 – VIII R 22/67 – BStBl. II 1972, 338; Schmidt/Heinicke, EStG, 26. Auflage 2007 § 4 Rdz. 669).
8Der Kl. beantragt,
9unter Aufhebung der ESt- und GewSt-Messbescheide für 2004 jeweils vom 30.10.2006 in Gestalt der Einspruchsentscheidung (EE) vom 14.02.2007 seinen Gewinn aus Gewerbebetrieb um 26.595 EUR, d. h. 2/3 des Übergangsgewinns, auf 59.122 EUR herabzusetzen,
10hilfsweise für den Fall des Unterliegens, die Revision zuzulassen.
11Der Bekl. beantragt,
12die Klage abzuweisen.
13Er ist der Ansicht, dass bei der Einbringung eines Betriebs in eine Personengesellschaft zu Buchwerten der Übergangsgewinn nicht verteilt werden könne (BFH, in BStBl. II 2002, 287).
14Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt der gewechselten Schriftsätze und die Steuerakte verwiesen.
15Der Berichterstatter hat die Sache am 12.11.2007 erörtert. Auf die Sitzungsniederschrift wird Bezug genommen.
16Der Senat entscheidet mit Einverständnis der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung (§ 90 Abs. 2 Finanzgerichtsordnung (FGO)).
17Entscheidungsgründe:
18Die Klage ist begründet.
19Der Bekl. hat es zu Unrecht abgelehnt, den Gewinn des Kl. aus Gewerbebetrieb um 2/3 seines Gewinns aus dem Übergang von der Einnahmen-Überschussrechnung zum Bestandsvergleich wegen Überschreitens der Gewinngrenze nach § 141 Abs. 1 AO zum 01.01.2004 i. H. v. 26.595 EUR (= 2/3 von 39.892,45 EUR) in den angefochtenen ESt- und GewSt-Messbescheiden für 2004 zu mindern.
20Geht ein Steuerpflichtiger von der Einnahmen-Überschussrechnung nach § 4 Abs. 3 EStG zur Gewinnermittlung durch Bestandsvergleich nach § 4 Abs. 1 oder § 5 EStG über, so erfordert der Wechsel vom Zu- und Abflussprinzip zum Realisationsprinzip die Vornahme von Zu- und Abrechnungen, damit sich Geschäftsvorfälle nicht doppelt oder (andererseits) überhaupt nicht auswirken (stdg. Rspr.; u. a. BFH in BStBl. II 2002, 287, 288 m. w. N.).
21Rechtsgrundlage der Gewinnkorrekturen beim Übergang zum Bestandsvergleich ist der Gewinnbegriff des § 4 Abs. 1 EStG, der es erfordert, den Steuerpflichtigen so zu stellen, als hätte er von Anfang an bilanziert. Der Übergang zum Bestandsvergleich dient daher nicht nur der Ermittlung eines Veräußerungs- oder Einbringungsgewinns, sondern bezweckt auch eine dem Gewinnbegriff des EStG entsprechende Erfassung des laufenden Gewinns. Die sich daraus ergebenden Gewinnerhöhungen entsprechend dem Gesetzesplan, der Billigkeitsregelungen allenfalls rechtfertigen kann, wenn ein solcher Wechsel der Gewinnermittlungsart zwingend, d. h. aufgrund gesetzlicher Vorschriften, wie etwa des Eintritts in die Buchführungspflicht, vorzunehmen ist. R 4.6 Abs. 1 Satz 4 Einkommensteuerhandbuch (EStH) 2005 geht insoweit darüber hinaus, als sie eine Billigkeitsverteilung der Gewinnhinzurechnungen auf zwei oder drei Jahre auch für den Fall eines freiwilligen Übergangs zum Bestandsvergleich zulässt, für den weder eine sachliche noch eine persönliche Härte zu bejahen ist (BFH, in BStBl. II 2002, 287, 288).
22Im Streitfall bedurfte es – anders als in dem dem BFH-Urteil in BStBl. II 2002, 287 zugrunde liegenden Sachverhalt – eines Übergangs zum Bestandsvergleich zum 01.01.2004, weil der Gewinn des Kl. aus Gewerbebetrieb die Grenze des § 141 Abs. 1 AO überschritten hatte. Zwar ist die mitunternehmerisch tätige GbR als Personengesellschaft ein eigenständiges Subjekt der Gewinnerzielung, der Gewinnermittlung und der Einkunftsart, die von dem einzelnen Gesellschafter als Subjekt der ESt. nach § 1 EStG zu unterscheiden ist (stdg. Rspr.; u. a. BFH Urteil vom 07.03.1996 – IV R 2/92 – BStBl. II 1996, 369), und ist die GbR persönlich (subjektiv) gewerbesteuerpflichtig (§ 5 Abs. 1 Satz 3 Gewerbesteuergesetz (GewStG)), so dass die Billigkeitsmaßnahme im Streitfall, in dem der Kl. sein Einzelunternehmen zum 01.01.2005 zu Buchwerten in die N GbR eingebracht hatte, ab dem 01.01.2005 nicht gerechtfertigt wäre, weil die infolge des Wechsels der Gewinnermittlungsart veranlasste Gewinnkorrektur die Existenz eines fortbestehenden Betriebs nicht gefährdet (vgl. BFH, in BStBl. II 2002, 287, 288). Diese Betrachtung übersieht aber im Fall der Einbringung zu Buchwerten, dass in der ESt. die einzelnen Gesellschafter, nicht aber die GbR Unternehmer sind (§ 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG), (stdg. Rspr.; BFH, Beschluss vom 12.06.1996 – IV B 133/95 – BStBl. II 1997, 82) und dass in der GewSt. ebenfalls die einzelnen Gesellschafter als (Mit)Unternehmer der GbR sachlich (objektiv) gewerbesteuerpflichtig sind. Durch die Verweisung in § 2 Abs. 1 Satz 2 GewStG auf § 15 EStG hat die GewSt. die Wertung der ESt. übernommen (stdg. Rspr.; BFH, in BStBl. II 1997, 82).
23Die sich hieraus ergebenden Änderungen der angefochtenen Bescheide werden dem Bekl. übertragen.
24Die Kostenentscheidung folgt aus § 135 Abs. 1 FGO.
25Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf den §§ 151 Abs. 3, 155 FGO i. V. m. den §§ 708 Nr. 10, 711 Zivilprozessordnung (ZPO).
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